marathon4you.de

 

Laufberichte

„Schwamm oder Schoppe?“

13.07.07
Autor: Klaus Duwe

Sommernacht an der Lahn

 

Pünktlich zum Marburger Nachtmarathon kommt der Sommer zurück. Am späten Nachmittag regnet es noch leicht, aber dann setzt sich die Sonne gegen die dunklen Wolken durch und am Abend ist es wärmer als am Nachmittag.

 

So viele Teilnehmer wie zuvor holen sich beim Jahnstadion ihre Startnummern ab: 232 Marathonis 15 Staffeln und 992 Halbmarathonläufer (alles Finisherzahlen), unter ihnen Dieter Baumann. Gestartet wird vor dem historischen Rathaus in der Oberstadt, 1000 Meter weiter und 100 Meter höher. „Die alte Stadt liegt krumm, schief und buckelig unter einer alten Burg“, beschrieben Besucher schon vor 200 Jahren die Stadt an der Lahn. Und der Märchenerzähler Jakob Grimm glaubte, es gäbe mehr Treppen auf der Straße als in den Häusern.

 

Hat man durch enge Gassen und über diese steilen Treppen den Aufstieg geschafft, offenbart sich einem die Altstadt mit dem Rathaus und den Fachwerkhäusern wie eine Mittelalterliche Filmkulisse. Statt Gaukler und anderes fahrende Volk bestimmen heute allerdings Läuferinnen und Läufer die Szene auf dem großen Platz. Das laute Stimmengewirr wird nicht wie sonst üblich von noch lauterer Musik übertönt, man kann sich gut unterhalten. Erst kurz vor dem Start wird demonstriert, dass man könnte, wenn man wollte: „Start me up“, die Rolling Stones geben das Vorspiel für den Startschuss.

 

Das Startbanner ist über eine schmale Gasse gespannt, auf Absperrungen hat man verzichtet. Die Außenbestuhlung der Cafés und Kneipen macht die Gasse noch enger. Die Zuschauer finden das Klasse, und die Läuferinnen und Läufer werden schon durch kommen. Zuerst lässt man die Marathonis und die Staffelläufer auf die Strecke, 15 Minuten später die „Halben“, die man gut an ihrer vierstelligen Nummer erkennen kann. Noch einmal gibt der Sprecher den Hinweis: „Start gilt nur für Marathon“, dann der Schuss und los geht’s.

 

Nach noch nicht einmal 200 Metern fischt ein aufmerksamer Helfer die kleine Lea aus dem Feld, sie hat eine vierstellige Nummer, also Halbmarathon. Laufen kann sie ja, Podestplätze sind keine Seltenheit. Auf den Mund gefallen ist auch nicht, schließlich ist sie bei InterAir hin und wieder als Reiseleiterin im Einsatz. Aber mit den Ohren, da stimmt was nicht. Ich hab fast Bauchweh vor Lachen.

 

Die anderen rennen weiter durch die enge Gasse, kommen dann am Wilhelmsplatz zur halbseitig gesperrten Verkehrsstraße. Rechts sehen wir das Universitätsmuseum und die Stadthalle, dann kommt links die Elisabethkirche, die über dem Grabmal der heiligen Elisabeth von Thüringen errichtet wurde.

 

Mit dem Bau der Kirche wurde im Jahr ihrer Heiligsprechung (1235) begonnen, 1283 wurde sie geweiht. Die beiden Türme wurden aber erst viel später, 1340 fertig gestellt. In diesem Jahr feiert man den 800. Geburtstag der Heiligen Elisabeth, die mit dem Landgraf Ludwig verheiratet war. Nach dessen frühem Tod verließ sie die Wartburg und ließ von ihrem Witwengeld ein Hospital bauen, in dem sie selbst als Krankenpflegerin arbeitete. Sie starb mit 24 Jahren und wurde bereits wenige Jahre später wegen der vielen ihr zugesprochenen Wunder heilig gesprochen. Marburg wurde ein berühmter Wallfahrtsort. Man sagt sogar, die Pilger hätten die Stadt reich gemacht.

 

Ein Stück geht es jetzt direkt der Lahn entlang, dann erreichen wir den Stadtteil Wehrda, überqueren dort die Lahn und sind schließlich auf dem Lahntalradweg dem wir fortan in südlicher Richtung folgen. Zuvor haben uns schon die ersten Halbmarathonläufer überholt, unter ihnen auch Dieter Baumann, allerdings nicht als Erster. Diesen Platz belegt er erst im Ziel, und nur das zählt. Im Herbst, wenn er in Frankfurt den Marathon laufen will, wird ihm das mit Sicherheit nicht gelingen. Ich bin sicher, da melden sich jetzt etliche an, um dann später auf ihrer Urkunde zu vermerken, dass sie vor dem Olympiasieger in die Festhalle eingelaufen sind. Ist das vielleicht sogar gewollt?

 


Es ist ein herrlicher Sommerabend und das Lahntal zeigt sich von seiner schönsten Seite. Blumen blühen am Wegrand und auf saftig grünen Wiesen, der feuchte Sommer macht es möglich. Das Flüsschen ist kaum in Bewegung und liegt da wie ein See. Ein paar Angler versuchen ihr Glück und ein Stück weiter machen ganz in schwarz gekleidete Jungendliche Party auf der Wiese.

 

Als wir kurz direkt unter der B3 entlang laufen, wird es laut. Da die meisten ja selbst mit dem Auto angereist sind, werden sie das tolerieren. Die B 3, oder der vierspurige Ausbau 3 a ist eine wichtige Verbindung zum Gießener Ring (A485) damit ins Rhein-Main-Gebiet.

 

Dann ist es ruhig, erst als wir bei km 11 in die Nähe des Stadions kommen, geht so richtig die Post ab. Diesmal machen Marathonfans den Lärm, ich traue Augen und Ohren nicht. Über eine alte Holzbrücke geht es über die Lahn und gleich darauf erreichen wir schon die dritte Verpflegungsstelle. Zu Wasser, Tee und Iso gibt es jetzt auch Kekse, Bananen und Gel.

 

Wieder sind wir direkt an der Lahn, ohne den Fluss allerdings zu sehen. Er versteckt sich links hinter dichtem Buschwerk. Unser Weg verläuft jetzt parallel zur B 255 und bringt uns zu dem kleinen Stadtteil Gisselberg. Kaum erreichen wir die ersten Häuser, laufen wir links nach Cappel, wo wir auf einer Schleife zur Steinmühle kommen die Ultraläufern ja bestens bekannt sein dürfte.

 

Nach einer gut sortierten Verpflegungsstelle („Soll ich Dir ein Bier zapfen?“) bei km 15 werden  die „Läufer der Blutbank“ lautstark von einer lustigen Mädelriege gegrüßt. Ich verstehe die Anspielung und behaupte mal, die Damen sind selber gedopt. Um 23.00 Uhr, ich nehme das mal vorweg, stehen sie nämlich komplett noch immer da, genau so lustig, genau so laut. Kompliment und vielen Dank, Mädels, Ihr seid wahre Marathonfans.

 

Es folgt eine kurze Crosseinlage über eine etwas matschige Wiese, dann sind wir wieder auf dem Lahntalradweg. Ungefähr zwei Kilometer weiter erreichen wir den Campingplatz, das Schwimmbad und schließlich das Stadion, wo die „Halben“ ihre Ehrenrunde laufen und dann im Ziel sind. Tolle Stimmung herrscht unter den Finishern und den vielen Zuschauern. Ich biege links ab und folge dem Pfeil „Marathon“ - dafür gibt es viel Applaus.

 

Über die schon bekannte Holzbrücke geht es hinaus in die Dämmerung. Es hat abgekühlt und ist jetzt richtig angenehm zu laufen. Nebel steigt von den Wiesen auf und verzaubert die Landschaft. Alles sieht anders aus und man hat überhaupt nicht das Gefühl, hier schon einmal gelaufen zu sein. Kaum ein Mensch ist zu sehen. Nur die Streckenposten halten ihre Stellung und feuern die Läufer an. Die Mädelriege macht weiter fleißig die LaOla-Welle.

 

Bei der Wasserstelle ruft mir die Helferin zu: „Schwamm oder Schoppe?“. „Schwamm!“ gebe ich zur Antwort und schon fliegt mir das nasse Ding entgegen. Glück gehabt, dass ich mich nicht für den „Schoppe“ entschieden habe.

 

Auch an den anderen Verpflegungsstellen sind die meist jungen Helferinnen und Helfer gut drauf. Die meisten feiern längst ihre private Party, mit Getränken und lecker Essen sind sie offensichtlich gut versorgt. Natürlich wird kein Läufer vernachlässigt und wer will, kriegt auch von den Köstlichkeiten etwas ab.

 

Wir laufen auf die Stadt zu und sehen das Landgrafenschloss auf dem Hügel über der Altstadt wie einen Scherenschnitt vor fast wolkenlosem, hellblau-weißem Hintergrund. Schade, dass ich das im Bild nicht besser festhalten kann. Aber solche Eindrücke sammelt man am besten selbst und live.

 

Es wird jetzt schnell dunkel und die dritte Runde wird der im Veranstaltungsnamen versprochene Nachtlauf. Blöd ist, dass ich darauf nicht eingerichtet bin. Eine kleine Taschenlampe hätte genügt, aber ich bin ohne Licht unterwegs. Normalerweise funktioniert das in einer klaren Sommernacht wie heute ganz gut. Das Auge gewöhnt sich recht schnell an die Dunkelheit und auf guten Wegen kann man problemlos laufen. Leider wird man aber immer wieder von Autos geblendet und erlebt dann anschließend eine gewisse Zeit eine Art Blindflug. Zum Glück überstehe ich die etlichen Stolperer ohne Sturz, verliere aber durch meine vielleicht übertriebe Vorsicht viel Zeit. Aber ehrlich gesagt, ich bin auch ziemlich kaputt. Ich bin eben kein nachtaktives Wesen.

 

Als ich endlich ins Ziel laufe, sind die meisten meiner Bekannten schon geduscht, sie applaudieren und gratulieren. Das ist der Vorteil der späten Ankunft. Nachteil ist, dass es keine Medaillen mehr gibt. Den Teilnehmerrekord hat man nicht eingeplant. Etwas spärlich ist auch die Zielverpflegung, denn außer Wasser und Iso gibt es nichts. Dafür lassen die umliegenden Verkaufsstände mit Gegrilltem, Bier und Wein keine Wünsche offen.

 

Marathon-Sieger

Männer

1. Ahrenberg, Mathias Rostock 2:41:03,7
2. Schlipf, Matthias 2:47:27,1
3. Eickel, Klaus 2:47:51,7

 

Frauen

1. Stöppler, Simone 3:24:21,5
2. Eul, Angelika 3:37:18,8
3. Fiehring, Andrea 3:38:48,3

 

Teilnehmer

232 Marathon, 15 Staffeln, 992 Halbmarathon (Finisher-Zahlen)

 

Kosten

Startgeld 22 Euro (Marathon), 28 Euro (Staffel), 13 Euro (Halbmarathon). Man meldet sich online an und bezahlt am Start.

 

Streckenbeschreibung

Man kann die Strecke in zwei Hälften teilen, einen Nord- und einen Südteil. Beide Teile zusammen sind 21 km lang und bilden die Halbmarathonstrecke. Der Südteil (10,5 km) wird von den Marathonis danach noch zweimal durchlaufen.

 

Als langsamerer Läufer hat man drei völlig verschiedene Eindrücke. Einmal erlebt man die Strecke bei Tageslicht, einmal in der Dämmerung und einmal bei Nacht.

 

Zeitnahme

BipChip, in die Startnummer integriert

 

Verpflegung

Wasser, Iso, Tee, später auch Cola. Bananen, Kekse, Gel


Zuschauer

Am Start viele Zuschauer, an der Lahn beim Stadion und beim Zieleinlauf ebenfalls.

 

Logistik

Die Startunterlagen gibt es im Jahnstadion, wo auch das Ziel ist. Dort kann man auch seine Kleider deponieren. Parkplätze gibt es in der Nähe.

Der Start ist auf dem historischen Marktplatz. Der Weg dort hin ist ausgeschildert.

 

Auszeichnung

Medaille, Urkunde aus dem Internet

 

Informationen: Nachtmarathon Marburg
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024