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Laufberichte

Des Läufers Kreislauf

28.01.12

Wieder zum Ultra-Aufgalopp nach Rodgau, das steht auf meinem Plan für Januar. Was es mit der Überschrift auf sich hat, dem Unterschied zwischen Kreislauf und greis(lichen)-Lauf und vieles andere, auch zum Schmunzeln, das erfahrt ihr in diesem Bericht.

Ich reise am Vortag an und habe mich gleich für die Übernachtung in der Turnhalle angemeldet. Das ist ganz praktisch, denn dann brauche ich nicht vor dem Wettkampf über drei Stunden hinterm Steuer sitzen. Rund 80 Athleten haben sich für diese Annehmlichkeit entschieden. „Legt euch geordnet in die Halle, denn es wird voll werden“, hat Reinhardt Schultz gemailt. So viele werden es aber nicht, denn geschätzte 50 haben sich ihr Lager nach meiner Einkehr in der nebenan liegenden Sportgaststätte eingerichtet. Wer noch einen Bissen oder ein Bierchen als Schlafmittel gegen Schnarcher braucht, dem wird geholfen. Wie meinen Freunden aus Hochfranken um Münchberg, die schon zur Hopfenkaltschale über das Rennen diskutieren.

Am nächsten Morgen wache ich gegen Sieben auf. Nicht weil das Licht angeht, sondern weil der Luftmatratze irgendwo die Luft ausgegangen ist und mein Rücken auf den ungepolsterten Untergrund allergisch reagiert. Hoffentlich geht mir später nicht die Luft aus.

Für uns wird ein Frühstück gerichtet, das alles beinhaltet, was man sich wünscht. Und das Beste: Es kostet nichts, ein schöner Service.

Auch  das Rennen ist perfekt, denn du kannst nach jeder der zehn Runden aussteigen und erhältst dafür Wertung und Online-Urkunde. Wer sich zeitig anmeldet, der erhält für 25 EUR noch ein praktisches Laufutensil bei der Startnummernausgabe. Nachmeldung kostet einen kleinen Schein mehr.

Beim Frühstück sitze ich mit zwei aus dem Schwabenländle zusammen, Patric Marquart und Thomas Heizmann. Mit Patric plane ich im Sommer noch ein besonderes Unternehmen. Ihr dürft gespannt sein. Nach dem Frühstück mit Semmel, Wurst, Käse, Marmelade, Honig und Müsli holen wir unsere Startnummern im Clubheim der Tennisfreunde gleich nebenan.

 

Vor den Lauf

 

Die Zeit vergeht wieder zu schnell, also auf zum zehnminütigen Spaziergang zur Freizeitanlage Gänsbrüh (knapp 1000 Meter entfernt), wo Start und Ziel eingerichtet ist. Teilnehmer am Lauf sollten Wechselkleidung mitnehmen, falls ein Kleidertausch notwendig werden sollte. Zumindest hat man nach dem Finish trockene Klamotten bereit. Denn nichts ist ärgerlicher, im verschwitzten Zustand auszukühlen und sich noch einen Infekt einzufangen.

Wettertechnisch scheint es für den Ultra gar nicht mal so schlecht zu sein. Fast kein Wind, knapp über dem Gefrierpunkt und den wenigen Schnee bei Start und Ziel werden die Läufer zum Tauen bringen.

Wenige Augenblicke vor dem Startschuss begebe ich mich in das Startfeld, das abermals gewachsen ist. Die Rekordzahl aus 2009 mit 743 Startern wird überboten, denn 833 stehen heute im Startkanal. Eine Drängelei braucht es nicht, da für jeden seine Nettozeit genommen wird. Außerdem werden alle Rundenzeiten festgehalten, so kann jeder später sein Rennen analysieren.

 

Start und erste Runde

 

Startschuss, Runde eins: Auch wenn ich mich im ersten Läuferdrittel befinde, es geht bedächtig und gemächlich nach einer halben Minute Stau auf die ersten Meter. Nach einem langen leichten Gefälle biegen wir am Waldrand scharf rechts ab. In der Kurve liegt ein wenig Matsch, also sollten die mit den profillosen Sommerlatschen das Tempo herausnehmen, nicht dass es einem da die Füße wegzieht und man im Dreck landet. Am Waldrand steigt der Kurs unmerklich zur Verpflegungsstelle an. Da sehe ich Joe. Der hat einen Schnellstart hingelegt und verstaut seine Privatverpflegung unter einem Biertisch. Zwei
Halbe eines isotonischen Hopfengetränks hat er gebunkert, denn, so Joe, „den Tee brauchen die anderen.“ An der V-Stelle greift jetzt natürlich noch keiner zu, später werden aber die Helfer gut zu tun bekommen.

Kilometerschild eins befindet sich bereits im Bereich der Felder. Der Wind kommt hier leicht von der Seite. Ostwind, der macht halt im Winter die Angelegenheit schwieriger, da er meist Kälte mitbringt. Ja, und die Kälte aus Rußland steht schon bereit, sagt der Wetterfrosch. Zieht's euch dann warm an.

Später biegen wir rechtwinkelig ab. Ein paar Zuschauer haben sich an einer Parkbank niedergelassen. Schaun mer mal, wie lange die das aushalten. Apropos aushalten: Das müssen die knapp 2000 Winterschwimmer, die sich heute in Neuburg in die Donau stürzen. Oder die Biker, die in Thurmannsbang sich zum Elefantentreffen verabredet haben. Eines haben wir mit denen gemeinsam. Heute sind wir nah an der Natur dran.

Das Aushalten ist so eine Sache. Eine Stunde im drei Grad kalten Donauwasser, wenn der Neopren undicht ist oder die Nacht bei Schnee, Frost und alkoholbedingten Exzessen verbringen, das kann nicht jeder. Zehn Runden im Kreis zu rennen, auch nicht. Sich Aushalten lassen im Wirtshaus, ist die wohl angenehmere Form, aber das kann einen auch ans Limit bringen.

Ein wenig Windschutz gibt uns die Heckenreihe auf der linken Seite. Bei Kilometerschild zwei sind wir wieder im Wald und völlig windgeschützt. Später biegen wir links ab, wo das kurze Pendelstück folgt. Im Stop-and-Go erreichen wir die Markierung in Form eines Biertisches, um den wir kreiseln. Für ein Niederlassen fehlen die Bierbänke und die Bedienung, die das Bier kredenzt. Am Ende des Gegenverkehrsbereiches haben wir dann genug Platz für unsere Rennerei. Da hat man zur Unterhaltung zwei Lautsprecher montiert und aus denen werden wir mit schmissigen Rhythmen beschallt.

Kurz nach dem dritten Kilometer verlassen wir den Wald und unsere Strecke führt nun rund 500 Meter über die Felder. Ein ganz kurzes Stückchen ist hier asphaltiert, der Rest des Weges ist teilweise von Pfützen und auch noch von wenig Schnee bedeckt.

Wieder im Wald geht es links und dann rechts herum, hier müssen wir aufpassen, denn der Untergrund ist etwas uneben und eine Drecklache ist noch gefroren, jedoch mit Sägespänen markiert. Kilometer vier, links ist das Testgelände von Opel, eingezäunt wie ein Munitionslager. Es folgt eine kleine Steigung, fast nicht wahrnehmbar. Die wird aber der eine und andere beim Fortgang des Rennens noch verfluchen.

Nach einer leichten Rechtskurve geht es gefällig zum Zielgelände, links sehen wir vorher noch einen Spielplatz und einen Weiher. Gabi Gründling moderiert sachkundig und versucht, möglichst viele Sportler anzusprechen.

Doch als ich auf die Uhr schaue, muss ich die Sachsen und Türken bemühen, denn über 28 Minuten zeigt das Zeiteisen. Doch 20 Bilder sind im Kasten, eine gute Ausbeute. Doch im Vergleich zu unserem Cheffe, der mit wesentlich besserem Equipment an der Strecke steht, werde ich jetzt die Fotohalte spärlicher setzen, zumal mir der Joe auf den Fersen ist. Weiter, neun Runden habe ich noch Zeit, ein zufriedenstellendes Ergebnis zu produzieren.

 

Runde zwei bis fünf

 

Zehn Runden laufen auf einem Fünfziger. Vereinskollegen und Freunde können das nicht verstehen und befinden: „Des is doch greislich.“ Die Runde ist aber nicht öde. Es ist kurzweilig, die Landschaft ändert sich fortlaufend, alles ist flüssig zu rennen, der Untergrund beinhaltet Asphalt und befestigte Wege zu gleichen Teilen. Und die Wendepunktstrecke bietet eine interessante Beobachtungsmöglichkeit.

Ich will die nächsten Runden schneller laufen, jedoch die V-Stelle nicht sprichwörtlich links liegenlassen. Vor der eigentlichen Tankstelle sind Tische für die Privatiers vorhanden. Das gemeine Volk muss sich dann weiter hinten anstellen. Nein, es gibt keine Wartezeit, die freundlichen Helfer reichen Tee, Cola, Wasser und Iso zu. An nächsten Tisch warten Nüsse, Riegel, Obst und andere leckere Sachen zum Verzehr.

Am Ende der zweiten Runde rechne ich eine Zeit von 25 Minuten aus, so ist's recht. Doch kurz nach der der V-Stelle kommt schon der Führungsradler von hinten. Herrschaftszeiten,  ist der schnell. Ich habe gut 10 Kilometer hinter mir und der ist schon fünfe weiter. Fast nicht zu glauben.

Aber wie soll denn ein 50er gerannt werden. Wenn dich beim Marathon der Schweinehund bei Kilometer 35 piesackt, wirst du den noch irgendwie heimlaufen können. Aber beim 50er? Möglichst gleichmäßig von Anfang an? Oder gleich die erste Runde zum Einlaufen nutzen? Ist vielleicht gar nicht so verkehrt.

In der dritten Runde beginnen die Überholungen, zuerst noch von der Spitzengruppe, wo auch ein Japaner mit einer lustigen Kopfbedeckung mitmischt. Am Wendepunkt kann ich ihn auf meinen Chip bannen. Und er, ohne Allüren, lacht und hebt beide Arme in die Höhe. Später kann ich dann auf das Schlussfeld auflaufen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die letzten die komplette Strecke in sechs Stunden schaffen können. Aber es besteht ja die Möglichkeit, vorher sein Rennen zu beenden.

Vierte Runde, mein Tempo bleibt etwa beim Fünfer-Schnitt. Ich laufe auf Klaus-Dieter vom Team Hochfranken auf und lasse ihn nach der V-Stelle hinter mir. Die Überholmanöver werden nun häufiger. Aber auf der Strecke ist dafür genügend Platz, auch wenn es im Bereich des Wendepunktes mitunter mal eng werden sollte. Dort kann ich Eberhard überrunden. Ein paar Meter weiter ist unser Haus- und Hoffotograf mit seiner Lieblingsarbeit beschäftigt. Die fünfte Runde beende ich nach knapp 2.07 Stunden. Diese Zeit verdoppeln, das wäre die richtige Zielzeit, aber so leicht wird es nicht werden.

 

Zweite Hälfte

 

An der V-Stelle nehmen sich die Läufer nun mehr Zeit. Sie bleiben stehen, fassen Getränke und Futteralien, marschieren ein paar Meter und traben wieder an. Mir persönlich schmeckt der warme und süße Tee besonders gut. Meine feste Nahrung beschränkt sich auf ein Bananenstückchen und einen Riegelhappen. Gerne  würde ich bei einer von Joe’s  Flaschen zugreifen,  aber der scheint heute in einem Wahnsinnstempo unterwegs zu sein. Das hat sich in Leipzig schon angedeutet.

Im Wechselbereich sehe ich ein bekanntes Pärchen, das eigentlich nur für ein kurzes Läufchen in Rodgau erscheinen wollte: Andrea und Kay. Beide erwische ich mit der Kamera mit voller Breitseite. Runden sechs bis acht verlaufen gut, auch wenn am Ende die Füße schon schwerer werden.

Die Führenden setzen bereits ihren Endspurt und legen sich noch mal ins Zeug. Seit geraumer Zeit duelliere ich mit den Oberfranken Josef und Alexander. Mal sind die vorne, dann gehe ich wieder vorbei. „So einfach wie der erste Kilometer“, lese ich auf der Rückseite eines Läufers. Wenn das jetzt so easy wäre mit 40 Kilometern Kreiselei in den Haxen.

Vorletzte Runde: Am Marathonpunkt, der gekennzeichnet ist, ist ein Gehpause fällig, die ich gleich für eine Fotoeinlage nutze. Dann trabe ich wieder an. Im großen Feld wird mittlerweile nicht mehr geratscht, jeder ist mit sich beschäftigt und am kämpfen. Die ersten werden sich schon im Zielbereich laben. Ich laufe auf Joe auf und motiviere ihn mit einem „Quäl Dich“, was er mit einem „Du Sau“ quittiert.

Durch den schnellen Kilometer zum Ziel hinunter geht mein Kreislauf bei diesem vorletzten Kreislauf in den Keller. Mir ist furchtbar übel, was sich aber nach zehn Minuten im langsameren Tempo wieder legt. Die Kilometer ziehen sich jetzt wie Kaugummi. Die V-Stelle habe ich ungenutzt liegen gelassen, es hilft ja doch nicht mehr. Als ich auf Bernhard neben dem Opelgelände langsam aufschließen kann, kommt noch ein schneller Hirsch von hinten. Allerdings stöhnt er recht laut. „Kannst du nicht normal laufen, solche Geräusche gibt es nur beim Kindermachen“, so Bernhards Feststellung.

Die letzte Welle neben dem Testgelände ist mittlerweile zum Berg mutiert, ich kann mich jedoch noch joggenderweise darüber retten. Dann lasse ich es laufen zum Ziel, aber nicht mehr als schneller Hirsch, eher schon als lahmer Gaul.

Mit einem lauten „Feierabend“  laufe ich nach 4.20 Stunden durch das Ziel. Josef konnte mir auf den letzten zwei Kilometern noch fast eine Minute abnehmen. Ich bin froh, dass ich den langen Kanten so gut hinter mir bringen konnte.

 

Im Zielbereich

 

Im Ziel ziehe ich mir schnell eine warme Jacke drüber. Ich sehe gerade noch, wie Joe, die Kampfsau, auf seine letzte Runde geht. Die Zielverpflegung lässt keine Wünsche offen. Gut schmecken das Malzbier und der heiße Tee.

Was sagt die Ergebnisliste: Gesamtplatz 126 bei 556 Finishern über 50 Kilometer in 4.20.08 Stunden. Das passt. Die Duschen im Sportzentrum haben warmes Wasser. In der Sporthalle brummt mittlerweile der Laden an der Essens- und Getränkeausgabe. Mit Joe und Kay zusammen belegen wir Rang 19 in der Mannschaftswertung. Damit können wir jetzt in der  m4y-Chefetage ein wenig angeben.

Fazit: Ganz kurz beschrieben: Familiär organisiert, kurzweilig, super Verpflegung, gutes Training so früh im Jahr. Und überhaupt nicht „greislich“ ist des Läufers Kreislauf.

 

Siegerehrung

 

Siegerliste:

 

Männer

1 Evgenii Glyva Malaya Pavlovka 3:02:32,7 (Streckenrekord)
2 Wataru Iino SG Stern Stuttgart 3:09:00,3
3 Marc Papanikitas Marathonplus 13:14:40,9

Frauen

1 Elissa Balles Erlenbach 3:41:30,4
2 Astrid Staubach LG Vogelsberg 3:57:59,5
3 Gabriele Wertmüller LG Derendingen 3:58:48,0

 

556 Finisher

 

 

 

Informationen: Ultramarathon Rodgau
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