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Laufberichte

I´m legend

 

 

Das Karwendelhaus liegt auf 1771 Metern am Hochalmsattel und bietet einen tollen Blick ins Karwendeltal. Bei Wanderern und Mountainbikers ist es ein beliebtes Ausflugsziel, da es über Schotterwege von Scharnitz oder Hinterriß aus gut zu erreichen ist. Ich halte mich an die Verpflegung, die für uns vorgesehen ist. Kartoffelsuppe wird hier lautstark angepriesen. Nach Omas Rezept, wurde mir versprochen. Das Rezept wird nicht verraten. Schade, ich greife gleich mehrfach zu. Nach 18,2 Kilometern ist schon ein drittes Frühstück drin.

Frisch gestärkt mache ich mich wieder auf den Weg. Erstmals geht`s jetzt richtig runter. Auf einem Schotterweg, der noch relativ gut zu laufen ist, verlieren wir auf den nächsten rund sechs Kilometern etwa 500 Höhenmeter. Die Kulisse beeindruckt mich noch immer. Sage und schreibe 125 Gipfel, die über 2000 Meter hoch sind umgeben uns. Die Birkkarspitze ist mit 2749 Metern der höchste Gipfel des Karwendelgebirges.

Wir belaufen nun den Adlerweg. Er führt über 24 Etappen und 20.000 Höhenmeter von St. Johann über die Kitzbüheler Alpen, dem Wilden Kaiser und das Karwendel bis ins Lechtal. Wir wollen heute nur einen Teil dieses Weitwanderweges laufen. Erst mal bis zum Kleinen Ahornboden, unsere nächste Verpflegungsstation bei Kilometer 24,2. Wir sind nun auf 1.399 Höhenmeter und ich gönne mir ein paar Becher „Holla“, wie der Tiroler sagt. Holundersaft ist nicht zu süß und schmeckt einfach gut. Auch die Temperatur ist inzwischen deutlich angestiegen, so dass flüssige Nahrung nun unverzichtbar ist.

 

 

Auf den nächsten fünf Kilometern geht es wieder nach oben. Erst mal durchqueren wir ein ausgetrocknetes Flussbett, was momentan ideal zu den hohen Temperaturen passt. Weiter geht es stetig, aber doch noch sanft nach oben. Schließlich erreichen wir die Ladizalmen. Danach geht es wirklich steil hinauf zum Wegekreuz auf den Kegelboden. In der prallen Sonne ist dies nun schon ganz schön mühsam und ich nutzte die ein oder andere Fotopause, um ordentlich durchzuschnaufen. Am Ende kraxeln wir noch über ein paar schroffe Felsen nach oben und schon liegt die Falkenhütte vor uns. Die Hütte wurde von 1921 bis 1923 durch Adolf Sotier erbaut. Der mit Schindeln bedeckte Holzbaubau steht seit diesem Jahr unter Denkmalschutz. Ich bin aber jetzt erstmal platt und gönne mir nicht nur die nächsten Becher Holla, sondern auch gleich noch eine kurze Pause. Ich bin hier auf 1.848 Metern und genieße im Schatten für ein paar Minuten den Ausblick, bevor es weiter geht.

 

 

Nur noch fünf Kilometer sind es nun runter zur Eng. Dort ist der Cut-Off-Punkt, den man nach 8:30 Stunden erreichen muss. Ich habe alle Zeit der Welt, muss dennoch feststellen, dass mich inzwischen mehr Marschierer als Läufer umgeben. Mir ist`s im Moment erst mal egal. Einige haben sich auch nur die 35 Kilometer bis zur Eng vorgenommen. Das Bild und auch die Beschaffenheit der Stecke ändern sich nun deutlich. Keine satten grünen Wiesen und Almen mehr, es geht durch Geröll und neben uns türmt sich eine graue Wand auf, die Schatten spendet. Hier heißt es Vorsicht walten lassen. Es ist ein ständiges leichtes Bergauf und Bergab. Die bizarre Landschaft gefällt mir, dennoch bin ich froh, als es wieder grüner wird und von weitem die Eng Alm sehen, das Ziel der 35-Kilometer-Strecke.

 

 

Die Eng Alm wurde zwar erst 1523 in schriftlichen Aufzeichnung erwähnt und wird seitdem auch durchgehend bewirtschaftet, jedoch lassen diverse Funde, wie zum Beispiel ein Bronzeschwert, darauf schließen, das schon sehr viel früher Menschen durch das Tal streiften. Am heutigen Tag prägen die weißen Kunststoffdächer der Verpflegungsstation und der Zielbogen das Bild der Eng. Es geht über ein paar Pfade nach unten und schon ist die Alm erreicht. Viele Läufer und Wanderer tragen bereitss stolz ihre Finisher-Medaille.  Bevor ich auf dumme Ideen komme, greife ich einen weiteren Becher Holla und weiter geht`s. Noch liegen 17 Kilometer vor mir und wie ich bald erfahre, sind die nicht einfach.

Die Verpflegungsstellen kommen nun in immer kürzeren Abständen. Das nächste Ziel ist die Binsalm. Sie liegt auf 1.502 Metern, was für uns heißt, dass es auf den nächsten drei Kilometern wieder 300 Meter raufgeht. Der Weg ist breit und wenig anspruchsvoll, dennoch komme ich dank der Temperaturen ordentlich ins Schnaufen. Die Binsalm ist ein beliebtes Ausflugsziel für Wanderer und bietet einen herrlichen Ausblick. Neben der Verpflegungsstation ist auch eine Dusche für uns aufgebaut, die reichlich genutzt wird. Erfrischt mache ich mich weiter auf den Weg und kann mich mit den leichten Anstiegen gut anfreunden, bis ein Teilnehmer vor mir stehen bleibt und erschrocken nach links schaut: „Die spinnen doch!“ Ich weiss zunächst nicht,  was er meint. Als ich zwischen den Bäumen hindurch den nächsten Anstieg sehen kann, stimmte ich ihm aber zu. Der letzte Anstieg bei Kilometer 40 liegt vor uns und ist aus dieser Perspektive in seiner vollen Pracht und Grausamkeit zu erkennen: Der Gramaisattel auf 1904 m.

 


 
In schier endlosen Schleifen geht es nach oben. Wie Perlen an der Schnur kann ich die Läufer erkennen. Hier ist Stockeinsatz angesagt, die Kamera stecke ich erst mal weg. Der schmale Trail durch Latschenkiefern, über Felsen und Wurzeln ist eine echte Herausforderung, Schatten Fehlanzeige. Der Anstieg wird zur Tortur für mich. Mit kurzen Pausen erreiche ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich den Grameisattel. Völlig platt geselle ich mich oben erst einmal zu den anderen Läufern, die sich nach der Strapaze ebenfalls eine Pause gönnen. Ein paar Mal tief durchatmen und schon kann ich den Ausblick genießen. Ich habe den letzten Anstieg bezwungen. Alles, was jetzt noch kommt, kann nur noch halb so schlimm sein.

Nächstes Zwischenziel ist der Gramai Hochleger 200 Meter weiter unten. Teilweise geht es nun wieder ganz schön steil hinab, Trittsicherheit ist  gefragt. Im Vergleich zum Aufstieg ist der Abstieg geradezu ein Kinderspiel. Eine kalte Dusche, ein paar Becher Holla, und weiter geht’s zur Gramaialm.  Die wiederum liegt auf 1.263 Metern und wird unsere vorletzte Verpflegungsstation sein.

 

 

Die letzten 9 Kilometer laufen wir ganz unspektakulär ins Ziel. Auf der Falzturn Alm nehme ich mir noch einmal einen letzten Becher Holla und laufe weiter auf breiten ebenen Wander- und Fahrradwegen in Richtung Pertisau. Die Kilometer ziehen sich etwas. Richtig laufen kann und will ich nicht mehr. Ich schleppe mich einfach Kilometer um Kilometer in Richtung Pertisau. Als der Ort vor mir liegt, kann ich mein Glück kaum fassen. Einen Kilometer noch vorbei an Finishern und Touristen, die wohlwollend Applaus spenden. Schließlich laufe ich durch den Zielbogen und höre meinen Namen. Es ist geschafft.

 

 

Bernie und Charly nehmen mich gleich in Empfang, doch ich muss mich erst mal eine Runde ins Gras legen. Ich nehme die Glückwünsche zu meinem 50. Finish entgegen und gönne mir darauf ein Erdinger-Alkoholfrei. Nach einer erfrischenden Dusche lassen wir uns mit einem Taxi zurück nach Scharnitz fahren. Ich bin erstaunt, wie lange die Fahrt dauert und schaue immer wieder auf das Karwendelgebirge. Da bin ich durchgelaufen? Ich kann es kaum glauben.
Karwendelmarsch: Die Legende lebt! Und ich gab sie überlebt!

 

 

Bernies Bilder vom

Karwendelmarsch 2016

 

 

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Informationen: Karwendelmarsch
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