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Laufberichte

Trans Atlas Marathon: Einsamkeit, Natur und Abenteuer

23.05.15

Beeindruckend war auch für mich die Weite, die ich überblicken konnte, wenn ich einen Berg überschritt und sich ein Hochtal vor mir ausbreitete, wenn ich in der Ferne das saftige Grün sah und mich selbst in der kargen Bergwüste befand. So hatte ich Kilometer für Kilometer immer wieder neue Eindrücke. Zuweilen hatte ich auch nette Begleitung, doch war es mir nicht immer möglich, mit den leichtfüßigen Marokkanern mitzuhalten. Zum anderen wollte ich aber auch verletzungsfrei die 6 Tage überstehen und das war in diesem Gelände nicht immer ganz einfach. Nicht nur die steinigen Bergwege, falls überhaupt ein Weg da war, stellten eine besondere Herausforderung dar, sondern auch die langen Abschnitte in dem losen Schotter eines ausgetrockneten Bachbettes oder die ständigen Wechsel der Bachseite über die Felsen oder einfach durchs Wasser.

In Agouti, unserem ersten Etappenziel auf 1816 m, übernachteten wir in einer Gite d´ Etape, wie sie hier in den Berge oft zu finden sind. Auch der zweite Tag sollte noch einmal sehr lang werden, bereits um 7 Uhr fiel der Startschuss für diese 58 km lange Strecke. Nicht alle Teilnehmer waren pünktlich, so dass sich der Start etwas verzögerte. Nach einem endlosen Aufstieg von 14 Kilometern erreichte ich den höchsten Berg des TAM, den Tizi Tarkeddid mit 3380 m. Hier oben musste ich im Vorfeld noch einige Schneefelder queren, was ohne Trasse eine ganz besondere Herausforderung war. Noch mit Schnee und Steinen beschäftigt, konnte ich kaum glauben, dass wir bereits den höchsten Punkt erreicht hatten. Ich vergewisserte mich zweimal bei meinen marokkanischen Begleitern Said und Mestapha, denn ich hatte die Höhe gar nicht so sehr gespürt. Wahrscheinlich war ich mit dem Schnee und den vielen Steinen zu sehr beschäftigt! Schon von weitem konnte ich das gleichnamige Refuge (2938 m) erkennen, wo wir uns bei Bedarf mit Getränken selbst versorgen konnten, bevor wir unseren zweiten Berg, den Tizi Rouguelt (3210 m) in Angriff nahmen. Knappe 30 Kilometer musste ich dann noch mit dauerndem bergauf und bergab bis nach Ait Ali N´Itto (1852 m) durchhalten. Würde ich mich noch an die vielen Steine, den losen Schotter und das rutschige Geröll gewöhnen?

Nicht immer hatten die Betreuer die Möglichkeit, mit ihren 4x4-Geländefahrzeugen über  Schotterpisten an die Laufstrecke zu gelangen. Es gab natürlich auch keine Zuschauer an der Strecke, nur vorbeiziehenden Nomaden mit ihren Maultieren. Oft musste Mohamad einen Ortsansässigen mit seinem Muli damit beauftragt, an einer bestimmten Stelle mit entsprechenden Wasservorräten auf die Trailläufer zu warten und diese mit Frischwasser zu versorgen. Das hat  immer super gut geklappt, fast ein Wunder in dieser endlosen Weite!

Auch auf der dritten Etappe gab es drei steile Berge. Schon nach 8 Kilometern war ich auf 2466 m, nach 17 Kilometern auf 2364 m und bei Km 27 dann noch einmal auf den Tizi Tamadla mit 2830 m . Dazwischen konnte ich mich im steilen, steinigen Gelände im Bergablaufen üben! Heute kam ich nur langsam die Berge hinauf, weil ich auf dem feinen Schotter mehr nach unten rutschte, als dass ich mich nach oben bewegte. Dafür war dann das Hinunterlaufen im weichen, losen Geröll wirklich super. Schon bald erreichte ich den wunderschönen Hochgebirgssee Lake Tamda auf 2680 m, umrahmt von schneebedeckten Bergen. Sein klares Wasser spiegelte in allen Farben, das Blau schimmerte ganz besonders leuchtend. Hier hatte ebenfalls ein Träger auf seinem Muli Wasser für uns auf den Berg getragen und ich konnte mich noch einmal vergewissern, dass ich genug zu trinken für die letzten 14 Kilometer bis nach Tighza (1922 m) dabei hatte.

Als ich unten im Tal ankam, verpasste ich die Streckenmarkierung und folgte einem kleinen Pfad flussabwärts, leider auf der falschen Bachseite. So musste ich dann eine geeignete Stelle suchen, um den reißenden Gebirgsbach über große Felsen springend zu queren. Die letzten Kilometer bis zum heutigen Ziel führten dann auf einem schmalen Felsenweg durch blühende Oleandersträucher – ein wahres Paradies! In Tighza übernachteten wir wieder in einer Gite d´Etape, wo uns das Kochteam wie jeden Abend mit typisch marokkanischen Essen verwöhnte.

Eine kurze Etappe von Tighza nach Tizi N´Tichka stand am vierten Tag auf dem Programm, nur 31 Kilometer und etwa 1500 Höhenmeter im Aufstieg. Aber auch diese Strecke hatte es mit drei Bergen in sich, der heutige höchste Punkt bei km 28 lag auf 2680 m, nicht allzu hoch. Ein kurzer Gegenanstieg trennte mich nun noch vor dem drei Kilometer langen und 450 m steilen Abstieg zum Biwak Tichka (2092 m). Schon von weitem konnte ich das Biwak im Tal auf der Wiese erkennen und die laute Musik hören. Schnell hinunter in steilen engen Zickzack-Kurven, oder einfach geradeaus ging es dem nächsten Etappenziel entgegen.

Endlich fand ich mal etwas Zeit, mich mit anderen Läufern auszutauschen. Diese kurze Etappe war für alle fast wie ein Erholungstag: Zeit zum Plaudern, Chillen, Musik hören, Essen, Lagerfeuer machen und Tanzen. Nach dem Abendessen rundete ein Video, das uns Jorge Divi, unser spanischer Filmemacher vorführte, den kühlen Abend unter freiem Himmel ab. Die meisten Läufer verkrochen sich dann auch schon bald in ihre Schlafsäcke und wollten sich für den nächsten 48 Kilometer langen Tag erholen.

Unsere vorletzte Etappe bestand im Wesentlichen aus extrem langen Auf- und Abstiegen. So konnten wir uns auf 17 Kilometer talwärts austoben, wenn die engen Trails  es zuließen. Immer wieder bremsten mich steile, steinige Zickzacktrails aus. Und als ich dann noch im Gebirgsbach ungewollt baden ging, hatte ich erst einmal genug vom vielen Bergab. Zum Glück hatte ich mir nur eine Prellung am Schienbein zugezogen und konnte ungehindert weiterlaufen! Ich hatte ja noch viele Kilometer vor mir. Auch wenn die absolute Höhe auf dem Tizi n´Ghlis bei nur 2333 m lag, hatte ich einige Höhenmeter dazwischen zu bewältigen, unser niedrigster Punkt heute lag in Azgour bei 1335 m.

Zum Abschluss der heutigen Etappe sollte es auf einem wunderschönen Trail und über einen Grat ins Tal gehen. Leider musste ich einem Gewitter weichen, wäre aber zu gern etwas länger hier oben geblieben, um die Aussicht auf das weitläufige Tal genießen zu können. Eine wackelige Angelegenheit mit Blick auf tosendes Gewässer war eine Hängebrücke über den reißenden Gebirgsbach. Noch ein kurzer, steiler Anstieg hinauf auf die Asphaltstraße und schon war ich im Ziel in Imi n´Taddert (1361 m). Direkt neben unserem Hotel befanden sich der Zielbogen und das Zelt, in dem wir später essen würden. Und ein kleiner Lebensmittelladen, wie ich ihn schon seit Tagen nicht mehr gesehen hatte. Da musste ich nach dem Duschen mal vorbei schauen und mir etwas Leckeres kaufen.

Irgendwie traurig und doch froh, es so weit geschafft zu haben, ging ich auf die letzte Etappe. Noch etwa 40 Kilometer lagen vor mir bis zum heutigen Ziel in Imlil. Noch einmal musste ich mich auf den 3180 m hohen Tizi Tibbasan „in eisige Höhen“ begeben. Kurz unterhalb des Gipfels zogen dunkle Wolken herein und brachten nicht nur einen kalten Wind mit, sondern auch Regen mit Hagelkörner, die sich wie Nadeln auf den nackten Oberschenkeln anfühlten. Leider war keine Wetteränderung in Sicht, auch nicht auf der anderen Bergseite. Der Regen wollte nun gar nicht mehr aufhören, wurde sogar noch heftiger, als ich talwärts lief. Ein Gegenanstieg von 2,3 km und 400 Höhenmeter auf den 2303 m hohen Tizi n´Tamatert brachte meine Oberschenkel noch ein letztes Mal zum Glühen. Durch weitläufige Kiefernwälder ging es dann hinunter nach Imlil, später auf der Hauptstraße mitten durch diesen Touristenort. Der Regen hatte nachgelassen, aber es war kalt geworden und ich war froh, dass ich mich im Hotel unter einer warmen Dusche aufwärmen konnte. Diese Bedingungen erinnerten mich stark an meine Alpenquerungen!

Viel zu schnell war dieses Abenteuer zu Ende! Viele Eindrücke habe ich aus den Bergen mitgenommen und  werden mich in den nächsten Wochen immer wieder an diesen besonderen Etappenlauf erinnern.

Schon hier Danke an Mohamad Ahansal und sein Team für die super Betreuung auf den Etappen und in den Zielorten. Ganz besonders möchte ich Lahcen erwähnen, der immer gut gelaunt als letzter die Etappen beendete. So hatte das Orgateam die Sicherheit, dass alle Trailer wohlbehalten angekommen waren. Mit viel Engagement, einer gewissen Gelassenheit und mit viel Freude am Laufen haben sie den Trans Atlas Marathon zu einem ganz besonderen Ereignis werden lassen. Ich habe mich immer wohl gefühlt und trotz mancher Sprachschwierigkeiten fühlte ich mich immer verstanden. Danke an alle, die am Gelingen dieses Laufabenteuers beteiligt waren!

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