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Laufberichte

Treviso-Marathon – nuovo curso, volti familiari

05.03.17 Special Event
 

Für die 14. Auflage des Treviso-Marathons wurde der Kurs erneut verändert. Doch die Stadt Treviso selbst werden die rund 2.000 registrierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch heuer nicht zu Gesicht bekommen. Start und Ziel befinden wie 2016 in Conegliano.

Bei meinem ersten Antritt in Treviso im Jahre 2004 führten die letzten zwei Kilometer des Marathons auf Kopfsteinpflaster durch verwinkelte Gassen ins Zentrum der Altstadt. Die 40. 000 Einwohner zählende Stadt Conegliano gehört wie Treviso, mit 84.000 Bewohnern doppelt so groß, zur gleichnamigen Provinz Treviso in der Region Venetien. Nur wer die Autobahn von Udine zum Knoten Venezia-Mestre wegen eines Staus im Sommer oder um Maut zu sparen, verlässt, würde über die A28 und A27 verkehrstechnisch Gelegenheit haben, auf diesem Umweg die beiden Städte zu passieren. Urlauber an der oberen Adria bleiben in der Hochsaison in ihren Ferienorten picken, den Prosecco, eine Spezialität der Provinz Treviso, kaufen sie im Supermercato.

 

Anreise

 

Ich nehme die bequeme Zugverbindung ab 6 Uhr 25 von Wien-Hauptbahnhof nach Venezia St. Lucia mit Umstieg in den Regionalzug von Pordenone nach Conegliano. Wer billig mit der Bahn nach Italien reisen will, bucht über trenitalia.com. 29,- Euro pro Fahrt für das Ticket sind günstiger als mit dem PKW, alleine die Maut kostet auf einer Strecke ca. 18,- Euro. Das schöne Wetter bei der Abfahrt in Wien ist im Kanaltal jäh zu Ende. Regen setzt ein, der bei der Ankunft in Conegliano immer stärker wird. Das gebuchte Sporthotel ist gut einen Kilometer vom Bahnhof entfernt und befindet sich in den Weinbergen. Nach einer Viertelstunde mit einem Knirps in der linken Hand als Schutz gegen den seitlich herabklatschenden Regen oben angekommen, muss ich nach dem Check-in meine nassen Sachen wechseln. Ich ziehe die Laufkleidung an, die Reisekleidung sollte bis zum Abend einigermaßen trocken sein. Gut, dass ich meine M4Y-Wind- und Wetterjacke mitgenommen habe.

 

Abholung der Startunterlagen

 

Bis 28. Februar konnte man sich über die Veranstalter-homepage anmelden. Meine Runcard ist noch bis Mitte April 2017 gültig, das ärztliche Attest ist bis zum Marathonstart zu erneuern. Gegen 16 Uhr 30 treffe ich bei der Expo ein, die räumlich wie im letzten Jahr nahe dem Bahnhof untergebracht ist. Eine große Verkaufsmesse kann man nicht erwarten, aber die Kolleginnen und Kollegen, die in Italien bei Marathons gelaufen sind, werden bestätigen, dass das gesamte Procedere bei der Abholung des Startpakets immer in einer positiven Grundstimmung abläuft, egal wie das Wetter draußen ist. Die Italiener lieben den Sport, kaum woanders ist die Begeisterungsfähigkeit so groß wie hier.

Im Starterpaket sind wie in Italien so üblich allerlei Köstlichkeiten drinnen, Nudeln, Biskotten, ein Glas feinster Bio-Marillenmarmelade. Diesmal wurde mir eine richtig schöne Startnummer zugeteilt.  880 ist nicht nur eine gerade Zahl, sondern bietet Mathematikliebhabern im Kopf die Möglichkeit, sie bis auf ihre ungeraden Grundfesten zu zerlegen. Sie lässt sich viermal durch 2 teilen, dann wird sie ungerade, 55.24  lässt sich formal als (5.11).24  anschreiben, dann ist Schluss. Man hat mir geraten, der Altersvergesslichkeit mit Zahlenakrobatik zu begegnen. Bei den nächsten Marathons werde ich dafür die Nummern jener Läuferinnen und Läufer herauspicken, die ich überholt habe.

Ich nehme ein XL-Shirt, gesponsert vom finnischen Laufschuhhersteller Karhu. Falls es zu groß ist, gebe ich es meinem Neffen, der heuer beim Eisbärlauf des LCC Wien schon bewiesen hat, dass er den Halben im Prater unter 2 h schafft und beim VCM am 23. April eine Zeit um 4:30 anstrebt. Meine Vorbildfunktion (oder nennen wir es Mission) ist bei ihm angekommen und der Laufsport für ihn Ansporn und Garant zum kontrollierten und gesunden Abnehmen geworden. So wird er bei 185 cm Körpergröße von 90 kg Körpergewicht weiter runterkommen.

 

 

Der Marathonverlauf

 

Ich habe mir den Fahrplan der Regionalzuges notiert: Nur wenn ich um 16 Uhr 21 in Conegliano abfahre, würde ich in Pordenone den EC nach Wien um 17 Uhr 08 erwischen. Das sind meine Gedanken, als ich nach einem ausgiebigen Frühstück gegen 9 Uhr das Hotel verlasse. All meine Sachen sind im Zimmer, man hat mir und einigen weiteren Gästen einen Late check-out angeboten. Der Regen hat fast aufgehört, nach dem Wetterbericht sind für den Vormittag, wenn wir auf der Strecke sein werden, erneut Niederschläge zu erwarten.

Auf halbem Wege zum Startbereich setzt auch schon der Regen ein. Ich habe in meinem Kleiderbeutel den Minischirm wieder eingepackt, der mir jetzt gute Dienste erweist. Auch meine dünne Windjacke ist waterproof, sodass ich einigermaßen trocken im überdachten Expogelände ankomme. Hier halten sich die meisten auf, einige holen erst heute am Renntag ihr Startpaket ab, das auch einen Leihchip beinhaltet, der am Laufschuh mittels Schnürrsenkel zu befestigen ist – wie in alten Zeiten, bin ich geneigt zu sagen.

Die Startzeit im 9 Uhr 40 ist eher ungewöhnlich, doch mir kommt sie zugute, weil ich ja auf den Zuganschluss Bedacht nehmen muss und bei einer kalkulierten 5 h-Laufzeit für den Marathon mir mehr als 1 ½ Stunden Zeit bleiben, den Kilometer vom Ziel zum Hotel zurückzugehen, mich zu duschen und dann wieder in Richtung Bahnhof aufzubrechen.

Ich begebe mich zum Start, der wie letztes Jahr in der via Giuseppe Mazzini erfolgen wird. Es regnet leicht, aber keiner flucht hörbar. Mit 8 Grad Lufttemperatur kann man von guten Laufbedingungen sprechen. Vorne stehen die Eliteläufer aus Kenianer und Uganda, einige Europäer und mit Stefano La Rosa auch ein italienischer Spitzenläufer mit einer Marathonbestzeit von 2:11:11, der den Schwarzafrikanern heute Paroli bieten könnte.

 

 

Als Marathonsammler und -tourist ist der fünfte letzte Block (quinta gabbia) ab 4:30er Stunden Laufzeit fast schon eine Ehre, denn ich bin auf 5 h abonniert. Nach dem Start spricht mich von rechts Kollege Keiler an, der heute seinen 4. Marathon in diesem Jahr absolvieren wird. Ich bleibe nach dem Start einen Kilometer an Börnie dran, dessen Tempo tlw. unter 6 min/km für mich zu hoch ist. Die 4:30er-Pacemaker-Gruppe bleibt zurück. Nach 10 Minuten Laufzeit liegt Conegliano hinter uns, der Kurs führt in Richtung Ramera, 5 km südöstlich gelegen. Der diesjährige Marathonverlauf ist als Rundstrecke angelegt mit dem Zieleinlauf wieder in Conegliano.

Die erste Labe befindet sich nach der Ortstafel von Ramera, Wasser der Marke San Benedetto wird in 0,3 l-Plastikflaschen überreicht, Trinkbecher gibt es nicht. Ich persönlich finde die Wasserversorgung in Bechern ökonomischer, kaum jemand trinkt eine Flasche aus. So wird mehr Wasser verbraucht und der Müll nicht weniger.

 

 

Meine Laufzeit liegt bei der 5 km-Anzeige bei 31 Minuten, der Börnie ist schon längst nicht mehr zu sehen. Nun erfolgt ein kurzer Anstieg auf eine die Autostrada überquerende Brücke. Ich drehe mich um, um zu sehen, wer hinten nachkommt. Entwarnung, denn die 4:30 sind nicht auszumachen. Eben haben mich zwei Halbmarathonläuferinnen, an der rot unterlegten Startnummer zu erkennen, auf den letzten Metern beim Anstieg überholt. Auf der folgenden, langgezogenen Abwärtspassage werde ich sie wieder erwischen, das ist für mich schon Routine.  

Die 7 km-Anzeige befindet sich direkt unter der Ortstafel von Mareno di Piave, mit knapp 10.000 Einwohnern wohl nicht mehr als Ortschaft zu bezeichnen. Die Chiesa Arcipretale dei SS. Pietro e Paolo mit ihren spitzen Turm aus dem frühen 14. Jh. ist eine von mehreren sakralen Sehenswürdigkeiten. Ich bekomme die Kirche gut ins Bild und drücke auf den Auslöser. Im Zentrum von Mareno di Piave stehen entlang der Durchzugsstraße Zuschauer, die applaudieren.

Wenig später wird eine Weggabelung angezeigt: die Halbmarathonläufer setzen geradeaus fort, wir biegen nach links in östliche Richtung ab. Vazzola ist nur mehr einen Kilometer entfernt. Ich blicke mich auf einer langen Geraden um und werde Zeuge, wie ein Motorradfahrer, der offenbar eine offizielle Funktion hat, hinter einer Gruppe von drei Läufern auf der regennassen Fahrbahn ins Schleudern kommt, die Maschine die Straße entlang schlittert und dabei von hinten die Läufergruppe erfasst. Eine Frau wird in den Straßengraben geschleudert und bleibt zunächst regungslos liegen. Ich bin mehr als 300 Meter entfernt, andere, die näher am Geschehen sind, bleiben sofort stehen und helfen. Ich ärgere mich jedes Mal, wenn bei den Marathons irgendwelche Typen oft viel zu schnell den Läufern hinterherfahren und erwarten, dass man ausweicht. Auch Fotografen zählen dazu, die sich zu wichtig nehmen.

Bei Vazzola, eine Gemeinde mit ca. 7000 Einwohnern, die wie alle Ortschaften, die wir heute passieren werden, zur Provinz Treviso gehört, befindet sich die 10 km-Anzeige. Ich höre erstmals den Piepton, als ich über die Messvorrichtung laufe. Der Treviso-Marathon weist auf den ersten 20 km ein konstantes Abwärtsgefälle von 40 Höhenmetern auf, die man vielleicht nicht wahrnimmt. Eher sind gewisse Höhenunterschiede durch einige Brückenüberquerungen und Unterführungen erkennbar. Zumindest auf der Halbdistanz sind die Voraussetzungen für eine schnelle Zeit eigentlich günstig.

Nach Vazzola führt der Marathonkurs wieder nach Südosten, wir biegen nach rechts ab. Eine Werbetafel kündigt für den Zeitraum 24.3. bis 9.4. eine große Weinausstellung an. Schade, man hätte auch heute beim Marathon an den Laben Verkostungen anbieten können. Bei der 12 km-Anzeige blicke ich auf die Uhr und gleichzeitig zurück: Die 4:30er-Gruppe kommt näher, ein Pulk von Läufern hat sich um sie geschart. Mein Lauftempo liegt bei 6:30, die Gruppe ist mit geschätzten 6 min/km unterwegs. Eigentlich für den trainierten Läufer ein gemächliches Jogging-Tempo.

 

 

Ich laufe einen halben Kilometer sozusagen als Schlussmann bei den 4:30ern mit, denen sich auch Helena aus Wien, gut an ihrem schicken gelben Renntrikot zu erkennen, angeschlossen hat. Ich merke, dass sie mit der Gruppe locker mithalten kann und sie ziehen, ich könnte nur mit Anstrengung mithalten. Die Ortstafel von Rai, das zur Commune di San Polo di Piave gehört, ist zu erkennen. Attraktion ist hier der Torre di Rai auf einer Anhöhe in der Nähe der Piave, der einst Teil eines Castrums war und im 1. Weltkrieg von den Österreichern zerstört wurde. Am Ortsende von Rai ist die Labe, bisher gab es nur Wasser. Wird Zeit, dass wieder der Osterkuchen ausgegeben wird, für den ich letztes Jahr gut 5 Minuten meiner Laufzeit geopfert habe, weil ich ordentlich zulangte.

Ormelle deklariert sich als citta del vino, ein Attribut, das wohl jeder Kommune hier in der Gegend zugesprochen werden kann. Alle Gemeinden der nur mehr 20 m über den Meeresspiegel gelegenen Region sind in eine Associazione Nationale, die den Weinbau pflegt und betreibt, eingebunden. In Tempio, kommunal zu Ormelle gehörig, bei Kilometer 18 steht die gleichnamige Kirche aus dem früheren 13. Jh. Wer sich für sakrale Bauwerke in der Provinz Treviso interessiert, der muss wiederkommen, wofür sich die Vor- und Nachsaison am besten eignet. Jesolo-Urlauber im Hochsommer machen es sich auf ihren Liegen lieber mit der Krone und Bildzeitung bequem.

Der Marathonkurs macht einen Schwenk nach Nordwesten, in einem Bogensegment vor der 20 km-Anzeige wird es von nun an stetig zurück zum Ausgangspunkt gehen. Das Aufkommen im hinteren Feld des Marathons ist gering. Eben habe ich einen Kollegen wieder eingeholt, der in Ormelle vorbeizog. Bei der 20 km-Labe bleibt er stehen und telefoniert. Zwei andere erhöhen vor der Halbdistanzmessung das Tempo, sie wollen früher die Zeitnehmung erreichen. Ob sie aber auch früher im Ziel sein werden? Mit 2:24 bin ich nicht mehr ganz im Plansoll, aber man muss sich den Gegebenheiten anpassen.

Wir nähern uns San Polo di Piave, eine Gemeinde mit knapp 5.000 Einwohnern. Die Stadt Treviso, die der Marathon auch 2017 ausspart, liegt 18 km im Südwesten. Topologisch sollte bei Kilometer 22 der Marathonverlauf wieder kontinuierlich ansteigen, das merkt man aber nicht. In Cimadolmo, einer Kommune mit 3.300 Einwohnern, stehen einige Zuschauer und applaudieren. Ich sollte an dieser Stelle anmerken, dass meiner Erfahrung nach bei kleineren Marathons das Hauptinteresse eher dem Spitzenfeld gilt, bei großen Citymarathons wie Berlin, London, New York oder Rom stehen die Angehörigen an der Strecke und klatschen – bei 40.000 Startern verdoppelt sich so leicht die Anzahl der Zuschauer. In der Stadt, die angeblich nie schläft, beflügeln 1 Mio. an der Strecke die Läuferinnen und Läufer, die auch nach 8 Stunden noch Applaus bekommen – ich habe mir vorgenommen, beim 50. New York City Marathon wieder dort zu starten.

25 Kilometer sind geschafft, früher blieb ich deutlich unter 2:30, in den letzten zwei Jahren war ich mit 2:50 gut bedient. Heute zeigt die Uhr 2:54 h an. Ich drehe mich um – ich hätte nicht erwartet, dass nun schon die 5 h-Pacer herankommen. Endlich komme ich zum schon ersehnten Kuchen, der Vorrat ist reichhaltig. Mit Gaumenfreude greife ich zu, drei Stücke spüle ich mit warmen Tee runter. Ich schaue dem 5h-Trupp nach und habe den Sprechgesang von Kazim Akboga im Ohr: „Is mir egal, is mir egal!“ – Hauptsache es schmeckt. Warum soll man sich abmühen, wenn es bequem auch geht? Oder geht es auch um die Läuferehre? Ich werde nach der Stärkung einen Zahn zulegen. Das erste Opfer ist eine zurückgefallene, hübsche dunkelhaarige 5 h-Pacerin an die 40. Ich nehme mir vor, dass ich vor ihr finishe und schau, was sie läuferisch noch drauf hat.

Bei Kilometer 27 starten wir unser Privatlaufduell. Ich sage zu ihr, dass für uns heute bestenfalls 5:10 möglich sind. Sie verneint und legt kurze Zwischensprints ein, eine Methode, die ich manchmal ab Kilometer 35 probiere. Doch mein 7:30 min/km-Tempo reicht aus, um sie wieder einzuholen. Sie entledigt sich ihres Ballons und der Laufweste mit der 5 h-Anzeige. Wir laufen fast Seite an Seite durch die Ortschaft Teeze di Piave, bei Kilometer 29 will sie erneut ausreißen. Ich hole sie wieder ein. Inzwischen reden wir nicht mehr, man spürt die Konkurrenz.

 

 

Bei der 30 km-Labe gibt es keinen Kuchen mehr, für mich ein Grund, nicht stehen zu bleiben. Ein Kollege kommt hinten nach, der ebenso die Galloway-Methode praktiziert, halt mit viel schnellerem Tempo und einer längeren Strecke. Im Nu ist er 500 m weiter vorne. Ich setze nun auch ein Lebenszeichen und mich von der Pacerin endgültig ab. Bei Kilometer 32 laufe ich auf jenen Kollegen auf, der vorher als Einziger mit der 5 h-Tempogruppe mithalten konnte. Wir kommen ins Gespräch. Er bestreitet heute seinen ersten Marathon. „Anche tu?“ will er wissen – soll ich jetzt ja oder nein sagen? „Ho ancora un po.“ Dass es inzwischen – nach eigener Statistik inklusive Ultras – mein 298. ist, würde ihn vielleicht irritieren. Damit ist er zufrieden und ich lege wieder los.

Conegliano ist auf der Ortstafel nur mehr 6 Kilometer entfernt, die daneben stehende gelbe Marathonanzeige weist 32 gelaufene Kilometer aus. Zehn Kilometer sind noch weit, die Uhr zeigt 4:08 h an. Wir befinden uns wieder im Gemeindegebiet von Mareno di Piave, diesmal im Südwesten, am Beginn des Marathons sind wir östlich vorbeigelaufen.

Ich blicke mich um, der Marathonneuling versucht Boden gut zu machen, die Pacerin hat resigniert. Ich orientiere mich an einer Gruppe von Gehern in der Ferne. Ich werde sie bald erreicht haben. Knapp vor Bocca di Strada sind 35 km geschafft, die beiden Walker habe ich inzwischen eingeholt, sie schließen nicht mehr auf. Es geht unter einer Eisenbahnbrücke durch, die Steigung nutze ich zum flotten Gehen. Bei der Labe gibt es wieder meinen begehrten Kuchen. Auch wenn ich zwei Minuten verweile, meine Verfolger werde ich in Schach halten können.

Bei Kilometer 36 erwische ich den nächsten Galloway-Praktikanten. Aufgrund seines Alters (er ist an die 70) ist diese Methode vermutlich die einzige Möglichkeit, den Marathon passabel abzuschließen. Bocca di Strada ist auf der Ortstafel durchgestrichen, darunter steht Saranno. Noch sind es 4 Kilometer bis ins Ziel. Mein Kontrahent lässt nicht locker, eigentlich erstaunlich, warum er nicht zurückfällt. Die Einfahrtsstraße wird rechts von einem Stahlaufhängung überspannt: „Conegliano, citta d’arte e vino“ – jetzt wissen wir’s genauer.

Kilometer 39, ich  nähere ich mich einer Dreiergruppe, die nicht mehr läuft, sondern wie halt so üblich, den letzten Abschnitt ins Ziel geht. Darunter sind die beiden, die in Ormelle an mir vorbeizogen sind. Das auffallend rote Langarm-Shirt der Kollegin mit der Aufschrift „Scuoala di Maratona“ bewirkte bei mir Respekt ein, der aber nun hier endet. Ich lasse die Gruppe hinter mir.

Nach der 40 km-Anzeige steht ein Ordner, der den Verkehr regelt. Er hält die Fahne so, dass ich annehmen muss, der Kurs biegt von mir aus gesehen nach links ab. Alle hinter mir sind bei der Labe stehen geblieben, ich laufe alleine in eine 300 m lange Seitengasse. Doch vor mir ist niemand mehr. Die Straße ist für den Verkehr nicht gesperrt, da stimmt was nicht. Ich drehe mich um und registriere in der Ferne, dass alle nachfolgenden Läuferinnen und Läufer, die ich überholte hatte, sich geradeaus weiter bewegen. So schnell ich kann, laufe ich zum Ordner zurück und halte meinen Zorn nicht zurück. Schimpfen bringt mich nicht weiter, sondern ein schnellerer Schritt. Bei Kilometer 41 habe ich die drei Walker wieder eingeholt. Nicht mehr schnappen kann ich den Altersgenossen, der mit Gehen und Laufen am Ende 300 m vor mir das Ziel nahe der via 21 Aprile erreicht. Ich wäre schon gerne unter 5 h geblieben, doch mehr als zu 5:13 hat es heute nicht gereicht.

Die Medaille, die man mir umhängt, zeigt das Castello di Conegliano, ein Gebäude aus dem 12. Jh., in dem das Museum der Stadt untergebracht wird. Den örtlichen Touristikern sei gewünscht, dass möglichst viele die „Citta d’arte e vino“ besuchen mögen. Vielleicht werden auch einige Marathonis einen Tag anhängen und die Attraktionen der Stadt und ihrer Umgebung besichtigen.

 

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Kurze Nachbetrachtung

 

Wenn ich nicht irre, bin ich seit 2004 hier viermal gelaufen. Beim ersten Mal hatte die Strecke ein konstantes Abwärtsgefälle, wir liefen in Treviso ein, das tiefer als Conegliano liegt. Die Kursänderungen sind als Bemühen der Organisatoren zu interpretieren, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern jedes Jahr eine vielleicht noch schnellere Strecke anzubieten. Dieses Attribut kann der Treviso-Marathon für sich beanspruchen.

Das Startpaket umfasst neben Nudeln, Biskotten, einem Glas Biomarillenmarmelade auch ein Funktionsshirt. Warum auch hier das Gratisleiberl in einer abscheulichen Neonfarbe und nicht in einem dezenten Farbton ausgegeben wird, kann nur mit den Produktionskosten zu tun haben. Nein zu neongelb und diesem grässlichem Violett, ich will neutrale Farben, basta.

Davon abgesehen kann ich mich nur positiv äußern: Der Unfall ist hoffentlich glimpflich ausgegangen, zumindest stand die Läuferin wieder auf, das habe ich aus der Ferne wahrgenommen. Das Preis-Leistungsverhältnis für den Treviso-Marathon würde ich mit „bestens“ bewerten, wer sich früh angemeldet hat, bekam den Startplatz um 29,-Euro.

Der Besitz einer auf ein Jahr befristeten Runcard, die man nach Ablauf verlängern muss sowie ein am Renntag gültiges ärztliches Attest sind bei allen Marathons in Italien obligat. Wer damit klar kommt, dem kann man nicht nur den Marathon in Treviso (als Provinz in Venetien gesehen), sondern eigentlich jeden größeren Lauf in Italien empfehlen. Die Begeisterung und Vorfreude bei den Organisatoren ist spürbar, ausländische Läuferinnen und Läufer aus dem kühleren Norden sind das gar nicht gewohnt und blühen hier auf. Inzwischen gibt es unter den M4Y-Reportern ja mehrere italophile Kollegen, die ähnlich empfinden und berichten.

 

Marathonsieger

 

Ranking bei den Herren:

1. Stefano La Rosa (ITA): 2:12:56
2. Kipron Wesley Kemboi (KEN): 2:16:32
3. Simon Rugut Kipngetich (UGA): 2:23:40


Reihenfolge bei den Damen:

1. Lucy Liavoga (KEN): 2:52:12
2. Marija Vrajcic (CRO): 2:52:29
3. Jasmina Iligas (CRO): 2:55:55

801 Finisher beim Marathon (661 Herren, 140 Damen)

 

 


 
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