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Laufberichte

So und net anders

 

Schneller als erhofft finde ich mich an der Startlinie eines Marathons wieder. Vor fast vier Monaten im November habe ich meinen letzten Marathon in Zeil am Main gefinisht und der letzte Wettkampf unter den Bedingungen, wie wir sie kennen, war noch eine Woche später bei einem Winterlauf in Nördlingen. Seit dem ist „tote Hose“, bis auf einen privaten Lauf über 43 Kilometer zwischen Neuburg und Ingolstadt und einigen virtuellen Läufchen, meist auf der Unterdistanz. Die waren im Nachhinein manchmal kostenlos, aber nicht umsonst, denn ich konnte meine Schnelligkeit im Bereich von fünf bis zehn Kilometer halten und sogar ein wenig ausbauen.

Doch vor gut drei Wochen schreibt mir Jens, dass wir uns lange nicht mehr gesehen haben und dass der eigentlich im Januar stattfindende und nun auf Ende Februar verschobene Wintermarathon durchgezogen werden soll. Zwar sind die Regeln streng, aber mit einem 2G-Konzept, das auch kontrolliert werden soll, wird das machbar sein, so meine logische Überlegung und ich gebe Jens meine Zusage. Außerdem liegt mein letzter Besuch in Leipzig schon ein Weilchen zurück. Ich weiß zwar nicht, wie Jens und der/die Dritte im Bund in Form sind, aber er meint, unser Ziel soll 4.30 Stunden sein und wir mögen viel Spaß haben. Keine schlechten Aussichten! Ich freue mich wie ein Honigkuchenpferd auf den Clara-Zetkin-Park.

Das Drumherum beim Wintermarathon ist einfach gestrickt: Der Teamcaptain sucht sich zwei weitere Leute, denen die Marathondistanz nicht fremd ist. Die Klasse, nur Frauen oder Männer oder vielleicht ein Mixed Team. Oder man geht auf die 150 Jahre Lebensalter aller drei Läufer, da gibt es nämliche eine eigene Wertung der Oldies. Schwierig war im Vorfeld der Umgang der Sch...Infektion, denn nicht nur unser Team musste bis ein, zwei Tage vorher improvisieren, sollte die Staffel nicht wegen einer Krankmeldung scheitern. Der Veranstalter, die lg eXa Leipzig, stellt dafür ein paar Läufer als Reserve bereit. Und wenn eine Staffel doch nicht vollständig an den Start gehen kann oder einer während des Rennens ausfällt, können die Verbleibenden ihr Rennen trotzdem beenden und, wie die anderen, auch Medaille und Urkunde erhalten. Die Teams im Finish werden zudem mit einer Torte prämiert.

 

 

Wie Leipzig zu erreichen ist, brauche ich euch nicht zu erzählen. Die sächsische Metropole liegt in der Mitte Deutschland und ist daher aus allen Richtungen gut zu erreichen. Wir fahren mit der Bahn übers Land, brauchen zwar ein wenig länger, aber damit sehen wir mehr von der Gegend. Mit einem Besuch in einer Trattoria und einem Spaziergang durch die Innenstadt lassen wir den Tag ausklingen.

Eigentlich ist der Wintermarathon im Januar terminiert, doch Corona hat für eine Verlegung an das Februarende gesorgt. Der Wetterfrosch ist gnädig gestimmt, es soll auch ein wenig Sonne geben, in der Frühe zwar etwas frisch, aber tagsüber soll die Temperatur bis sieben, acht Grad ansteigen. Gute Voraussetzungen.

Ein wenig „Hirnausschalten“ braucht man für den Marathon: Denn früher betrug eine Runde fünf Kilometer plus eine Schleife, ab 2019 verkürzte man die Runde auf 4,2 Kilometer, das bedeutet, du musst zehn Mal an Start und Ziel vorbei und kannst dafür auch bei der Verpflegung öfter zugreifen. Ab 2019 wurde auch ein Halbmarathon ins Programm aufgenommen, damit kann man noch mehr Interessierte anlocken.

 

 

Die Teilnehmerzahl hat durch Corona stark gelitten, aber auch anderswo mussten die Veranstalter kleinere Brötchen backen. 2020 war das Rennen mit 100 Staffeln ausverkauft, heuer gehen gut 60 an den Start. Meiner Meinung nach wird es auch mit dem Ende der Pandemie nicht zu einem großen Ansturm kommen. Da wird einige Zeit ins Land gehen. Die veranstaltenden Vereine können so einen Rückgang eher verschmerzen, als die professionellen Veranstalter, die hohe Kosten haben.

Gegen 10.15 Uhr treffe ich am Gesundheitszentrum des BSV AOK ein. Der Start findet 45 Minuten später statt, entsprechend groß ist das Gewusel am Startgelände und an der Verpflegungsstelle. In das Gebäude kommt man nur mit einem Corona-Nachweis. Und der wird streng kontrolliert, die Aufpasser wollen einen Blick auf meinen CovPass werfen und den Ausweis sehen. Im Gegenzug erhalte ich ein gelbes Bändchen um das Handgelenk.

Jens stellt mir Tanja vor, dann sind wir als Trio komplett. Das Gepäck wird durch ein Fenster nach innen gegeben, wer vor dem Rennen noch Kaffee oder Kuchen braucht, wird ebenfalls durch eine Fensteröffnung bedient. Die Sauna ist zwar gesperrt, aber die Duschen können benützt werden. Dann ruft der Sprecher zur Startlinie. Es gibt die letzten Hinweise und dann lässt man uns mit einem Schuss kurz nach 11.00 Uhr auf die Strecke.

 

 

Nach ein paar Metern biegen wir rechts auf die Anton-Bruckner-Allee ein, auf dem breiten Fuß- und Radweg steht dann Ute, Bodo’s Frau mit ihrem markanten Cowboy-Hut, und feuert uns an. Wenige Pfützen können gefahrlos umlaufen werden. Bei meinen bisherigen Teilnahmen war meist der Weg gefroren und glatt oder bei Regenwetter dreckig. Ihr seht, als Weichei braucht man hier nicht aufkreuzen. Nach einem kurzen Wegstück geht unser Kurs über die Sachsenbrücke, die ihren Namen in Erinnerung an den Seitenwechsel der sächsischen Truppen von Napoleon hin zu den Verbündeten während der Völkerschlacht 1813 bekam. Wir überqueren das Elsterflutbett und joggen nun um einen kleinen Teich, den wir aber am Brahmsplatz gleich wieder nach rechts verlassen. Es geht wieder in den Park hinein, am Schachzentrum und am Glashaus vorbei. Der erste Kilometer ist an der Parkbühne vorbei. Kilometerschilder gibt es keine, aber mein Handy gibt mir Bescheid. Knapp sechs Minuten sind wir unterwegs, das ist zwar etwas zu schnell, aber wir werden unser Tempo schon noch finden.

Früher ging die Strecke auf dem asphaltierten Rennbahnweg hin zur Rennbahn Scheibenholz. Schön abwechslungsreich ist die in Nuancen geänderte Strecke. Später erfahre ich, dass für das Absperren des Rennbahnweg man einen dreistellige Euro-Betrag in die Hand hätte nehmen müssen. So bleibt man dann halt auf den Parkwegen, eine praktische Lösung zur Kostenminimierung. Am Steg macht sich ein alter Bekannter so langsam an die Arbeit. „Soundcheck“, meint Jens, denn Wolfgang Wittig, der 74jährige IT-Prof, stimmt langsam seine Instrumente ein. Er wird uns in den nächsten Stunden mit seiner One-Man-Show unterhalten und weitertreiben.

Am Ende des Rennbahnstegs biegen wir links ab auf den Damm. Diesen verlassen wir nach rund 500 Meter nach rechts in den Wald. Hier ist die Strecke ein wenig ruppig und auch dreckig, bevor wir wieder auf guten Untergrund am Nonnenweg gelangen. Den dritten Kilometer haben wir vor dem Sportgelände des SV Schleußig geschafft. Ein längeres Stück führt uns dann wieder zum bekannten Steg, wo jetzt links in Richtung des BSV AOK laufen. Kurz vor der Sachsenbrücke verlassen wir den Uferweg des Elsterflutbetts und haben dann nach gut 25 Minuten die erste Runde abgehakt.

 

 

Abgesprochen war, dass wir uns nach jeder Runde etwas Zeit zum Verpflegen nehmen. Ich sehe Elektrolyt, Wasser, warmen Tee und Cola, dazu Obst, Salzgebäck und Schokolade und andere Sachen. Das reicht völlig. Aus der Laune heraus bestellen wir uns ein Bier nach der sechsten Runde. Weiter.

Über die Geschichte des Teammarathons wurde schon so viel erzählt, nur so viel für Neulinge und Unwissende: 31 Mal gab es dieses Event im Berliner Plänterwald und dann wanderte das Konzept zu den Leipzigern. Hier feiert man heute die zwölfte Ausgabe.

Zweite Runde: Zwei ältere Herren kommen uns entgegen, Jens kennt sie natürlich, ich muss nachfragen, Frank und Steffen Gottert, zwei Laufurgesteine mit Wurzeln in Leipzig, Gera und Jena. Beide mit Bestzeiten von deutlich unter 2.30 Stunden und seit Anbeginn des Leipzig Marathons immer am Start. Und jetzt machen sie ihr tägliches Pflichtprogramm, „denn einmal Läufer, immer Läufer“. Und heute wird ihre Einheit in den Zetkin-Park gelegt, „um zu sehen, was sich im Läuferlager tut“. Nach ein paar launigen Worten schicken uns die beiden weiter. Wir haben noch nicht die zweite Runde im Sack, da werden wir vom führenden Halbmarathonteam überrollt, das Team Ü100 mit Sebastian, Willi und Theo lassen uns fortbewegen wie eine Schnecke. Nach 51 Minuten stehen wir zum zweiten Mal an der Tränke.

So, alle Runden will ich jetzt euch nicht vorbeten, nur so viel, es herrscht gute Stimmung auf der Strecke und im Zielbereich. Unsere Rundenzeiten pendeln sich auf 26, 27 Minuten ein, das ist sogar ein wenig schneller als die avisierten 4.30 Stunden. Nach der vierten Runde reißt es mich gewaltig im Zielbereich, als auf dem Tische ein Bierchen steht. Das lässt sich ein Bayer nicht zweimal sagen. „Brauchst du schon ein Bier“, fragt Jens, worauf dem Autor nur ein „unterhopft“ auskommt.

Zweite Hälfte, wir sind just in time, als ich in der Ferne auf dem Nonnenweg eine Polizeistreife sehe. Ich denke, die müssen hier bei dem Rennen vorbeischauen oder verfolgen sie einen Radfahrer, der nämlich vor ihrem Wagen herumgurkt. Oder schauen die auf unsere Abstände? Mitnichten, denn Jens kennt einen, lässt sich auf ein Palaver ein, während ich mit Tanja weiterlaufe.

So langsam merke ich die Kilometer in den Füßen, Runde acht ist geschafft, die 30er-Marke liegt weit hinter uns. Tanja muss kämpfen, berichtet mir von ihrer schweren Arbeit als Schließer. Jetzt müssen wir uns gegenseitig helfen. Nach dem Motto „geteiltes Leid ist halbes Leid“ sehen wir nur von Runde zu Runde. Und wenn es nicht mehr gehen sollte, hören wir halt auf. Der Angler unter der Brücke hat auch kein Glück, denn außer Regenwurmbaden kann er nichts dem fragenden Reporter berichten. Dafür hat sich Wolfgang am Steg warmgespielt.

 

 

Vorletzte Runde, die bekannte Frau mit dem weißen Wintermantel von den früheren Veranstaltungen ist auch an der Strecke. Damals hat sie uns während des gesamten Rennens angefeuert. Ich lasse später Tanja an der Tränke den Vortritt, sie nimmt einen Becher und geht weiter. Ich schließe dann auf, wir gehen in die letzte Runde.

Mittlerweile kommt die Sonne häufiger zum Vorschein, es wird auch gleich ein wenig wärmer. So gut gestimmt verabschieden wir uns von den Helfern, die an den Ecken stehen und uns den Weg zeigen, vom Musikanten Wolfgang, der sich über mein Lob freut.

Noch das kurze Stück am Damm des Elsterflutbetts und dann haben wir die zehnte Runde geschafft. 4.48.17 Stunden zeigt der Monitor, Gesamtrang 20, bei den Ü150 sind wir Sechster. Gut gemacht Tanja, du hast dich wie eine Gusseiserne durchgebissen, prima. Zieleinlaufbild, ein kurzer Austausch mit den Gleichgesinnten, und dann geht es unter die heiße Dusche. Die Sauna musste leider zugesperrt bleiben. Wir bekommen noch Kuchen, Bier und Kaffee, die Würste vom Grill sind schon aufgegessen. Daran muss man noch arbeiten.

 

Fazit:

Wer eine lange Einheit für seinen Frühjahrsmarathon braucht, ist hier richtig. „So und net anders“, mein knappes, sehr positives Urteil. Viel Geld ist an der Kuchentheke gesammelt worden, das wird für die Menschen im Kriegsgebiet der Ukraine gespendet. Wer hat gedacht, dass wir so etwas mitten in Europa noch einmal erleben müssen? Ich bin tief betroffen. Als kleines Zeichen unserer Solidarität erscheint unser Logo aktuell in den Landesfarben der Urkraine.

 

63 Teams in der Wertung (von 100), davon 21 beim Marathon. Neuer Termin: 21.01.2023.

 

Sieger

Frauen:

1. Dresdner Sonnensterne (Cathleen Frank, Sandra Bunk, Ute Baldauf) 4.11.44
2. Schneeflöckchen (Irmgard Eggert, Cornelia Klockau, Nadine Pohl) 4.31.25
3. Hoch Schrecke Girls (Diana Jung, Jessica Pikarskie, Claudia Pflüger) 4.43.05

 

Mixed Teams

1. ATR Jena II (Swen Thorhauer, Jana Seel, Dominik Voigt) 3.18.51
2. ACC to go (Christine Fischer-Bedtke, Michael Schwoch, Constanze Quenzel) 3.54.08
3. DdD-Die dynamischen Drei (Marco Locke, Dirk Lupke, Nicole Wigand) 3.56.31

 

Männer:

1. Die Schneeschwalben (Benjamin Lindner, Gernot Poerner, Cornelius Rossbach) 2.59.42
2. Team Oberelbemarathon (Mathias Klemm, Frank Taffelt, Thomas Drechsler) 3.17.15
3. Crazy Runners Team Frankenwald (Martin Seiser, Thomas Kampraht, Christian Geyer) 3.33.25

 

Informationen: Winter! Marathon
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