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Laufberichte

Aller guten Ziele sind drei

30.04.06

Von Königstein nach Dresden


Reichlich Verwirrung stifteten die Veranstalter für eine Vielzahl von Läufern im Ziel, dazu später mehr. Dies soll aber auch der einzige Kritikpunkt an einer mustergültig organisierten Veranstaltung sein, die in schöner Landschaft stattfand.

 

Doch schön der Reihe nach: die Terminierung des Laufs in Verbindung mit dem arbeitsfreien Montag (1. Mai) war ideal für einen Kurzurlaub. Und da in Dresden dar-über hinaus die 800 Jahr-Feier anstand, war der Entschluß, dort zu laufen, schnell gefaßt. Das Jubiläum resultiert, wie so häufig, aus der ersten urkundlichen Erwähnung von „Dresdene“ 1206. Tatsächlich reicht die Stadtgeschichte aufgrund der vorhergehenden slawischen Besiedelung 600 Jahre weiter zurück.

 

So starten Elke und ich (nachdem wir „Rabeneltern“ unsere mittlerweile schon recht großen Kinder für das Wochenende gut versorgt haben) am Freitagmorgen per Auto vom Westerwald nach Dresden. Untergekommen sind wir im Holiday Inn (Äußere Neustadt), das den Marathonis einen Sondertarif angeboten hatte und sehr guten Komfort bietet. Das hoteleigene Schwimmbecken und die Sauna sollten bei der Re-generation noch willkommene Dienste leisten.

 

Der Freitag und Samstag stehen ganz im Rahmen von Besichtigungen, vor allem der Neu- und Altstadt. Es ist etwas schwierig, sich im Hinblick auf den am Sonntag anstehenden Wettkampf zu disziplinieren. Der Lauf sollte doch einigermaßen ausgeruht angegangen werden.

 

Toll war, daß an diesem Wochenende der Freiluftauftakt der Dresdner 800 Jahr-Feier stattfindet und insoweit in der Neustadt rund um den Goldenen Reiter der Bär steppt. Aber das Wetter! Freitag noch ganz OK, Samstag ganz tiefhängende Wolken und mittags beginnt es zu regnen. Um die Zeit einigermaßen vernünftig zu verbringen, fahren wir schon mal an den Startort, um die Lage zu sondieren. Am späten Nachmittag sind es noch ganze 2 (zwei) Grad Celsius, anreisende Teilnehmer aus Chemnitz erzählen von Schneefällen...

 

Am Samstagmorgen holen wir die Startunterlagen im sog. World Trade-Center ab, einem Einkaufszentrum. Eine kleine Marathonmesse, die aber alles bietet, was man benötigt. Jeder ist hilfsbereit, so daß alles Notwendige schnell ergattert ist.

 

Am Sonntagmorgen stehen wir frühzeitig auf, um nach einem – leider – nicht allzu üppigen Frühstück mit der S1 nach Königstein, dem Startplatz der Marathonläufer, zu fahren. Großes Gelächter bei den Läufern provoziert der Fahrer, der unter Hinweis auf sein langsames Fahren wegen aufgeweichter Strecke ansagt, daß die Rückfahrt 10 Minuten früher stattfände, was die Passagiere doch bitte beachten sollten! Der Himmel sieht Gott sei Dank wesentlich besser aus und nach dem Start sollte auch häufig die Sonne scheinen, so daß die ganze Veranstaltung bei optimalem Laufwet-ter stattfindet.

 

In Königstein verabschiede ich Elke, die die Strecke gelenk- und muskelschonend auf einem extra vom Veranstalter gecharterten Dampfer auf der Elbe zurückfahren wird. Ein toller Service, der auf diese Weise den nichtlaufenden Begleitpersonen einen ungewöhnlichen Blick auf den Läuferlindwurm bietet. Schade, daß das Geld nur für eine Fahrkarte reicht und ich hingegen zurücklaufen muß! Ich aber räche mich und beauftrage sie, ein paar Fotos zu schießen und so kann ich mich auf die Strecke konzentrieren...

 

Hoch über den Startern thront die Festung Königstein, die auch einen Koblenzer (der mit der Festung Ehrenbreitstein großgeworden ist, na ja, halbgroß – 1,72 m) beeindruckt. Niemals eingenommen und deshalb unzerstört ist dieses zwischen 1200 und dem Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Bauwerk eine echte Augenweide. Ich widerstehe der Versuchung, hinaufzulaufen und sie zu besichtigen.

 

Schön empfinde ich, daß ein Pastor vor dem Start eine kleine Andacht hält und die Aktiven u. a. zur gegenseitigen Rücksichtnahme auffordert. Ich habe den Eindruck, daß auch andere Läufer dieses Angebot positiv sehen. Ich treffe auch Karl-Heinz Kobus, der mit seinem marathon4you-Shirt leicht zu erkennen ist. Er ist froh, keinen Bericht schreiben zu „müssen“ und bei mir kommen mittlerweile fast ein bißchen heimatliche Gefühle auf, schließlich verfolge ich diese Internetseite regelmäßig.

 

Auf dem ersten Streckendrittel können wir das Elbsandsteingebirge genießen und erreichen nach 5 km das touristische Zentrum der Sächsischen Schweiz, den kleinen Kurort (Ober-)Rathen. Hier ist erstmals  Leben an der Laufstrecke! Ich überquere zum zweiten Mal die Bahngleise und höre noch hinter mir: „Beeilung, gleich schließen wir!“ Tatsächlich müssen die nachfolgenden Läufer bei Androhung von Disqualifikation an der Schranke warten, bis die S-Bahn Zug vorbeigefahren ist. Wertvolle Minuten werden dort leider verloren. Der Ort wird rechtselbisch von der Bastei überragt, einem Schluchtenlabyrinth, das phantastische Ausblicke ermöglicht, heute nur leider nicht für mich.

 

Wir passieren nach weiteren ca. 3 km herrlichen Panoramas den Ort Wahlen,  dann Pötzscha und Obervogelsang und erreichen nach 17 km Pirna. Der Name kommt aus dem Sorbischen und bedeutet „Auf dem harten Stein“. Nomen est omen, der geteerte und teilweise gepflasterte Radweg hinterläßt erste Spuren an meiner Muskulatur. Die ca. 1,5 km durch die Innenstadt lassen die Belastung aber kurzfristig vergessen. Endlich ist einmal richtig etwas los, Cheerleader geben sich die größte Mühe, jede Menge Zuschauer feuern uns an, viele Hände werden am historischen Marktplatz abgeklatscht. Wenn man sich die schön restaurierte Altstadt ansieht, fällt es schwer sich vorzustellen, daß das Wasser beim 1. Jahrhunderthochwasser 2002 (wie viele mögen noch folgen?) 3 m hoch stand!

 

Hinter Pirna kehren wir wieder auf den Radwanderweg zurück, damit ist das schöne Panorama für die nächsten 15 km leider vorbei. Die Halbmarathonmarke passiere ich bei 1:45:13 Std., das liegt im Limit. Nach 19 km laufe ich auf den 3:30 Zug-/Bremsläufer auf und hänge mich an. Bei km 25 hoffe ich meinen Kollegen Dr. Gert Hertrich zu sehen, der in der Nähe wohnt, kann ihn aber leider nicht entdecken. Ich habe ihn im Vorfeld völlig selbstlos in mein Vorhaben eingeweiht und von ihm einige wertvolle Tips für unseren Aufenthalt bekommen.

 

Nach 27 km erreichen wir die Dresdner Stadtgrenze und laufen nach dem Passieren der Elbinsel am alten Renaissanceschloß Pillnitz vorbei. Der Vorliebe des damaligen Eigentümers, August des Starken, ist es zu verdanken, daß der Bau im chinesischen Stil errichtet wurde. Den wunderschönen Schloßpark muß ich leider auslassen. Weiter geht es an Kleinzschachwitz – für einen Rheinländer ein ungewohnter Namen -, einer der besten Dresdner Wohngegenden, und Laubegast vorbei.

 

Die Dresdner Weinhänge bei Loschwitz lassen das nicht mehr sehr ferne Ziel erahnen und versöhnen den Rheinländer wieder mit vertrauter Optik. Einen ganz besonders attraktiven Punkt unterqueren wir kurz darauf: das sog. Blaue Wunder, eine wundervolle Brücke, die die Stadtteile Loschwitz und Blasewitz miteinander verbindet. Zum Glück konnte sie 1945 durch einige beherzte Bürger vor der Sprengung durch die Wehrmacht bewahrt werden. Bei km 38 muß ich den 3:30-Zug-/Bremsläufer ziehen lassen. Er ist km 36 und 37 in 4:46 min/km etwas zu schnell gelaufen, das gibt mir den Rest.

 

Auf den letzten Kilometern zeigt sich Dresden von seiner schönsten Seite, soweit diese Gebäude von britisch-amerikanischen Bombern und sozialistischer Sprengwut  verschont blieben: Die Albrechtschlösser, die Brühlsche Terrasse, das Dresdner Schloß, Zwinger und Semperoper werden passiert. Eines wie das andere eine Augenweide, die ich glücklicherweise schon in den Vortagen gründlich besichtigt habe, denn jetzt bin ich doch nur noch sehr eingeschränkt für diese Schönheiten empfänglich, zudem laufen wir am Elbufer und streifen diese Gebäude nur.

 

Kurz vor dem Zieleinlauf im Heinz-Steyer-Stadion sehe ich ein großes Zieleinlauftor. Nanu, das Ende sollte doch im Stadion sein? Ah ja, „Noch 500 m“ entdecke ich am oberen Ende vermerkt. Ich bin platt wie ein Brötchen und mobilisiere die allerletzten Kräfte. Da – der Eingang zum Stadion, das Zieleinlauftor. Das Ziel. Nein, ich laufe durch, es geht weiter. Ich kann nicht mehr. Im Stadion – das Ziel, ein weiteres großes Zieleinlauftor. Ich überlaufe die Zeitnahme, das war’s – dachte ich. Aber Pustekuchen! Vor mir wird weitergelaufen! Auf der anderen Seite sehe ich noch ein kleines Tor, dort muß ich noch hin! Das war grausam. Wenn man für seine Verhältnisse alles gibt, spielen sich die letzten Kilometer nur noch im Kopf ab. Man sieht das (vermeintliche) Ende, ist darauf programmiert und fällt danach mental in sich zusammen. So war also das dritte und kleinste Tor (ohne das erste mit dem Hinweis auf noch 500 m) erst das wirkliche Ziel. Das sollte im nächsten Jahr anders sein. Viele hörten schon früher auf zu laufen und wunderten sich, warum sie als einzige jubelten...

 

Letztlich habe ich das selbstgesteckte Ziel, unter 3:30 Std. zu bleiben, um 50 Sekunden verfehlt, was aber nicht an den drei Zielen lag, sondern an der fehlenden Kraft. Ich bin trotzdem sehr zufrieden, denn ich habe alles gegeben. Es  war es ein prima organisierter, landschaftlich und architektonisch wunderschöner Lauf, der gehalten hat, was ich mir von ihm versprochen hatte. Ein großes Lob an die Organisatoren, die zu jeder Zeit und an jedem Ort freundlich und aufmerksam waren. Man hatte immer das Gefühl, willkommen zu sein.

 

Informationen: Oberelbe-Marathon
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