Wir zählen nun die Kilometer rückwärts. Ist zweckmäßig, weil wir uns die Restkilometer auf einer vergleichbar langen Trainingsstrecke besser vorstellen können. Es ist auch besser für den Kopf.
An den V-Stellen wird nun vereinzelt ein paar Meter während des Trinkens gegangen. Aber das Anlaufen ist für die Rookies schwierig. Besser ist es, das Tempo herauszunehmen und joggend die Becher zu greifen und zu trinken. Ich empfehle, dieses im Training auch zu üben. Dann klappt es im Wettrennen wie am Schnürchen.
Eine Tafel bietet Weißwürste mit Brezn und Getränk zum Sonderpreis an. Na ja, für den Genuss der Würste ist es fast schon zu spät, denn diese dürfen das Mittagsläuten nicht hören. Da habe ich Euch schon mal beschrieben, auch wie das mit dem Verzehr geht. Und wer auf seine Bestellung mit „ich hätte gerne zwei weiße Bratwürste“ eine bayerische Watsche kriegt, braucht sich nicht wundern. Richtig heißt es bei uns: „I mog a poor Weißwürscht, a Brezn und a Weißbier“.
Die Feuerwehrkapelle ist weiterhin am Stimmung machen und lässt sich nicht lumpen, denn Pausen sind für sie nicht vorgesehen. Nur mehr drei Kilometer. Eigentlich keine Entfernung mehr.
Richtung Rainertörl (3406 Meter), das zwischen Hohem Aderl (3506 Meter) und Rainerhorn (3559 liegt), wird es wieder steiler. Jeder schnauft wie ein Ackergaul, die Höhe und die Anstrengung. Eine andere Seilschaft kommt schon herunter. Am Rainerhorn stauen sich einzelne Wolken. Sie lösen sich dann im Windschatten des Berges nach einer halben Umdrehung ins Nichts auf. Wie im Fernsehen. „Der weiße Buckel da vorne ist der Großvenediger,“ so Stefan. Das Kreuz sieht man noch nicht.
Dann aber kommt eine Krise bei Jessica. Eigentlich kommen bei ihr gerne Muskelkrämpfe, aber jetzt macht ihr der Magen zu schaffen. Sie will uns weiter schicken, was aber gar nicht geht. Gerhard mit den beiden Leipzigern und mit Manfred Kölz, auch einer der fünf Rookies, gehen nach vorne. Jessica muss gehen und kann nach ein, zwei Minuten wieder antraben. Viel Zeit haben wir da nicht liegen gelassen. So wie beim Marathon gibt es auch an Berg Situationen, die du nicht vorhersehen kannst.
Dann nimmt die Steigung wieder zu. Und der Wind wird ekelhaft und garstig kalt. Ich bräuchte fast meine Handschuhe. Gut, dass die Funktionsjacke den meisten Wind abhält. Von Westen nimmt die Bewölkung zu, doch immer wieder lassen Lücken den Sonnenschein durch. Dann geht es nochmals steil hinauf. Der Gipfelgrat, eigentlich nicht übermäßig schwierig, wenn nicht der Seitenwind wäre.
An der letzten V-Stelle am Hauptdamm gibt es nochmals Bier. Meine beiden Newcomer habe ich weitergeschickt, da jetzt eine Verpflegung nicht mehr vom Körper aufgenommen wird. Ich kehre jedoch ein und greife eine volle Pulle. „Nimm die Flasche mit,“ sagen die Helfer, doch wo das Leergut liegenlassen? Wie der Joe pumpe ich das geistige Getränk hinunter und sehe beim Absetzen der Flasche, dass es ein Lammsbräu Urstoff mit 4,8 Umdrehungen ist.
Der Ranzen ist dann voll und die Kohlensäure will lautstark nach oben und hinaus. Und so kann ich wieder auf Jessica und Bernhard aufschließen. Die Steigung wird flott hinauf marschiert, wobei wir kaum Zeit einbüßen. Dafür geht es den letzten Kilometer wieder laufend. Die Leipziger sind weit voraus, doch auf Manfred, der schon seit geraumer Zeit kämpfen muss, und Gerhard können wir auflaufen.
Der Kurs führt nun aus dem Wald heraus und über einen Feldweg auf die Kreisstraße. Der Zielmoderator ist schon seit geraumer Zeit zu hören. Gerhard versucht meine beiden Frischlinge nochmals zu einem Spurt zu motivieren.
Doch es wird knapp mit einer glatten 4.15. Denn mit brutto rund 4.15.30 Stunden durchlaufen wir das Ziel. Manfred kommt mit 30 Sekunden Rückstand. Jessica lässt sich gerade noch zu einem Bild überreden, dann verschwindet sie im Gewühl des Verpflegungszeltes.
Und dann sehen wir das Gipfelkreuz am Großvendiger. Das wurde erst vor zwei Tagen wieder neu errichtet, denn dem früheren Fundament aus Eis mangelte es an Standfestigkeit. Jetzt hat man das Kreuz einige Meter verlegt und mit Steinen befestigt. Dann sind wir unserem Ziel der Wanderwoche, dem Großvenediger, auf sein Haupt gestiegen. 1841 wurde der Berg von einer Gruppe um Josef Schwab erstmals bezwungen. Von einem der Beteiligten, Ignaz con Kürsinger stammt auch die Bezeichnung des Berges als „weltalte Majestät“. Es ist kurz nach 12.00 Uhr.
Nach den obligatorischen Gipfelbildern geht es zurück ins Defreggerhaus. Ja, die Kaltfront erwischt uns am nächsten Tag mit Schneefall und Sturm bis hinunter auf 1500 Metern. Wer so eine Tour machen will, dann mein Ratschlag: Zweckmäßige Ausrüstung und Kenntnisse am Berg müssen vorhanden sein. Und wenn es über Gletscher, in entsprechende Höhen und in unbekanntes Gelände gehen soll, dann vertraut Euch Bergführern an.
Ich mache noch ein paar Bilder im Ziel und widme mich anschließend den Gaumenfreuden: Obst, Bier, Kuchen. In dieser Reihenfolge. Das Wasser können andere …
Gleich nebenan werden Massagen angeboten. Und ein paar Meter weiter werden die Kleider zurückgegeben. Für die warme Dusche müssen wir rund 500 Meter gehen. Zeitmäßig haben wir zwei, drei Sekunden unsere Zielzeit überschritten. Doch das nächste Mal hol ich die Goasel (Peitsche) raus, dann geht es unter 4.15 Stunden. Garantiert.
Zwei Mal muss ich jedoch dann auf die Ergebnisliste schauen, denn Jessica holt bei ihrem ersten Marathonstart gleich den ersten Marathonklassensieg. Supi! Bei der Siegerehrung steht sie dann mit Vielstarter Marco Diehl auf dem Stockerl. Ihr Preis: Neben einem Laufschuhmodell erhält sie einen Freistart bei Gerhart, unserem Zugläufer, im Bottwartal. Verrückt, nicht?
Teilnehmer im Ziel:
Halbmarathon 756, Marathon 176.
Streckenbeschreibung:
Zwei Runden um den Großen Brombachsee plus Zubringer vom Festplatz und zurück.
Wettbewerbe:
Marathon, Halbmarathon, NordicWalking, Staffeln über die Marathondistanz, Bewerbe für den Nachwuchs.
Zeitnahme:
Chip.
Auszeichnung:
Urkunde Online. Für alle Medaillen, Handtücher. Pokale/Sachpreise für die Sieger. Für die Schnellsten Geldpreise.
Drumherum:
Duschzelt. Umfangreiche Parkmöglichkeiten innerhalb kurzer Entfernung. Massagen im Zielbereich. Kostenlose Gepäckaufbewahrung. Jeder Kilometer angezeigt. Auf der Startnummer steht der Vorname.
Verpflegung:
13 Verpflegungsstellen mit Wasser, Iso, Bananen, Riegel, Obst, zum Ende hin Cola und Bier.
Zuschauer:
Viele Zuschauer im Zielbereich. Auf der Strecke weniger Zuschauer, hauptsächlich Spaziergänger, Radfahrer und Urlauber.
Fazit:
Eine schöne Veranstaltung mit gutem Preis-Leistungsverhältnis, die mehr Teilnehmer verdient. Danke den Hauptverantwortlichen des OAI um Hubert Stanka, Christian Weber, Theresa Rabus und natürlich allen Helfern.
Männer
1 Kay-Uwe Müller TSV Crailsheim/Runnerspoint Heilbronn 2:36:26
2 Marco Diehl DVAG Marathon Team 2:43:07
3 Stefan Zäh GEH-Punkt Weißenburg 2:50:40
Frauen
1 Regina Blatz TuS Griesheim 3:19:14
2 Gine Enenkel Team Salomon 3:26:44
3 Anna Roth Windglutii 3:29:03
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