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Laufberichte

Wenn in Leipzig Winter ist

 

Der Jens könnte bei der Eisenbahn als (Ver-)Kuppler arbeiten, denn er schafft es wieder, mich einer Mannschaft beim Wintermarathon einzugliedern. Bereits im November fragt er mich, ob ich nicht wieder als dritter Mitläufer, so wie im Februar 2022, in einen ihm bekannten Team mitrennen will. Ich war mir nicht ganz sicher nach der Corona-Infektion, aber ich dachte, es wird schon mit meiner Lauferfahrung klappen. Es sollte halt nicht so schnell sein. 4.30 Stunden war der Plan.

Ein paar Tage später nennt er mir die „Anführerin“, keine geringere als Sylke vom Laufwerk Kassel, eine erfahrene Läuferin auf der Ultradistanz dazu ein Youngster, Patrick. Das Training ging bei mir erst kurz vor Weihnachten rund, denn mich (und vielen anderen) plagte wochenlang ein Husten, der nicht weggehen wollte. Doch zwischen den Jahren (nach Weihnachten!) konnte ich unseren privaten Wintermarathon in der Region zwischen Neuburg und Ingolstadt mit 44 Kilometer passabel absolvieren und vor Wochenfrist noch eine IVV-Marathonwanderung bei München laufen. Ich war bereit für Leipzig, um dort hallo zu sagen.

Das ganze Procedere zum Teammarathon ist einfach gestrickt. Der Häuptling sucht sich zwei Indianer und fertig. Die müssen dann auf der 4,2 langen Runde im Clara-Zetkin-Park zehnmal kreiseln, erst dann ist die Marathondistanz komplett. Strategisch kann bei der Teamzusammenstellung auch vorgegangen werden, denn der Laufboss kann reine Männer- oder Frauenteams zusammenstellen oder Mixed-Teams. Es gibt sogar noch eine Sonderwertung für die Ü150, da werden alle Lebensjahre zusammenaddiert. Zerfällt ein Team durch Verletzung oder Aufgabe, werden die restlichen Läufer in einer eigenen Splitterwertung zeit- und platzmäßig erfasst. Seit ein paar Jahren können auch Halbmarathonis als Mannschaft mitrennen, die brauchen nur fünf Runden laufen.

Der Veranstalter empfiehlt auch seine Teambörse für Sportler, die kein Team haben oder denen noch ein Mitläufer fehlt. Auch wenn kurzfristig aus einer gemeldeten Mannschaft jemand ausfallen sollte, kann über diese Börse noch für Ersatz gesorgt werden. Die LG eXa als Veranstalter hält am Lauftag auch einige ihrer Mitglieder als kurzfristige Reserve vor. Als Auszeichnung gibt es Medaillen und Urkunden (aus dem Internet) und für die erfolgreichen Teams eine Torte.

 

 

Wie Leipzig zu erreichen ist, brauche ich nicht euch erklären. Die Kulturhauptstadt liegt in der Mitte Deutschland und ist mit der Karre und der Bahn schnell zu erreichen. Wir haben ein wenig länger für die Anreise eingeplant und wollen übers Land (Nürnberg und Hof) reisen, doch schon nach 20 Kilometer fährt uns in Ingolstadt der ICE vor der Nase davon. Im Fußgängertunnel kann ich noch den Pfiff des Zugchefs hören. Doch dadurch ist die Zugbindung aufgehoben und wir sind eine gute Stunde früher in Leipzig. Während Henny noch eine Stippvisite nach Dresden macht, schaue ich mir die Innenstadt an und mache einen Spaziergang über die 5,3 Kilometer lange Leipziger Notenspur. Da kann man allerhand Interessantes über das Schaffen und Leben berühmter Komponisten erfahren, die hier Spuren hinterlassen haben. Von Telemann, Bach, Mendelsohn bis hin zu Wagner, Grieg und Reger. Es sind 23 Stationen, an denen Informationstafeln und Stelen entsprechende Informationen liefern. In den zwei, drei Stunden schaffe ich nur die halbe Notenspur. Hoffentlich bleibe ich morgen in der Spur.

Bei der Anzahl der Mannschaften hat der Wintermarathon aufgeholt. Wie 2020 ist das Rennen mit 100 Teams ausverkauft, die letzten Plätze gehen in den letzten Tagen zuvor über den Ladentisch. Am nächsten Tag heißt es eine Stunde früher aufstehen, denn der Start wird um eine Stunde auf 10.00 Uhr vorverlegt. Damit kommen die Helfer mit dem Abbau nicht in die Dämmerung. Bei der Anfahrt mit der Straßenbahn sehen wir dann kurzzeitig den Mannschaftsbus des FC Bayern, der am Vorabend gegen die Bullen Leipzig unentschieden gespielt hat.

 

 

Gegen 09.30 Uhr kommen wir am Gesundheitszentrum des BSV AOK an. Dort sehe ich schon ein Gewusel vor dem Gebäude am Fenster, aus dem die Startnummern herausgereicht werden. Corona-Einschränkungen sehe ich keine, lediglich die Sauna ist für uns gesperrt. Das hängt wohl eher von einer laufenden Sanierung ab. Mein Freund Jens läuft mir über den Weg, begleitet mich sogleich nach innen und macht mich mit Sylke bekannt. Leider ist unser dritter Mann, Patrick, noch nicht da und im ersten Moment auch nicht telefonisch erreichbar. Doch nach der ersten Überlegung „wann sollen wir auf das Ersatzangebot der LG zurückgreifen“ kann Sylke einen Kontakt herstellen. Patrick hat sein Telefon kurzzeitig verlegt. Wir geben das Gepäck ab und gehen kurz vor dem Startsignal nach draußen.

Vor lauter Ratscherei bekommen (nicht nur) wir nichts von den Hinweisen für das Rennen mit. Ich höre nur noch ein Herunterzählen und einen Startschuss. Ohne Hektik setzen sich die 100 Teams in Bewegung und gedrängelt wird überhaupt nicht. Nach ein paar Metern biegen wir rechts in die Anton-Bruckner-Allee ein, der breite Rad- und Gehweg ist für uns reserviert, einige Läufer laufen sogar auf der Straße. Oft war es bei meinen Teilnahmen gefroren oder glatt. Ihr seht, ein Weichei oder ein Schönwetterläufer hat da nichts verloren. Nach wenigen Minuten laufen wir über die Sachsenbrücke und überqueren dabei das Elsterflutbett. Gleich danach sehe ich rechterhand den Inselteich und den Musikpavillon am Brahmsplatz, wo wir rechts in den Park einbiegen, am Schachzentrum und am Glashaus vorbei.

 

 

Dann eine Schrecksekunde, wo sind meine Mitstreiter? Nach vorne schauend kann ich keinen der zwei erkennen und nach hinten auch nicht. Ich beschließe, vorerst in meinem Tempo von geschätzt sechs Minuten pro Kilometer weiterzulaufen. Am Rundendurchlauf könnte ich später immer noch nachfragen, wo sie denn sind. Schön abwechslungsreich geht es durch den Park, bis ich durch das Gehölz die Rennbahn Scheibenholz erblicke. Früher durfte man auf dem Rennbahnweg laufen, aber dafür müsste der Veranstalter heute einen dreistelligen Betrag auf den Tisch legen. Eine praktische Lösung, dass man auf den Parkwegen bleibt, ist es allemal.

Kurz vor dem Steg sehe ich einen alten Bekannten: Wolfgang, ein emeritierter IT-Prof, ist beim Aufbau und beim Soundcheck. Er wird uns später stundenlang mit seiner Musik, nicht immer ganz sicher beim Treffen der Noten, begleiten und weitertreiben. Er gehört schon zum Inventar des Wintermarathons. Auf dem Rennbahnsteg überqueren wir wieder das Elsterflutbett, der Steg ist gerade am linken Teil noch schneeglatt, also halten sich die Läufer vorwiegend rechts.

Gleich danach biegen wir links auf den Damm, der anfangs auf rund 100, 200 Meter eisglatt ist. Von meiner Uhr höre ich dann die Zeit für die ersten zwei Kilometer, es sind etwas über zwölf Minuten, „just in time“. Wir verlassen dann den Damm auf den Unterhaltsweg und biegen später nach rechts in den Wald. Der Weg wird etwas ruppig und dreckig, ein wenig Konzentration schadet nun auch nicht. Nach rund 100, 150 Metern steigt die Laufstrecke ein wenig an, die schlechte Wegstrecke endet und wir biegen auf den asphaltierten Nonnenweg ab. Hier kann man es rollen lassen, der Untergrund ist fein.

 

 

Kilometer drei ist bei der evangelisch-lutherischen Bethanienkirche geschafft, die wir links durch die Bäume sehen. Wir biegen dann abermals rechts ab und sehen hier das Sportgelände des SV Schleußig. Auf dem folgenden längeren befestigten Waldweg sehe wir dann eine bekannte Frau, die uns (wie in den letzten Jahren) beklatscht, anfeuert, zur Musik mittanzt und uns aktiv unterstützt. Auch für sie ist das ein Marathon, nur halt auf einer andere Art und Weise. Ohne sie würde dem Marathon was fehlen. Eine erneute Ausschau nach meinen Teammitgliedern bringt nichts Neues. Ich lasse mich (noch) nicht aus der Ruhe bringen.

Der befestigte Weg führt dann zum bekannten Steg, wo wir wieder nach links abbiegen. Und dann ist nach rund 200 Metern die erste Runde abgehakt. Knapp 26 Minuten sehe ich auf der Uhr. Der Moderator vor der Uhr kündigt fast jedes Team namentlich ab. So stelle ich mir ein abwechslungsreiches Rennen vor. Wir haben im Team abgesprochen, uns nach jeder Runde zu verpflegen. An der Tankstelle sehe ich Elektrolyt, Wasser, Tee und Cola, dazu weiter hinten Obst, Schokolade und salzige Snacks, das reicht völlig. Als ich beim Trinken umschaue, sind Sylke und Patrick auch da. Sie hatten mich immer im Sichtfeld.

Über die Geschichte des Teammarathons ist vieles bekannt. Erfunden wurde der in Berlin im dortigen Plänterwald. Nach 31 Ausgaben wanderte das Konzept nach Leipzig, wo der Lauf heute bereits zum 14. Mal organisiert wird.

Dann eine besondere Begegnung: Zwei ältere Herren stehen am Start und begrüßen mich mit Handschlag. Frank und Steffen Gottert, zwei Leipziger Laufurgesteine mit einer Bestzeit von 2.30 Stunden. Der eine feierte gerade seinen 80. Geburtstag und beide sagen: „Wir sind Läufer und werden es immer bleiben, daher ist eine tägliche Bewegung ein Pflichtprogramm“. Freilich sind sie nicht mehr so schnell wie in Jugendjahren, aber sie lassen sich jedes Jahr hier und auch beim Stadtmarathon im April sehen.

Auf zur zweiten Runde, die haben wir noch nicht beendet, da werden wir von einem gemischten Team überholt. Die Mannschaft mit dem Namen Team Sirius Europe in der Besetzung mit Yvonne, Martin Max und Peer werden später den Halbmarathon in 1.25. Stunden gewinnen, mit mehr als zehn Minuten Vorsprung vor dem besten Männerteam. Unsere zweite Runde endet nach gut 51 Minuten, die Kilometersplits gehen knapp unter sechs Minuten, damit bin ich hochzufrieden.

 

 

So, alle Runden will ich jetzt nicht beschreiben, da würde ich euch nur langweilen. Nur so viel, die Stimmung bleibt gut, auf der Strecke beim Wolfgang, bei der tanzenden Frau und im Zielbereich. Später höre ich sogar noch winterliche Lieder wie „Schneeflöckchen, Weißröckchen“. Leider fängt es bei mir im Bauch zu brodeln an, ist die Pizza von gestern schuld? Ich brauche nach Runde vier einen Boxenstopp und fühle mich danach erleichtert und ohne Druck. Auf die Rundenzeit bin ich gespannt, wie viel Minuten ich auf der Strecke gelassen habe. Die erste Hälfte endet nach etwa 2.10 Stunden, das könnte dann auf eine Gesamtzeit von unter 4.30 Stunden hinausgehen, womit ich hochzufrieden wäre. Aber nach der halben Wegstrecke schon die Endzeit vorherzusagen, ist gewagt, denn es kann eine Krise kommen.

Zweite Hälfte: Weiterhin halten wir unseren Kilometerschnitt von etwas über sechs Minuten, lediglich der Kilometer mit der Verpflegungsaufnahme ist immer eine gute halbe Minute länger. Wir sehen die ersten Halbmarathonteam schon im Ziel stehen mit ihren Medaillen um den Hals. „Wartet noch etwa zwei Runden, dann wird es einsam für uns“, sage ich zu Sylke, die pflichtet mir bei und berichtet von einem von ihr organisierten Lauf, der fast wegen Hochwasser ins Wasser gefallen wäre. Später sehe ich noch zwei Läufer, die entgegen laufen. Heide-Rose und Jürgen holen Henriette ab, die wir vor ein, zwei Minuten überholt haben. Mittlerweile werden wir von der Spitze öfter überholt.

Kilometer 30, so langsam merke nicht nur ich die gelaufenen Kilometer in den Füßen. Unser „Jungspund“ Patrick meint dagegen mit einem Blick auf die Garmin, dass sein Puls nach unten geht. Ich merke mittlerweile, dass ich mehr Luft brauche. Aber wir können unser Tempo halten. Vorletzte Runde, die Frau mit dem weißen Wintermantel zeigt keine Ermüdungserscheinungen, kommt uns entgegen, klatscht ab und läuft ein paar Meter mit und dann später umzudrehen und sich den Verfolgern zu widmen. Die Kilometersplitts sinken nun wieder unter sechs Minuten. Es scheint auch kurzfristig aus, als wolle die Sonne durch den Hochnebel dringen.

 

 

Die letzte Runde wird angegriffen, ich denke, dass wir eine schnellere zweite Hälfte laufen können. Wir wechseln uns mit der Führungsarbeit ab und können so noch ein wenig zulegen. Gut gestimmt verabschieden wir die Helfer, die an jedem Abzweig und am Steg stehen, sowie den Musikanten Wolfgang, der sich über das Lob sichtlich freut. Dann wartet das letzte Stückchen am Elsterflutbett. Wir sprechen ab, dass wir Hand in Hand einlaufen, und dann endet das „Glaff“ nach 4.17.22 Stunden. Ich schaue noch auf den Monitor und erkenne Gesamtrang 25 und bei den Mix-Teams Platz acht. Da haben wir auf den letzten Kilometern gescheit Gas gegeben. Nur mit wenig Abstand kommt dann Jens mit seinen Laufkollegen Andreas und Beatrice.

Ich ziehe meine Jacke an und widme mich noch kurz meinem Reportergeschäft, bis mich Henny  erinnert: „Drinnen steht dein Bier am Tisch, und Siegerehrung ist auch gleich“. So kann ich noch einige Bilder mitnehmen. Wie so oft sind wir die letzten Gäste, die heimgehen.

 

Fazit:

Wer eine lange Einheit für seinen Frühjahrsmarathon braucht, ist hier genau richtig. Freundliche Helfer, gute Verpflegung, Orga top, was will man mehr. Sehr nobel und hilfsbereit zeigt sich die LG eXa mit ihrem Geldsammeln aus der Verpflegung. Es werden 830 Euro eingenommen, die als Spende an den Verein Wolfsträne übergeben werden. Der bietet für Kinder und Jugendliche eine Trauerbegleitung im geschützten Rahmen an.

 

Sieger

Frauen:

1. ACC to go (Antje Müller, Christine Fischer-Bedtke, Constanze Quenzel) 4.01.26
2. Schneeflöckchen (Irmgard Eggert, Cornelia Klockau, Nadine Pohl) 4.27.01
3. Turboschnecken (Andrea Stiebritz, Antje Wienstroer, Silke Rasch) 4.27.55

 

Mixed Teams

1. Zwischen Harz und Heideland (Oliver Tesch, Joke Evenblij, Marc Dominik Bennett) 3.11.30
2. Rest Day (Patrick Wendritsch, Pierre Kiesewetter, Nina Dalitz) 3.13.57
3. #elbventure (Mathias Klemm, Nolle Keßler, Thjomas Drechsler) 3.39.04

 

Männer:

1. TRCT Racing Team (Swen Thorhauer, Dominik Voigt, Stefan Thiel) 3.14.29
2. Desert Knights (Markus Schridde, Jens Sperlich, Felix Dreisow) 3.21.07
3. Die Waldläufer (Kilian Tasche, Sven Herder, Sören Schramm) 3.23.39

 

95 Teams in der Wertung (von 100), davon 39 beim Marathon und 49 beim Halbmarathon. Neuer Termin: Januar 2024.

 

 

 

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