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Laufberichte

GroßAHRtiger Ultraspaß

 

Alles, was im Rheinland zum dritten Mal gemacht wird, gilt bekanntermaßen schon als Tradition. Da verwundert es geradezu, wenn „erst“ die fünfte Austragung des Panoramalaufs rund um die Burg Are ein Grund zum Feiern ist. Wie dem auch sei, mir kommt es sehr recht, beiderseits des Flüßchens Ahr im bekannten Weinbaugebiet mit vielen Steilstlagen als Sahnehäubchen zusätzliche 5 km und 250 Höhenmeter gegenüber der Normalversion von 47 km und 1.400 Höhenmetern zurücklegen zu dürfen. Vor kurzem noch beim Ahrathon hier unterwegs, empfinde ich es als Privileg, an dieser Stelle einen zweiten tollen langen Lauf, quasi vor der eigenen Haustür, absolvieren zu können.

Die Ahr als linker Nebenfluß des Rheins hat sich über Jahrtausende 300 Meter tief ins Gestein geschnitten und eine grandiose Landschaft geformt. Aus der  gefaßten Quelle im Keller eines Fachwerkhauses im Ortskern des in der Eifel gelegenen Städtchens Blankenheim (Nordrhein-Westfalen) auf 474 m ü. NN entspringend, schlängelt sie sich über 85 km bis zum Rhein.

Namensgeberin des Laufs ist die ab 1095 auf 240 m ü. NN auf viereckigem Grundriß entstandene Höhenburg Are. Sie war Sitz der Grafen von Are, die sie 1246 ans Kölner Erzbistum verschenkten. Die hatten in den Felsenkellern dann Platz, dort störende Patrizier einzubuchten. Burg Are wurde zu einer recht starken Festung ausgebaut und widerstand in den Franzosenkriegen lange Zeit dem Beschuss, fiel aber 1690 nach neunmonatiger Belagerung. Die Franzmänner besetzten die Burg bis 1706, dann wurde es wieder mächtig katholisch, denn das Kölner Domkapitel schickte eine Besatzung. Die benahm sich aber derart tüchtig daneben, dass sich Kurfürst Joseph Clemens von Bayern gezwungen sah, dem liederlichen Treiben 1714 mit Eroberung und einer Sprengung zu begegnen. „Es ist keine Stelle, welche den eigentümlichen Zauber der Ahr so tief und mächtig auf den Beschauer wirken ließe...“, so den Zerstörungen zum Trotz der hochinteressante Theologe, Professor, Schriftsteller und Politiker Gottfried Kinkel in seinem Werk „Die Ahr“ von 1846. Das gilt es, mit eigenen Augen zu überprüfen!

Die lediglich knapp einstündige Anfahrt, die alleine schon ein Knüller ist, gestattet mir einen tiefenentspannten Tagesbeginn. Der immer wieder durch Sonnenlöcher durchbrochene Hochnebel zaubert eine phantastische Landschaft, die richtig Lust auf die heutige Aufgabe macht. Noch ist es mit im wahrsten Sinne des Wortes erfrischenden 14°, die sich im Laufe des Tages verdoppeln werden, äußerst angenehm temperiert. Die neue CD von Motörhead, im offenen Auto in Konzertlautstärke genossen, hebt den Adrenalinspiegel zusätzlich. Ob Eingeborene dadurch geschädigt wurden, ist nicht überliefert.

An die Martinshütte, eine geschlossene Schutzhütte der Gemeinde Altenahr oberhalb des im Tal gelegenen Ortes, haben die Selbstläufer Altenahr unter Führung von Annette und Eule Frings Start und Ziel sämtlicher Wettbewerbe gelegt. Neben dem Ultratrail werden noch Strecken über 33, 16, und 5,75 km Länge angeboten sowie Schüler über 1.400 bzw. 700 m gescheucht. Die Fringse sind selber begeisterte Ultraläufer, kürzlich waren sie noch auf dem Trail Römische Weinstraße unterwegs (Annette über die 31, Eule über die 70 km). Und dabei tierisch schnell, Annette ist z. B. Seriensiegerin beim Ahrathon.  

Nach spätestens achteinhalb Stunden sollte man heute wieder zurück sein. Die werde ich allerdings hoffentlich nicht ausschöpfen müssen, denn auf mich wartet am Abend noch eine große Geburtstagsfeier, die ich auch mit schlappen Beinen nicht versäumen möchte. Die längeren Laufstrecken (vor allem der K52) führen nicht nur über herrliche Wanderwege, sondern nutzen auch längere, anspruchsvolle Singletrails, informiert uns der Veranstalter auf seiner Webseite. Das ist genau mein Ding und deshalb bin ich froh, nach der Begrüßung etlicher lieber Lauffreunde und Eules Einweisung pünktlich um 9:30 Uhr losrennen zu können. Den Starter hatte ich glücklicherweise noch in letzter Sekunde vom Suizid abhalten können.

Der Kurs sieht zunächst eine flache Runde um die Hütte vor, auf deren Rückseite wir die Reste der Burg Are auf dem gegenüberliegenden Hügel mit Altenahr im Tal ausmachen können. Mit tosendem Beifall der nicht ganz so zahlreichen Zuschauer und mit Treichelgeschwinge werden wir ein paar Minuten später dann endgültig aus dem Startbereich verabschiedet. Jetzt würdest Du gerne wissen, was eine Treichel ist! Regelmäßige M4Y-Leser kennen die Dinger von den Berichten über die zahlreichen alpinen Marathons und Ultras, wo sie den Kühen am Hals hängen. Die Treicheln, nicht die Leser.

Kaum sind 3 km absolviert, begrüßt uns der 1972 eröffnete Rotweinwanderweg, der hoch über dem Boden des Ahrtals die Weinorte des Weinbaugebiets an der Ahr verbindet. Über Teile von ihm führen seit Jahren u. a. der Rotweinwanderweglauf und der Ahrathon. Die Route geht von Altenahr über Mayschoß, Rech und Dernau zur bekannten Felsformation Bunte Kuh bei Walporzheim und zum ehemaligen Kloster Marienthal. Sie führt weiter zur Dokumentationsstätte Regierungsbunker, der Römervilla bei Ahrweiler, der Gedenkstätte am Silberbergtunnel und über Heppingen zum Bahnhofsplatz von Bad Bodendorf.

Die visuellen Eindrücke sind einfach traumhaft, Wingerte unter blauem Himmel, soweit das Auge reicht, ein Genuss für Auge und Herz. Wer nicht aus einem Weinbaugebiet kommt, muss das wenigstens einmal erlebt haben. Alpine Läufe sind auf ihre Weise ebenfalls traumhaft, aber auch durch Weinberge muss man unbedingt gelaufen sein, es ist einzigartig und mit nichts vergleichbar. Nicht vergleichbar sind auch die Westerwälder Ultragrößen Sigrid und Roland. Während Sigrid meint, ihren Roland, der das Jahr 2016 lauftechnisch bereits durchgeplant hat, bremsen zu müssen, hat sie hinsichtlich eines Großvorhabens in zwei Wochen am Vortag zwei Einheiten von je 23 km absolviert. Und das vor dem heutigen K52 mit 1.650 Höhenmetern. Beide laufen in ihren Finishershirts meines Wiedtal-Ultratrails, das empfinde ich fast als Ritterschlag.

Mayschoß mit seinen rund 900 Einwohnern beherbergt die im Jahre 1868 gegründete älteste deutsche Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr mit ihrem berühmten Weinkeller. Stolze 145 ha Rebfläche werden hier bearbeitet, wovon ca. 80 % auf rote und 20 % auf weiße Rebsorten entfallen. Die Hauptrebsorte ist der Spätburgunder, gefolgt vom Riesling. In kleinen Mengen werden auch Frühburgunder, Portugieser, Domina (das ist nichts Unanständiges!), Weißburgunder und Müller-Thurgau angebaut. Ihr größtes Naturdenkmal ist die Burgruine Saffenburg, die wir später noch besuchen werden. Überall sind Winzerfamilien bei der Arbeit und geben uns im Vorbeilaufen einen guten Einblick in ihre segensreiche Tätigkeit in den Steilhängen.

Die erste Verpflegungsstelle versorgt uns mit allem Nötigen, nachdem wir auf jeder Menge Bergabmetern ein schönes Ausflugslokal mitten im Berg passiert haben. Idylle pur! Wer von weiter weg kommt, tut sich wirklich etwas Gutes, an der Ahr ein paar Tage Quartier zu beziehen. Die Wiesbadener Petra und Volker zeichnen sich durch besondere Intelligenz aus, denn sie laufen sowohl hier als auch bei meinem Wiedtal-Ultratrail im gegenüberliegenden rheinischen Westerwald.

Über einen ersten anspruchsvollen Singletrail, so wie ich es liebe, geht es im Folgenden durch Wald steil bergab. Schwedenkopf heißt der Berg, den wir nach 9 km erreichen. Er liegt gegenüber der Mayschoßer Saffenburg. Von hier aus soll das einst gewaltige Schloss auf der rechten Ahrseite im Dreißigjährigen Krieg beschossen worden sein. Und tatsächlich fanden Arbeiter bei der Sanierung der alten Umfassungsmauern mehrere Kanonenkugeln, die zwischen den Steinen steckengeblieben waren.

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Informationen: Panoramalauf rund um die Burg Are
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