In diesem Jahr findet der Heilbronner Trollinger Marathon bereits zum 15. Male statt. Das kontinuierliche Zusammenspiel der beteiligten Gemeinden garantiert für die Läufer ein unvergessliches Erlebnis. Nicht umsonst gibt es viele Wiederholungstäter, von denen einige bereits von Anfang an dabei sind. Norbert und ich waren ebenfalls schon mehre Male Gast beim Marathon. In diesem Jahr steht bei uns aber zum ersten Mal der Halbmarathon auf dem Programm.
Wie immer ist das Frankenstadion Herzstück der Veranstaltung. Obwohl oder auch weil es mitten in der Stadt liegt, gibt es hier die optimale Infrastruktur für ein solch großes Event. Im Innern des Fußball- und Leichtathletikstadions befindet sich der großzügige Zielbereich der Läufe und mit seinen fast 1000 überdachten Sitzplätzen auf der Haupttribüne bietet es auch den vielen Angehörigen und Fans genügend Platz. Davor hat es viele Parkplätze, die durch die angrenzende Theresienwiese noch ergänzt werden. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Wiese, sondern um einen 30.000 m² großen Festplatz, auf dem normalerweise Volksfeste, Circus-Gastspiele, Regionalmessen oder Flohmärkte stattfinden.
Obwohl uns die Örtlichkeiten gut bekannt sind, treffen wir Vorkehrungen: Beim Marathon sind rund 700 Starter zu erwarten. Beim Halben werden es aber über 5000 sein. Aus diesem Grund planen wir für die Anfahrt, Parken, Startnummernausgabe, Toilettengang, Taschenabgabe und Weg zum Start bereits vorher genügend Zeit ein. Bei Start um 10Uhr20 ist das auch kein Problem.
Kurz vor der Theresienwiese stehen wir auch schon im Stau und verlieren bereits einen guten Teil unseres Zeitpolsters. Als das Auto versorgt ist, machen wir uns auf den Weg zum Stadion. Vor dem Stadion, auf einem ausgedehnten Wiesengelände, hat der Sponsor Lidl eine eigene Zeltstadt für seine laufenden Mitarbeiter aufgebaut. Viele Firmen haben ja in letzter Zeit Ausdauersport ihrer Angestellten als Förderung des Betriebsklimas entdeckt. Das Training für einen Langstreckenlauf wird als Teamarbeit betrachtet und das gemeinsame Tun verbindet die Kollegen auch im Alltag. Was Lidl hier anbietet, ist schlichtweg beeindruckend.
Auch die Handwerkskammer Heilbronn-Franken, die von Anfang an in die Organisation des Trollinger Marathon involviert ist, richtet zum 15. Mal die Internationalen Handwerksmeisterschaften aus. Im Rahmen einer Sonderwertung treten hierbei Lehrlinge, Gesellen und Meister von Handwerksbetrieben gegen- und miteinander an. „Rekordhalter in über 130 Disziplinen“ ist der Slogan, der auf den Laufshirts steht.
Die Lidl-Wiese dient uns als Abkürzung zum Stadion. Hinter dem Stadion befindet sich das Zelt mit Startnummernausgabe und Marathonmesse. Es wimmelt nur so von Menschen, und wir haben Mühe um uns nicht zu verlieren. Unseren schlimmsten Befürchtungen zum Trotz ist es jedoch an den Startnummernausgaben leer. Schnell haben wir die Startunterlagen zusammen mit einem schönen Kurzarmlaufshirt (grün für Herren, pink für Damen) und die beliebten Laufsocken von der Volksbank. Genauso schnell holen wir noch den Gutschein für eine Flasche Heilbronner Trollinger Wein aus dem Umschlag, dann sind wir durch.
Als wir die Wiese überqueren, ruft dort ein eigener Moderator die Läufer von Lidl zum gemeinsamen Warmmachen auf. Alle machen mit und schnell ist die Wiese bevölkert von den einheitlich gelben Laufshirts des Sponsors. Gerne würde ich noch ein bisschen zuschauen, da fallen aber schon erste Tropfen. Schnell laufen wir zum Auto. Trotz anders lautender Wetterprognosen ist der Himmel bewölkt und es nieselt. Solange es geht, bleiben wir geschützt im Wagen.
Irgendwann müssen wir dann aber doch los. An der Gepäckaufbewahrung geht es zügig. Mittlerweile ist es ganz schön frisch und es tröpfelt, was die Vorbereitungen ungemütlich macht. Die Lidl-Läufer haben durchsichtige Umhänge, um sich vor Wind und Regen zu schützen. Dort hat man wirklich an alles gedacht. Den Weg zum Start können wir nicht verfehlen. Zum einen steht da ein großes Banner, zum anderen ist die Karawane, die sich dorthin bewegt, nicht zu übersehen. Wir schließen uns an und genießen schon mal die prickelnde Vorstart-Atmosphäre. Langsam geht es am Neckar entlang bis wir die Erwin-Fuchs-Brücke vor uns sehen. Da oben ist schon einiges los. Die exponierte Lage dort scheint mir bei der kühlen Witterung allerdings unattraktiv und so haben wir es vorerst nicht wirklich eilig.
Zunächst verschaffen wir uns einen Überblick über die Einteilung der Startblöcke und reihen uns ein. Der Start liegt am Ausgang der Brücke, von uns aus gesehen, unterhalb. Der Blick auf die Menschenmassen vor uns ist gigantisch, während sich hinter uns bereits die Absperrung des nächsten Startblocks befindet. Es ist ungemütlich kalt und nass. Ein Läufer in „Lidl-Tüte“ bietet uns zwei der durchsichtigen Umhänge an. Danke, das ist nett.
In weiter Ferne hört man den Moderator. Er zählt anlässlich des Jubiläums von 15 herunter. Dann erfolgt der Start des ersten Blocks. Zu den Akkorden von „Pirates of the Caribean“ erschallt tausendfacher Jubel. Das Adrenalin schießt, dann passiert – nichts.
Nach einer kurzen Pause erfolgt der Start des zweiten Startblocks. Ganz vorne kann ich nun Wellenbewegungen erkennen. Wieder eine Pause. Nun wird unser Startblock gestartet. Eine gigantische Menge aus Köpfen setzt sich vor und um uns herum in Bewegung. Langsam werden auch wir zur Welle. Es dauert eine ganze Weile, bis wir von jubelnden Zuschauern angefeuert das Starttor passieren. Noch schnell die Uhr starten, dann geht es los.
Wir laufen auf der Badstraße an einem Seitenkanal des Neckars entlang. Zuschauer klatschen und machen Krach mit diversen Instrumenten. Bald wird es ruhiger und man muss nur noch aufpassen, keinem in die Hacken zu laufen. Rechts zum Neckar hin zweigt ein Spazierweg ab, den nun einige Läufer mitbenutzen. Hier ist es nicht ganz so voll. Ich laufe auf dem Grünstreifen zwischen den beiden Strecken. Gerade mache ich ein Foto von den Läufern hinter mir, da höre ich nur noch „Vorsicht!“ Ich schaue nach vorne, hier befinden sich eine Parkbank und davor ein Mülleimer genau vor meinen Füßen. Zu spät zum Bremsen, ich liege bereits am Boden. Eine Zuschauerin hilft mir hoch. Die Kamera ist heil und auch mir ist nichts Schlimmes passiert. Nur der Schreck sitzt mir die nächsten Kilometer gehörig in den Knochen.
Auf der anderen Seite des Neckars kann man bereits das Feld am Uferweg zurücklaufen sehen. Auch für uns geht es über die Brücke auf den beeindruckenden Götzenturm zu und dann scharf rechts nun ebenfalls zurück. An jeder Straßeneinmündung und vor vielen Hauseingängen stehen Fans und feuern uns an.
Am Freibad Neckarhalde bei km 2 ist dann eine größere Fangemeinde versammelt. Ab km 3 erreichen wir den Neckar. Es geht ein kurzes Stück auf der, für den Straßenverkehr gesperrten, B27 nach Sontheim. Hier weicht die Strecke vom Marathon ab. Wir laufen durch die verwinkelten Gässchen von Sontheim, zum Teil auf Kopfsteinpflaster und an schönen Fachwerkhäusern vorbei. Anwohner stehen an der Straße und klatschen, schreien oder machen sonst wie Lärm. Kinder klatschen ab, und einer bläst uns sogar auf seiner Trompete den Marsch. Dann erkenne ich die Strecke wieder und wir erreichen die erste VP. Der TSG Heilbronn versorgt hier die Läufer mit Wasser, Iso, Banane und Äpfel. Normalerweise würde ich nichts trinken, aber mir steckt schon eine Weile irgendetwas im Hals. Vermutlich habe ich zu viel Pollen unter der großen Kastanienallee eingeatmet, die den Neckar säumt. Ständig muss ich husten. Ein Schluck Wasser wirkt da Wunder. Die Blaskapelle „Sontheims trollige Lemberger“ unterhält Läufer und Zuschauer mit spritzigen Rhythmen. Am Ende der VP stehe ich plötzlich vor einem kleinen Stand, an dem Wein ausgeschenkt wird. Spontan dehne ich meine Pause noch etwas aus.
Wir verlassen die Stadt. Auf dem schmalen Weg geht es zwischen Feldern entlang. Mittlerweile kommt die Sonne heraus und es wird saunamäßig. Bei km 7 erreichen wir Flein. Auch hier stehen die Bewohner auf den Straßen und klatschen. Das war mir früher beim Marathon nicht so aufgefallen. Die spätere Uhrzeit und die große Anzahl Läufer auf der Strecke scheinen attraktiver für die Zuschauer, was auch der Stimmung im Feld zugutekommt. Hier sind alle prächtig gelaunt und für jeden blöden Spruch zu haben.
Es geht durch die Ortsmitte. Hier empfangen uns Schüler vom Klavierhaus Kern mit Piano und Blech. Außerdem organisiert das kleine Örtchen seit 9 Uhr seinen Marathon-Brunch. Überall gibt es kleine Leckereien und natürlich diverse Getränke. Die VP steht mitten auf der Hauptstraße – Citylauf-Feeling pur. Nach einer kleinen Stärkung ist die folgende Steigung hinauf zum Kreisverkehr mit seiner markanten Stahlfigur kein Problem. Auf einer schräg nach oben laufenden Fläche, die einen Weinberg symbolisiert, sind Fleiner Merkmale verewigt: ein Weingärtner mit „Käze“, der die Gemeinde als Weinort kennzeichnet, gefolgt von einem Esel als Hinweis auf die bekannteste Weinberglage Fleins, den Eselsberg. In einigem Abstand watschelt eine Gans dem Duo hinterher, so dass der Einfahrende sogleich weiß: hier sind die „Gänsäcker“(so heißt das Wohngebiet hier oben).
Wir verlassen die Straße und biegen in den Weinberg ein. Es geht jetzt den "Kotzbuckel" hinauf. Er ist die einzige richtige Steigung des Laufs. Beim Marathon würde ich nun gehen. Aber hier sind fast alle am Laufen und so mache ich halt auch mit. Oben erwartet uns Wolfgang Meerwart, Flinataler-Alphornbläser aus Flein. Er ist beim Trollinger Marathon eine feste Größe und schon viele Läufer verdanken ihm eine unvergessliche Bergankunft. Den ganzen harten Anstieg hinauf begleiten uns die Klänge seines ungewöhnlichen Instruments. Ich nutze die Gunst der Stunde und mache ein Selfie mit dem Mann. Er meint, ich solle mal sein Instrument versuchen. Natürlich bekomme ich keinen Ton heraus. Auf den angebotenen Einführungskurs verzichte ich dankend.
Ein paar Meter weiter steht ein Moderator und beglückwünscht jeden Einzelnen zum gelungenen Aufstieg. Das grüne Marathontor kennzeichnet den höchsten Punkt, dann geht es bergab. Zunächst kann man sich aber an der VP stärken. Hier werden im Akkord Bananen geschnitten und Becher gefüllt. Ich laufe durch bis zum Weinstand. Dort haben sich bereits Gleichgesinnte versammelt. Wir stoßen an und können gemütlich die vorbeiziehende Läuferschar beobachten.
Die Bergabstrecke nach Talheim nutze ich, um ein paar Plätze gutzumachen. Auch hier sind viele Schlachtenbummler, die ihr Frühstück nach draußen verlegt haben und nun die Läufer anfeuern. Unten geht es von Zuschauern angefeuert um die Kurve. Der Marathon läuft hier links in den Ort hinein. Für uns geht es der Straße entlang und über die B27. Auf einem großen Parkplatz steht bereits die nächste Station, wo die Helfer mit Getränken auf uns warten. Nun wird es ruhiger. Der Steinbruchbetrieb der Fa. Bopp ist eine nette Abwechslung, dann geht es in einen kleinen Wald. Wir haben schon mehr als die Hälfte geschafft und es ist mittlerweile ganz schön warm.
Wir verlassen den Wald und rechts liegt, oberhalb einer Trockenmauer, ein Weinberg. Links hinter hohen Büschen begleitet uns die Schozach ein ca. 26 km langer rechter Nebenfluss des Neckars. Hin und wieder können wir einen kurzen Blick auf das Flüsschen erhaschen. Hier liegt hinter Bäumen versteckt ein alter jüdischer Friedhof. Helfer passen auf, dass jeder den richtigen Abzweig nimmt. Kurz hintereinander führen uns zwei Brücken über Teilarme der Schozach, bevor wir Horkheim erreichen.
Dieser Stadtteil von Heilbronn hat ca. 4.100 Einwohner und gefühlt die Hälfte steht an der Straße. Der Name Horkheim kommt vom altdeutschen Begriff horeg, was so viel wie sumpfig heißt. Kein Wunder, denn der Ort liegt nur wenig über dem Grundwasserspiegel und hat schon viele Neckar-Hochwasser mitgemacht. Mittlerweile wird Horkheim wegen seiner fruchtbaren Böden auch der Garten Heilbronns genannt. Hier herrscht wieder eine tolle Stimmung. Bevor wir den Stadtkern erreichen, können wir uns noch einmal an einer VP stärken. Im Stadtkern werden die Gassen enger. Gerade als wir am alten Rathaus vorbeikommen, überholt mich der Pacer für 2:15 mit einer größeren Gruppe Läufer im Schlepptau. Nanu, ich bin aber spät dran.
Der Posaunenchor Horkheim macht uns jetzt Beine. Wir überqueren den Neckar an der Schleuse Horkheim. Sie besteht aus einer Doppelschleuse am rechten Ufer sowie einem links davon gelegenen Kraftwerk. Nun befinden wir uns auf der Neckarinsel die zwischen dem Neckar-Altarm und der beim Ausbau des Neckars geschaffenen Kanalstrecke liegt. Es geht am Tennisclub vorbei über bereits abgemähte Wiesen. Ein Steg bringt uns über den Alten Neckar wo wir in Klingenberg von vielen Zuschauern erwartet werden. Ein paar Meter weiter kommt die Marathonstrecke von links.
An der VP gibt es wieder das volle Programm. Der Weinstand bietet reichlich Auswahl: Von Riesling über Spätburgunder Weißherbst bis Trollinger - alles von den Nordheimer Winzern. Ich habe irgendwo mächtig Zeit verloren und so ist es egal, dass ich hier nochmal länger verweile. Dafür bin ich die letzten drei Kilometer ausnehmend gut gelaunt. Nun geht es lange geradeaus. Hier heißt es durchhalten. Die Guggenmusikgruppe „Kuhberg-Echo“ gibt alles, um die Läufer zu motivieren. Immer wieder kommen Marathonis von hinten. Es liegt an der geschickten Wahl des Starzeitunterschiedes, dass sie hier schneller sind als wir. An der nun folgenden Wasserstelle kann man sich nochmals Kühlung holen.
In Böckingen ist das Ziel nicht mehr weit. Die Sambanditos in ihren roten Shirts kitzeln die letzten Reserven aus den platten Läufern. Die Zuschauer sind genauso topp motiviert und feuern jeden erneut an. Anwohner haben eine Gartendusche über die Straße installiert, die vor allem von den Marathonis gerne genutzt wird. Es geht durch die belebte Fußgängerzonen, nochmals an einer VP vorbei, dann erreichen wir die letzte Unterführung. Wir biegen rechts wieder auf die Erwin-Fuchs-Brücke, von wo aus wir gestartet sind. Die Brücke hinunter stehen immer noch Zuschauer. Es geht nach links ins Stadion. Noch ein paar Meter und das Ziel ist erreicht. Historisch gekleidete Helfer überreichen die Medaillen. Norbert nimmt mich in Empfang. Er versorgt mich mit Krombacher und Müsliriegeln.
Der Rasen gleicht einer Liegewiese. Am Ensinger-Stand wird fleißig ausgeschenkt und irgendwo gibt es Obst. Ich verzichte auf die Dusche und das Wassertretbecken, dafür besuche ich die Sanis. Mein Ellenbogen ist aufgeschürft. Generalstabsmäßig ist man hier auf eine große Anzahl verletzter Läufer vorbereitet, die es aber Gott sei Dank nicht gibt.
Fazit:
Unseren Ausflug zu den Halbmarathonis habe ich nicht bereut. Trotz der vielen Läufer war die Organisation topp. In Heilbronn bekommen Halbmarathonläufer dasselbe Shirt, denselben Wein, dieselbe Verpflegung und dieselbe Medaille wie die Läufer der langen Strecke. Das finde ich jetzt natürlich gut. Die Stimmung unterwegs ist, was die Zuschauer betrifft, noch besser als beim Marathon. Außerdem muss ich ein großes Vorurteil begraben: Es gibt auch Genuss-Halbmarathon-Läufer - und das gar nicht wenige.
Männer
1 Müller, Kay-Uwe (GER) TSV Crailsheim 02:32:32
2 Schumacher, Richard (GER) AST Süßen 02:33:31
3 Santrutschek, Jens (GER) Kinostar Bretten 02:38:15
Frauen
1 Englisch, Bettina (GER) Team g.weber-bau 03:04:19
2 Oszmalek, Agata (POL) 03:19:44
3 Kollmann, Alin (GER) GENO-Runners 03:21:57
545 Finisher