Es war wieder kalt. Aber nicht saukalt, nur „normal“ kalt. Schneeschauer gab es auch nicht. Und vom Frontalwind wurden die Läufer nur zeitweise gepackt. Also sozusagen ideale Bedingungen in diesem Winter. „Hallo Frühling“, so hatten die Kaufleute in dem Steinfurter Stadtteil Borghorst ihr am Marathonwochenende präsentiertes Marktfest betextet. Na ja, war ja ein netter Versuch. Selbst wer auf dem letzten Kilometer noch einen furiosen Endspurt hingelegte, konnte sich nicht vorstellen, wie es ist, beim Laufen mal wieder zu schwitzen. Diesen Winter muss man einfach gern haben. Und der eigentliche Lauf war ja ansprechend.
Die gute Organisation zeigte sich schon bei der Anfahrt: Auch wer nicht wusste, wo genau sich das Startgelände befindet, wurde durch Wegweiser sicher zu den Technischen Schulen geführt. Im Foyer gab es Startunterlagen und einen Info-Stand, in der Sporthalle wurden die Kleidungsstücke aufbewahrt, alles perfekt.
In Steinfurt beginnt der Marathon nicht mit dem Startschuss, sondern eine halbe Stunde früher, nämlich mit der Aufstellung der legendären Brems- und Zugläufer. Im Rahmen von 2:59 h bis 4:59 h wird jeder, der möchte, passend gezogen und gebremst. Mit dabei war in diesem Jahr auch Thomas Wenning, Deutschlandvertreter beim IAU World Challenge 24 h-Lauf 2006 in Taipeh, der seine Truppe in weniger als 3:45 h ins Ziel führte. Und natürlich nicht zu vergessen das Urgestein der Steinfurter Brems- und Zugläufer, Karl-Dieter Nadirk, genannt „Kalle“, der die 3:59 h-Aspiranten in Schwung brachte.
Mit dem Start-/Zielbereich hebt Steinfurt sich von anderen Marathonveranstaltungen deutlich ab: Im Mittelpunkt steht die malerische Kulisse des Steinfurter Schlosses mit den angrenzenden Anlagen, eine unübersehbare Augenweide. Gestartet wurde dann in der Reihenfolge Inliner, Läufer und Walker. 5 Minuten, bevor Bürgermeister Andreas Hoge den Marathonis die Bahn freischoss, startete Sven Kaiser als einziger Teilnehmer den Rollstuhl-Marathon und finishte in 2:15:52 h.
Die zwei Mal zu durchlaufende Strecke ist nicht gerade übermäßig abwechslungsreich, aber zu behaupten, der Steinfurt-Marathon sei im Wesentlichen durch das Flair von Misthaufen und Güllegeruch gekennzeichnet, geht nun doch daneben.
Schon nach wenigen Kilometern zeigt sich die Hollicher Mühle, die auch auf der Finisher-Medaille ihren gebührenden Platz einnimmt. Diese Windmühle nehmen auch die Läufer/innen um den Brems- und Zugläufer „Kalle“ noch wahr, ob danach noch viel von der Umgebung hängen bleibt, ist fraglich.
Immer wenn irgendwo an der Strecke Zuschauer die Läufer in Stimmung bringen – und davon gibt es in Steinfurt trotz der Kälte mehr als man bei der erstmaligen Teilnahme annimmt -, setzt Kalle mit seiner Samba-Pfeife noch einen drauf. Und bald macht der ganze Pulk mit: Nach der Samba-Hymne reißen (fast) alle einen Arm in die Luft und schmettern zum Abschluss den Zuschauern ein „hoi“ entgegen. Und das unermüdlich, immer wieder. Kalle ist eigentlich kein Brems- und Zugläufer, er ist Entertainer. Man merkt nicht, wie die Kilometer abgespult werden. Sagenhaft. Zu Risiken und Nebenwirkungen braucht man in diesem Fall nicht den Arzt oder Apotheker fragen. Die Samba-Hymne ist in allen Köpfen so fest gespeichert, dass der eine oder die andere in den nächsten Tagen auch nachts um halb drei im Bett noch ein „hoi“ von sich geben wird. Dass der Arm dabei ruhig bleibt, muss bezweifelt werden.
Gut aufgenommen wurde auch der in diesem Jahr erstmals angebotene Staffelmarathon bzw. Duo-Team-Marathon. Zwei Läufer oder Läuferinnen oder Läufer/Läuferin bilden ein Team, jede/r hat dabei eine Runde, also einen Halbmarathon, zu absolvieren. Dieser Wettbewerb bietet auch Teilnehmern mit geringerer Lauferfahrung die Möglichkeit, am Wettkampf teilzunehmen. O-Ton Renate Mischak (5026) vom Marathon Steinfurt: „Ich laufe erst seit April letzten Jahres überhaupt, und ich schwöre, dass ich Laufen bis dahin einfach nur „doof“ fand.“ Wie man sich doch so grundlegend irren kann. Alles wird gut, dass man/frau dies früh genug erkennt. Dann haben unsere Krankenkassen vielleicht doch noch eine Überlebenschance. Renate machte nach nur 11 Monaten Training überhaupt nicht den Eindruck, nur einen Halbmarathon laufen zu wollen, und will zumindest mittelfristig auch tatsächlich den ganzen Marathon laufen.
Marathonsieger wurde zum sechsten Mal Janusz Sarnicki (Polen) mit einer Zeit von 2:31:27 h netto, es folgten Thomas Braukmann (LG Kindelsberg Kreuztal) in 2:35:16 h und Dr. Peter Bruinsma (Niederlande) in 2:36:35. Der Sieger mag mit seiner Zeit aufgrund des Windes nicht ganz zufrieden gewesen sein, die anwesende Läufercommunity war es. Sie reichte ihm bei der Siegerehrung noch ein „happy birthday“ zu seinem 40. Geburtstag als Zugabe.
Bei den Damen gewann Ilona Pfeiffer (LT Dissen) in 3:00:47, gefolgt von Nicole Bornhuetter (SV Brackwede) mit 3:08.46 und Marion Braun (SV Germania Eicherscheid) in 3:13:22.
Organisatorisch gab es nichts zu bemängeln, auch die Verpflegung war perfekt: Neben Wasser, Iso und Tee und Obst gab es auf den letzten Kilometern Cola, außerdem im Ziel heiße Brühe und Pils! In Steinfurt war vor allem der gut gesteuerte Einsatz von Kindern an den Verpflegungsstationen auffällig. Auch wenn es den einen oder anderen unter der Dusche kalt erwischt hat, kann dies die souveräne Gesamtleistung der Organisatoren und Helfer/innen des Steinfurt-Marathons nicht wirklich trüben.
Fazit: Der Marathon in Steinfurt wird ein gern gebuchter Frühjahrsklassiker bleiben.
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