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Laufberichte

Tiberias Marathon: Immer wieder gerne

06.01.17 Special Event
 

Über den Jordan


Nach der High School geht es hinab zur Brücke über den Jordan, der hier nur wenige hundert Meter weiter links aus dem See Genezareth entfließt. Rechter Hand liegt nach etwa 300m die Taufstelle Yardenit, Johannes der Täufer lässt grüßen. Noch hat der Jordan Wasser und ist ein richtiger Fluss. Aber bald wird nahezu alles Wasser abgezogen für die Landwirtschaft und für die Bedürfnisse der Menschen. Ein Grund dafür, dass das Tote Meer mehr und mehr austrocknet.

Es geht noch einmal, diesmal leichter als vorhin, aufwärts. Die VS Deganya nach Km 9,5 bietet nicht nur Wasser und Iso. Erstmals sind auch Gels und Datteln im Angebot. Ich greife zu. Ich liebe Datteln beim Marathon. Was ich gar nicht mag ist Wind. Und der nimmt sogar noch zu, als wird um das Südende des Sees laufen. Für einige Km stehen wir voll im Wind. Ich kann es nicht ändern und lasse mich mit einem Blick auf den schneebedeckten Hermon weit im Hintergrund entschädigen.

Km 10 und damit die nächste Zeitmessmatte wird überlaufen. Ich liege mit 1.04 Std. noch im Schnitt. Noch ist nichts verloren. Wir laufen jetzt nicht mehr direkt am See. Einige schöne Anlagen sind längs der Straße zu sehen. Das Bet Gabriel Kinneret - Academy Collage wird passiert. Auch hier wie beim vorher rechts liegenden Kindergarten ist niemand zu sehen.

Der Wind weht so einiges durch die Luft und über die Straße. Ein Schild zeigt an, bis En Gev sind es noch 12 Km. Das kommt hin, ist dort ja unser Wendepunkt. Der Strand Ma'agan ist angesichts des Sturms kaum lohnenswert, also laufe ich weiter. Mein nächstes Nahziel ist der Abzweig der Straße nach En Gev. Von diesem Richtungswechsel erhoffe ich mir ein Abflauen des Windes, denn laufen wir dann ja im Lee der Berge.

 

 

 

Die Ma'agan Kreuzung

 

Der Wind nimmt kein bisschen ab. Er kommt jetzt nur von schräg vorne und nicht mehr von direkt vorne. Die Bäume und Sträucher links und rechts der Straße biegen sich. An der nächsten Zeitmessmatte sind die Absperrgitter umgeblasen worden. Auch die Netze der Bananenpflanzungen sind mächtig in Bewegung.

Durch die Bananenpflanzungen hindurch ist jenseits des Sees Tiberias gut zu sehen. Da wollen wir wieder hin. Ein Chamäleon liegt tot auf der Straße. Endlich bekomme ich einmal eines zu sehen,  und dann ist es hin. Die 92 zieht sich, lange Geraden sind zu bewältigen. Es geht leicht abwärts, zwischendrin auch mal ein wenig wieder aufwärts. Und nachher umgekehrt zurück.

Erst einmal warte ich darauf, dass mir der Führende entgegenkommt. Das kann jetzt ja nicht mehr lange dauern. Rechts geht es ab nach Tel (Hügel) Qazir. Und dann kommen auch schon die beiden Führenden. In 2.16 Std. wird der Sieger heute durchs Ziel gehen. Angesichts des Windes sehr passabel. Aber die schnellste Frau wird mit 2.25 Std. sogar einen neuen Streckenrekord aufstellen.


Kriegszeugnisse

 

Linker Hand zum See hin liegt Ha'On. Hier sind noch Zeugnisse aus der Zeit des Sechstagekrieges 1967 zu sehen. Wachttürme und Geschützstellungen legen Zeugnis von der kriegerischen Vergangenheit ab. 50 Jahre sind seit dem Sechstagekrieg vergangen und Frieden ist nicht in Sicht.

Vor dem Tor steht ein Mann. Er hampelt und macht Faxen. Auch eine Art uns Läufer anzufeuern. Angesichts des unverändert stürmischen Windes, der langen Geraden und des auseinandergezogenen Läuferfelds ist mentale Stärke gefragt. Ich laufe stur hart gegen den Wind und kämpfe. Km um Km geht vorbei und meine Hoffnung liegt auf dem Wendepunkt. Dann muss es doch besser werden!

Die 4.30er Truppe kommt näher. Ich laufe auf und an ihnen vorbei. Ich hab mein Tempo gefunden, laufe gleichmäßig und erfreue über die Sonne und über die gute Stimmung. Mehrere Läufer kommen mit nacktem Oberkörper daher, einige in Fahrradbegleitung. Ein Läufer mit Prothese ist schon auf dem Rückweg.

Auch auf der östlichen Seite des Sees laufen wir an mehreren Stränden vorbei. Ich sehne den Wendepunkt herbei. Die Zeitmessmatte bei Km 20 wird lässt mich hoffen, dass das Winddebakel bald ein Ende findet. Immer mehr Läufer kommen mir entgegen. Na wartet, denke ich mir. Einige von Euch werde ich noch kriegen. Ich ziehe mein Tempo voll durch.

 

 

 

Die Wende  

 

Das En Gev Holiday Resort und Km 21 werden passiert. Gleich muss der Wendepunkt kommen. Mit Vorfreude auf günstigeren Wind laufe ich um die Wendemarke und stelle fest: Na ja, es ist besser, jedoch ist Rückenwind etwas anderes. Aber es ist eine Erleichterung, auch mental. Ich laufe regelrecht beflügelt weiter. Ich kann etliche Läufer überholen, was zusätzlich motiviert.

Die Sonne steht schon recht hoch und läuft zur Hochform auf. Ich komme richtig ins Schwitzen. Helfer kippen mir  Wasserflaschen über den Kopf, das kühlt und ist sehr angenehm.

Km 30 ist passiert, wir sind an der Kreuzung Ma'agan. Jetzt nach rechts und Rückenwind genießen. Ja, da ist was. Aber der Wind hat nachgelassen. Ich überhole Läufer für Läufer, obwohl ich nicht schneller werde. Ich laufe sehr konstant, während manche langsamer werden oder gehen. Das wird was mit unter 4.30 Std., denke ich. Weiter so. Das bekannte Terrain beflügelt mich zudem. Es hilft, erreichbare Nahziele zu setzen. So wird das Südufer des Sees bewältigt.

Jetzt gibt es auch Zuschauer, die Kleinen vom Kindergarten stehen am Zaun und freuen sich, als ich stehen bleibe und Fotos mache. Besonders als ich den mit einem schönen Halsband geschmückten Hund fotografiere kommt Stimmung bei den Zwergen auf.

Ich laufe etwas abseits, um den Ausfluss des Jordan aus dem See Genezareth auch einmal im Foto fest zu halten. Zurück auf der Strecke, kommt wieder eine VS vor der Brücke über den Jordan. Diese wird überquert und die folgende Steigung zur Beit Yerach High School in Angriff genommen.

 

 

 

Pause mit Schülern

 

Mitten in der Steigung ist genau bei Km 34 ein Bushaltehäuschen. Da sitzen Schüler der High School und grölen und haben einen Riesenspaß, als ich mich zu ihnen setze. Damit haben sie nicht gerechnet.

Es geht abwärts nach Kinneret. Ein Läufer dehnt die Waden an der Begrenzungsmauer. An der VS direkt hinter Km 35 warten wieder Datteln auf mich. So lasse ich mir Marathon gefallen. Ich überlaufe die 4.15er. Sie sind mittlerweile ohne Ballons unterwegs, kein Wunder bei dem Wind heute.

Der See liegt zur Rechten, links erheben sich die Berge von Galiläa. Ein schönes Gefühl, bald im Ziel zu sein. Dann ist wird mein 101. Marathon/Ultra Geschichte. Aber noch darf ich den Tiberias Marathon etwas genießen. Zwei VS warten noch auf mich. Im Schnitt kommt alle 3,5 Km eine VS, das ist eine gute Versorgung, aber angesichts der Temperaturen von nun bereits um die 20 Grad auch notwendig.

Immer mehr Läufer marschieren nun Richtung Ziel. Viele haben den Kopf gesenkt, die Ambulanzwagen haben zu tun. Die Strände passiere ich im Laufschritt, keine Passanten sind zu sehen, obwohl sich Wind und See beruhigt haben.

Nach Km 39 taucht Tiberias im Blickfeld auf. Die Sollzeit von 6 Std. ist kein Thema, am Ende bleibe ich noch unter 4.15 Std. und das bei dem Sturm. Ist in Ordnung, denke ich. Die Herausforderungen des neuen Jahres können kommen.

 

Das tiefstgelegene Marathonziel …

 

… der Welt wird erreicht, zum fünften und nicht zum letzten Mal. Ich hole meine verdiente Finishermedaille und gehe aufs Gelände am Gai Beach Hotel. Auf dem weitläufigem Terrain liegen glückliche Marathonis in der Sonne. Es sind Sitzgruppen aufgebaut, man kann sich massieren lassen. Ich hole mir Suppe und etwas zu trinken und stärke mich mit Blick auf den See.

 

 

 

Fazit

Interessanter, gut organisierter Lauf in schöner Umgebung. Absolut ansprechend. Optimal mit einem Urlaub zu kombinieren, um dem Winterblues in Deutschland davonzulaufen.  Schalom!

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