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Laufberichte

Von Salzsiedern und Steinzeitjägern

 

Wo heute rund 10.000 Menschen ihrem Hobby, dem Laufen frönen, haben vor 12.000 Jahren Steinzeitjäger Feuerspitzen für Jagdspeere hergestellt. Bei ihnen ging es nicht darum, ihren Körper aus gesundheitlichen Gründen zu bewegen, sondern es war der Überlebenskampf etwas zu erjagen, um die Familie zu ernähren.

Heute hat es mich ganz kurzfristig ins Land der Salzsieder und Hexenrichter nach Salzkotten verschlagen. Wie schon der Name sagt, in Salzkotten (Salzsieden in Kotten) wurde hier aus der geförderten Sole in Siedebecken durch Verdampfung Salz gewonnen. Kotten sind meist abseits der dörflichen Gemeinschaft gelegene Wohnhäuser oder Werkstätten. Die Stadt nennt sich auch Stadt am Hellweg. Ein Hellweg war im Mittelalter bzw. in vorrömisch-germanischer Zeit eine wichtige Heeres- sowie auch Handelsstraße. Eine Lanzenbreite, die damals ca. 3m lang war, immer freigehalten werden.

Vor drei Wochen bin ich nur 25km südlich von hier in Rüthen gelaufen, wo es im 16. und 17. Jh. noch zu Hexenprozessen und Verbrennungen kam. Auch in Salzkotten gab es das und ein gewisser Heinrich von Schultheiß war ein sehr berüchtigter Hexenrichter.

Heute werden in Salzkotten keine Hexen verfolgt, sondern Läufer verfolgen Läufer in einem friedlichen Wettstreit. Es gibt in diesem Jahr eine neue Laufstrecke. Der Rundkurs zwischen Salzkotten und Verne ist 10,55 km lang und muss von den Halbmarathonis 2mal und von den Marathonis 4mal durchlaufen werden. Das Sälzer-Zehntel startet in Verne. Das Startgeld für den Marathon liegt zwischen 23 und 28€ bei Voranmeldung und plus 4€ für Nachmelder. Die Startunterlagenausgabe und Nachmeldebüro befindet sich in der Sälzerhalle, ganz in der Nähe von Start und Ziel.

Mein Marathonstart erfolgt um 9 Uhr zusammen mit Halbmarathon-, Staffelmarathon und 10km-Teilnehmer. Der Zielschluss für den Marathon ist um 15:00 Uhr, das sind moderate 6 Stunden Laufzeit.

Freundliche Helfer weisen mich zum Parkplatz an der Sälzerhalle ein. Dort erhalte ich auch schnell und unkompliziert meine Startunterlagen, eine prall gefüllte Tüte mit viel Papier und einigen Give-aways, sowie natürlich die Startnummer. An der Startnummer ist ein Einmal-Transponder für die Zeitmessung angebracht, der nach der Veranstaltung seine Funktion verliert und somit auch nicht mehr abgegeben werden muss.

Im letzten Jahr mussten die Teilnehmer  einen wahren Regenlauf überstehen. Wer in den letzten 4 Wochen gelaufen ist, dem ist es auch nicht anders ergangen. Heute ist uns der Wettergott gnädiger, es ist am Morgen zwar noch sehr kühl, aber trocken.

Unser Startplatz ist neben dem Bürgerturm. Von der Sälzerhalle sind das nur 3 Minuten zu Fuß. Da wir im Laufe der Strecke nicht mehr direkt am Gradierwerk vorbeikommen, nutzen viele den Weg an der 50m langen Saline entlang. Kurz danach überqueren wir erst einen kleinen Bach und dann die Heder. Hier steht auch das rekonstruierte Wasserrad von 1987. Dieses Wasserrad hatte früher die Aufgabe, die Solepumpen anzutreiben. Das ältere größere Rad wurde vor ca. 90 Jahren abgerissen.

Auf dem Startplatz treffen so nach und nach rund 650 Läufer ein. Es sind nur noch wenige Minuten bis zum Start und in den vorderen Reihen wird es etwas eng, weil viele, vor allem 10km Läufer,  aus der ersten Reihe starten wollen. Die Marathonis, die man an den unterschiedlichen Farben der Startnummer erkennt, reihen sich mehr nach hinten ein. Dann erfolgt der Startschuss und die Meute hetzt los durch die schmale Marktstraße. Schon nach 200m geht es über den großen und breiten Marktplatz vorbei am späteren Zieleinlauf.

Vom Marktplatz laufen wir in die Klingelstraße, wo sich neben uns die dreischiffige frühgotische Hallenkirche St. Johannes Baptist erhebt. Wir werden hier noch dreimal vorbei kommen. Zwischen den vielen Geschäften erblickt man auch wunderschön verzierte Ackerbürgerhäuser, meist zweigeschossigen Fachwerk-Giebelhäuser mit dekorativen Schnitzereien über den Eingangstüren.

Am Ende der Straße laufen wir direkt auf das Westerntor zu, in deren Durchgang die Kanoniere der St. Johannes Schützenbruderschaft Salzkotten eine Kanone aufgestellt haben. Neben dem Westerntor gehörten zur alten Stadtbefestigung auch noch das Vielser Tor und das Osterntor.  Gleich hinter dem Westerntor liegt die ehemalige alte Salzkottener Ölmühle die früher auch als Oel-, Grütze- und Sägemühle genutzt wurde. Hier ist ein ganzes Ensemble von historischen Gebäuden wie ein Backhaus mit Stellmacherei und Schmiede.

Nun folgen wir ein Stück der B1, eine uralte Handelsroute, die von der belgischen Küste bei Brügge bis in die russische Stadt Novgorod führte. Hier treffe ich Manfred Stronczyk, der  kürzlich in Kassel seinen 100. Marathon gelaufen ist. Kerstin Gebert-Sommer läuft ihren 2. Marathon. Ihr Mann begnügt sich heute mit 10km,  denn erst letzte Woche lief er  den Knastmarathon.

Wir unterqueren die Eisenbahnlinie und laufen am Ortsende neben dem Industriegebiet Breite Werl entlang. Die Bundesstraße ist heute extra für uns Läufer gesperrt und überall von Polizisten abgesichert. Zur Linken haben wir Natur pur. Am Ende der Straße biegen wir ab auf die Stadtteiche, die ich aber nirgends entdecken kann. Wir überqueren die Heder, die ein 11,8km langer Nebenfluss der Lippe ist.

Jetzt kommt ein kleiner Anstieg zur Siedlung von Klein-Verne. Nach dem Versorgungsstand vor einem restaurierten Bauernhaus ist eine große Zuschauergruppe. Wir kommen hier ja viermal vorbei und ich sage es gleich, es ist mein absoluter Favorit auf der gesamten Laufstrecke. Klein Verne bestand früher aus einigen großen Bauernhöfen, ist heute aber eine Siedlung, in der ganz offensichtlich großer Zusammenhalt gepflegt wird. 

Eine wunderschöne Allee führt  nach Verne, bremsen tut uns kräftiger Gegenwind. Unterhaltsam sind die Schilder mit motivierenden Sprüche. Dann erreichen wir Verne. Das 2.400 Seelendorf ist einer der ältesten Wallfahrtsorte von Westfalen. Statt zur Wallfahrtskirche kommen wir zur Burgruine Vernaburg, auch Krewetburg genannt. Sie war in Besitz des alten niedersächsischen Adelsgeschlechts der von der Asseburg. Unter einem Baum sitzen Anwohner beim Frühschoppen.

Im Ort ist das 5-km Schild und eine Zwischenzeitnahme. Kurz danach ist ein Teil der Dorfgemeinschaft damit beschäftigt, einen Bierausschank und Grill in Gang zu bringen. Hier gibt es auf den folgenden Runden noch richtig Stimmung. Bei der katholischen Pfarrkirche St. Bartholomäus werden wir ebenfalls lautstark und mit  einem „Wir grüßen alle Läufer“-Banner empfangen.  Auch hier entwickelt sich im Laufe der nächsten Runden ein Fest.

Dann laufen wir direkt auf das denkmalgeschützte Kirchenschiff zu. Im 12. Jh. entstand hier eine kleine Gewölbebasilika die dann mehrfach erweitert wurde. Wir umlaufen das gewaltige Gebäude und haben leider keine Zeit uns die besondere Innenausstattung dieser Wallfahrtskirche anzusehen. Viele der Reliquien und Altarraumausstattungen sind aus dem 13. sowie aus dem 17. und 18. Jh.

Weiter geht’s. wir überqueren die Landesstraße und ein Wegweiser führt uns in Richtung der "Brünneken Kapelle". Wir laufen direkt auf die Förderschule Don-Bosco zu und biegen dann ab zum Sportplatz. Beim Maibaum wird gefeiert und der Sprecher kündigt die Läufer mit Namen an.

An der nächsten Kreuzung geht es rechts zur Brünneken Kapelle, wir laufen aber entgegengesetzt und kommen wieder auf die Landesstraße, die uns in Richtung Salzkotten zurückführt. Wieder begleiten uns die schlauen Sprüche bis zur Abbiegung nach Klein-Verne und zurück nach Salzkotten. Am Ortsrand hinter den Bäumen ist im alten Bahnhofsgebäude das Polizeimuseum mit Exponaten zur Verbrechensbekämpfung über mehrere Jahrhunderte.

Unter der Eisenbahnbrücke mit Versorgungsstand geht es durch, dann noch zwei Kreisel und schon erreichen wir die Sälzerhalle. Als besonderes High-Light ist der Lauf durch das Foyer der über den roten Teppich gedacht. Jetzt am Ende der 1. Runde sind hier auch viele Zuschauer. 

Hinter den Bäumen ist das Gradierwerk zu sehen, wo das Heilwasser „Neuer Sprudel“, ein Natrium-Clorid-Wasser, gefördert wird. Das erste Gradierwerk aus dem 19. Jh. war noch fast 600 Meter lang und wurde mit Aufkommen des Steinsalzes stillgelegt. Das heutige Gradierwerk wurde vor 16 Jahren neu errichtet.

Nun geht es ein Stück durch eine Wohnsiedlung, wo sich auch die 10km-Zeitnahme befindet. Wir laufen am Flomengraben entlang und überqueren die Heder. Jetzt sind wir am Startplatz neben dem Bürgerturm und beginnen die die 2. Runde. Am Marktplatz ist für die 10km Läufer das Ziel, die Staffeln wechseln ihr Personal.

Nach Km 14 kommen wir wieder zum Stimmungsnest in Klein-Verne. Für die nächste Runde bestelle ich mir alkoholfreies Weizenbier und Kuchen.  „Vorsicht angetrunkener Schütze auf allen Vieren“ soll das Warnschild bedeuten. Die Verner sind auch hier am Feiern.

Auf der dritten Runde, hinter km 24,  bin ich wieder in Klein-Verne und höre schon von weitem: „Er kommt“. Tatsächlich, es gibt köstlichen Kuchen und das Weizen ist ganz frisch eingeschenkt. Dazu setze ich mich und komme ins Erzählen. Aber nach 5 Minuten geht es weiter, ich komme ja wieder.

Ein Spielmannszug spielt und entlang der Strecke nach Salzkotten sind viele kleine Feste. Kurz vor der Sälzerhalle sind  30 km geschafft. Jetzt ist die Halle aber leer.

Weiter in die 4. und letzte Runde. Hinter dem Westerntor auf der Handwerksinsel sind jetzt viele Menschen, denn an der Ölmühle wird das Oelschlagen vorgeführt. Die Sonne scheint und viele Menschen zieht es nach draußen. Nur außerorts sind die Straßen leer. In Klein-Verne erwarten mich meine Fans wieder mit Bier und Kuchen. Danke, danke liebe Klein-Verner, es war mir ein besonderes Vergnügen Ihr seid der absolute Höhepunkt auf der Laufstrecke. 

Die Sprüche kann ich jetzt zwar schon auswendig, ihren Zweck erfüllen sie dennoch. Unter anderem verschaffen sie mir beim Fotografieren eine kleine Verschnaufpause. Noch 4 km, noch einmal die Landesstraße und dann ab ins Ziel auf den Marktplatz.

Hier werde ich ganz herzlich empfangen. Standesgemäß hängt mir Conny, selbst  aktive Marathonläuferin bem VFB Salzkotten,  die Medaille um.

Fazit: Eine sehr gute Veranstaltung mit einem neuen Teilnehmerrekord von 1.272 gemeldeten Läufern. Der erstmals gelaufene 4-Rundenkurs ist kurzweilig und hat nur zwei, drei kleine Wellen, aber auch einige Sehenswürdigkeiten, etliche Zuschauer und Feste.

Der 7. und nächste Salzkottener Marathon findet am 1. Juni 2014 statt.


Marathonsieger
Männer

1. Nahen, Mathias  TV Jahn Bad Driburg GER  2:41:38
2. Svoboda, Tomáš Team Salzkotten - Bystrice CZE 2:48:59
3. Ewen, Frank  Delbrück Läuft GER   2:52:42

Frauen
1. Siepler, Simone  LF Lüchtingen GER    3:30:37
2. Lappe, Mechthild  LT Elsen-Wewer GER   3:43:26
3. Bach, Petra   TSVE 1890 Bielefeld GER  3:50:55

92 Finisher

 

Informationen: Klingental Salzkotten Marathon
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