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Laufberichte

Silva Nortica Marathon

02.06.12

10:23h km15  Noch etwa 1km und wir verlassen das Tal, das heißt es geht bergauf. Nach 94min schätze ich, das müsste etwa km17 sein. Ich nehme meinen PowerGel-Beutel von der Flasche und spüle den süßen Inhalt runter.

Nach einem Fischteich gibt es an einem Bauernhof wieder eine gut gefüllte Labestelle. Bevor wir kurz vor Strobnitz wieder auf die Straße kommen, müssen wir dem Schlamm ausweichen und einen Bogen über ein Feld laufen. Auf der Straße geht es wieder zügig weiter. Ich überhole acht Leute auf einmal und habe keinen Mitbewerber in Sichtweite vor mir, als ich bei km20 zum Hauptplatz von  Strobnitz rauf laufe.

10:55h km20  Hier tummeln sich an die 200 LäuferInnen und warten auf das Startsignal zum Halbmarathon. Ich bekomme von vielen Applaus, das freut mich. (Vor lauter Hektik vergesse ich das Fotografieren.) Leider kann ich aber nicht erkennen, wie es weitergehen soll. Bisher war die Strecke immer sehr gut ausgeschildert. Vor jeder Kreuzung schon der Hinweis auf die neue Richtung, nach der Kreuzung wieder ein Schild, das einem bestätigte, dass man richtig ist. Schilder kann ich hier aber vor lauter Leuten nicht erkennen. „Wie geht es weiter?“, frage ich, mit hochgezogenen Augenbrauen und Handflächen nach oben. Da, einer deutet mir wo ich hin muss.  Dieselben Meter wie nach dem Start. Nur nach der Behelfsbrücke – jetzt ganz ohne Stau – nach rechts.

Bisher habe ich etwa 150 Höhenmeter bewältigt, 400 habe ich noch vor mir. Aus dem Ort raus geht es noch recht flach. Kurz nach der Halbmarathondistanz geht es eine gemähte, feuchte Wiese rauf. Nicht sehr steil, aber weit. Wie bestellt versteckt sich die Sonne hinter Wolken. Habe ich ein Glück heute! Es ist nämlich nicht viel wärmer geworden seit dem Start. Bislang war immer Wohlfühltemperatur.

Alle gehen hier, die meisten aber schneller als ich und nach und nach werde ich überholt. Schließlich muss ich mich unter ein paar Zweigen ducken und es geht im Wald weiter. Als ich glaube ich bin oben, gibt es bei der Kirche von Dobrá Voda (Brünnl) wieder Stärkungen. Und einen tollen Ausblick gibt es dazu, wenn man sich umdreht. Leider geht es hier aber weiter bergauf, erst auf einem nassen Wiesenweg, dann wieder im Wald. Ich vermute, dass das 25km-Schild vergessen worden ist. Endlich geht es wieder länger bergab, in Hojná Voda (Heilbrunn) komme ich wieder auf eine asphaltierte Straße. Ein Hinweisschild kündet von einem nahen Schlepplift, der im Winter die Skiläufer auf den 1033m hohen Vysoká bringen kann. Am oberen Ortsende verlasse ich Hojná Voda wieder, bei der Labe greife ich kräftig zu. Und kurz darauf das 25km-Schild!

11:50h km25  Unmöglich! Ich bin entsetzt! Für die letzten 5km soll ich 55 Minuten gebraucht haben? Das kann nicht stimmen!

Wie auch immer. Rein in den Wald und es geht weiter über Stock und Stein bergauf. Ein paar bemooste Findlinge liegen rum, da und dort ein entwurzelter Baum, wohl auch eine Hinterlassenschaft von Kyrill vom Jänner 2007. Die Spuren dieses Sturms findet man wirklich in ganz Europa. Noch einige Minuten, bevor ich viele der Höhenmeter nun runter laufe, alles im Wald. Als ich bei der Labe bei km29 etwas Cola und Wasser trinke, überholt mich ein Mitbewerber mit Camel-Bag. Der braucht diesen Aufenthalt nicht. Wir haben uns schon öfters gesehen heute.

Nun wieder etwa anderthalb km auf einer schön asphaltierten flachen Straße durch den Wald. Erinnert etwas an Skandinavien, vielleicht auch Kanada. Bei der nächsten Abzweigung dürfen wir Marathonis nach rechts in den Wald, die103km-Ultras mussten hier gerade aus. Ich komme an einer Pferdekoppel vorbei und mache ein Foto von den beiden Pferden. Sofort versucht ein Fliegenschwarm auf mir zu landen.

Weiter geht es auf der Hochebene, eine einsame Fotografin spendiert mir einen Becher Iso und ist ganz erstaunt über den Fotoapparat in meiner rechten Hand. Ob ich die anderen Läufer fotografiere? Naja, in erster Linie die Landschaft, die Strecke. Das überrascht sie noch mehr.

Während ich mit ihr rede überholt mich ein Läufer mit einem Wachau-Shirt.
Hier wieder loser Untergrund um nicht zu sagen Geröll. Die Straße wurde stellenweise mit Bauschutt ausgebessert. Wieder im Wald geht es relativ steil bergab, mein linker vorderer Oberschenkelmuskel meldet sich.

Nun finden Marathon und Ultra-Strecke wieder zusammen. Die 103km-Ultra-Strecke zeigt nun 60km mehr an. Von den Ultras war aber noch keiner da.

Bei der nächsten Labe gibt es erstmals zu allem anderen auch Bier. Für mich nicht, sieht aber sehr appetitlich aus. Ich komme ins Gespräch, mir wird bestätigt, dass wir Riesenglück haben mit dem Wetter. Gestern so ein Unwetter, morgen sollen die Temperaturen hochsommerlich werden, und wir mittendrin. Perfekt!  Der Fliegenschwarm hat mich bis hierher begleitet.

Welcher km ist hier? Km35 bekomme ich zur Antwort. Es ist 12:54h. Nach sechs Minuten komme ich zu zwei Schildern: Ultramarathon 95km und Marathon 35 km.  Ich bin 4 Stunden unterwegs. Offiziell ist dieser Marathon 43,02km lang.

Kein Problem, nun unter 5 Stunden zu finishen. Vor mir der Läufer im Wachau-Shirt, auch er wird von den Fliegen umschwärmt. Ab km 36 soll es bergab gehen. Das tut es vorerst auch. Als es auf zum Teil aufgeweichter Forststraße wieder bergauf geht, glaube ich noch an wenige Höhenmeter. So zeigte es das Höhenprofil auf der Homepage des Veranstalters an. Es geht aber doch ganz ordentlich bergwärts, mich überholen noch zwei. Oben wieder ein schöner Ausblick, auf einer morastigen Straße, den Pfützen ausweichend, steuere ich die letzte Labestelle an.

Dort haben sie von allem noch jede Menge. Wenn da nicht noch sehr viele hinter mir kommen, werden die vieles davon wegwerfen müssen. (Es sollten noch über 80 Läufer nach mir da vorbei kommen, wie ich jetzt weiß.) Ab dieser Labestelle nun schöner Asphalt bis ins Ziel, fast immer mit leichtem Gefälle. Hier kann man richtig Tempo machen. Und das tue ich auch, und die vor mir tun das auch.
Noch 24min bis die 5 Stunden um sind, aber man darf eh 6,5 Stunden benötigen.

13:42h km40  Ich habe also noch 18min für 3km, ich fühle mich gut, keinerlei Muskelprobleme mehr. Strahlender Sonnenschein, eine angenehm kühlende Brise, ein Zieleinlauf mit leichtem Gefälle und absolut ebenem Asphalt. Super, ich fliege beinahe! Kurz bevor die Strecke flach wird, kommt mir eine Ambulanz mit Blaulicht entgegen. Hoffentlich nichts Schlimmes!

Kaum dass es flach geworden ist, gibt ein junger Mann 0,5-l-Wasserflaschen aus.  „1km“, sagt er. Gut, die letzten zwei km bin ich in 10min gelaufen, ich habe also etwas Zeit, will mich aber auf nichts einlassen. Ein Foto aber geht noch, links weiden Kühe. Nach 3min steht da ein Schild: 1000m

Sch…lecht, das wird knapp! Zumal ich mich vom Vortag erinnern kann, dass es mit 1000m hier wohl nicht getan ist.  Ich behalte das Tempo bei, komme den beiden vor mir auch näher, werde sie aber wohl nicht mehr einholen. Wieder in Horní Stropnice müssen wir noch auf die andere Seite des Sportplatzes laufen, da steht der Zielbogen.

Ich habe noch eine Minute Puffer, mache ein letztes Foto von unterwegs, zwei mal rechts, rauf auf den Sportplatz. Als ich unter Applaus die Ziellinie überquere zeigen die leuchtend roten Ziffern 13:59:45 Das war richtig knapp! Kaum bin ich zum Stillstand gekommen, stürzt sich einer auf meinen rechten Knöchel und montiert mir den Chip ab. Händeschütteln mit dem unmittelbar vor mir ins Ziel Gekommenen und mir wird eine Granitplatte am blau-weißen Band als Erinnerungsmedaille umgehängt. Ist die schwer!

Den Fliegenschwarm habe ich mit meinem Schlussspurt abgehängt! 

Ich sehe mich etwas um. Trommler sind da und junge Mädchen tanzen. Es gibt Radler und eine ganz ausgezeichnete Hühnersuppe, wie ich nach dem Duschen feststellen konnte.

Da brandet Applaus auf, der Sieger des 103km-Ultramarathons kommt ins Ziel, Daniel Orálek, der so sympathische Extremläufer. Er hat nur 8:31 Std. gebraucht, und dem zweiten, Hubert Morawetz (AUT), 37min abgenommen.

Als ich mich bei der Zeitnehmung erkundige, wie lange Start-Nr. 242 unterwegs war, muss ich furchtbar lachen und die Jungs lachen mit. Was bin ich für ein Glückskind!

Ich habe mich haarscharf unter 5 Stunden ins Ziel gerettet:   4h 59min 50sec.
Damit bin ich 110. von 130 gestarteten, die Zeit des Siegers:  3h 14min 16sec

In der Garderobe komme ich mit einem anderen Finisher ins Gespräch. „Extra-long Marathon today!“ sage ich. „Yes, 2km more!“  „2km more?“ „Yes, 44,2km today!“  „WOW!“ Aha, daher ist es also so knapp geworden.

Als die für halb sechs angesetzten Siegerehrungen und Tombolaverlosungen beginnen, bin ich bereits wieder daheim. Bei meinem heutigen Glück hätte ich wahrscheinlich sogar etwas gewonnen. Ich werde es nie erfahren. 

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Im Startgeld von € 28,- inkl. Zeitnehmung für Spätanmelder waren enthalten:

Im Starterbag ein Schweißband und v.a. Prospekte auf tschechisch.

Eine schwierige, sehr schöne Strecke, fantastische Luft und 540 offizielle Höhenmeter 

Eine Erinnerungsgranitplatte am blau-weißen Band      

Genug Labestellen mit Wasser, Iso, Cola, Käse, Brot, Salz, später auch Tee und Bier sowie Kohlehydrate aus der Tube.

Entfernungsangaben etwa alle 5km, deren Angaben durchaus bezweifelt werden dürfen. 

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