Die Lauffener Weingärtnergenossenschaft wurde 1935 gegründet und ist mit einem Absatz von ca. 6 Millionen Liter und einem Umsatz von ca. 22 Millionen Euro jährlich eine der größten und auch qualitativ besten württembergischen Weingärtnergenossenschaften. Der Genossenschaft gehören ca. 600 Mitglieder mit einer Rebfläche von ca. 570 Hektar an. Bekannt sind vor allem die unter dem Namen Katzenbeißer verkauften Qualitätsweine. Hinter der Brücke halten wir uns rechts direkt auf die alte Regiswindkirche zu. Hinter dem mittelalterlichen Sakralbau geht es links, immer an der Straße entlang. Für die Läufer wird mit Pylonen auf der rechten Seite ein Weg freigehalten.
Bei km 17 erreichen wir den Radweg nach Hausen/Meimsheim. Die L1103 verläuft hier schnurgerade und der Wind bläst stramm von vorne. Das Feld ist nun bereits weit auseinander gezogen. Ohne Schutz gegen den Wind wird die lange Gerade zur mentalen Prüfung. Wir erreichen den Abzweig nach Meimsheim und laufen auf der gesperrten Straße weiter. Ich habe langsam Hunger und so kommt mir die VP gerade recht. Es gibt Banane, Apfel und Cracker. Dazu Wasser und aufmunternde Worte der Helfer.
In Meimsheim ist die Hälfte geschafft. Die Zeitmessmatte dokumentiert das. Gerade fängt es wieder an zu regnen. Richtung Hausen steigt die Straße leicht an. Hier haben Privatleute ihren Grill samt Partyzelt aufgestellt und verteilen Bier an die Läufer. „Bier auf Wein, das lass sein“ und so muss ich dankend ablehnen. Als ich die VP bei km 22 erreiche, kann ich miterleben, wie eine starke Windböe die kleinen Helfer fast davon weht. Ein Wunder, dass die Becher stehen bleiben. Die Kinder nehmen es mit Humor und feuern trotzdem weiter die Läufer an.
Hinter Hausen geht es wieder leicht bergab. In der Kurve steht eine weiteres Trollinger Marathon Original: Bacchus, der Gott des Weines mit einem riesigen Römerglas in der Hand. Eine gute Gelegenheit anzuhalten und auszuruhen. Ja, der Wein ist lecker: Weich und kräftig, genauso, wie ich ihn mag. Er kommt aus der bekannten Weinkellerei Jupiter, von der wir zuhause auch ein paar Flaschen im Keller haben. Der Name der Kellerei wurde in Anlehnung an die 7,5 m hohe Jupiter-Gigantensäule, die in der Weinbaugemeinde ausgegraben wurde, gewählt. Wie weitere römische Funde stammt sie aus dem 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. und zeugt davon, dass bereits die Römer Boden und Lage des heutigen Brackenheimer Teilortes für den Ausbau ihres Weines zu schätzen wussten. Als erste „Hausener Winzer“ verehrten sie die Kultsäule, um für gutes Wetter und reiche Ernte zu bitten. Heute zählen 120 Weingärtnerfamilien zur Jupiter Weinkeller GmbH, die im August 2011 von der Nordheimer Privatkellerei Rolf Willy, dem "Winzer des Jahres 2011", übernommen wurde. Auf insgesamt 80 Hektar werden hier in Württembergs größter Weinbaugemeinde am Heuchelberg ein reiches Spektrum an erlesenen Rebsorten kultiviert.
Nur ungern verlasse ich den gastlichen Ort. Auf der Straße pfeift der Wind wieder unerbittlich von vorne. Bei einigen Böen muss ich mich regelrecht dagegen stemmen. In Dürrenzimmern, bei km 25, erwartet uns die nächste VP. Von hier sind es noch 3 km bis Neipperg. Die Straße beschreibt einen langen Linksbogen. Wir sind nochmal gezwungen, ordentlich gegen den Wind zu kämpfen. Rechts liegt bereits der Weinberg, an dessen Fuß wir nachher zurück laufen werden. Wenn man genau hinsieht, kann man immer wieder die bunten Shirts der Vorauslaufenden erkennen.
Endlich geht die Straße nach rechts und wir kommen Neipperg entgegen. Der Blick auf die am Berg liegende Burg lenkt etwas davon ab, dass der Wind immer noch von vorne weht.
Die Burg Neipperg mit seinen zwei massiven Türmen ist die Stammburg der Herren und Grafen von Neipperg aus dem 12. Jahrhundert. Spekulationen zufolge handelt es sich um zwei getrennte Burgen unterschiedlicher Epochen, die von einer gemeinsamen Ringmauer umgeben wurden: Die Obere Burg und die, nur wenig ältere, Untere Burg. Die sogenannte Untere Burg ist heute von dichtem Baumbestand überwachsen. Der noch erhaltene 20 m hohe Bergfried aus romanischer Zeit weist an der Ostseite einen markanten Aborterker auf. Von weiteren Wohn- und Wirtschaftsgebäuden der Unteren Burg – sofern es sich einst überhaupt um zwei getrennte Anlagen gehandelt hat – ist nichts mehr erhalten. Sie könnten als Steinbruch zum Bau der nur wenig jüngeren Oberen Burg verwendet worden sein. Der 26 Meter hohe Bergfried der Oberen Burg ist als Wohnturm ausgestaltet. Die beiden Türme könnten einst sogar durch eine oder mehrere hölzerne Brücken verbunden gewesen sein. Zu der, von einer fast quadratischen Ringmauer umgebenen Oberen Burg, gehört ebenfalls ein mehrflügiges Stammhaus (Palas) aus dem 16. Jahrhundert, das sich nordwestlich vom Wohnturm auf dem höchsten Platz des Burggeländes befindet.
In Neipperg ist heute Fest. An der Kehre, wo sich auch der Wechselplatz für die Staffeln befindet, sind viele Bierbänke aufgebaut. Gerade ist nicht so viel los. Um die Mittagszeit scheinen sich die Neipperger zuhause ihr Essen schmecken zu lassen. Wir biegen nun in den Weinberg ein. Noch eine Kurve und der Wind kommt tatsächlich von hinten. Welche Erleichterung! Wellig geht es zwischen den Rebstöcken entlang. Hinter km 30 kommt schon die nächste VP. Motivierte Jugendliche haben sorgfältig Becherreihen aufgebaut und Bananen und Äpfel in Reih und Glied hygienisch auf Pappteller verteilt. Ich muss den Rückenwind ausnutzen und greife die Banane im Vorbeilaufen. Am Weinstand (den lasse ich aus) bei km 32 feuern mich die Damen, dank meines Namensschilds, wieder persönlich an.
Wir verlassen den Weinberg und erreichen die Sportanlagen von Nordhausen. Ich will gerade vorbei laufen, da preist eine Helferin ihren Wein an: “Beim Trollinger Marathon muss man doch Trollinger trinken.“ Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und kann erst weiter, als mein Becher leer ist. Von der Polizei gesichert, geht es über die Straße und dann auf der L1105 entlang. Wieder ist die rechte Seite mit Pylonen für die Läufer abgesperrt. Hinter dem Ortsschild führt die Straße schnurgerade weiter. Bis sie am Horizont verschwinden, kann ich vor mir vereinzelt Läufer erkennen.
In Nordheim geht es mal wieder bergab. An jeder Einmündung stehen Feuerwehrmänner und halten die Autos auf. Die Helfer tun mir leid. Ich kann mir Schöneres vorstellen, als den Sonntag auf der Straße zu stehen und Ärger mit ungeduldigen Autofahrern zu haben. Die jugendlichen Helfer an der VP bei km 35 sind locker drauf und scheinen immer noch nicht müde. Den Ort verlassen wir über eine Steigung, um nach einem Kilometer in Klingenberg wieder bergab zulaufen. Hier werden wir von einer kleinen, aber dafür umso lauteren Fangemeinde empfangen.
Ein paar Meter weiter stößt die Halbmarathonstrecke auf die unsere. Der Halbmarathon wurde um 10 Uhr 20 Uhr gestartet. Die annähernd 5000 Läufer sind leider schon durch. An der VP merkt man an dem Heer herumliegender Becher, dass einiges los war. Zahlreiche Zuschauer säumen ab jetzt die Strecke. Das vertreibt die Müdigkeit aus Kopf und Beinen. Die Nordic Walker befinden sich ebenfalls auf ihren letzten Kilometern. Sie sind immer noch guter Dinge. Oft werde ich angefeuert. Das tut gut.
Im Ortsteil Böckingen kann man das Ziel bereits erahnen. Es geht durch belebte Fußgängerzonen, dann kommt die letzte Unterführung. Wir biegen rechts auf die Erwin-Fuchs-Brücke, wo wir vor Stunden gestartet sind. Einige frisch geduschte Finisher kommen mir entgegen. Die Brücke hinunter stehen immer noch Zuschauer. Es geht nach links ins Stadion. Noch ein paar Meter und das Ziel ist erreicht. Mist - ich habe knapp die 5 Stunden verpasst.
Mehrere historisch gekleidete Helfer überreichen die Medaillen. Norbert nimmt mich in Empfang. Er versorgt mich mit Krombacher und Müsliriegeln. Erschöpft lasse ich mich auf ein Bänkchen fallen. Andere machen es sich auf dem Rasen gemütlich. Bei Ensinger wird fleißig ausgeschenkt und irgendwo gibt es Obst. Die Freiluftdusche bleibt in diesem Jahr verwaist, es ist einfach zu kalt.
Gleichzeitig, und auf Grund der perfekten Akustik im Stadion von jedem gut mit zu verfolgen, findet die Siegerehrung vor der Haupttribüne statt. Kenianer dominierten die Strecken: Geoffrey Toroitich gewinnt den Marathon in einer Zeit von 2:29:24 Std, David Kiptui Tarus und Daisy Jeptoo Kimeli siegen im Halbmarathon. Bei den Marathonfrauen galt mit einer vorher angegebenen Zielzeit von 3:10 Stunden Nadine Hailer vom TSV Moosbach als Favoritin. Dieser Rolle wurde die 38-Jährige gerecht: Sie gewinnt in 3:09:46 Std und kann jetzt ihr Gewicht in Wein aufwiegen lassen. Neben den Siegern im Marathon und Halbmarathon werden auch die Besten Handwerker und die Meister der Region Franken geehrt.
Im Gegensatz zu vielen anderen Laufveranstaltungen kehrt der Moderator anschließend wieder an die Ziellinie zurück. Er empfängt weiterhin die Finisher und kündigt jeden einzeln an; mit vielen führt er sogar noch Interviews. Um 14 Uhr 57 wächst die Spannung. Der letzte Läufer ist Siegfried, mein Freund vom Start in Lederhose und Karo-Hemd. Winkend und augenscheinlich froh gelaunt, geht er durchs Ziel, standesgemäß gefolgt von der schwarzen Audi-Limousine, dem Besenwagen. 14 Uhr 58 wird der Lauf vom Sprecher offiziell beendet.
Der neue Teilnehmerrekord von insgesamt 5961 Läuferinnen und Läufer zeigt, dass der Lauf gut ankommt. Bei der Kombination aus Landschafts- und Citylauf ist für jeden etwas dabei. Die Möglichkeit zur Weinprobe unterwegs ist reizvoll und besonders die Präsentation der Jupiterkellerei durch den Bacchus bleibt mir in guter Erinnerung.
Die kleinen Probleme bei der Startnummernvergabe (scheinbar wurden bei Nachmeldern versehentlich Nummern doppelt vergeben) wurden schnell korrigiert und schmälern mein Lob für die ansonsten tadellose Organisation kein bisschen. Die Verpflegung ist gut und bis zum Schluss in ausreichender Menge vorhanden. Danke an die große Schar der Helfer an Straße und VP, die bis zum Schluss ausgeharrt sind, um jeden Läufer gesund ins Ziel zu bringen.
Besonders hervorheben will ich aber das unglaubliche Publikum; die Stimmung in den Orten ist phänomenal. Dazu kommen kleinere Fangruppen, die unterwegs für Motivation der Läufer sorgen. Hier gibt es Note eins mit Stern.