Als ich mich im November letzten Jahres zum 10. TRANSGRANCANARIA angemeldet habe, war nicht vorhersehbar, dass der Winter 2008/2009 offensichtlich kein Ende nehmen will.
Umso freudiger steige ich am 27.02.2008 morgens um 08:00 h in Nürnberg in das Flugzeug, das mich Gran Canaria bringen soll. Dort startet um Mitternacht (also in 16 Stunden) im Süden der Insel die bereits 10. Auflage des TRANSGRANCANARIA. Ich hoffe auf frühlingshafte Temperaturen und Sonne.
Angeboten werden drei Wettbewerbe:
Die MEDIA TRANSGRANCANARIA (45 km und 2.200 Höhenmeter) Start am Samstag in Garañón, einem Kontrollpunkt der beiden längeren Distanzen.
Die TRANSGRANCANARIA SUR-NORTE (92 km und 3.200 Höhenmeter) durchquert die Insel von Süden bis zum Norden
Die Königsdistanz ist die TRANSGRANCANARIA mit jetzt 123 km und 4800 zu bewältigenden Höhenmetern
Ich bin für die Langdistanz angemeldet. Der Start ist im touristisch übererschlossenen Süden der Insel, in Maspalomas. Zunächst heißt es aber die Startunterlagen im Zielort Las Palmas abzuholen.
Glücklicherweise habe ich mich mit meinem Lauffreund Bill Nickl in dessen Hotel in Las Palmas verabredet. Er kennt die einzelnen Anlaufstellen und weiß auch, dass die deutsche Fassung der Ausschreibung unrichtig ist. So bleiben mir unnütze Wege erspart und ich kann mir auch noch das zwingend notwendige ärztliche Attest von Zuhause aus zufaxen lassen. Nochmals vielen Dank an Dich, Bill.
Eine Empfehlung für alle Interessierten in 2010 und später: Unbedingt die spanische oder auch die englische Fassung der Ausschreibung lesen:
Die Startunterlagen werden nur nach Kontrolle der Pflichtausrüstung und Vorlage eines ärztlichen Attests ausgehändigt. Letzteres war in 2009 in der deutschsprachigen Ausschreibung nicht erfasst. Die Kontrolle ist äußerst strikt, Verhandlungsversuche bleiben erfolglos oder scheitern an der Sprachbarriere. Also alles einpacken, auch wenn sich die Sinnhaftigkeit einer roten Rückleuchte nicht unbedingt erschließt.
Um ca. 22:00 findet vom zentralen Busbahnhof in Las Palmas der Transfer der Läufer nach Maspalomas statt. Schnell finden sich die wenigen Teilnehmer aus Deutschland. Nach einer Fahrtzeit von knapp 1 h heißt es die Wartezeit bis zum Start überbrücken. Frühling auf den Kanaren hatte ich mir wärmer vorgestellt, bei ca. 12 ° C bin ich froh über mein langärmliges Laufshirt.
Kurz nach 24:00 h erfolgt der Startschuss. Für die ersten ca. 3 bis 4 km geht es direkt auf dem langen Sandstrand Richtung Süden. Rasch zieht sich das Teilnehmerfeld auseinander. Bei einer Hotelsiedlung geht zuerst über Straßen bzw. Fußwege in Richtung Landesinnere.
Bald wird die Läuferschar in einen „Barancco“ geleitet, einen mit Natursteinen ausgelegten Hochwasserkanal, der sich bei Regen schnell mit Wassermassen füllen kann.
Nach dem ermüdenden Laufen am Sandstrand ist der neue Untergrund auch nicht gerade Fußfreundlich. So bin ich froh, als nach ca. einer weiteren Stunde der Untergrund natürlicher wird. Wir laufen jetzt in einem weitgehend natur belassenen Flussbett, teils auf schmalen Wegen, teils über Kiesel und Steine. Es geht langsam bergauf.
Im Licht der Stirnlampe ist lediglich der Weg zu erkennen. In der stockfinsteren Nacht lässt sich lediglich vermuten, dass die Umgebung hügeliger wird.
Ein erster größerer Hügel wird bei km 19 erreicht, dort haben wir von Meereshöhe an immerhin 445 Höhenmeter gewonnen. Nach einem leichten Abstieg geht es dann schon etwas heftiger zur Sache. Wir müssen über den La Manzanilla auf 1186 m und von dort nach Tunte (888 m) absteigen. In Tunte (km 36) gibt es die erste Verpflegungsstelle mit einem eher dürftigen Angebot.
Als ich gegen 6:00 h den Ort wieder verlasse, dämmert es langsam. Der überwiegend gute Wanderweg führt durch wundervolle Vegetation. Blüten in allen Farben leuchten in der Morgensonne. Die Landschaft ist wild und weitgehend unberührt. Nach 2 bis 3 km trennen sich die bisher gemeinsamen Strecken. Die Läufer der TRANSGRANCANARIA SUR-NORTE werden nach rechts geleitet, die Langstreckler nach links.
In ständigen Auf und Ab führt die Strecke auf überwiegend gut laufbaren Pfaden weiter. Hier treffe ich nach dem Start zum ersten Mal wider auf zwei Laufkollegen aus Regensburg, Sebastian Hertel und Dietmar Wiget. Wir werden uns im Laufe des Tages noch öfter begegnen.
Obwohl es zunehmend wärmer und sonniger wird, fällt das Laufen leicht. Die Temperaturen sind angenehm, wir bewegen uns zwischen 1.400 m und 1.800 m Seehöhe, es bläst ein leichter Wind. Lediglich in den südseitigen Anstiegen wird es richtig heiß.
Bis zur nächsten Verpflegungsstelle bei km 78,5 ist es noch weit. Auf dem Weg dorthin gibt es lediglich ein Mal die Möglichkeit seine Wasservorräte an einem Tankwagen aufzufüllen.
Kurz vor Erreichen des höchsten Punkt, dem Pico de Las Nieves (1.939 m) bei km 76,5 zieht Nebel auf. Schnell wird es auf den Höhen empfindlich kalt.
An der Verpflegungsstelle in Garanon treffe ich wieder auf die beiden Regensburger, außerdem auch auf Patrick Hoels. Nach einer kurzen Rast laufen wir gemeinsam weiter.
Laut Höhenprofil geht es nun überwiegend bergab. Allerdings gibt es immer wieder, teilweise recht anstrengende, Gegenanstiege. Weit in der Ferne ist erstmals Las Palmas zu erkennen. Ca. 38 km werden es wohl noch bis ins Ziel sein.
Ich komme gut voran, verlasse unsere kleine Gruppe und revidiere mein persönliches Zeitziel von 24 h plus x auf minus x.
Mit Einbruch der Dämmerung erreiche in den Ort Teror (km 101). Dort befindet sich die letzte Verpflegungsstelle. Der weitere Weg führt teils auf Asphalt, zum Teil über Schotterpisten durch Hügelgelände und kleinere Siedlungen. Hier zeigt sich Gran Canaria von seiner weniger attraktiven Seite. Sumpfige Täler und Bäche mit heftigem Fäkaliengeruch lassen die schönen Eindrücke des Tages verblassen. Erfreulicherweise verdeckt die Dunkelheit vieles.
Eine letzte Herausforderung steht uns noch bevor. Ca. 1 km weit heißt es auf dem schmalen Betonrand eines gefassten Wasserlaufes einen Hang entlang balancieren. Dem folgt noch eine kurze, mit Seilen versicherte Kletterstelle, dann geht es nach einigen Kilometern hinab nach Las Palmas. Durch ein Neubaugebiet und ein hässliches Industriegebiet erreichen wir das Ziel nahe dem Las Canteras Strand in Las Palmas.
Nach 22:51 h bleibt die Uhr für mich stehen. Der euphorische Empfang im Ziel und das Angebot an Speisen und Getränken entschädigen mich für die letzten weniger schönen Kilometer.
Am Sonntagmittag findet die Siegerehrung mit Abschlussveranstaltung statt. Jeder Teilnehmer erhält zusätzlich zum Laufshirt, das bereits mit den Startunterlagen ausgegeben wurde und während der Veranstaltung zu tragen war, ein Funktionsshirt, die Finisher erhalten ein weiteres Funktionsshirt mit dem Aufdruck „Finisher TRANSGRANCANARIA“. Und es gibt Essen und Getränke in Hülle und Fülle.
Die „Truppe“ aus Deutschland hat sich schnell wieder gefunden. Wir lassen den Tag und das Rennen bei ein paar Bierchen ausklingen.
Fazit:
Ein landschaftlich überwiegend schöner Trail, der hinsichtlich Entfernung und Höhenprofil durchaus anspruchsvoll ist. Das Zeitlimit von 30 h scheint mit ausreichend bemessen.
Das Preis-/Leistungsverhältnis (70,00 €) ist angemessen. Die Verpflegung auf der Strecke allerdings eher dürftig. Aufgrund des weiten Abstands der nur 3 Verpflegungsstellen sollten ausreichend Riegel u. a. im Laufrucksack sein.
Ideal um, evtl. in Verbindung mit einem frühen Urlaub, dem Winter in Deutschland für ein paar Tage zu entfliehen.
Die Sieger und die Ergebnisse der deutschen Teilnehmer:
123 km
Rang Start-Nr. Name Kategorie Zeit Verein
1 14 Adolfo Aguiló Bort ELM 12:57:57 6:20 A.E.ALCANAR
2 3 Arnau Juliá ELM 13:02:20 6:22 BUFF THERMOCOOL
3 6 Aurelio Roldán M40 M 13:26:06 6:34 BUFF TRAIL TEAM
48 146 Jörg Just ELM 19:06:03 9:19 SG NEUKIRCHEN
68 99 Markus Fischer M40 M 20:06:58 9:49 TEMPO COLONIA
116 39 Gerhard Börner M50 M 22:51:17 11:09 DUV
134 132 Sebastian Hertel ELM 23:41:53 11:34 DAV REGENSBURG
135 133 Hoels Patrick ELM 23:41:53 11:34
140 260 Jochen Strandt ELM 23:47:15 11:37