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Laufberichte

Wer Ahr sagt muss auch P sagen

31.08.13
Autor: Joe Kelbel

Bei Km 9 kommen wir zum Schwedenkopf. So ein Name für eine Anhöhe kann nur auf den dreißigjährigen Krieg hindeuten. Allerdings gibt es keine örtlichen Dokumente, da in der Zeit von 1618 bis 1648 zu viele Truppen durch das Ahrtal zogen und niemand mehr lebte. Wenn also die Schweden hier standen, dann haben sie von hieraus die Saffenburg, die auf diesem Block oberhalb von Mayschoß steht, die größte und älteste Befestigung an der Ahr bombardiert, bei km 25 kann ich diese Spur weiter verfolgen.

Schmetterlinge drehen ihre taumelige Runde, wir laufen hier oben am Rand der Weinberge. In diesem warmen Mikroklima leben Schmetterlingsarten, die es nur hier gibt (endemisch). Die geschützte, rosa Bartnelke ist eine Besonderheit nördlich der Alpen.

Der Weg bis Km 11, Dernau, zieht sich entlang der Weinberge, die nun gegen den Mehltau geschwefelt werden. Wenn jemand vorbeiläuft, dann unterbrechen die Winzer ihre Arbeit, sehr freundlich.

Adi, mein Besenfahrer, macht mich auf das Revier eines Uhus aufmerksam. Der Uhu brütet nicht in einer Höhle, sondern nutzt alte Habicht-oder Bussardnester Es gibt hier etwa 10 Uhu-Paare.

Bei Km 13, oberhalb von Rech, wechseln wir die Richtung, wieder zurück, aber  happig hinauf in das Unterholz, dann wieder hinunter in die Weinberge. Ein Ausflug der uns nun sagt, worauf wir uns einzustellen haben.

Km 21, wir sind oberhalb von Reimerzhofen. Was mir hier auffällt, sind zahllose kleinen “Altäre” in Felsnischen, mit Blümchen und kleinen Lichtern. Hier hat sich eine angenehme Religiosität, trotz, oder gerade wegen der napoleonischen Besetzung und Säkularisierung, erhalten. Sie stehen an markanten Felsen, die schon vor der mittelalterlichen Terrassierung, von Kelten und Römern wegen ihrer Einmaligkeit als Orte der Spiritualität geschätzt wurden.  

Km 22 in der Gemarkung Kräherhard ist wieder der erste VP erreicht. Die Streckenführung ist genial: Wir laufen abwechslungsreiche Schleifen und kommen dann wunderbarerweise zum zweiten Mal an einem VP an. Es gibt Biersorten, Wassersorten, Isosorten, Früchte, Kekse, Salami, Käse. Irgendwie hat jeder VP etwas anderes, ich esse dieses Jahr zum ersten Mal Marmelade auf Hefezopf mit Butter, es gibt Wein.

Km 25 Die Saffenburg. Von der ehemals mächtigen Burg sind nur einige Reste geblieben. Haben nun die Schweden die Burg vom Schwedenkopf aus bombardiert und zerstört? Fündig wurde ich beim Bericht über die Sanierung der Burg 2004: zwischen den Steinen, wo einst die Burgmauer stand, wurden tatsächlich schwedische Kanonenkugeln gefunden, 16 genau, acht und drei Pfund schwer. Sie stammen aus den Kanonen von General Wolf Heinrich von Baudissin, dessen drei Geschütze als “Feldstücke” in den Berichten über die Rheinquerung bei Kripp von 1632 zu finden sind. Und es gibt ein Bild der Burg, noch unzerstört, Datierung:1633 auf einer  Flugschrift. Der 30jährige Krieg brachte den Flugschriften, also den Vorläufern der Zeitungen, den Aufschwung. Seit der Erfindung Gutenbergs  (1450) entwickelte sich vor allem Mainz und Köln zu Verlegerhochburgen.

Häufig kam es zu Auseinandersetzungen um die strategisch wichtige Saffenburg. Als die Franzosen 1703 abgezogen waren, ließ der Graf die Burg zerstören, damit nicht wieder Soldaten angezogen würden.

Der Weg geht nun sanft über abfallende Wiesen. Ich stelle mir vor, wie die Schweden ihre drei Geschütze hier heraufzogen, drei Geschütze, die dann doch kriegsentscheidend waren.

Unter uns das Hotel zur Lochmühle. Zahllose Maler, Romantiker und Dichter logierten hier um Landschaftsstudien zum Ahrtal anzufertigen. Dann kamen Adenauer, Brandt und Co, die hier gerne übernachteten, wenn nebenan im Regierungsbunker die Übungen liefen. Es gab Gerüchte, es führten U Bahnen vom Verteidigungsministerium in Bonn hierher. Von Anfang an war der Bunker nutzlos gewesen, DDR-Angestellte machten die Arbeiter mit Getränkespenden redselig.

Kurzes Stück an der Ahr entlang, für uns beginnt der Antieg zur Teufelsley (nicht für die K33-Läufer) auf der anderen Ahrseite.

Grandioser Blick auf die Burg Are, die jahrelang Brutstätte von Räubern und Gesinde war, bis kurkölnische Truppen 1714 die Burg zerstörten. Ganz zum Teufelsloch hoch können wir nicht, der Weg ist zu gefährlich. Wieder sind die Saffenburg und die Lochmühle im Blickfeld.

Bis km 30 laufen wir nun an der Ahr entlang, Trinkwasserqualität, Forellen flitzen vor meiner Kamera fort. Zwischen den zartroten Stauden des Drüsigen Springkrautes leuchten die goldenen Blütenstände des Topinamburs. Sehen aus, wie kleine Sonnenblumen, die stärkereichen Knollen ergeben einen herzhaften Schnaps.

Dieser Teil der Ahrschleife nennt sich Langfigtal. Der Name kommt nicht daher, dass man hier sehr lange Zeit ungestört bleibt, weil keine Straße in diese Ahrschleife führt. Das Wort ist keltischen Ursprungs und bezeichnet den Ort, an dem die Ahr einen 300 Meter langen Weg hin und her nehmen muss.

Senkrecht steht der uralte Meeresboden und bildet die stark zerklüftete Engelsley. Die Rippen oder Vertiefungen sind versteinerte Ablagerungen des Watts. Kurz vor dem alten Schwimmbad, das mit Ahrwasser gespeist wurde, beginnt der Anstieg zum Steinerberg (531 m, nicht für K 33 Läufer).  Die Schieferplatten stehen senkrecht und erschweren den ohnehin steilen Aufstieg, man bleibt hängen oder die Füße knicken ab, bestenfalls zerbröselt das Gestein unter den Füßen.  Die Aussicht vom kargen Gipfelplateau mit seinem Wacholderschutzgebiet reicht weit in die Eifel.

Km 42. Die Burg Kreuzberg kann nicht besichtigt werden. Sie wird von der Familie von Boeselager bewohnt. Philipp Freiherr von Beoselager gehörte zur Gruppe um Stauffenberg, die das Attentat auf Hitler plante ( 20. Juli 1944). Philipp von Boeselager starb 2008 auf der Burg.

Ab Bild 10497

Es geht hinunter nach Altenahr, dessen Häuser sich tief ins Tal ducken. Über den Häusern ist das Teufelsloch im Felsen sichtbar. Direkt an der idyllischen Ahr ist der letzte Verpflegungspunkt. Wir unterqueren den Ditschardt-Tunnel, der seit etwa 10 Jahren den alten Tunnel entlastet, und gelangen ins Vischeltal, einem Tal voller Geheimisse. Are, Kreuzberg und Vischel sind die vom Kaiser Otto 992 geschaffenen Grafschaften, die 100 Jahre zuvor von den Wickingern menschenleer gemacht wurden. Bis km 45 quäle ich mich hinauf zur Bergstation der Seilbahn von Altenahr, sie ist stillgelegt.

Der Start/Zielbereich an der Martinshütte ist nicht stillgelegt, gerade kommen die 5 km-Läufer herein und die kleinen Läufer haben Siegerehrung. Zeitlich gut organisiert, so ist der Grill den ganzen Tag in Betrieb. Ein letztes Mal die Ehrenrunde für die Burg Are und das Ziel ist erreicht.

Der Lauf passt ins Konzept der Ultraläufer, die zwischen den Topevents einen anspruchsvollen Lauf ohne Stress absolvieren wollen. Die abwechslungsreiche Versorgung mit Kuchen, Nüssen, Salami, Käse und lokalen Getränken lädt zum verweilen, wenn denn nicht diese einzigartig, knüppelharte Strecke wäre. Zum Glück nimmt man das Zeitlimit von 7,5 Stunden nicht so genau. Wirkliche Geschwindigkeit kommt erst auf, wenn man den jungen Wein trinkt, den “Sauser”.

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Informationen: Panoramalauf rund um die Burg Are
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