Offiziell wurde die deutsche Einheit bekanntlich am 3. Oktober 1990 vollendet. Doch dieser Tag war eigentlich nur der Endpunkt einer monatelangen Entwicklung. In den Zeitraum dieses Prozesses fiel der 7. Marathon in Steinfurt und dieser sollte ein ganz besonderer werden. Nach dem Fall der Mauer schrieben die Steinfurter ihren Lauf als ersten Deutsch-Deutschen Marathon aus. Und das mit überwältigendem Erfolg. Über 500 Läuferinnen und Läufer kamen aus der DDR. Eigentlich erstaunlich, da dort am nächsten Tag die ersten freien Volkskammerwahlen waren. Aber zum Urnengang war man ja rechtzeitig zurück. Die notwendigen Unterkünfte wurden privat organisiert und so konnte am 17. März 1990 die Veranstaltung, die viel Improvisation erforderte, mit Erfolg durchgeführt werden. Positiver Nebeneffekt war dabei die bis heute gültige Rekordteilnehmerzahl von 1605 Läuferinnen und Läufern, und das, obwohl damals „nur“ die reine Marathonstrecke angeboten wurde.
Dieses Jahr ist die Summe der Teilnehmer mit 950 im Vergleich dazu eher bescheiden. Zumal 550 von ihnen beim Staffelmarathon antreten. Mich führt der Weg bereits zum 4. Mal in Folge nach Steinfurt, ist er doch immer wieder eine gute Gelegenheit, mit meiner Frau Silke unsere Freunde Anne und Manfred zu besuchen. So reisen wir bereits am Freitag an und können uns einer gemütlichen Unterkunft sicher sein.
Bei der Startzeit des Marathons um 13.30 Uhr wäre zwar auch eine Anreise am Samstag in Frage gekommen, aber so haben wir weniger Stress. Am Morgen geht es um 9:30 Uhr zur Startunterlagenausgabe. Diese ist wie gewohnt in den technischen Schulen des Kreises Seinfurt. Zu so früher Stunde ist das Gedränge noch nicht sehr groß, die relativ große Menge der Nachmelder kommt erst später. Auf der kleinen Marathonmesse nutze ich die Gelegenheit und erwerbe kostengünstig eine Windstopperjacke, die mich heute auch vor dem angekündigten Regen schützen soll. Am Nieseln ist es ja schon.
Anschließend komme ich in den Genuss, mich hautnah auf den Lauf einstimmen zu können, als ich mit Manfred im Uhrenwagen, den er dieses Jahr wieder steuert, erst mal die Strecke abfahre. Anschließend kann ich mich mit Anne´s Nudeln Bolognese noch einmal stärken und bin so wieder perfekt vorbereitet.
Gemütlich geht es um kurz nach eins zum Start. Die meisten Starter sind schon versammelt. Kaum vorstellbar, wie das bei 1605 Teilnehmern ausgesehen haben muss. Passend hat der Regen aufgehört. Die dicke Wolkenschicht mahnt aber weiterhin, mit dem Schlimmsten zu rechnen. Das stört die Starter aber wenig, denen von einer Trommlergruppe mit ihren Rhythmen ordentlich eingeheizt wird. So wird das Feld bei guten Laufbedingungen um 13.30 Uhr pünktlich auf den Weg geschickt.
Unmittelbar nach dem Start führt die Strecke zuerst an den technischen Schulen vorbei zur Landstraße Richtung Emsdetten. Schon hier kann man feststellen, dass das Münsterland doch nicht so flach ist, wie man es vielleicht annimmt. Leicht geht es die ersten Kilometer „bergan“. Kaum hat das Feld den Stadtteil Burgsteinfurt verlassen, kommt auch schon die Hollicher Mühle in Sicht und begleitet uns auf den nächsten Kilometer. Diese Windmühle in holländischer Bauart ist sogar heute noch voll funktionsfähig.
Als wir an der Mühle vorbei sind, ist auch die erste Steigung geschafft. Jetzt geht es erst mal gemütlich bergab bis das Feld die Landstraße bei KM 5 Richtung Borghorst verlässt. Hier kommen mir zum ersten Mal Bedenken, ob die neue Jacke die richtige Wahl für den heutigen Tag war, ich beginne schon mächtig zu ölen und öffne sie ein wenig.
Bei Kilometer 7 erreichen wir den Stadtteil Borghorst und spätestens hier könnte ich den Eindruck gewinnen, vielleicht doch an einem Bergmarathon teilzunehmen. Hier sind auf gut 300 Metern bestimmt gut ein Drittel Höhenmeter komprimiert zu überwinden. Noch geht das locker, mal sehen, ob dies auf der 2. Runde auch noch so ist. Mehrfach kommt jetzt die Nikomedes-Kirche ins Blickfeld. Eine Besichtigung würde sich durchaus lohnen, auch wenn diese erst im 19. Jahrhundert erbaut wurde, denn hier kann man ein ottonisches Kreuzreliquiar, das sog. Borghorster Kreuz, bewundern. Ich hebe mir das für eine spätere Gelegenheit auf.
Auf dem Weg in die Ortsmitte kommen wir immer wieder an freundlichen Helfern und Absperrungen vorbei. Ca. 200 sind bei diesem Event im Einsatz. Sogar die Feuerwehr weist uns mit einem Pfeil auf ihrem Löschwagen den Weg. Vorbei geht es jetzt am Marktplatz. Die Läuferinnen und Läufer werden über Lautsprecher begrüßt. In der nächsten Kurve erwarten mich bereits Silke und Anne und wetteifern um ein gutes Foto von mir und ich habe die Qual der Wahl, in welche Kamera ich zuerst blicken soll. Wie ich später feststelle, hatte ich das „perfekte Timing“ und blickte im entscheidenden Augenblick in die Andere. Weiter geht es durch zwei Unterführungen. Dazwischen die nächste Verpflegungsstation, an der sich die kleinsten Zuschauerinnen bereits als Cheerleader hervortun. Auf diesem Teil der Strecke gibt es wie jedes Jahr wieder den netten Ergebnisdienst für die mitlaufenden Fußballfans.