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Laufberichte

Sri Chinmoy-Marathon in Györ

03.11.13 Special Event
 

Die Laufstrecke führt laut Ankündigung auf zu 90 % befestigten Waldwegen in einem Rundkurs gegen den Uhrzeigersinn durch den Auwald. Ich habe stets meine liebe Not, wenn ein Marathon auf unebenen Untergrund, bspw. auf Kopfsteinpflaster, Schotter oder durch den Verkehr beschädigte Straßenabschnitte verläuft. Ich bewege mich auf diesem Terrain stets zu langsam, mit Vorsicht, nicht auszurutschen oder mich zu verletzten, daher verliere ich zu viel Zeit.

Bis auf Börni, der mich nach wenigen Hundert Metern überholt, sind die anderen zwei Clubmitglieder, nämlich Werner und Josef, weiter vorne gestartet und längst meinen Blicken entschwunden. Bald befinde ich mich unter den eher langsameren 7 km- und Halbmarathonläufern. Die Mehrzahl der ca. 50 Starter über 42,195 km gehen das Rennen schnell an. Nur einige wenige, darunter auch Andras, der Mann mit dem Schlapphut, liegen hinter mir.

Im herbstlichen Laubwald gibt es wenig zu sehen, die Blätter haben sich längst von grün auf braun verfärbt und sind abgefallen, der Boden ist feucht, die Natur stellt sich auf die kalte Jahreszeit ein. Man hört kein Vogelgezwitscher. Für die zweite Runde nehme ich mir vor, einen Blick auf die Schautafeln des kurzen Lehrpfades zu werfen, auf denen die Tiere, hauptsächlich Insekten des Waldes, abgebildet sind.

Knapp vor Kilometer 5 treffe ich auf den Mann mit der Nummer 365, der mit uns vor dem Start auf Deutsch kurz gesprochen hat. Seine Gattin läuft nur eine Runde, er hat sich für den Halbmarathon entschieden. Beide sind schon in Österreich Schi gelaufen, wie die Frau mir vor dem Start erzählt hat.

Ich bin üblich auf 5 km-Labestellen eingestellt. Es gibt zwar eine auf einer Lichtung im Wald, aber die erreicht man nach ca. 4 km, das ist mir zu früh. Nun folgen weitere zwei Laufkilometer auf einen aufgeschütteten Damm zum Startbereich zurück. Dieser Abschnitt könnte das Kriterium für die späteren Runden werden, denn man läuft auf Rollsplitt, der die Trittfestigkeit erschwert und bei bestehenden Knieproblemen nicht ratsam ist.

Auf der linken Seite knapp vor der Wende erblickt man die schnelleren Läufer, die bereits in die 2. Runde gehen – darunter Josef und eine Minute später auch Börni. Werner dürfte zu dem Zeitpunkt sogar vor Josef liegen, weil ich ihn nicht sehe. Wegen des Gerölls auf dem Damm verliere ich auf der ersten Runde auf die angestrebte 6er-Zeit zwei Minuten, obwohl ich trotzdem einige 7km-Läuferinnen auf dem Schlussstück in Schach halten kann. „Wo bleibt da die Lehre von Sri Chinmoy ?“, könnte man fragen – einfach auf der Strecke!

Überrascht bin ich nach 7 Kilometern über das reichhaltige Getränkeangebot bei der Labestelle: Neben Wasser, Iso, Apfelsaft gibt es auch Cola. Daher sind 30 Sekunden Steh- und anschließend Gehzeit mit einem vollgefüllten Bechermix fest eingeplant. Zu meiner linken oben auf dem Damm, der als Hochwasserschutz gegen Überflutungen durch die nahe Donau errichtet wurde, erblicke ich die nachkommenden Läufer, ein gutes Gefühl, wenn man nicht ganz hinten liegt.

Es geht auf die zweite Runde, bald kommen uns auf Höhe der Labestation im Wald die ersten ganz Schnellen entgegen, die nach ca. 7,5 km schon fast 3 Kilometer vorne liegen, also mit einer 4er-Zeit laufen. Wie vorgenommen, verweile ich nun kurz für einen Fotostopp bei den Tafeln des auch als Naturlehrpfad dienenden Wald- und Spazierweges, auf dem wir laufen. Die Beschreibung der tierischen Waldbewohner ist auf Ungarisch, doch die zoologische bzw. botanische Bezeichnung in Latein, sodass sich ein akademischer Vogelkundler, Botaniker oder Insektologe gut orientieren könnte.

„Tengelic“ ist unser Stieglitz, der auch Distelfink bezeichnet wird. In meiner Volksschulzeit in Oberkärnten wurde viel gesungen, so auch: „Stieglitz, Stieglitz, Zeiserl ist krank! Gehn ma zum Bader, laß ma eahm Ader, Stieglitz, Stieglitz, Zeiserl ist krank.“

Und die zweite Strophe lautete:  „Stieglitz, Stieglitz, Zeiserl ist krank! Bind' mar eahm's Köpferl ein, wird eahm bald besser sein, Stieglitz, Stieglitz, Zeiserl ist krank!“

Weitere Taferln hebe ich mir für die folgenden Runden auf. Mit 1:24 laufe ich durch die Anzeige, habe also wieder aufgeholt.

Ab der 3. Runde kommt Wind auf, der Himmel verdunkelt sich, ich spüre den Regen – dieses Gefühl kennen all jene, die sich viel im Freien aufhalten. Ich bin zwar auch unter der Woche im Büro tätig,  als „Mensch vom Land“ kam mir das Wettergefühl aber nicht abhanden. Im Wald spürt man die Tropfen eigentlich gar nicht, daher knipse ich weiter einige Schautafeln: Borkenkäfer und Schwalbenschanz sind im Bild, Lebewesen, die Kinder in städtischen Ballungszentren oft noch nie gesehen haben. Solche Lehrpfade haben eine pädagogische Funktion und sind sinnvoll.

Mein Ziel ist, die Halbmarathon-Marke nach 3 Runden unter 2:10 zu erreichen, das misslingt. Am Damm ist man nun dem Regen ausgesetzt, Ostwind kommt auf und der Schotterweg unter den Füßen bremst. Die Garmin zeigt 2:11 Stunden an, als ich zum dritten Male bei der Labestation einen Becher mit Wasser, Iso und Cola mische.

Auf der nun folgenden vierten Runde kommt mir knapp vor der Labestelle im Wald Werner entgegen, der inzwischen gut 2 Kilometer Vorsprung auf mich hat. Josef und vielleicht auch Börni müssten noch weiter vorne sein. Der Regen wird zeitweise stärker, lässt dann wieder nach. Ich bin inzwischen auf weiter Flur alleine unterwegs, die Halbmarathonläufer sind alle im Ziel, die schnellen Marathonläufer eine halbe bis eine Runde vor mir. Und von hinten kommt auch niemand nach.

So beende ich die 4. Runde mit 3:14 Stunden, liege scheinbar noch passabel in der Zeit. Man vergisst dabei aber, dass nach 4 Runden ja erst 28 km gelaufen sind und bis zur 30 km-Marke nach dem Aufenthalt an der Labe wohl weitere 12-14 Minuten verstreichen werden. Tatsächlich erreiche ich die 30 km nach 3:28 Stunden. Wenn ich jetzt zu rechnen beginne und für 14 km 90 Minuten veranschlage, müsste ich wohl ordentlich kämpfen, um unter 5 Stunden zu bleiben. Die Kollegen sind auf und davon, alle besser in Form als man selbst, die spirituelle Energie von Mr. Sri Chinmoy selig könnte ich jetzt gebrauchen.

Bereits auf der 2. Runde sah ich, wie zwei vor mir liegende Läufer knapp vor der Labe im Wald nicht nach rechts, sondern nach links abbogen und dadurch gut 2 km verkürzten. Wenn hinter einem keiner mehr nachkommt, könnte man annehmen, dass weitere auf den gleichen Gedanken gekommen sind.

Der Regen wird stärker, das aufgekommene Schlechtwetter drückt aufs Gemüt, denn es macht mir keinen Spaß, im Gatsch zu laufen. Auf meiner 5. Runde bei Kilometer 31 kommt mir Werner entgegen, der sich bereits auf seiner letzten Runde befindet. Er liegt ca. 2 km auf dieser Runde hinter mir, überholen wird er mich hoffentlich nicht. Das macht dann Josef, der bei Kilometer 32,5 von hinten aufrückt, er ist seit Wochen in Überform. Er hat noch etwas mehr als 2 Km vor sich, wird er noch eine Zeit unter 4 Stunden schaffen?

Ich blicke ihm nach, er läuft mit ca. 5:15 min/km, für die letzte Runde ein respektables Tempo. Ich blicke zurück, es kommen weitere Läufer nach. Am Damm steht ein Kontrollposten, der drauf schaut, dass alle die 20 m bis zur Wende nach Westen und nicht gleich nach links in östliche Richtung laufen. Josef ist nur mehr als kleiner Punkt am Horizont zu erkennen, ich hingegen habe noch eine weitere Runde vor mir.

Als ich knapp vor dem Durchlauf zur 5. Runde mit angeschlagener Kamera auf den Auslöser drücke – immer darauf achtend, dass meine Canon Ixus nicht zu nass wird – kaut Josef gerade ein belegtes Brot und trotzt dem Regen. Die Zuschauer sind inzwischen alle verschwunden, zu sehen gibt es nur mehr vereinzelte Nachzügler, außerdem ist es kalt geworden, es hat nur mehr ein paar Grad über Null. Verspätetes Allerheiligenwetter könnte man sagen.

Die sechste und letzte Runde wird sehr mühsam, alles ist beschwerlich geworden, das Laufen auf gatschigen Untergrund, der starke Regen seit eineinhalb Stunden, der nasse Rollsplitt am Damm. Ich höre auf zu rechnen, ich werde heute wieder einmal die 5 Stunden überschreiten. Knapp vor dem Ziel rufen mir Helfer im schützenden Zelt auf Ungarisch ein gut gemeintes „Vorwärts, weiter so !“ zu, aber solche Worte beflügeln nicht wirklich. Schließlich finishe ich den Marathon mit 5:05:32 – zufrieden bin ich mit dieser Zeit überhaupt nicht, doch man muss sich seiner Möglichkeiten und Grenzen bewusst sein – auch das gehört zur Lehre von Sri Chinmoy.

Leider gibt es für die Finisher statt einer Medaille nur eine Urkunde. Man bietet mir eine warme Gemüsesuppe an, Werner und Josef sind inzwischen umgezogen. Mir ist kalt geworden, die Laufkleidung ist vollständig durchnässt. Mit einigem Geschick kann man sich in fast jedem Auto umziehen, die nassen Sachen wickle ich in ein Handtuch. Es regnet in Strömen, wir halten uns nur mehr kurz im Start- und Zielbereich auf. Als wir um 13.24 Uhr wegfahren, kommen immer noch einige langsamere Marathonläufer/innen nach. Letzter bin ich also beim meinem 47. Marathon im Kalenderjahr 2013 nicht geworden. Andras der ungarische Sammler liegt eine ganze Runde hinter mir.

Die Rückfahrt zu dritt verläuft in entspannter Atmosphäre. Josef blieb mit 4:00:55 Sekunden knapp über 4 Stunden – eine famose Leistung. Auch Börni, der privat anreiste, erreichte mit 4:22:00 und ebenso Werner mit 4:23:00 eine gute Laufzeit. Um 14.45 Uhr sind wir wieder in Wien, für mich geht sich die ab 15.30 Uhr beginnende Live-Übertragung des New York City Marathons so bestens aus.

Sieger bei den Herren:
1. Balacz Sipos: 3:07:27
2. Igor Klobucnik: 3:15:54
3. Zoltan Rakoczy: 3:17:53

Reihenfolge bei den Frauen (auch alle aus Ungarn):
1. Kristina Gulyas: 3:49:32
2. Eszter Nagy: 4:32.10
3. Edit Eder: 4:53:53

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