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Laufberichte

Elbfrühling

 

Wieder kann ich den Orten meiner Marathon-Schandtaten einen neuen hinzufügen. "Schuld" sind Klaus und Henny. Ersterer machte Vorschlag für den Lauf in der Hanse- und Kaiserstadt Tangermünde, Henny steht auf Jubiläumsläufe. Und in Tangermünde feiert man die zehnte Ausgabe!

Das betroffene Wochenende ist bei mir noch nicht belegt und mit freien Tagen kann ich das Laufwochenende auch noch verlängern. Also los, Termin festzurren, Unterkunft und Reise mit der Bahn buchen. Dann steht einem Erlebnislauf nichts mehr entgegen. Ein näherer Blick auf den Stadtplan sagt, die Altstadt ist zwar lang, dafür schmal und der Bahnhof liegt nicht in der Pampa, sondern zentral und hat sogar eine Stundenanbindung mit dem nächsten Regionalbahnhof in Stendal. Dort halten sogar einzelne Fernzüge.

Gebucht haben wir die Reise mit der Bahn etwa sechs Wochen zuvor. Kosten? Weniger als das Auto auf den 600 Kilometern (einfach) durch den Auspuff hinausgeblasen hätte. Unterkünfte gibt es jetzt im April noch zur Genüge. Im Mai zu Beginn der Radfahrerzeit wird es schon knapper mit der Wunschunterkunft. Dass eine Bahnfahrt stressfreier ist, brauche ich nicht zu erwähnen. Und vom Bahnhof zur Unterkunft und zum Hafen an der Elbe ist es ein Katzensprung, vielleicht ein fünf bis zehn Minuten gemütlicher Spaziergang. Untergekommen sind wir in der Alten Brauerei. Vor dort aus können wir unsere Erkundungen sehr zentral starten.

Mit einem frühen Morgenappell, der Wecker gibt das Signal, beginnt der Freitag, denn bereits kurz vor 05.30 Uhr stehen wir am Neuburger Bahnhof und springen gut gelaunt in den Regionalzug und nach 20 Minuten in den Fernzug. Der Schaffner des ICE bekommt mit, dass wir zu einem Marathon wollen und entlässt uns am Hauptbahnhof in Leipzig mit einem Gruß über die Lautsprecheranlage. Vielleicht weiß er auch, dass just an dem Wochenende in Leipzig der Marathon stattfindet. Von dort geht es noch gut zwei Stunden via Magdeburg an die Elbe und nach Tangermünde. Pünktlich zum Mittag sind wir an unserem Zielort. Das Zimmer ist schon beziehbar, wir legen das Gepäck ab und erkunden die nähere Umgebung ausgiebig. Zufällig treffen wir ein Ehepaar aus Plauen (er läuft, sie feuert an) auf der Straße. Wir tauschen uns aus und kehren später in ein kroatisches Restaurant ein. Das Laufwochenende startet am Hafen bereits am Freitagabend mit der Band Tänzchentee. Über 1000 Gäste haben sich auf dem Parkett ausgetobt, so wird uns Samstagfrüh in der Unterkunft berichtet.

 

 

Als Samstagsplan steht für ein paar Stunden Shopping an, die Frau will ja zu ihrem Recht kommen, das Pendant will eher im Wirtshaus ein Tangermünder Kuhschwanzbier trinken. Er darf aber nicht. Woher das Bier seinen Namen hat? Vor gut 500 Jahren gab es weder Limo, Cola oder Spezi zu trinken. Das gemeine Volk trank Bier und der Adel Wein. Klar, dass die Bevölkerung in einem leichten Alkoholnebel dahinlebte. Die Brauer wussten aber schon, dass für ein gutes Bier ein gutes Wasser benötigt wird. Das Wasser nahmen sie aus dem Tangerfluss. Die Rindvieher stillten ihren Durst ebenfalls daraus. Logisch war auch, dass die Stoffwechselendprodukte der Rinder und auch der Leute ebenfalls im Fluss landeten. Den Menschen wurde es dann verboten, zu Zeiten des Wasserschöpfens der Brauer in den Fluss zu pieseln. Die Rinder ließen sich das  aber nicht gänzlich verbieten. Trotz Mühens der Hirten hing immer mindestens ein Kuhschwanz im Tanger. So, nun kennt ihr auch die Geschichte, woher das Kuhschwanzbier seinen Namen hat.

Ich bleibe während Einkaufs trocken, dafür hat sich Henny auf einer Vernissage ein Bild ausgesucht und will sich mit dem belohnen, wenn sie den Marathon schafft. Daran habe ich kaum Zweifel. Immerhin haben wir vor zwei Wochen bei einem 6 Stundenlauf in Kelheim als Paar 60 Kilometer geschafft. Da musste immer einer auf der Laufrunde sein. Doch ein Marathon hat noch einige Kilometer mehr im Gepäck, als jeder von uns in Kelheim einzeln schaffte.

Die Startnummernausgabe beginnt um 15.00 Uhr. Kurzzeitig kommt Leben in das Festzelt. Über 2000 Teilnehmer stehen in den Meldelisten. Den Marathonlauf wollen am nächsten Tag 161 Läufer angehen. Die meisten haben beim Halben (rund 700) und beim Zehn-Kilometerlauf (900) gemeldet. Kinderläufe und ein Mini-Marathon ergänzen das Programm. Die Strecke ist sehr flach (nur 46 Höhenmeter sind zu bewältigen). Also zwei Mal dem Damm rauf und wieder runter, so meine Vorstellung. Ausgeschildert ist für uns eine Halbmarathonrunde, die wir zwei Mal laufen. Der Zehner wird auf einem elbnahen Wendekurs ausgetragen, ebenfalls der Minimarathon. Wer früh genug mit seiner Buchung dran ist, kann für 27 bzw. 22 EUR auf die langen Strecken gehen. Neben Medaille, Urkunde, Gutscheinen für Nudelparty und Kartoffelsuppe (am Lauftag) werden noch Massagen angeboten. Marathonis und Halbmarathonis erhalten bei der Startnummernausgabe ein Eventfunktionsshirt. Die Zeitnahme geschieht mittels Chip am Schuh. Insgesamt ergibt sich ein Preis-/Leistungsverhältnis, welches mir schon lange nicht mehr untergekommen ist. Super.

Sonntagfrüh nach dem Frühstück besuchen wir um 09.00 Uhr die Läuferandacht in der Stephanskirche. Die Pastoren wünschen uns mit Handschlag bereits an der Kirchentüre einen guten Morgen und einen guten Lauf. Erstaunlich, dass das kirchliche Personal bereits in Laufklamotten die Andacht hält. Zum Ende kommt noch der Landesvater Dr. Rainer Haseloff für ein kurzes Wort nach vorne.

Die Stephanskirche in der heutigen Form wurde im späten Mittelalter (ab 14. Jahrhundert) im Stil der norddeutschen Backsteingotik erbaut. Während viele Kirchen hier Doppeltürme haben, blieb in diesem Fall der Südturm unvollendet. Besondere Bedeutung hat in der Kirche die Scherer-Orgel. Hans, der Jüngere, und Fritz Scherer haben das barocke Instrument 1624 gebaut. Gerade im Sommerhalbjahr spielen namhafte Organisten zum Nulltarif für Gäste. Wir können uns immerhin bei zwei Kirchenliedern in das breite Klangspektrum der Orgel hineinversetzen. Nach der Andacht geht die Kirchengemeinde gemeinsam hinunter zum Hafen.

Die Rossfurth ist ein etwa 100 Meter langer Hohlweg, der von der Kirche hinunter zur Elbe führt. Am Elbtor (aus dem 15. Jahrhundert) lässt sich Landesvater Haseloff die Messlatte mit den Höchstwasserständen der vergangenen Jahrhunderte zeigen. Das Hochwasser 2013 markiert dabei die höchste Markierung, am Elbtor sind es rund 2,50 Meter über den Boden. Da die Stadtmauer 10 bis 15 Meter hier hoch ist und die Altstadt rund 12 Meter höher liegt als der Hafen, hat das Hochwasser 2013 im Gegensatz zum gegenüberliegenden Jerichower Land kaum Schaden im Stadtgebiet angerichtet. Wir können uns noch erinnern, dass es auf der anderen Seite einen gewaltigen Deichbruch gab, der erst mit zwei gesprengten Pontonschiffen geschlossen werden konnte.

 

 

Im Freigelände herrscht schon Trubel. Die Läufer machen sich fertig für ihre Strecken, die Kleider werden in einem eigenen Zelt abgegeben. Zeit für letzte Fotos, nochmals für einen Ratsch oder für eine Phase der Konzentration bei denen, die heute vorne mitmischen wollen. Ganz gleich, welche Pläne jeder hat, gemein ist allen, dass heute Petrus die kalte Luft vertrieben hat. Der Planet strahlt nämlich uneingetrübt vom Himmel. Wer Sonnenschutzmittel auf die käsig-weiße Haut schmiert, hat schon viel gegen einen Sonnenbrand getan.

 

Erste Kilometer durch Tangermünde

 

Punkt 10.00 Uhr wird das Marathonfeld, fünf Minuten später die Halbmarathonis, weitere zehn Minuten später die Zehner auf die Strecke geschossen. Der Landesvater schickt uns mit einem Pistolenschuss auf den langen Weg. Seinen Innenminister Holger Stahlknecht schickt er auf die zehn Kilometer. Wie es dem Innenminister ergangen ist, kann ich nicht sagen. Er hatte aber schon im Vorfeld Bedenken geäußert. Der Trainingszustand …

 

 

Mit 166 Gleichgesinnten mache ich mich auf den Weg. Mein Plan? Die zwei Runden sind perfekt für den Reporter. In der ersten die meiste Arbeit erledigen, sprich fotografieren und dann die zweite flott laufen. Wenn, ja wenn es glatt gehen könnte. Ich bin skeptisch. Außer dem Wintermarathon und den 32 Kilometern in Kelheim habe ich kaum lange Einheiten gemacht.

Ich bin erst ein kurzes Wegstück auf der Hafenpromenade unterwegs, da höre ich meinen Namen von hinten, Henny schreit und auch der Wolfgang Kieselbach. Der könnte mit Henny zusammen den langen Kanten laufen. So habe ich es ihr vorgeschlagen. Nach einem Bildschuss geht mein Blick nach vorne. An der Hafenpromenade applaudieren viele Leute. Perfekt natürlich für die Zuschauer, es ist im Gegensatz der letzten Tage überhaupt nicht mehr kalt. Im Läuferfeld dominieren natürlich kurze Shirts und Hosen. Wer auf eine lange Bekleidung gesetzt hat, wird es büßen.

Am Ende der Promenade geht es auf grobem Kopfsteinpflaster hoch zum Klosterberg. Über das uneben-rustikale Stück werden einige Läufer am Ende bestimmt fluchen. Über die Magdeburger und Lüderitzer Straße laufen wir an den Stadtrand von Tangermünde. Gut 10000 Einwohner hat die Stadt, die im Jahr 1009 von Bischof Thietmar von Merseburg als „civitate Tongeremuthi“ erwähnt wurde. Die Blütezeit der Hansestadt war das 15. Jahrhundert. Aus dieser Zeit stammen die Stadttore und das Rathaus. Der 16. September 1617 war ein schwarzer Tag für die Stadt, denn ein gewaltiger Brand vernichtete den größten Teil der Häuser. Als Brandstifter wurde die Waise Grete Minde beschuldigt, die angeblich aus Rache für ein nicht erhaltenes Erbe so gehandelt haben soll. Sie wurde auf dem Scheiterhaufen hingerichtet. Später stellte sich heraus, dass Grete sich am Tag des Brandes rund 80 Kilometer entfernt aufgehalten hat. Eine Skulptur von ihr kann man vor dem Rathaus besichtigen.

Mit Kilometer zwei verlassen wir die Stadt. Frühzeitig können wir die erste Tankstelle benutzen. Wasser, Apfelschorle und Cola stehen im Angebot. Bananen gibt es als feste Verpflegung. Weit ist der Blick, eine Brücke über den Tanger erweitert noch unseren Horizont. Frühzeitig kommen die ersten Halbmarathonis von hinten herangerauscht. Die haben den Abstand der fünf Minuten in drei, vier Kilometer hereingelaufen.

 

Bölsdorf

 

Nach fünf Kilometer laufen wir in die erste Ortschaft hinein, Bölsdorf. Im ersten Tran lese ich Bölkstoff. Bölsdorf grüßt die Läufer, steht auf einem Transparent, wobei man statt dem „L“ für Läufer auch ein neongrünes „S“ sehen kann. Gibt es vielleicht da etwas für einen durstigen Bayern bei der nächsten Tanke?

 

 

Gut 300 Einwohner hat der Ort und ich bin überrascht, dass an vielen Häusern Wimpel und Fahnen aufgehängt sind. Einige der Bewohner schauen aus ihren Fenstern und klatschen. Am Ortsende können wir abermals verpflegen. Dort findet ein kleines Ortsfest mit Moderation statt. Kurz nach der V-Stelle verlassen wir Bölsdorf auf einem „ungehobelten“ Pflasterweg. Links und rechts können wir auf dem ebenen Sandboden gemütlicher laufen. Die schnellen Halbmarathonis dürfen über das grobe Pflaster ackern, dafür sind die eher fertig.

Noch unter den Top Ten beim Halben überholt mich Nadine Grothe, sie wird später die Frauenwertung deutlich gewinnen. Die Nächstplatzierten Doreen Gladis und Marie Weinmann rennen jetzt bei Kilometer sechs noch Kopf an Kopf. Zwei, drei Kilometer laufen wir nun auf asphaltieren Feldwegen. Im Vorfeld wurde ich informiert, dass die Strecke windanfällig wäre. Das stimmt tatsächlich, doch heute ist es relativ ruhig. Perfekte Bedingungen. Den nächsten Ort, Buch an der Elbe, können wir bereits an der Silhouette der Kirche erkennen.

 

Buch

 

1335 wurde der Ort als castrum et oppidium, also als Feste und Stadt bezeichnet. Trotz der Stadtrechte hat sich der Ort aufgrund der des immer wieder auftretenden Hochwassers nicht weiter entwickeln können. Buch blieb landwirtschaftlich geprägt. Blühende Obstbäume zeigen den Fortschritt des Frühlings. Ein großes Banner quer über der Straße gespannt begrüßt die Läufer. Cheerleaders winken mit ihren Puscheln, ein Moderator begrüßt uns namentlich. Bei der folgenden V-Stelle wird wieder eifrig zugegriffen. Auf der Querstraße verlassen wir den Ort. Das Feld der Halbmarathonläufer wird dichter. Sie überholen uns jetzt nicht mehr mit dem Speed wie die Führenden. Aber die sind immer noch auf eine Endzeit von 1.40 Stunden gerichtet.

 

 

Etwa bei Kilometer neun oder zehn ein Schreckensmoment. Von hinten nähert sich ein Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn. Ich rufe „alles rechts laufen“, damit der Wagen schneller vorwärtskommt. Man weiß ja nie, ob Gefahr im Verzug besteht. Dann sehe ich fünfzig Meter in Laufrichtung einige Helfer bei einem Läufer, der am Straßenrand am Boden liegt. Mein erster Eindruck: Nichts Schlimmes. Aber lieber sollen die Rotkreuzler einen Einsatz fahren.

 

Wendestrecke nach Schelldorf

 

Auf der anderen Straßenseite kommen die Führenden aus Schelldorf zurück. Jetzt ist zu sehen, dass der Rückweg an den Elbdamm führt. Wir müssen jedoch noch auf der Straße weiter bis in die nächste Ortschaft, nach Schelldorf, einem kleinen Ort mit 120 Einwohnern, der nach Tangerhütte eingemeindet wurde. Die Geschichte dieses Ortes geht weit zurück in das Jahr 1339. Im Ortskern wird der Asphalt brüchig und wechselt dann auf Pflaster. Unweit der Kirche können wir abermals verpflegen und wenden dann.

 

 

Ein Mädchen schreibt die Nummern auf, wohl nur stichprobenartig, denn die Halbmarathonis kommen jetzt in Scharen. Nachdem mir ein Stück Banane Probleme verursacht, halte ich mich nur noch an Cola, manchmal mit Wasser gemischt. Apfelschorle zwingt nur schnell in die Büsche. Einige Mauerwegläufer kommen mir auf der anderen Seite entgegen und dann Henny, die Stimmung macht. Weiter, bis zur Trennung.

 

An der Elbe

 

Kurz ist der Feldweg, der uns an den Deich heranführt. Ein paar Meter müssen wir uns nach oben kämpfen, dann sind wir auf dem Unterhaltungsweg angelangt. Wie hier sind an vielen Stellen Streckenposten, darunter auffällig viele Jugendliche. Toll, dass man den Nachwuchs gleich einbindet. Meist sind sie zu zweit oder zu dritt, so wird Ihnen nicht langweilig. Manchmal sehe ich sie picknicken. Recht haben sie.

Der Unterhaltungsweg ist gepflastert und nicht ganz eben. Ich sehe einen Läufer, der sich vom Boden aufrappelt, weil er über eine Wurzel stolperte und ins Gras gepurzelt ist. Er schüttelt sich und springt weiter.

 

 

Kilometer 15, der Druck der auflaufenden Halbmarathonis lässt nach, manche müssen gehen, weil sie zu schnell begonnen haben. Dazu sind die Temperaturen deutlich gestiegen. Kurz nach Kilometer 16 führt uns der Elbradweg auf den Damm. Weit in der Ferne sehen wir im Dunst die Kirche St. Stephan, noch vier Kilometer weg. Die Strecke wird jetzt durch einige Bäume links und rechts ein wenig schattiger. Triathleten des TLV 94 betreiben eine V-Stelle mit Musik und Manpower.

Blühende Büsche und Waldblumen sorgen für bunte Tupfer in der Natur. Mir geht es gut. Die erste Runde neigt sich langsam dem Ende zu. Kilometer 20, ich sehe am Kiesloch und der Großen Lanke, so heißen beide Gewässer links und rechts des Deiches, die Bebauung des Hafens. An den Bootshäusern zweigt der Elbradweg nach links zur Stendaler Straße. Spitzkehre nach rechts, das verdammt grobe Kopfsteinpflaster ärgert meine Füße und dann geht es die Hafenpromenade entlang. Der letzte Streckenposten ist an einem Kreisverkehr, das Zuschauerinteresse nimmt zu.

Ich sehe den Endspurt der Halbmarathonis auf der rechten Seite, auch die Letzten des Zehn-Kilometer-Rennens sind auf ihrem letzten Laufstück. Dann werden wir abgetrennt, wir wenden auf in die zweite Runde.

 

Zweite Runde

 

 

 

Die meiste fotografische Arbeit ist nun erledigt. Ich will jetzt ein wenig Dampf machen, muss aber erst noch den Hafen verlassen und das grobe Pflaster bewältigen. Die Kamera will ich nur bei Überholmanövern einsetzen. Und nur dann, wenn der Überholte auch nicht grimmig schaut. Ich verlasse Tangermünde auf der breiten Kreisstraße. Mist, ich sehe keinen vor mir laufen. Kann denn das sein? So eine große Lücke zum Vordermann? Schemenhaft sehe ich ein gelbes Trikot, das dann verschwindet. Ein Radfahrer vielleicht? Oder einer, der sich in die Büsche schlägt. Ich fluche vor mich hin.

Aber alles Geschimpfe hilft doch nichts, also Tempo aufnehmen. Auch wenn ich dann zum Schluss eingehen sollte. So vergeht Kilometer um Kilometer. In Bölsdorf kann ich am Ortsausgang wieder einige vor mir sehen. Kilometer 30! Einige Gegner kann ich stellen. Kein Wunder, ich kann mein hohes Tempo (noch) halten.

 

Respekt

 

Einige Fans halten mir ein selbstgebasteltes Transparent entgegen. Respekt, lese ich. Die Leute motivieren, nicht nachlassen. Kilometer 33, Wende. Auf den letzten paar Kilometer ist etwas Wind aufgekommen, der jetzt von hinten schiebt. Ein Mädchen liegt auf einer Bierbank und ist in der Sonne weggenickt. Auf Manfred Kranz aus München kann ich auflaufen. „Lauf zu, ich habe zu schnell begonnen“, ruft er mir nach. Bei der ersten Wende habe ich den Manne überhaupt nicht gesehen. Hoffentlich kann er sein Tempo einigermaßen halten.

 

 

Ich verliere im Bereich des Deiches auch ein wenig Tempo und kann kaum mehr Leute einholen. Aber es kommt auch keiner von hinten, ein gutes Zeichen. Die Wärme hat weiterhin zugenommen. Jeder kleine Windhauch sorgt für ein wenig Kühlung.

Letzte V-Stelle, die Triathleten. Mein üblicher Spruch, „ein Bier für einen durstigen Bayern“ wird endlich erhört. „Komm her“, der Helfer rödelt. Das kühle, frisch gezapfte Radeberger sorgt zwar ein paar Minuten lang für schwache Beine, doch dann nehme ich wieder Fahrt auf. Die Leute haben sogar noch Schokolade und andere Sachen an den Tischen liegen.

Der überholte Kelheimer Hans-Ulrich Kreß meint anerkennend: „Du Hund, hast mich abgezockt“, auch Christian Langer aus Halle muss noch dran glauben. An der Spitzkehre nehme ich für ein paar Momente das Gas heraus, eine Radlerin eiert noch mit ihrem Gefährt vor meinen Füßen umher, dann biege ich auf die Promenade ein und laufe erhobenen Hauptes durch das Ziel. Zwar knapp über vier Stunden, doch es tut jetzt weh in den Beinen. Alles richtig gemacht. Der Beweis steht später auf der Urkunde, ein negativer Split, die zweite Hälfte war eine Minute schneller.

 

Zielimpressionen

 

Ein Mädel hängt mir die Medaille um, ein anderes bindet den Chip aus dem Schuh und will mir ein Bier bringen. Beim Zieleinlauf habe ich den verwaisten und geleerten Bierlaster gesehen. Doch das Mädel kann noch ein Bier aus der „eisernen“ Reserve für mich auftreiben.

 

 

Nach einer kurzen Erholungsphase mache ich mich auf den Weg, Henny abzuholen. Ich bin 15 Minuten unterwegs, da kommt das Feld des Mini-Marathons auf die Strecke. Kurz darauf kommt mir dann Henny entgegen. „Ich bin nur einige Meter gegangen“, sagt sie. „Bis Kilometer 35 kein Problem, doch jetzt brauche ich meinen Schlappschritt. Nur nicht gehen“. Nach einigen Minuten biegt auch sie hinunter auf die Promenade und trottet vor weiteren zwei Frauen ins Ziel. Nach einigen Minuten kommt der erst 22jährige Alexander Meyer ins Ziel, geplagt von einem Muskelkrampf. Augenblicke später wird er von Freunden betreut. Er weint vor Glück, sein erster Marathon. Solche Geschichten erlebt man nur beim Marathon. Auch mir treibt es jetzt beim Schreiben etwas Feuchtes ins Auge.

 

 

Unser Tipp für das verlängerte Wochenende:

Eine Stadtbesichtigung mit Führer, das wird auch im Marathonprogramm angeboten. Man sollte auch einen Besuch in der Tangermünder Kaffeerösterei planen. Der Kaffeesommelier Sven Döbbelin nimmt sich Zeit für jeden Gast. Wir sind nach dem Lauf eingekehrt und genossen einen kolumbianischen Kaffee und eine schlesischen Mohnkuchen. Oder man macht nach dem Rennen eine kleine Radausfahrt zur Regeneration.

Fazit:

Es ist schon erstaunlich, wie der Tangermünder Elbdeichmarathon e.V. mit Thomas Staudt und Carsten Birkholz an der Spitze den Event mit 330 Helfern und Freiwilligen stemmt. Für das Startgeld bekommt man hier noch viel geboten, toll. Die Location muss ich mir für 2018 merken, wir kommen gerne wieder. Im Marathonfeld ist noch viel Platz. Oder wie wäre es am 25.08.2017 beim Lichterlauf, da rennt man in der Innenstadt auf einer etwa ein Kilometer langen Runde mit Start und Ziel am Markt beim Rathaus. Gleichzeitig finden eine Musik- und Shoppingnacht statt.

Näheres unter www.lichterlauf-tangermuende.de.


Ergebnisse:

Männer:

1. Marco Piec, Tangermünder LV 94, 2.49.29
2. Jens Santruschek, Bretten, 2.50.41
3. Marc Augustin, LE Cheile AC, 3.03.55

Frauen:

1. Dörte Ratz, Ammersbek, 3.31.16
2. Svenja Gerbendorf, LC Völklingen, 3.44.22
3. Ariane Buhtz, TSV Germania Helmstedt, 3.46.54

 

Informationen: Tangermünder Elbdeichmarathon
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