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Laufberichte

Zwei Marathon-Quitschies sind begeistert

26.03.06

Ich bin meinen ersten Marathon gelaufen - und schliesse einen zweiten nicht mehr aus

 

Im Schatten des Colosseums, die Sonnenstrahlen, die durch die Nebelschwaden dringen, meine Aufregung, die sich mit Vorfreude mischt- da steh ich nun mit weiteren 12.000 nervösen Läufern in der ewigen Stadt. Ewig erscheint mir auch die Wartezeit vor den türkisblauen Häuschen. Unsere Stoppuhren missbrauchen wir, um den drin Weilenden vorzuhalten, wie lange sie uns trippeln lassen. Ich bin enttäuscht, dass in so einem grossen Moment, kurz vor meinem ersten Marathon, solch profane menschliche Bedürfnisse den Vorrang haben vor diesem herrlichen, lang erwarteten Morgen, der so viel verspricht, aber noch nicht weiss, was der Tag bringt.

 

Seit ich im November 2005 angefangen habe, für die 42,195 km zu trainieren, träume ich von dem Augenblick, mich den an den Start gehenden „Gladiatoren“ anzuschliessen. Dank der unerwartet einwandfreien Organisation der Italiener werden die Läufer schon vor dem Start ihren „Luftballons“, den Pace-Makern zugeleitet. Die Durchgänge, die nach Startnummersortierung die Marathon-Zeiten unterscheiden, leiten mich direkt zu meinen Tempomachern mit roten Luftballons.  4:45 steht drauf.

 

Wie in der Arena fühle ich mich kurz vor dem Start. Die „Zuschauerränge“ rechts und links sind gefüllt mit jubelnden Römern. Man hat den Eindruck, bald kommen die Löwen, so aufgeheizt ist die Stimmung. Der Moderator ruft die Läufer aus den verschiedensten Ländern auf und lässt alle noch mal aufschreien. Es ist eine eigenartige Stimmung: jeder weiss, er muss „allein kämpfen“ und trotzdem fühlt man sich solidarisch mit allen, die hier stehen.

 

Marlene, mit der ich einen 20er und meinen letzten 30er im Training gelaufen bin, umarmt mich ein letztes Mal und wir nehmen uns vor, zusammen zu bleiben, so lange wie möglich. Es ist soweit, der Start erfolgt.

Zügig geht es durch den Startbogen,  eine Blaskapelle verabschiedet uns -  ein erhebendes Gefühl. Und immer wieder der Gedanke „Wow, und ich bin dabei!“. Ein Laufneuling (ich) und zwei Marathon-Quitschies (Marlene und ich) sind begeistert.

 

Die Sonne wärmt das römische Pflaster bald auf 25° C, doch ich bereue es nicht, meine Wintersachen anbehalten zu haben, denn im Schatten fröstele ich trotzdem. Ein Schauer anderer Art läuft über meinen Rücken, als wir bei km 9 um die Ecke biegen und plötzlich direkt auf den Petersdom zulaufen, der in seiner vollen Pracht vor uns liegt. Wir waren beide noch nie in Rom und sind beeindruckt von all den imposanten, historisch bedeutungsvollen Steinen und Stätten: Trajanssäule, Justizpalast, vieles, was ich noch nicht kenne, aber es sieht wunderschön aus.

 

Und dies während unseres ersten Marathons!

 

An der Verpflegungsstelle bei km 15 beschliessen wir, unser Wasser nicht mehr im Laufen zu trinken, sondern stehen zu bleiben. Ein grosser Trost ist es, dass auch die „roten Luftballons“ pausieren. Ich frage den „Pace-Angel“, ob wir denn gut in der Zeit liegen. „Yes“ antwortet sie.

 

Wir starten von der Verpflegungsstelle vor „unseren Luftballons“. Ein tolles Gefühl vor ihnen zu Laufen, das das ständige Ringen mit mir selbst ein bisschen in den Hintergrund treten lässt. Die Sonne, das ständige Auf und Ab (ist Rom wirklich nur auf  7 Hügeln gebaut, oder haben die sich verzählt, ich habe den Eindruck, wir überwinden mindestens 17 davon) und das Kopfsteinpflaster machen mir zu schaffen. Dass ich nicht allein bin, motiviert mich. Man sieht viele Läufer um sich herum und errät ihre Herkunft: ein T-Shirt mit dem Aufdruck „100-Marathon-Club“; Norwegisch-Sprechende; rumänische Fussball-Fans; Englisch-Radebrechende- sie kommen aus der ganzen Welt, um hier dabei zu sein.

 

Eine Gemeinde, die sich über das Laufen zusammengefunden hat.

Bei km 29 fangen die „Roten“ plötzlich an, nach vorne zu preschen. Auf der Piazza Navona überholen sie uns in einem Tempo, als würde Ben Hur sie im Zirkus Maximus verfolgen.


Meine Hoffnung durchzuhalten sinkt drastisch, zudem kommt km 32 auf mich zu, so weit bin ich im Training nie gekommen. Die Angst vor den letzten 10 km mischen sich mit dem Ehrgeiz, das hier durchzustehen. Was ist schon ein Marathon, verglichen mit der Ausdauer die Michelangelo 4 Jahre lang auf dem Rücken liegend, die göttliche Sixtinische Kapelle malen liess.

 

Von nun an hangeln sich Marlene und ich von Verpflegungsstelle zu Schwammausgabe, die sich im 2,5 km Abstand abwechseln. Nie sind die Helfer ungeduldig, immer haben sie ein aufmunterndes „Bravo“ auf den Lippen; die Polizei und die Ordnungskräfte halten uns ungeduldige Straßenüberquerer vom Leib. Dies macht Mut und lässt uns weiterlaufen. Für den Trevi-Brunnen habe ich nur noch einen müden Blick übrig, am Zirkus Maximus will ich mich von Marlene trennen. Sie schleift mich mit. Dafür lasse ich sie nicht allein, als sie auf der langen Geraden Richtung San Paolo seufzt „I mog nimma!“

 

Hier kommen uns schon die Läufer auf der Gegenfahrbahn entgegen und ich erkenne dort km 39. Aber die 5 km von Verpflegungsstelle 35 bis 40 sind ewig. Unser Couch, Fan und Maskottchen in einem – Klaus – steht hier und zittert mit, muntert auf und reicht eine rettende Flasche Wasser. Fürs Foto kriegen wir so ein letztes Lächeln hin.

 

Bei km 40 bleibe ich nicht mehr stehen, ich fürchte anschliessend nicht mehr loslaufen zu können. Marlene und ich überholen uns gegenseitig, ich sie bei der Verpflegungsstelle, sie mich anschliessend, ich sie, wenn sie ihre Wade massiert, dann sie wieder mich vor dem Kolosseum.

Die letzten beiden Kilometer gehen noch mal bergauf. Endlich wird der letzte angekündigt. Das Kolosseum erscheint in der Mittagshitze vor mir. Ein Zuschauer ruft mir zu „noch unter 5 Stunden“. Ich laufe auch die letzten 100 m, bleibe nicht stehen und gehe nicht. Ich könnte heulen, ich bin gerührt, ich bin stolz auf mich, Marlene wartet im Zielbogen, wir fallen uns wieder in die Arme.

 

„Auch ich bin ein Gladiator!“

 

Nachtrag 1 – Tag 5 nach dem Marathon:

 

Die Schmerzen sind vergessen, die Euphorie überwiegt. Ich erzähle allen, die es hören wollen oder nicht „Ich bin meinen ersten Marathon gelaufen! In Rom!“ – und schliesse einen zweiten nicht mehr aus.

 

Nachtrag 2 – Thema Fotos:

 

Unser Lächeln für Klaus’ Kamera konnte aufgrund höchster, mitfiebernder Aufregung seitens des Fotografen nicht festgehalten werden. Wir hoffen auf die vielen Fotos des Veranstalter-Fotodienstes, bei denen Marlene und ich immer gestrahlt und uns umarmt haben.

 

Informationen: Maratona di Roma
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