marathon4you.de

 

Laufberichte

Maratona di Reggio Emilia

08.12.13 Special Event
 

Ich postiere mich in der Gruppe 4:30, dicht dahinter stehen die 5-Stunden-Läufer. Zunächst führt der Kurs vom Corso G. Garibaldi in die via Emilia San Pietro, dann geht es nach einer Wende durch die Stadt zurück. Die ersten dreieinhalb Kilometer der Marathonstrecke sind eine Art Rundkurs durch die Stadt, wobei der Start- und Zielbereich am Anfang 2x durchlaufen wird. Ich treffe heuer zum wiederholten Male auf Marco Simonazzi vom Club Supermarathon, gut an seiner bulligen Statur und mit der niedrigen Nummer 106 zu erkennen. Er war in Ravenna und Florenz dabei, gehört meiner Noch-Altersgruppe M55 an und finisht als typischer Marathonsammler seine Läufe mit Zeiten um 5:30. Ich begrüße ihn, er freut sich sichtlich. Sobald die Altstadt von Reggio Emilia zurückliegt, sieht man kaum mehr Zuschauer. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn bereits nach 5 km bei der ersten Labe erkennt man, dass der Marathonkurs nun leicht ansteigt und hinaus in die Hügellandschaft führt.

Knapp vor der 10 km-Marke laufen wir auf der via Villa Levi vorbei am Vorort Coviolo. Links befinden sich weite, längst abgeerntete, vom Nachtfrost heimgesuchte Felder, die nun um 10 Uhr vormittags vom Reif überzogen sind. Man sieht in den Weingärten Reben, an denen vereinzelt gut erhaltene sowie vertrocknete und gefrorene Trauben hängen, die zur Herstellung des sogenannten Eisweins Verwendung finden und bspw. zu Weihnachten gepflückt werden. Die hügelige, häuser- und menschenleere Landschaft hat einen besonderen Reiz, das erkennt man beim Dahintraben.

Die Versorgung auch an der 2. Labe nach 10 km ist bestens bestückt: Es gibt Wasser, warmen Tee, Iso, Kekse, Zitronen, Orangen und sog. „falsches“ Cola, wie ich zu sagen pflege, wenn kein Original-Coke angeboten wird. Ich trinke das nachgemachte Cola erst gar nicht, man bekommt manchmal Sodbrennen davon, hörte ich schon von Kollegen.

Der gleich daran anschließende Ort heißt San Rigo, das Feld ist längst um einige Kilometer weit auseinandergezogen. Das kann man beim Zurückblicken auch gut erkennen, denn zwar liegen längst drei Viertel vor mir, der Rest aber zurück. Die Landschaft ändert sich hier nicht – die Bedingungen sind geradezu hervorragend, kein Wind, Sonne, trocken um ca. 6 Grad in Sonnenlagen, die Anstiege eher gemäßigt. Vielleicht steckt mir der Marathon in Crikvenica letzten Sonntag noch in den Knochen, ich bin heute etwas zu langsam unterwegs.

Knapp vor der 15 km-Marke sind an einem Weingartenzaun mehrere Transparente angebracht, neben der italienischen Fahne sticht ein Transparent mit der Aufschrift „Maratona immensa passione“ ins Auge. Die Läufer vor und hinter mir sind mit Zeiten zwischen 6:30 und 7min/km unterwegs, das ist schon recht gemächlich. Ein wenig schneller möchte ich doch vorankommen – die Uhr zeigt 1:37 bei der 15 km-Zeitnehmung nahe dem Vorort Montecavallo.

Die Marathonstrecke führt nun in einer langgezogenen Wende wieder nach Norden, man sieht in einer Entfernung von 2 Kilometer Luftline gut die vorne befindlichen Läufer. Beim Laufen bemerkt man, wie schwer und wie lange es dauert, jemandem, der nur 500 m vor einem liegt, einzuholen. Laufe ich mit 12 km/h, benötige ich 5 Minuten, um zu einem, der mit 10km/h unterwegs ist, aufzuschließen. Daher kann man ab Kilometer 30 kaum mehr jemanden „erwischen“, der einigermaßen sein Tempo halten kann. Aber nun geht es etwas abwärts, vorbei an Monte Cavallo in den Ort Rubbianino. Ich kann bis zum Halbmarathondurchlauf einige Plätze gut machen. Aber meine Laufzeit ist trotzdem schlecht, 2:15:46 sind zu viel. Heute wird sich eine Zeit knapp über 4:30 nicht mehr ausgehen. So bleibe ich länger an der Labe und esse gleich zwei Kekse. Die Gehpause tut gut. Außerdem ist die Landschaft schön, ich knipse auch. Da die Linse aber etwas von der Kälte beschlagen ist, könnte es sein, dass einzelne Fotos einen Grauschleier haben. Ich habe auch schon gehört, dass manche Digicams bei Kälte einen verlangsamten Autofocus haben und später auslösen. Hoffentlich trifft das bei mir nicht zu.

Am Beginn und Ende einer 5 km-Etappe befinden sich hier fast mathematisch exakt (der Garmin nach zu schließen) die Labestellen, das kommt sonst eher selten vor. Und genau in der Hälfte werden Schwämme verteilt. Wann immer ich meine Kamera in Position bringe, denken die Helfer, dass ich einen Schwamm möchte. Dann sind sie aber belustigt und nicht verärgert, wenn ich stattdessen auf den Knopf drücke. Ich mag die Italiener auch wegen ihrer Hingabe, was Sport betrifft. Sie sind dafür grenzenlos zu begeistern. Auch die Helfer leben mit, sie freuen sich. Das habe ich wahrscheinlich schon öfters geschrieben, aber es trifft zu und die gute Stimmung überträgt sich.

„Corri, uomi corri !“, diese Anfeuerung auf einem Transparent beflügelt. Knapp vor dem Ort San Bartolomeo steht die 25 km Anzeige. Für mich ist ein Marathon das erste Mal bei 30 km „gelaufen“, dann das zweite Mal bei Kilometer 35. Die restlichen 7,195 km bis ins Ziel sind für mich aber das eigentliche Kriterium. Doch so weit sind wir noch nicht. Ich werde mir ein Gelpäckchen gönnen. Ob es  für den Marathon etwas bringt, bleibt immer abzuwarten. Bei einem Anstieg scheint sich ein Läufer zu beklagen, er murmelt etwas Unhörbares. Ich überhole ihn und deute auf den blauen, wolkenlosen Himmel: „Che bello …“ Da nickt er und sagt „è vero“ Während der Kurs von Kilometer 16 bis 23 leicht abwärts führte, steigt er nun wieder an – und das kostet etwas Zeit, außer man mobilisiert neue Kräfte. Ein als Weihnachtsmann verkleideter Helfer läutet mit einer kleinen Glocke. Das Christkind gibt’s bald nur mehr in den österreichischen Bergtälern, Santa Claus ist allgegenwärtig – auch beim Marathon in Reggio Emilia.

Ich möchte den 30er-Kontrollpunkt unter 3:15 schaffen – ob sich das ausgehen wird?  Das Gelände steigt immer noch leicht an. Doch bald geht es entlang der via Giovanardi wieder abwärts bis die nächste Labe knapp vor 30 km erreicht ist. Heute scheint die Zeit schneller zu vergehen, denn meine Uhr zeigt inzwischen schon 3:16 Stunden Nettolaufzeit an, eine Finisherzeit um 4:45 rückt näher. Was mich immer wieder ärgert, ist der Umstand, dass auf den gesperrten Straßen bestimmte Anrainer sich nicht daran halten und den Läufern penetrant hinterherfahren, bis diese nach rechts oder links ausweichen. Hier drücken die Veranstalter beide Augen zu. Bei der 30 km-Labestelle applaudiert der Platzsprecher jedem einzelnen Läufer, der die Matte überquert, mit „dai, dai“ oder „Forza“ zu. Ich habe heute Rückstand, doch was soll’s!

Auf den folgenden 5 Kilometern treffe ich auf zahlreiche Geher, einige stretchen und verrenken sich dabei, was meines Erachtens nichts bringt, wenn man seine Kohlehydratvorräte verbraucht hat und die Fettverbrennung nicht ausreichend trainiert wurde. Ich schaue beim langsamen Laufen „ins Land eini“ – wie eine beliebte Sendung im ORF 2 mit dem gebürtigen Südtiroler Sepp Forcher, die Land und Leute in den neun österreichischen Bundesländern vorstellt, heißt. Damit ist gemeint, dass man mit dem inneren Blick für eine Gegend mehr aufnimmt. Wohlgefallen bedeutet Wohlfüllen – mir gefällt die Gegend hier.

Bei 32 km zeigt die Garmin 3:32 Stunden, doch ich vermag heute die 10 km nicht in 60 Minuten zu laufen. Da müsste ich mich sehr anstrengen, doch das will ich ja gar nicht, es geht gemächlicher auch. Wir sind wieder durch San Rigo durchgekommen, bei km 33 steht eine Mädchengruppe, die sich wie Cheerleader gekleidet haben und die Läufer anfeuern. Endlich erreiche ich die 35 km-Marke.
Eine Läuferin beginnt nun einen Wettkampf mit mir: Sobald ich auf sie auflaufe, sprintet sie wieder 100 m und macht die nächste Gehpause. Das nervt, so lege ich einen Zahn zu und bin einige Hundert Meter vorne. Dann muss ich austreten, das länger als geplant dauert, zwei Dutzend Läufer sind wieder vor mir. Bis zum Ort Baragalla hole ich wieder alle ein, auch die Nummer F423.

Ich denke jetzt nur mehr in einzelnen Kilometern und rechne, ob sich 4:45 Stunden bis ins Ziel ausgehen werden. Je näher wir der Stadt kommen, desto länger kommt mir die Strecke vor. Meine Garmin hat inzwischen ein Guthaben von 500 m bei jedem neuen Kilometer. Daher bleibe ich bei der 40 Kilometer-Labe nicht stehen und versuche etwas aufzuholen. Vor mir sind auf der viale Umberto nur zwei oder drei Läufer, auch F423 scheint zurückgefallen zu sein. Doch wenige Hundert Meter vor dem Ziel kommen zwei Läufer hinter mir nach, die Kämpferin F423 und ein etwas jüngerer Mann als ich. Ich habe die Wahl, wie geplant beim Einlaufen zu knipsen oder den Turbo zu zünden. Die Kraft für einen Sprint ist da. Ich entscheide mich für das langsame Tempo. Beide liegen am Ende weniger als 10 Sekunden vor mir. Meine Garmin zeigt 4:46:18 an – für 42,73 km. Einmal ist der Kurs zu kurz, diesmal etwas zu lang.

Alle Finisher erhalten eine sehr schöne Medaille mit der Fassade des Museums Mauriziano etwas außerhalb der Stadt, des Weiteren ein Handtuch und nach Abgabe des Chips in der nahen Expo-Sporthalle auch ein Päckchen mit Nudeln udgl.

Mit Ernst habe ich vereinbart, dass wir uns im Corallo-Hotel treffen. Mit etwas Verspätung treffe ich dort gegen 14 Uhr ein. Ernst bestätigt den hügeligen Kurs. Seine Laufzeit von 3:56 ist sogar um einige Minuten langsamer als beim Windmarathon letzten Sonntag in Crikvenica. Er möchte beim Indoor-Marathon in Wien kommenden Sonntag eine gute Zeit laufen, daher habe er sich heute zurückgenommen. Die Strecke habe ihm gefallen, vor allem die Landschaft. Doch er hacke diesen Marathon für immer ab, er werde sich neue Orte aussuchen. Vielleicht bin ich selbst beim 20. Marathon in Reggio Emilia wieder dabei, das wäre im Dezember 2015 – mit 61 plus.

Sieger bei den Herren:
1. Michele Palamini (ITA): 02:17:03
2. Cherkaoui Laalami (MAR): 02:18:03
3. Abdelhadi Tyar (MAR): 02:18:12

Ranking bei den Frauen:
1. Eliana Patelli (ITA): 2:39:39
2. Laura Giordano (ITA): 2:39:42
3. Claudia Dardini (ITA): 2:47:14 

 

12
 
 


 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024