marathon4you.de

 

Laufberichte

12-Stunden-Lauf Schwäbisch Gmünd

31.05.08

Läufe, bei denen die Zeit vorgegeben ist haben einen ganz anderen Charakter, als solche, bei denen eine bestimmte Entfernung zurückgelegt werden muss. Die sogenannten Stundenläufe finden immer auf einer kurzen Rundstrecke statt. Bei meinem bisher einzigen 12-h-Lauf war die Runde exakt zwei Kilometer lang, hier in Schwäbisch Gmünd 945m, was auf den ersten Blick halb so lang ist, mehr nicht. Aber die krumme Zahl hatte ungeahnte Auswirkungen, erschwerte sie jedoch die Berechnungen unterwegs ungemein.

„Schrecklich! Das muss ja furchtbar sein, immer nur im Kreis zu laufen.“ Stets erhält man solche Kommentare, die aber mehr über das Vorstellungsvermögen des Gegenüber aussagen, als dass sie die Wirklichkeit beschreiben. Klar, ein Landschaftslauf, z.B. durch die schöne Bergwelt der Schweiz, hinterlässt einen anderen Eindruck, als ein Rundenrennen. Aber auch dieses ist interessant, sieht man doch ständig seine Mitläufer, man ist nie hinter oder vor dem Feld, sondern stets mittendrin. Egal wie schnell oder langsam man läuft, die Strecke ist immer gefüllt mit Läuferinnen und Läufern, man wird überholt, man überholt selber, man kommt sozusagen mit Hinz und Kunz ins Gespräch, man kommt in jeder Runde am Klo vorbei, die Verpflegung ist verlässlich, da man zwangsläufig in jeder Runde dran vorbeikommt.

In Schwäbisch Gmünd wird der Lauf vom Roten Kreuz (DRK) veranstaltet, er ist eingebettet in ein Straßenfest und der Erlös dient der Beschaffung eines Einsatzwagens. Angeboten wurden ein 12-, und ein 6-h-Lauf für Einzelläufer, aber auch für Teams.

Von Stuttgart nach Gmünd dauert es 50 Minuten, gegen 6.45 Uhr hatten wir, Angelika, Beate, Stefan und ich, unsere Startnummern und waren bald startbereit. Das Wetter würde gut werden, 23 Grad waren angekündigt, Sonne, auch Wolken und am späten Nachmittag auch Mal ein Schauer.


Kurz nach 8 Uhr ging es dann los. Entsprechend meinem Plan, zwischen 80 und 90 km zu laufen, begann ich ganz verhalten. Dies sollte ein letzter Trainingslauf für die 100 km in Biel werden und ich wollte versuchen, etwas langsamer als mein geplantes Biel-Tempo von etwa 8 min/km zu laufen. Bereits nach der ersten Runde aber war ich zu schnell, obwohl ich den einen oder anderen Stopp zum Fotografieren gemacht hatte. Ich bemühte mich, schaffte es aber nicht, so langsam wie geplant zu laufen, stets hatte ich Rundenzeiten von etwa 7 min und wenn ich nicht aufpasste, war ich sogar schneller. Vermutlich aber würde sich das im Verlauf des Tages erledigen!

Die Runde selbst war recht abwechslungsreich und erfreulich schattig. Sie führte rund um den Waldstetter Bach. Die etwa 100m lange Startgerade war von Bäumen gesäumt und lag vollkommen im Schatten. Dann ging es hinaus in die Sonne, nach rechts weg und ebenfalls etwa 100 m ganz leicht abschüssig einen breiten Gehweg entlang, um dann nach rechts auf einer Brücke über den Bach zu laufen. Hier gab es ein kurzes (10m) Begegnungsstück, auf dem einem die entgegen kamen, die eine halbe Runde Vorsprung hatten. Bevor man sich aber „berührte“ schwenkten beide links weg. Es ging nun eine lange, schattige Allee hinunter, an deren Ende es 90 Grad nach rechts ging, ein paar Meter auf einem Gehweg, nochmals 90 Grad rechts und dann lief man auf einem ganz schmalen Gehweg neben einer befahrenen Straße. Diese etwa 100 m waren der einzige Abschnitt, bei dem man mit Autos in Berührung kam. Am Ende ging es wieder in einem rechts-links Schwenk auf eine Allee. Wer bis hierher mitgedacht hat, merkt, dass genau hier die zuvor erwähnten 10 m Begegnungsstrecke war.

Eingangs der Allee lag links ein kleiner Platz mit aufgemaltem Schachbrett, das im Laufe des Tages von allen möglichen Leuten benutzt wurde, rechts kam ein Spielplatz mit Schaukeln, die ebenfalls intensiv genutzt wurden. Am Ende der Allee ging es nach rechts weg, wieder über den Bach, nochmals rechts und schon hatte man die Runde geschafft.

Hier saß ein junger Mann am Computer und tippte die Startnummer jedes Läufers, jeder Läuferin in seinen Laptop. Anfangs war er ziemlich im Stress, kamen die Läufer doch recht gehäuft und er musste aufpassen wie ein Luchs, um niemand zu übersehen. Wir hatten zwar den Eindruck, dass er uns nicht jedes Mal erkannte. Damit aber taten wir ihm Unrecht, er hat uns alle ganz zuverlässig erfasst. Leicht gemacht wurde es ihm nicht, ständig liefen Leute vor seinem Tisch umher und nahmen ihm die Sicht, die schnellen Staffelläufer überholten, Helfer lenkten ihn mit Gesprächen ab, also eine recht anspruchsvolle Aufgabe. Zu meinem Erstaunen saß der Zähler die ganzen 12 Stunden dort, bis auf wenige, kurze Pausen. Alle Achtung, das war eine Leistung.

Anschließend an die Zählstation folgte der Verpflegungstisch, ausgestattet mit nahezu allem, was das Läuferherz begehrte, sogar eine Suppe konnte man bekommen. Die meldete man bei den Betreuern an und eine Runde später stand sie auf dem Tisch. Lediglich salzige Knabbersachen, wie Erdnüsse und ähnliches habe ich ein wenig vermisst. Aber das ist ein Luxuswunsch.


Im folgenden Bereich der Startgeraden hatten es sich die Teams gemütlich gemacht. Die Einen wechselten bereits nach ein paar Runden jeweils den Läufer, die anderen hatten ihren Läufer jeweils eine halbe Stunde auf der Strecke. Die ambitionierten schickten nur schnelle Leute ins Rennen, die dann auch ständig überholten. Einige davon schafften es, nahezu nach jeder zweiten Runde zu überholen. Entsprechend sah deren Bilanz am Ende dann auch aus. Die siegreiche Mannschaft hatte 168 km geschafft!

Es gab aber auch Teams, da stand der Spaß an der Sache ganz im Vordergrund. Die schickten auch jüngere, langsame und unerfahrene Läufer auf die Strecke, die teilweise sogar gehen mussten, weil sie zu schnell losliefen. Bei den 6-h-Teams waren Schulen dabei mit ganz jungen Teilnehmern. Da konnte es schon mal vorkommen, dass zwei Kinder Hand in Hand die Strecke entlang spazierten und sich blendend unterhielten.

Alles in Allem brachten die vielen Teamläufer richtig Leben auf die Strecke, so dass man immer etwas zu beobachten hatte.


Nun, was war auf der Strecke sonst noch los. Natürlich gab es Spaziergänger, ein paar dem Alkohol zugeneigte Mitbürger saßen auf den Parkbänken an der ersten Allee und gaben immer wieder aufmunternde Kommentare ab, auf dem Spielplatz am Beginn der zweiten Allee tummelten sich Kinder, auch manche aus den Teams, wenn sie gerade nicht im Einsatz waren. Auf dem kurzen Abschnitt vor dem Zieleinlauf konnte man die Leute beobachten, die vom Einkaufen kamen, oder sich zum Spaziergang aufmachten und im Zelt neben dem Zieleinlauf saßen gegen Mittag immer mehr Leute, tranken etwas oder verspeisten eine Wurst, denn Anlass des Laufes war ja ein Straßenfest des DRK.

Ziemlich unbeeindruckt von dem ganzen Treiben absolvierten wir Läuferinnen und Läufer unsere Runden. Regelmäßig nach etwa 2,5 bis 3 Runden überholte mich Nico, und auch die Nächstplatzierten liefen ziemlich regelmäßig an mir vorbei.
Natürlich kam ich auch immer wieder mit jemanden ins Gespräch. Da war Siggi, ein etwas zu schwerer Läufer, der mich anfangs ein oder zwei Mal überrundet hatte. Allerdings keuchte er da schon so schwer, dass ich größte Bedenken hatte. Ein Mitläufer forderte ihn dann auf, doch langsamer zu laufen, er würde doch sonst die 12 Stunden nie schaffen. Ich kam ins Gespräch mit ihm. Er war dieses Jahr schon in Hamburg gelaufen, sogar etwas schneller als ich. Einen 12-h-Lauf aber hatte er noch nicht gemacht und wollte sich überraschen lassen; auf jeden Fall aber war er recht zuversichtlich. In der Tat hörte er dann aber recht bald auf mit dem schnellen Laufen, dann sah ich ihn noch viele Runden gehend, irgendwann saß und lag er neben der Strecke und noch später war er überhaupt nicht mehr zu sehen.

Anders machte das der Läufer, der die ersten 42 km zusammen mit seinem Vereinskameraden Nico, dem späteren Sieger, lief. Ein ganz junger Triathlet, der seine Marathonzeit verbessern wollte und seine Füße abhärten, die ihm beim Wechsel vom Fahrrad zum Laufen immer so schmerzten. Er machte ebenfalls sein erstes 12-h-Rennen, wurde nach den ersten schnellen vier Stunden langsamer, ließ Nico ziehen und schaute, dass er die vielen Stunden noch hinter sich brachte. Bewundernswert, wie er sich durch kämpfte, nie an Aufgeben dachte und in den letzten zwei Stunden doch noch so viel Kraft hatte, dass er sie mit Nico zusammen vollends hinter sich brachte.

Mir selber ging es recht gut. Die etwas zu schnellen Runden wurden auch nach vier Stunden kaum langsamer. Nahezu nach jeder Runde blieb ich kurz am Verpflegungstisch, trank etwas und ging dann einen Teil der Startgerade, um dann erst wieder zu joggen. So schaffte ich es, mein geplantes Tempo einigermaßen zu erreichen.

Was mir noch zu schaffen machte, war, dass ich keinerlei Überblick hatte, welche Entfernung ich bereits zurück gelegt hatte. Zwar versuchte ich, nach jeweils fünf Runden meine Uhr zu drücken. Manchmal aber vergaß ich das und wusste nach einiger Zeit nicht mehr, in der wievielten Runde ich war. Dazu kam, dass die Runde nur 945 m lang war, eine derart krumme Zahl, die viel Rechnerei erforderte, bis man wusste, dass man nach 18 Runden etwa 17 km hatte.

Ich lief also Runde um Runde, redete mir gut zu, doch etwas langsamer zu werden, rechnete, wie viele Kilometer ich etwa schon hatte, war entsetzt, dass es immer noch 7 Stunden waren, freute mich über die Kinder, die mit auf der Strecke waren und war zufrieden, dass es nicht richtig heiß wurde. Lediglich auf dem Gehweg und dem Straßenabschnitt wurde es immer wärmer, sogar unangenehm warm, auf dem größten Streckenteil jedoch war angenehmer Schatten.

Nach sechs Stunden wurde es etwas ruhiger, die 6-h-Läufer und Teams waren jetzt weg. Mir ging es immer noch ordentlich, so dass ich nicht bereute, mich für die 12 Stunden gemeldet zu haben. Natürlich schreckte es mich irgendwie, wenn ich mir vorstellte, noch mal so lange laufen zu müssen. Mein Körper signalisierte an allen Stellen unterhalb der Hüfte, dass ich bereits 6 Stunden unterwegs war. Wenigstens mein Problem mit der Geschwindigkeit relativierte sich. Hatte ich bisher meine Gehpause nach der Verpflegung deshalb gemacht, weil meine Runden sonst zu schnell gewesen wären, machte ich sie jetzt, weil es mir wohl tat. Auch dehnte ich sie immer wieder auf das Doppelte aus. Das Laufen fiel mir also zunehmend schwerer. Trotz alledem freute ich mich, dass ich an solch einem Lauf teilnehmen konnte.

Bewundernswert aber wie der führende Nico seine Runden lief. Locker und leicht sah das bis zum Ende aus und auch sein Tempo nahm nur unmerklich ab. Ganz anders war das bei manch anderen Teilnehmern zu beobachten. Sie wurden langsamer, überrundeten mich irgendwann nicht mehr, später überrundete ich sie und verschiedene sah ich, wie sie neben der Startgeraden eine Pause auf einer der Bänke machten, oder sich gar eine halbe Stunde dort hinlegten.

Alle 2-3 Stunden wurde auf Höhe des Zählers eine Liste mit dem aktuellen Stand ausgehängt. Da konnte ich beobachten, wie sich meine Position immer wieder um eine Stelle verbesserte. Es zeigte sich, dass man ein solches Rennen auch ordentlich beenden konnte, wenn man sein langsames Tempo gleichmäßig durchhielt.

Die letzten drei Stunden wurde aber auch ich so langsam, dass ich mir keine Sorgen mehr um ein zu schnelles Tempo machen musste. Die Gehpausen wurden länger, immer wieder absolvierte ich auch eine Runde nahezu ganz im Gehtempo. Irgendwann begann es zu regnen, recht heftig sogar, hörte dann aber nach vielleicht 30 Minuten wieder auf. Hatte ich zuvor doch ordentlich schwitzen müssen, war es anschließend wieder recht angenehm.


Endlich – das Horn ertönte, 12 Stunden waren abgelaufen, das „Rennen“ war vorbei. Mit knapp 90 km hatte ich meine Vorgabe beinahe übererfüllt, war aber froh, dass es so gut gelaufen war. Zwar schmerzten mich meine Beine von den Oberschenkeln bis zu den Fußsohlen, aber irgendwie scheint das normal zu sein, denn auch andere kamen entsprechend daher. Nur Nico machte den Eindruck, als ob er schmerzfrei sei.

Nach dem Duschen ging ich noch zum gemütlichen Beisammensein auf den Bierbänken, ließ mir ein Schnitzel schmecken, und freute mich, dass Angelika und Beate für Platz zwei und drei bei den Frauen geehrt wurden.


Was habe ich gelernt? Auf jeden Fall ist mir wieder klar geworden, dass 12 Stunden verdammt lang sind, wenn man sie auf einer Rundenstrecke zurücklegt. Der Wille, nicht nachzugeben ist auf jeden Fall wichtiger, als die Physis. Was sind schon die Anstrengung und Schmerzen während des Laufes gegen das Gefühl, sich überwunden zu haben, es geschafft zu haben. Also – Biel kann kommen, dort kann es nur leichter werden!

Die Veranstaltung selbst kann ich nur empfehlen. Die Organisation ist gut, die Helfer freundlich, die Strecke sehr schön – wenn nur die 12 Stunden nicht so lang wären.

Streckenbeschreibung

Rundkurs von 945m, durchgängig asphaltiert, gut zu laufen, nahezu flach, sehr viel Schatten.

Kosten

12-h-Läufer zahlen 45 Euro, Mannschaften zahlen pro gelaufenen Kilometer 1 Euro.

Zeitnahme

Ein Zähler, der mit Hilfe eines Computers die Runden zählt.

Weitere Veranstaltungen

6-h-Lauf, Teams können sich die 12 Stunden teilen.

Rahmenprogramm

Bewirtung im Rahmen eines kleinen Straßenfestes.

Verpflegung

Verpflegungsstation mit Wasser, Tee, Cola, Ultra-Buffer, Bananen, Müslikeksen, Reiskuchen, Suppe und Fladenbrot.

Statistik

Teilnehmer 12-h-Lauf: 28, Sieger 125,040 km, Letzter 39,69 km
6-h-Lauf: 8 Teams insgesamt: 13

 


 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024