Außenseiter Victor Kipchumba erzielte bei nahezu idealen Marathon-Bedingungen eine deutliche persönliche Bestleistung und jubelte vor dem Burgtheater in der zweitschnellsten, je beim VCM erzielten Laufzeit von 2:06:56 Stunden überraschend als Sieger. Damit verhinderte der 28-Jährige den ersten europäischen Sieg beim VCM seit 2001 und den ersten Schweizer Champion in Wien überhaupt.
Tadesse Abraham wurde seiner Rolle als Siegkandidat lange Zeit gerecht und erzielte in einer Endzeit von 2:07:24 Stunden die zweitschnellste Marathonzeit seiner Karriere, nachdem er vor drei Jahren in Seoul einen Schweizer Rekord von 2:06:40 Stunden markiert hatte. Den ersten Schweizer Sieg der VCM-Geschichte verhinderte aber der kenianische Überraschungsmann Vincent Kipchumba. Der 28-Jährige, der mit einer Bestleistung von 2:10:23 Stunden ins Rennen ging, steigerte sich um sagenhafte dreieinhalb Minuten und jubelte über den größten Erfolg seiner Karriere – es war sein erster überhaupt im Marathon. „Es war ein hartes Rennen, ich habe mich optimal konzentriert und bin den besten Marathon meines Lebens gelaufen“, freute sich der Sieger bei der Pressekonferenz. „Das Rennen hat sich für mich gut entwickelt und ich habe mich bis zum Schluss sehr stark gefühlt.“ Für die beeindruckende Steigerung hatte er eine einfache Erklärung parat: Seit einem halben Jahr arbeitet er mit dem italienischen Trainer Claudio Berardelli zusammen, nachdem er sich davor selbst trainiert hatte. Dass Abraham sein urprüngliches Ziel, in Wien gewinnen zu wollen, nicht realisierte, verdarb ihm die prächtige Laune nicht. „Ich verspüre große Freude. Es war ein sehr gutes Rennen, sehr gut organisiert in einer großen Gruppe mit starken Tempomachern. Wir haben uns gegenseitig toll unterstützt. Dazu passte das schöne Wetter, ich bin sehr zufrieden mit dem zweiten Platz“, bilanzierte der 36-Jährige, der einen Start bei den Weltmeisterschaften in Doha als wahrscheinlich bezeichnete. Zahlreiche Sympathiepunkte sammelte der Schweizer Marathon-Star, indem er hinter der Ziellinie stehen blieb und nachkommende Läufer zu ihren Leistungen beglückwünschte. Zu herrlichen Handshakes kam es dabei mit den erfolgreichen Österreichern Lemawork Ketema und Valentin Pfeil.
27 Kilometer lang entwickelte sich an der Spitze des Männerfeldes ein Rennen wie am Schnürchen. Eine unerwartete große Gruppe von 14 Läufern lag gleichauf in Führung und hatte die ersten beiden Drittel der Distanz mit einem flotten Tempo absolviert. 1:03:21 Stunden lautete die Durchgangzeit beim Halbmarathon. Zwei langsameren Kilometerabschnitten nach dem Aus der Pacemaker bei Kilometer 27 folgte die vorentscheidende Phase des Rennens. Kurz vor der Wende am Ernst-Happel-Stadion übernahm Tadesse Abraham die Initiative. Mit diesem Tempoforcing erreichte der Vize-Europameister ein wichtiges Etappenziel. Denn in der nun fünfköpfigen Spitzengruppe befanden sich weder 2016-Sieger Robert Chemosin noch sein kenianischer Landsmann Kenneth Keter, die als Hauptkonkurrenten des Schweizers galten. Nur einen hatte die Öffentlichkeit nicht primär auf der Rechnung: Vincent Kipchumba, der sich in einem nun folgenden klassischen Ausscheidungsrennen am besten behauptete und sich letztendlich vier Kilometer vor der Ziellinie von Abraham lösen konnte. Der Rest der Strecke verwandelte sich in einen Triumphzug für den Überraschungssieger, der die zweitschnellste Marathon-Leistung in der VCM-Geschichte erzielte. Abrahams Zeit entspricht der viertschnellsten in der Geschichte des Events.
Von der kompakten Gruppe und dem schnellen Tempo während den ersten beiden Drittel der 42,195 Kilometer langen Distanz profitierten zahlreiche Athleten, die sich über persönliche Rekorde freuen konnten. So auch Solomon Mutai, der eine Minute schneller lief als bei seinem bisherig schnellsten Marathon und in einer Zeit von 2:08:25 Stunden den Sprung auf das Siegerfoto schaffte. Dritter war der 26-Jährige auch bei den Weltmeisterschaften von Peking als Überraschungsmedaillengewinner. Auch Henry Chirchir (5.), Brimin Misoi (6.), Vincent Yator (7.) und Edwin Kosgei (9.) freuten sich innerhalb der besten Zehn über „Hausrekorde“. Die mitfavorisierten Kenianer Robert Chemosin und Kenneth Keter mussten sich mit den Rängen acht und zehn zufrieden geben.
Wenig später kam mit Lemawork Ketema der beste Österreicher ins Ziel. In einer Zeit von 2:10:44 Stunden verbesserte er den österreichischen Rekord von Günther Weidlinger um drei Sekunden. Auch sein Landsmann Valentin Pfeil steigerte seine persönliche Bestleistung deutlich und kam nach 2:12:55 Stunden als 13. ins Ziel.
1. Vincent Kipchumba (Kenia) 2:06:56 Stunden
2. Tadesse Abraham (Schweiz) 2:07:24 Stunden
3. Solomon Mutai (Uganda) 2:08:25 Stunden
4. Raymond Choge (Kenia) 2:09:02 Stunden
5. Henry Chirchir (Kenia) 2:09:16 Stunden
6. Brimin Misoi (Kenia) 2:09:31 Stunden
7. Vincent Yator (Kenia) 2:10:02 Stunden
8. Robert Chemosin (Kenia) 2:10:09 Stunden
9. Edwin Kosgei (Kenia) 2:10:11 Stunden
10. Kenneth Keter (Kenia) 2:10:15 Stunden
11. Lemawork Ketema (Österreich) 2:10:44 Stunden
12. Terefa Deleba (Äthiopien) 2:10:49 Stunden
13. Valentin Pfeil (Österreich) 2:12:55 Stunden
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18. Peter Herzog (Österreich) 2:16:16 Stunden