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Laufberichte

Pilgerreise um den Wolfgangsee

 

Mehr als ein Jahr liegt meine letzte Berichterstattung auf Marathon4you zurück. Als es endlich wieder los ging mit sportlichen Wettläufen, waren suboptimales Lauftraining und Corona-Speck um die Hüften Hindernisgründe. Der Blick auf die Waage zeigte es schonungslos - fünf Kilo über Par. Nur viele kurze und dann schnelle Einheiten sorgen langsam für Entspannung an der Leibesmitte. Doch dann ein Rückschlag, eine akute Ischialgie zwingt mich zum Stopp.  Für einen Marathon reicht es auch heute noch nicht.  Ich habe „Schiss"  und Klaus hat eine Idee: Der Wolfgangseelauf hat „nur“ 27 Kilometer Länge, mit dem könnte ich es doch versuchen. Das klingt gut.

Mit den Öffis erreiche ich tags zuvor St. Wolfgang pünktlich wie die Maurer. Ich kann sogar bei der Anreise mit dem neuen Intercity 2 fahren. Das letzte Stück geht dann von Bad Ischl Bahnhof mit dem Postbus nach St. Wolfgang. Die Wirtin der Frühstückspension wartet schon auf mich.

Mein Spaziergang führt mich in die Mitte der Marktgemeinde (knapp 3000 Einwohner) mit der ortsbildprägenden Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Wolfgang, die auf einem Felsen direkt am Wolfgangsee errichtet wurde. Der erste Vorgängerbau wurde angeblich von Hl. Wolfgang von Regensburg im Jahr 976 errichtet. Der Legende nach soll der Hl. Wolfgang mit einem Beilwurf vom nahen Falkenstein, den wir am Folgetag erklimmen werden, den Ort des Kirchbaus bestimmt haben. Auf einem felsigen Hügel fand er nach drei Tagen sein Beil wieder und begann unmittelbar eine Kirche und eine Klause zu errichten. Ihr solltet auf jeden Fall dem Gotteshaus einen Besuch abstatten. Der Pacher-Altar mit seinen drei Schauseiten ist der einzige erhaltene Altar des Michael Pacher. Ja, und wer sich seinen Segen abholen möchte, am Lauftag ist für 8.00 Uhr ein Läufergottesdienst terminiert.

Nach einer weiteren Spazierrunde zur Talstation der Schafbergbahn und der Anlegestelle der Schifffahrt wende ich und laufe zum Pacher-Haus, wo ab 14.00 Uhr die Startunterlagen ausgegeben werden. Im Vorfeld wurden alle Teilnehmer im Web und via E-Mail hingewiesen, ihre CoViD-Zertifikate mitzubringen. Es ist auch ein Coronatest im nebenan liegenden Pfarrsaal möglich. Am Eingang werden wir genau überprüft und erhalten dann ein Armbändchen, das uns als geprüft legitimiert. Der Eintritt in das Pacherhaus ist dann frei.

 

 

 

 

Im Haus erhalte ich dann meinen Starterbeutel (mit Nummer, Sicherheitsnadeln, Getränk, Gutscheine für die Pastaparty). Nebenan können die bestellten Shirts abgeholt werden. Hinaus geht es über die Treppe nach oben. Ich werfe noch einen Blick in den Saal, wo es ab 18.00 Uhr heißt: „Grias Eich“. Die Läufer können dann ihre Gutscheine für Spaghetti (mit drei Saucen), Lasagne und Getränke einlösen. Wir erhalten Informationen zum Wettkampftag, etwas aus der Geschichte der 48 vorherigen Ausgaben des Wolfgangseelaufs und Live-Musik einer Girls-Band. Wer nicht hingeht, verpasst etwas.

Unter anderem, dass neben Läufen bei Hitze (25 Grad) es vor einigen Jahren auch einen Wintereinbruch mit 40 Zentimeter Neuschnee am Falkenstein und Schneebruch gab. Auch dass 1975 das erste Mal Frauen laufen durften und der Verband deshalb tobte, wird dem staunenden Publikum berichtet. Sogar ein Verbot des Laufes stand im Raum. Franz Zimmermann hatte die Idee für den Lauf rund um den See. 1972 fanden sich dazu elf Läufer, die unterwegs unfreiwillige  Sprints einlegen mussten, da ihnen die Bauern drohten, über deren Grund und Boden sie gelaufen waren.

Was ist alles im Angebot? Nun, der Nachwuchs darf am Samstag in Strobl an den Start. Jugend und Erwachsene können auf Strecken von 5,2, zehn und 27 Kilometer starten. Seit zehn Jahren steht der Salzkammergut Marathon auf dem Programm. Während die klassische Runde um den See in St. Wolfgang beginnt und endet, werden die Teilnehmer der anderen Wettbewerbe mit Bus und Schiff an ihre Startorte im Bad Ischl, Gschwendt und Strobl transportiert. Natürlich leidet die diesjährige Veranstaltung unter Corona. Statt der üblichen  6000 stehen aber immerhin gut 2700 Läuferinnen und Läufer in den Startlisten. Erfreulich ist die Tatsache, dass der Nachwuchs ein Rekordfeld von 360 Meldungen stellt. Der Veranstalter ist unter diesen Gegebenheiten hochzufrieden.

Am nächsten Morgen hat sich Hochnebel ausgebreitet. Der schon die Straße absperrende Feuerwehrkamerad meint, ab Mittag haben wir Sonne. Dick eingepackt mache ich mich auf dem Weg zum Start am Pacherhaus, wo gerade die Moderation beginnt. Bis zum Start um 10.30 Uhr habe ich noch genügend Zeit. Ich mache mich auf zur 500 Meter entfernten Volksschule, wo die Kleidungssäcke abgegeben werden können. Später können wir uns hier auch wieder frisch machen.

Danach marschiere ich zum Start am Markt unweit der Pfarrkirche. Zeitig sehe ich die Pacemaker, die interessierte Läufer in 2.00, 2.30 oder 3.00 Stunden um den See führen werden. Wo soll ich mich anschließen? Ich bin unschlüssig und stelle mich daher in den zweiten Startblock (2.15 bis 2.45 Stunden). Zuvor sehe ich noch die Spitze des Marathons, die kurz vor unserer Startaufstellung in eine parallele Straße geleitet werden. Ein Marathoni läuft sogar mit Mund/Nasenschutz. Der muss eine Lunge haben wie ein Pferd.

 

 

Dann rückt unsere Startzeit näher. Um 10.30 Uhr wird der erste Block mit einem Schepperer aus der Pistole losgelassen. Der Block zwei (mit mir) rückt jetzt bis zur Startlinie vor, im Abstand von vier Minuten kommt das „Go!“ Die Zuschauer und Helfer verabschieden uns mit rhythmischen Klatschen. Über die Pilgergasse, vorbei am Kongresshaus, verlassen wir den Ortskern. Unser Weg führt zur Anlegestelle der Schifffahrt, rechts daneben ist die Talstation der Bahn zum Schafberg. Vielleicht hat jemand schon etwas vom Schafbergtrail gehört? Ein Wettkampf über 7,2 Kilometer hoch zum Schafberg (1783m)über fast 1200 Höhenmeter. Oder vom Schafberglauf? Der ist noch kürzer und hat das Ziel auch oben auf der Spitze. Der Läufer gegen die Dampflok, so kann man es umschreiben. Davon gibt es von Wolfgang sogar einen Laufbericht auf Trailrunning.de

Ried, ein Ortsteil zu St. Wolfgang gehörend. Die erste V-Stelle bei Kilometer drei hat Wasser und Iso im Angebot. Ich greife einen Becher und dann laufe ich defensiv weiter, wie bisher. Ich bin zwar zuversichtlich, will aber Kräfte sparen.

 

 

Nur ein kurzes Stück später verlassen wir die Straße nach rechts, der zunächst noch asphaltierte Weg steigt durch die gemähten Wiesen an. Die ersten Läufer fallen schon in den Laufschritt. Hier sammeln sich die Fotografen, denn schönere Motive kann man sich nicht vorstellen: Läufer, Natur und der See mit den Bergen des Salzkammergutes im Hintergrund. Das hat schon was. Leider verhindert die Nebeldecke den vollkommenen Genuss.

Im Wald wird es nun deutlich steiler, nur mehr einzelne Kampfläufer sind noch im Trab, alle anderen marschieren - mich eingeschlossen. Nur einer kommt dann von hinten angetrabt, ein Marathoni ist’s, der mich langsam überholt, sich aber kaum von mir lösen kann. Mein  Marschtempo, antrainiert beim Gesundungsprozess der Ischialgie, ist unwiderstehlich.

Immer wieder sehe ich Tafeln mit interessanten Geschichten. Vom Waxweichen Stein zum Beispiel, wo der Hl. Wolfgang gerastet haben und seinen Abdruck hinterlassen haben soll. An der Hacklwurfkapelle soll er seine Axt schwungausholend losgelassen haben. Den Einschlagsort kennt ihr, es ist der Platz, wo heute die Pfarrkirche steht. Schließlich die Falkensteinkapelle, wo ich die Laufstrecke kurzzeitig für 50 Meter verlasse, denn das kleine Gotteshaus liegt oberhalb am Felsen. Der Hl. Wolfgang soll hier gehaust haben. Anfangs des 17. Jahrhunderts wurde das Kirchlein errichtet. Später haben hier noch bis ins ausgehende 19. Jahrhundert Einsiedler und Mönche im Gebet verbracht. Ein wahrer Kraftort! Von oben hat man einen prächtigen Ausblick auf das Lauffeld. Die höchste Stelle, den Falkensteinsattel, haben wir kurz zuvor passiert. So steil wie es hinaufgeht, so „gach“ geht es auch hinunter. Einer vor mir ist gestürzt, Sanitäter werden gebraucht. Ein Helfer kommt sofort angelaufen.

 

 

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Impressionen

(Klaus und Margot Duwe)

 

 

 

 

Ein Kreuzweg und nochmals zwei Kapellen kann ich am Wegrand sehen. Eine Besichtigung verkneife ich mir nun, denn meine Aufmerksamkeit gilt alleine der rustikalen Wegbeschaffenheit. Dann sind wir unten am Waldbad in Fürberg angekommen. Helfer des Roten Kreuzes haben sich postiert, beobachten und geizen auch nicht mit Applaus. Die zweite Labe wartet bei Kilometer 6,3. Wenn man sich überlegt, auf 3,3 Kilometer 220 Höhenmeter bergauf und bergab, Wahnsinn. Ein nahrhafter Kurs, so würde Daniel das beschreiben. „Boarisch bärig“, ist meine Wortwahl, „do brauchst a Irxnschmoiz“. Die Marathonis haben hier Halbzeit.

Idyllisch, ein wenig auf und ab, verläuft dann der Seeweg entlang dem in der Sonne glitzerndem Wasser in Richtung St. Gilgen, das wir nach weiteren drei Kilometer erreichen. St. Gilgen zählt rund 4000 Einwohner und ist bei uns auch deshalb bekannt, weil dort unser Einheitskanzler Helmut Kohl häufig urlaubte. Die Mutter von Wolfgang Amadeus Mozart lebte hier. Außerdem war die Gemeinde seit dem Mittelalter Salzburgs „Fuß in der Tür“ zum Salzkammergut. Heute liegt die Gegend am Rand des Bundeslandes Salzburg, während die Region um St. Wolfgang zu Oberösterreich gehört.

Vor dem Mozarthaus können wir abermals verpflegen. Sieben „Tanken“ sind auf der Seeumrundung in regelmäßigen Abständen anlaufbar, bei den Marathonis gar zehn. Verhungern und Verdursten braucht keiner. Für die Übervorsichtigen wurde ausgegeben, einen eigenen Trinkrucksack mitzuführen. Ein wenig nervt dann der Verkehrslärm, als wir auf dem abgetrennten Radweg entlang der Romantikstraße Österreich von Salzburg nach Wien laufen. Das prächtige Wetter mit viel Sonne sorgt für regen Ausflugsverkehr.

 

 

Bei der nächster Trinkstelle am Seegasthof Gamsjaga (Kilometer13,3) legt der Berichterstatter seinen Schwerpunkt auf’s Trinken. Denn zur Gaudi der Helfer verlange ich nach Bier am Wasserstand.  Die schicken mich weiter zum Tisch nebenan. Dort wird aber nur ein Isogetränk offeriert. Mit fällt ein weißbärtiger älterer Mann auf. Hier bin ich richtig. Der Gamshuträger schenkt vom guten  Salzburger Stieglbier aus, warnt mich aber, nicht zu viel zu trinken. Es sei noch weit.

Vom Bier und der Live-Musik (die Band von der Nudelparty spielt auf) beschwingt trabe ich auf dem asphaltierten Radweg weiter.

Kurz später verlassen wir die Bundesstraße 158 in Richtung des Sees und in den Wald. Die „Bahnstraße“ nennt sich der Weg. Die Aufklärung folgt prompt: Auf dieser alten Bahntrasse verband die Salzkammergut-Lokalbahn auf Schmalspur bis 1957 die Städte Salzburg und Bad Ischl über Mondsee, St. Gilgen und Strobl. Wir überqueren den Zinkenbach an der gleichnamigen Halbinsel und erreichen dann mit Kilometer 17 Gschwendt. Ich sehe das Startareal des 10km-Laufes, die dazugehörigen Protagonisten sind natürlich schon längst über alle Berge, Verpflegung und Moderation sind geblieben. „Der Anton Lautner ….“ schallt es aus den Lautsprechern. “.…. ist hier“, ergänze ich militärisch kurz und bündig, was mit Sonderapplaus einbringt.

Der folgende Streckenteil ist ein weiteres Highlight des Seelaufes. Es geht durch das Blinklingmoos, das seit 1973 unter Naturschutz steht. Vor etwa 9000 Jahren am Ende der letzten Eiszeit entstand dieses in einer verlandeten Bucht des Wolfgangsees. Viele seltene Pflanzen finden hier ein ideales Lebensumfeld. Die Wege sind teilweise sehr schmal und man muss sich bei Überholmanövern absprechen. Wer nämlich in den Grünstreifen ausweicht, wird sich nasse Füße holen, denn da steht das Wasser. Auf halber Strecke wartet dann der Chefredakteur auf seinen laufenden Reporter.

 

 

Strobl, der Startort des 5,2 Kilometer langen Panoramalaufes, heißt der nächste Ort. Kurz nach der Startzone können wir erneut verpflegen. Es sind auch noch etliche Zuschauer hinter den Absperrungen, die nicht mit Beifall geizen. Unser Kurs führt direkt an der Pfarrkirche (geweiht 1761) vorbei, die dem Hl. Sigismund gewidmet ist. Am Ischl Fluss zweigt die Strecke ab. Die Panoramaläufer bleiben am Seeweg, während wir ein paar Meter Umweg um den 745 Meter hohen Bürglstein machen. Es ist absolut empfehlenswert, einmal den Wanderweg an der Seeseite des Bürgl zu machen. Wir schwenken auf den Radweg entlang der St. Wolfgangstraße. Der ist zwar alles andere als prickelnd, aber er gehört halt dazu. Einige Läufer ermüdet, hatschen vor sich hin oder müssen gar gehen. Ich kann jetzt aufdrehen, habe noch Körner und bin laufend am Überholen.

Über Schwarzenbach rieche ich förmlich Stallluft. Die letzte Tränke bei Kilometer 24 lasse ich aus. Dann sehe ich schon die Fahnen der Gemeinde St. Wolfgang und in der Ferne den Kirchturm. Thomas aus Ruhstorf bei Passau möchte mitgehen, kann an mir jedoch nicht dranbelieben.

Ortseingang St. Wolfgang: Viele Zuschauer stehen an der Strecke und feiern die Sportler. Es geht steil zur Pfarrkirche hinunter. Nur nicht stürzen, denn der Straßenbelag ist ziemlich rustikal. Nach links und dann rechts herum, schon sehe ich das Zieltransparent. Alle Läufer werden vom Moderator begrüßt. Dann ist mein schönster Lauf des Jahres auch schon vorbei. Eine wahre Pilgerreise war‘s!

 

 

2.45 Stunden zeigt die Uhr, netto sind es dann ein paar Minuten weniger. Ich bin hochzufrieden, habe mich trotz des fehlenden Trainings auf längeren Strecken gut verkauft. Ein paar Meter weiter dürfen wir uns die Medaille vom Tisch nehmen, eine Tasche mit Getränken, Nudeln und etwas zum Beißen gibt es obendrauf. Ich gehe zurück, denn mein Reporterjob ist noch nicht zu Ende. Ich brauche noch ein paar Finisher-Bilder. Die Sanitäter sind zufrieden, hatten keine ernsthaften Einsätze. So muss es sein.

Als einer der Ältesten kommt erreicht dann der 80jährige Helmut das Ziel. Und der ist nicht nur in Österreichs Läuferkreisen bekannt, denn der machte auch allerhand verrückte Sachen. Den Badwater, den Transamerikalauf, den Everest Marathon. Und auf dem höchsten Berg der Erde stand er auch. Wenn man weiß, dass er eine Krebserkrankung überwand, seine angeheiratete Frau bei einem Unfall verlor, dann ist man sicher, dass ihn nichts so schnell mehr aus der Bahn werfen kann. Ich ziehe meinen Hut vor dem absolut agilen sportlichen Mann.

 

Fazit:

Eine absolut tolle Veranstaltung. Ich frage mich, warum ich in meinen 30 Jahren Läuferjahren erst jetzt den Weg nach St. Wolfgang geschafft habe. Ich plane den 16. Oktober 2022 fest ein, denn dann findet der 50. Wolfgangseelauf statt und dazu nehme ich mir den Salzkammergut Marathon vor.

 

Informationen: Wolfgangseelauf
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