marathon4you.de

 

Laufberichte

Lauf- und Trailgenuss im Karwendel

 

Die 11 hat für Kölner eine besondere Bedeutung. Sie ist eine närrische Zahl. Da Ultraläufern ja nachgesagt wird, sie seien ein wenig verrückt - jeck op Kölsch -, passt der 11. Karwendelmarsch bestens in meinen diesjährigen Laufkalender. Zumal er in einer sehr schönen Bergwelt stattfindet und perfekt organisiert wird. Der Karwendel steht schon lange auf meinem Wunschzettel, findet er doch in einer meiner traditionellen Urlaubsregionen statt. So verbinde ich den Lauf mit einem längerem Urlaub in der schönen Karwendelregion.

Unser Stammquartier ist in Krün. Ja das ist der Ort, wo der ehemalige US-Präsident Barack Obama mit Bundeskanzlerin Angela Merkel beim G7-Gipfel 2015 eine Mass Bier getrunken und eine Brezel gegessen hat. Übrigens, 50 m entfernt von den Steirer Stubn. Auf die komme ich am Ende noch zurück.

Eine ganze Woche  bereite ich mich vor Ort mental auf den Lauf vor und passe mich an das Klima und die einheimischen Essgewohnheiten an. Ich trinke Radler und dunkles Bier, esse Unmengen von Eis – Tipp: Rot-weißer Eiskiosk von Haller 20 m neben dem Martina Glagow Park in Mittenwald, das Beste Eis, ideal zur Anpassung an das raue Gebirgsklima -  und esse Leberkäse- und Krustenbratensemmeln vom Metzger Rieder am Obermarkt in Mittenwald.

Dazu mache ich tägliche eine Tour in die wunderschöne und abwechslungsreiche Bergwelt. Diese hat für jeden was zu bieten. Lange, anspruchsvolle Touren z. B. von Mittenwald über Dammkarhütte zur westlichen Karwendelspitze, leichte Wanderungen wie von Krün über die Buckelwiesen nach Mittenwald, und, und, und. Es gibt reichlich Auswahl. Übrigens machen wir alles ohne Auto. Das bleibt stehen und dank Gästekarte/Karwendelkarte fahren wir bequem und kostenlos mit dem Wanderbus und den roten Oberbayernbussen.

Von meinem Urlaubsdomizil in Krün habe ich es am Freitag nicht weit nach Scharnitz. Es geht einmal von kurz vor der Grenze direkt hinter die Deutsch-Österreichische Grenze. Freitags gibt es in Scharnitz schon die Startnummern beim Parkplatz Länd P2 an der Hinterautalstraße von 11.00 bis 19.00 Uhr, am Samstag von 04.00 bis 05.30 Uhr. Nachmeldungen wären möglich, sofern das Teilnehmerlimit von 2.500 noch nicht überschritten ist. Ist es aber, der Lauf ist ausgebucht. Früh am Vormittag ist noch nicht viel los und ich habe rasch meine Startnummer. In diese ist ein Chip zur Zeitmessung integriert.

 

 

Ich mache mich noch mit den Örtlichkeiten vertraut, denn am Samstag fällt hier in Scharnitz um 6 Uhr in der Früh der Startschuss zum Karwendellauf über 52 Km. Wer es etwas kürzer mag, kann sich mit 35 Km begnügen und bei der Engalm das Rennen beenden, allerdings ohne offizielle Wertung. Neben dem Lauf werden beide Strecken auch als Marsch angeboten.

Am Samstag fahre ich trotz der Nähe zum Start schon frühzeitig los. Unmittelbar vor Scharnitz werden wir schon an der Umgehungsstraße auf Parkplatz P1 verwiesen. Wir müssen aber nicht zu Fuß durch den Ort zum Start gehen. Es fährt ein kleiner Shuttlebus.

Am Startgelände gebe ich meinen Kleiderbeutel fürs Ziel in Pertisau ab. Von dort will ich am Nachmittag auf das Angebot des Veranstalters zum Rücktransport mittels Busshuttle zurückgreifen und wieder nach Scharnitz kommen. Ein prima Angebot und gut investierte 15 € an Transportkosten.

 

 

Es ist nicht besonders frisch. Meine Ärmlinge werde ich wohl bald ausziehen und im Trinkrucksack verstauen können. Uns erwartet ein schöner Tag mit Sonnenschein und 28 Grad. Regen und Gewitter werden erst für den Nachmittag prognostiziert. Schaun wir mal wie es wird. Ich habe meinen Trinkrucksack wieder mit 2 L Apfelsaftmischung gefüllt, dazu ist wie stets im Gebirge eine Windschutzjacke im Gepäck. Eine Pflichtausrüstung schreibt der Veranstalter beim Karwendel nicht vor, aber Wetterschutz im Gebirge ist für mich eine Selbstverständlichkeit.

 

Plötzlich Stress

 

Nicht nur ich bin guter Stimmung und freue mich auf den Lauf. Bei der Startaufstellung muss ich vor die Abtrennung. Hier stehen die Läufer mit ihren roten Startnummern. Die Marschierer haben graue Startnummern und müssen hinter die Abtrennung. Beim Karwendel gilt Rot vor Grau. Plötzlich kommt Hektik auf. Wo ist meine Startnummer? Ich hatte sie an als ich das Haus und auch noch das Auto am P1 verließ. Die muss abgegangen sein als ich am Trinkrucksack werkelte. Also muss ich meinen Startplatz weit vorne rasch verlassen und noch einmal zurück. Gottlob liegt sie auf einer Bank. Jemand hat sie wohl gefunden und dort sichtbar hingelegt.

Rasch laufe ich zurück in den Startkorridor. Aber das Trennband zwischen Läufern und Marschierern ist weg und nach vorne herrscht dichtes Gedränge. Also muss ich wohl oder übel im Pulk der Marschierer starten und muss mich durch selbigen pflügen. Das kann ja was werden. Meine Ahnung bestätigt sich auch gleich nach dem pünktlichen Startschuss.

Wir dürfen auf die Strecke. Auf geht es in das schöne Karwendelgebirge. Ich lasse es ruhig angehen. Uns erwarten abwechslungsreiche 52 Km. Der Start in Scharnitz auf 967 m Höhe und Ziel in Pertisau auf 932 m liegen auf nahezu gleicher Höhe. Dazwischen sind je 2.281 Hm auf- und abwärts zu bewältigen. Uns erwarten zunächst etliche Km entlang der Via Alpina. Ein vielversprechender, klangvoller Name.

 

Via Alpina

 

Die Via Alpina ist ein alpiner Fernwanderweg, der über 300 Etappen und 5.000 Km Triest an der Adria mit Monaco am Mittelmeer verbindet. Auf ihren Weg durch acht Alpenstaaten führt sie entlang der höchsten Gipfel. Eine Wanderung entlang der Route wäre was für mich, wenn ich in Rente bin, denke ich. Ist ja nicht mehr so fern. Aber hier und heute belasse ich es bei den Kilometern auf der Via Alpina durch das Karwendelgebirge.

Es geht zu Beginn ordentlich bergauf, dann aber wird es moderater mit der Steigung. Wie immer teile ich mir die Strecke in Etappen ein,  meine Zwischenziele sind die VS. Die erste erwartet uns nach 9,6 Km am Schafstallboden auf 1.173 m Höhe. Bis hierhin sind es vom Start in Scharnitz auf 967 m gut 200 Hm aufwärts. Und auf diesen 200 Hm muss ich ständig immer wieder kleine Zwischensprints machen um an langsamen Marschierern vorbei zu kommen. Die Körner werden mir am Ende fehlen denke ich – und werde Recht behalten.

 

 

Der Morgen im Karwendeltal

 

Mir wird rasch warm und ich verstaue meine Ärmlinge im Rucksack. Irgendwann kann ich auch endlich frei laufen. Das dauert aber fast  30 Minuten. Wir haben nach dem ersten Anstieg nun ein etwas weniger steiles Gelände vor uns. Es geht immer wieder aufwärts, aber etliche Abschnitte sind gut zu laufen. Übrigens schon lange nicht mehr aus Asphalt. Der ist längs von einer breiten Forstpiste abgelöst.

Unter uns und bald neben uns fließt der Karwendelbach. Schöne Blicke bieten sich uns mit den noch im Schatten liegenden hohen Bergen links und rechts und dem Bach mit seinem reißendem Wasser. Eine Stirnlampe braucht man beim Karwendelmarsch trotz der Startzeit 6 Uhr übrigens nicht. Der Weg ist gut zu sehen und es wird rasch merklich heller.

Über den markanten Bergen bemerke ich ein zunächst zartes Leuchten, das immer heller und größer wird. Die aufgehende Sonne hat die markanten Bergspitzen erfasst. Es wird aber noch dauern, bis sie zu uns ins tiefe Karwendeltal kommen wird.

Mehrfach wecheln wir über Brücken die  Seiten des Karwendelbachs. Die schon erwähnte erste Labestation wird erreicht. Am Schafstallboden (1.173 m) erwarten und Obst und Kekse sowie Getränke. Es werden übrigens recyclingfähige Trinkbecher aus Pappe verwendet. Der Karwendellauf wird immer ökologischer. Sehr gut und nachahmenswert.

 

Zum Karwendelhaus

 

An einigen Stellen liegen noch zarte Nebelschwaden im Tal. Sieht gut aus. Doch die Sonne kündigt sich schon in der Ferne immer stärker an. Ich bin froh, dass wir noch im Schatten laufen können. Warm, besser heiß und drückend, wird es noch früh genug werden. Gut, dass wir den langen Aufstieg Richtung Karwendelhaus (1.771 m) noch im Schatten machen können. Der Aufstieg ist schon so schwer genug. Alle gehen. Nichts ist mehr mit dem Wechsel Laufen – Gehen der vergangenen Km. Wie steht es so schön auf der Webseite des Veranstalters: "Laufen in der Marschklasse oder gehen in der Laufklasse ist kein Disqualifikationsgrund." Also spare ich meine Körner bei den Anstiegen. Gehend bin ich bergauf eh kaum langsamer als laufend.

Uns bieten sich viele schöne Blicke auf die zurückgelegte Laufstrecke. Der gesamte Karwendel liegt nun in der Sonne und auch wir verlassen den Schatten und werden von der Morgensonne erfasst. Das Karwendelhaus liegt nun vor uns, wir laufen aber etwas unterhalb vorbei. Die grasenden Kühe lassen sich durch uns nicht stören. Ein schönes Bild das sich uns hier oben bietet.

Wir müssen noch einige Serpentinen höher steigen. Ich sehe weiß blühendes Gras, das mich an Wollgras erinnert, und verblühten gelben Enzian. An der VS gibt es neben Getränken und Obst und Keksen auch Brote und Kartoffelsuppe. Ich lasse mir ein Brot schmecken. Wer mag, kann sich auch die Stempelkarten abstempeln lassen.

Auf dem Weg abwärts vom Hochalmsattel sind viele Kühe, einige begleiten die Läufer ein Stück abwärts. Die wollen doch nicht etwa auf uns los? Nein, ein kleiner Anstieg bremst sie. Sie sind nicht so verrückt wie wir und bleiben stehen. Wir laufen weiter.

Beim Abwärtslaufen überhole ich viele Läufer in Richtung Kleiner Ahornboden (1.399 m). Wie der Name vermuten lässt, stehen hier viele der selten gewordenen Bergahornbäume. Auf Hinweisschildern kann man die gelaufene Strecke ablesen, ebenso die noch bevorstehenden Kilometer. Wir sind schon fast bei der Hälfte.

 

 

 

Falkenhütte

 

Unser nächstes Ziel ist die Falkenhütte. Ich staune über die kolossalen Wände des Karwendelgebirges. Rechter Hand stehen imposante Berge mit schwierig zu durchsteigenden Wänden. Hier wurde Alpingeschichte geschrieben.

Es ist wunderschön durch den Sauisswald zu laufen. Mehrere Schutthänge sind zu queren. Beim ersten geht es eine ordentliche Böschung nach unten. Ab der Ladizalm (1.573 m) laufen wir ein Stück auf dem Adlerweg – und das mit ordentlicher Steigung. Es ist ein langer Anstieg, bis wir die Falkenhütte (1.848 m) endlich erreichen.

Mich fasziniert besonders der Blick von der Ladizalm zu den Wänden des Karwendelgebirges. Besonders die 900 m hohen, senkrechten Lalidererwände haben es mir angetan. Durch die Nordwände führen einige sehr schwierige Kletterrouten. Ist mir zu schwierig und ich bleibe beim Laufen. Der Aufstieg zur Falkenhütte ist schon schwierig genug. Und dazu brennt mittlerweile die Sonne richtig von oben und heizt uns ein.

Aber auch dieser Anstieg endet und eine VS entlohnt uns für die Plackerei. Die Hütte ist übrigens geschlossen, es wird fleißig an ihr gebaut. Wir dürfen wieder abwärts laufen. Unser nächstes Ziel sehen wir schon in der Ferne - Hohljoch (1.794 m). Zunächst verlieren wir jedoch etliche Höhenmeter, dann geht es in Serpentinen hoch zum Joch.

 

 

Engalm

 

Auf dem Adlerweg ist Obacht geboten. Das ist schon ein anspruchsvolleres Laufen als auf den breiten Forstpisten. Ich genieße den Schatten. Ab dem Hohljoch dürfen wir auf anspruchsvollen Trails zur Engalm laufen. An zahllosen Bächen kühle ich meinen Kopf. Ich bin kein Hitzeläufer. Mein Leiden beginnt.

Der Abstieg zur Engalm (1.227 m) zieht sich. Man kann es nicht so richtig abwärts laufen lassen, dazu ist das Gelände zu schwierig. Aber nach etwas mehr als fünf Stunden laufe ich durch den Bogen an der Engalm. Hier ist bei Km 35 Schluss  für einige Läufer und Marschierer. Für letztere wird auch eine gesonderte Ergebnisliste geführt. Die Engalm ist das größte Almdorf Tirols und größte Melkalm des Landes. Die frische Milch wird direkt zu Butter und Käse verarbeitet und im Bauernladen angeboten. Die Eng hat viel ihrer Ursprünglichkeit bewahren können. Auch hier stehen viele schöne Ahornbäume.

Ich greife mir einen Holundersaft und Obst und biege rechts ab zum nächsten langen Aufstieg, voll in der Sonne. Ich merke, wie die Kräfte schwinden. Ich schaffe es gerade noch langsamen Schrittes ohne Anzuhalten bis zur Binsalm (1.502 m). Hier ist wieder eine VS. Ein Joghurt im Schatten genossen lässt mich hoffen, den weiteren Anstieg zu meistern. Was ich aber nicht weiß, es erwartet uns der härteste und längste Aufstieg des Tages zum höchsten Punkt der Strecke, dem Binssattel (Gramaisattel) auf 1.903 m.

Ich muss also von der Binsalm noch weitere 400 m hinauf. Zuerst auf breitem Schotterweg, dann in unzähligen Serpentinen. Und die Steilheit nimmt immer mehr zu. Dazu ist weit und breit kein Bach zur Kühlung da. Ich muss mehrfach eine Pause einlegen. Normalerweise machen mir 400 Hm nichts aus, aber unter diesen Bedingungen heute will ich kein Risiko eingehen. Ich muss unzählige Läufer an mir vorbei ziehen lassen, komme aber trotz Pausen immer weiter nach oben. Und endlich ist der Binssattel auch für mich erreicht.

 

 

 

Hammerabstieg

 

Ich setze mich in den Schatten und schaue mir das nächste Ziel unter uns an. Es ist der Gramai Hochleger (1.856 m). Der Abstieg ist ähnlich anspruchsvoll wie hinunter zur Eng. Die VS lasse ich frevelhaft unbeachtet. Mein Magen möchte nichts essen. Mir ist nach einem Radler zumute und das hole ich mir im Gastraum und setze mich damit in den Schatten.

Derart gestärkt mache ich mich an den weiteren Abstieg. Und der ist der Hammer. Erst sehe ich kurz hinter der Hütte ein Schild: Achtung langsam. Als ich um die Ecke laufe, verstehe ich die Warnung. Ich gehe nur gaaanz vorsichtig weiter. Alle anderen tun es mir gleich. So ein Gefälle bin ich noch nie gelaufen. Ohne Sturz erreiche ich die Talsohle. Ein Schild weist uns darauf hin, dass es noch 9 Km bis zum Ziel sind. Ab jetzt ist jeder Km markiert. Vorher gab es keine Km-Markierungen, bis auf die Hinweise an den VS. Kurz nach dem 9Km-Schild erreichen wir die Gramaialm (1.263 m).

Auf gut zu laufendem Weg geht es ab hier durch das breite Tal weiter abwärts, abwechselnd laufend und gehend dem Ziel in Pertisau näher. An der Falzturn Alm (1.098 m) greife ich wieder nur ein Getränk ab und laufe rasch weiter.

Die letzten Km laufen wir auf Asphalt. Immer wieder werden wir von Wanderern mit Beifall bedacht. Das tut gut und muntert auf. Und dazu entfaltet das Ziel in Pertisau nun auch langsam seine Sogwirkung. Und endlich, als noch etwa 500 m zu laufen sind, ist er zu sehen - der Achensee.

Ich will nur noch ins Ziel und raus aus der Sonne. Geschafft. Ein harter, anspruchsvoller aber wunderschöner Lauf ist vorbei. Er ist jedem Berglauffreund bestens empfohlen. Ich greife mir ein alkoholfreies Weizenbier und hole meinen Kleiderbeutel und das Finisher Präsent.

 

 

Am späten Nachmittag toben dann über dem Karwendel die vorhergesagten Gewitter.  Am Sonntag belohne ich mich für das erfolgreiche Finish mit dem besten Krustenbraten weit und breit. Es geht in die Steirer Stubn in Krün. Tipp: Nicht nur Plätze reservieren, sondern unbedingt auch den Krustenbraten! Sonst kann man dort zwar sitzen, bekommt aber keinen Braten mehr.

 

 

Fazit

 

Anspruchsvoller, bestens organisierter Bergultra in wunderschöner Landschaft. Sehr zu empfehlen.

 

Sieger

 

Der Gesamtsieg bei den Frauen ging übrigens an die zurückgetretene Weltklassebiathletin Laura Dahlmeier in neuer Streckenrekordzeit. Bei den Herren gewann Vorjahressieger Alexander Lieb.

 

Frauen

Laura Dahlmeier                    4.51,03 Std.

Männer:

Alexander Lieb                      4.17,55 Std.

 

 

Informationen: Karwendelmarsch
Veranstalter-WebsiteErgebnislisteHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024