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Laufberichte

Run the blue line

 

Dass die Hansestadt Hamburg den Sport lebt, ist auch in diesem Jahr wieder spürbar. Endlich wieder, möchte man sagen, denn die Coronaausfälle und -einschränkugen von Laufsportveranstaltungen hat noch niemand vergessen. Und die möchte wohl auch keiner wieder haben. Das ist an und auf den Straßen beim Haspa Marathon in Hamburg bei vielen Gesprächen immer wieder zu hören.

Für mich ist es bitter, dass ich auf Grund einer Fußverletzung nicht mitlaufen kann. Aber als Reporter mit der Kamera an der Strecke zu stehen, das lass ich mir nicht nehmen. Und natürlich will ich meine laufenden Freundinnen und Freunde anfeuern. Ach was, eigentlich will ich alle anfeuern, die heute und hier in Hamburg an den Start der 37. Auflage von Deutschlands größten Frühjahrsmarathon gehen.

Das Wetter meint es in diesem Jahr gut mit den Läufern, Helfern und Zuschauern. Temperaturen um 10 Grad Celsius am Morgen, heiter bis bedeckt, kaum Wind und kein Regen. Das war nicht immer so beim Marathon an der Elbe.

 

 

Eine gute Stunde vor den Marathon startete der Halbmarathon, erst die Handbiker und Rollis, dann die Läufer. Es ist also schon ordentlich was los, am Sonntagmorgen um 8:30 Uhr bei den Messehallen. Die Marathonis scharren sich um die Hallen und in den Gassen und auf den Wegen vor den Startblöcken auf der Karolinenstraße. Den erwarteten Laufzeiten gemäß sind Startblöcke von A bis N eingerichtet. 13 Blöcke, na wenn das keine Glückszahl ist.

Als die Blöcke geöffnet werden, strömen die Läufer ganz allmählich auf ihre Positionen. Trotz der tausenden von Teilnehmern geht es zwar eng und wuselig, nicht aber hektisch zu. Ruhe bewahren heißt es in Norddeutschland. Dem passen sich auch die Läufer aus aller Welt an. Anfangs bleibt sogar genügend Platz zum Warmmachen in den Blöcken. Ganz vorn die Elite freilich, hat bis über die Startlinie hinweg mehr Auslauf.

Pünktlich um 9:30 Uhr ist es dann vorbei mit der Ruhe. Für mehrere Stunden geht auf und an der Strecke des Hamburg Marathon die Post ab. Zuerst brausen einige Fahrräder, dann mehrere E-Autos mit digitalen Laufzeitangaben los. Dann das Elitefeld der Männer, knapp dahinter das der Frauen. Und dann die Freizeitläufer. Reibungslos und rasch aufeinander werden die Blöcke gestartet und die Läufer losgelassen. Ein schier endloses Läuferfeld ergießt sich über Hamburgs Straßen, mehr als 10 000 Marathon- und Staffelläufer.

Überall auf dem langen Kurs stehen teils dicht gedrängt die Zuschauer Spalier. Sie feuern nicht nur an, sie heizen den Läufern ein und machen grandiose Stimmung. Für Läufer wie für Zuschauer ist der Hamburg Marathon pure Emotion, ja Leidenschaft. Da zählt es fast nur als schmückendes Beiwerk, dass es an vielen Hamburger Sehenswürdigkeiten vorbei und entlang läuft.

Gleich zu Beginn stehen der Dom und die Reeperbahn auf dem Programm. Das Vergnügungsviertel ist schon oder noch geschlossen, aber zum Anfang des Marathons ist es für jeden Läufer auch so ein Vergnügen. Hier und da hängen frenetisch feiernde Lauffans an den Fenstern und auf den Balkonen. Mit dabei sind auch wieder die Spendensammler „Alles für Wasser“, eine schöne Initiative. Jetzt laufen die Marathonis über Altona bis zur Elbchaussee und nach einer Schleife drehen sie um und laufen an der Elbe entlang.

 

 

Als Fußgänger spare ich mir die Schleife und gehe direkt zum Elbufer hinunter. Auch am Fischmarkt ist es ruhig, auf der Breiten Straße davor aber ist gleich der Bär los. Hinter den Autos läuft die Elite aus Kenia und Co heran und ist den Zuschaueraugen auch schon wieder entflogen. Unseren Europameister Richard Ringer mache ich in der ersten Verfolgergruppe aus.

Bei Kilometer 10 eine der zahlreichen Verpflegungsstellen. Von der Hafentreppe habe ich einen schönen Ausblick auf die Läufer, die noch in kleinen Gruppen heranlaufen. Um 2h30min laufen doch nicht viele den Marathon. Die erste schön anzusehende Traube an Läufern kommt mit den Pacemakern, die die Laufzeit von drei Stunden markieren. Das ist für mich ein sehr beeindruckendes Bild. Jetzt wird die Straße allmählich voller. Und ich staune sehr, weil es in Hamburg doch recht viele Läufer gibt, die den Marathon unter dreieinhalb Stunden laufen. „Run the blue line!“, rufe ich ihnen zu. In der Tat habe ich gelesen, dass der Hamburg Marathon der erste Marathon überhaupt war, der eine blaue Linie als schnellsten bzw. kürzesten zu laufenden Weg auf dem Asphalt gebracht hat. Das war im Jahr 1986, also gleich bei der Premiere.    

Ich gehe mit dem Läuferfeld weiter und erreiche bei Kilometer 12 die Landungsbrücken. Das ist eines der größten Stimmungsnester beim Hamburg Marathon. Dicht gedrängt stehen die Zuschauer, eine geile Trommlergruppe heizt den Läufern ein. Auf der Strecke gibt es viele verschiedene musikalische Unterhaltungen. Vom Chanty bis zum Spielmannzug, von Hard Rock bis zum Discosound. Und natürlich Cheerleader und immer wieder Trommler…

Die Läufer laufen jetzt in die Hafencity. Auf breiter Chaussee kommen Docks und Brücken, kommen große Kähne und die noch größere Elbphilharmonie in ihren Blick. Bei Kilometer 14 biegt die Strecke links ab und führt nordwärts zu den städtischen Highlights der Hansestadt, die da neben der Innenstadt vor allem Binnen – und Außenalster heißen.

 

 

Ich fahre mit der U-Bahn bis zum Jungfernstieg. Klaus ist im Jahr 2019 hier an der Strecke als zuschauender und fotografierender Reporter unterwegs gewesen, während ich als Läufer dabei war und, wie wir das so machen, schnelle Schnappschüsse aufgenommen habe. Klaus und ich sind uns darin einig, dass das passive Reporterdasein vielleicht nicht so anstrengend, aber stressiger ist. Weil man beständig nach Fotoperspektiven sucht, weil man das beste Foto machen will, weil man vieles aufsaugen will, weil man weiter, weil man sich selbst orientieren muss.

Beim Jungfernstieg an der Binnenalster ist das Menschengedränge am Streckenrand sehr groß. Wohl weil viele per Bahn hier her pilgern, aber auch weil hier bei Kilometer 16 ein Staffelwechsel- und ein Verpflegungspunkt ist. Und während sich die einen schon glückstrahlend erschöpft auf den Bürgersteig legen, laufen die Marathonis schon ordentlich schwitzend an die gedeckten Tische und greifen nach Wasser und Bananen. Durch die Pacemaker mit ihren auf Fahnen gedruckten Zielzeiten ist es auch für den Zuschauer gut auszumachen, welche Läuferklientel gerade vorbeikommt. Im Bereich vier und eine halbe Stunde kommen die meisten Aktiven eher locker und weniger hager als die vorderen daher. Erst nach der Fünfstundenmarke wird das Läuferfeld lichter.

Und wenige Meter von der Straße entfernt, an der Binnenalster, herrscht idyllische Sonntagsstimmung vor. Die Frühlingsonne verdrängt die Wolken und spiegelt so manche Silhouette auf dem Wasser. Die Schwäne auf der Binnenalster nehmen von dem Spektakel auf der Straße rein gar keine Notiz.    

Während die Läufer weiter und über die Außenalster hinaus nordwärts ziehen, wird es für mich Zeit, an die Karolinenstraße zurückzukehren. Denn, während für die meisten Freizeitläufer der Marathon jetzt erst anfängt, rennen die ersten Sieger bereits ins Ziel. Meist einzeln laufen die ganz schnellen ein und können neben dem Applaus auch die persönliche Moderation genießen. Wow, wie athletisch schnell sie ins Ziel schießen. Dann wird die Karolinenstraße vor dem Ziel allmählich voller. Jetzt kommen kleinere Grüppchen an. Auch die Gruppe um die drei Stunden Pacemaker ist es deutlich kleiner geworden, als sie es noch bei Kilometer zehn war. Einer der Pacemaker feuert seine Followers noch ein letztes Mal an: „Da vorne ist das Ziel, ja, ihr habt es geschafft!“

 

 

Und dahinter reihen sich weiter die schnellen Läufer, angestrengte Gesichter und vorgeneigte Oberkörper. Ein Teilnehmer wankt, bleibt 200 Meter vor dem Ziel stehen. „Oh, nein, was ist mit ihm?“, fragt eine Zuschauerin am abgesperrten Streckenrand. Und: „Los, lauf weiter, ein letztes Stück! Ja, sieh nur, er läuft…“

Als Zuschauer am Streckenrand erlebt man den Marathonkampf anders mit, als wenn man selber läuft. Aber es ist ähnlich intensiv, vor allem bei einem großen Stadtmarathon, weil man ja so viele Läufer kämpfen sieht und es nachempfinden, wenn nicht gar mitleiden kann.

Und während sich in den angrenzenden Parks die Sonntagsausflügler und einige schon fertige Läufer in der mittlerweile sich hinter den Wolken durchgesetzten Sonne rekeln, kämpfen die Freizeitläufer weiter um ihr Finish. Für sie ist es jetzt in der Mittagszeit und unter der Sonne warm und somit schwerer geworden.

Ich stehe einen Kilometer vor dem Ziel am Dammtor bei schwungvoller Discomusik unter tanzenden Jugendlichen und fotografiere und erlebe das Laufen der um die Vierstundenläufer mit. Die meisten der Teilnehmer laufen in diesem Bereich, schier endlos laufen sie dicht hinter- und nebeneinander. Klar, ein paar wenige gehen jetzt das ein oder das andere Stück. Die allermeisten aber laufen und strahlen. Kämpfen und genießen gleichzeitig, der Marathon macht es möglich. Die Läuferschar beindruckt mich nicht nur, sie berührt mich schon sehr emotional. In diesem Bereich könnte ich auch mitlaufen, bin ich schon mitgelaufen und will ich auch wieder laufen…

Jeder Finisher ist ein Held und ein Sieger. Das ist jetzt nicht nur eine Phrase, das ist ein erfühltes Erlebnis am Streckenrand. Gleich könnt ihr euch feiern und ein paar Tage wie auf Wolke sieben schweben!

Die Spitzensportler lieferten an diesem Sonntag einige Superlative ab, die die Erwartungen übertrafen. Der Sieger Bernard Koech aus Kenia lief einen neuen Hamburger Streckenrekord: 2h04min09sec. Unser Europameister Richard Ringer lief als bester Europäer auf Platz sechs ein. Seine 2h08min08sec bedeuten für ihn nicht nur eine neue persönliche Bestzeit, sondern auch die Erfüllung der Olympianorm und die zweitschnellste je von einem Deutschen gelaufene Marathonzeit. Richard bedankte sich nach einem konstanten Rennen mit Aufholjagdcharakter bei seinem Pacemaker.

Die Siegerinnenzeit 2h20min09sec von Dorcas Tuitoek aus Kenia bedeuteten die zweitschnellste je in Hamburg gelaufene Zeit bei den Frauen. Und unsere Fabienne Königstein steigerte ihre persönliche Bestzeit mit ihren 2h25min48sec um sieben Minuten. Damit wurde sie als Gesamtachte nicht nur beste Deutsche und zweitschnellste Europäerin, sondern sie lieferte neun Monate nach Geburt ihrer Tochter eine neue deutsche Jahresbestzeit und die Erfüllung der Olympianorm ab.

Aber vor allem in der Breite wurde die Hansestadt Hamburg wieder einmal ihrem selbst gesetzten Titel der Active City gerecht. 30 000 Teilnehmer machten an diesem Aprilwochenende in Hamburg mit. Es ging am Samstag mit dem „Zehntel“ für rund 10 000 Kinder und Jugendliche los. Die sehenswerte Marathonexpo begann schon am Freitag neben der Startnummernausgabe, ihre Tore in der Messehalle zu öffnen.

Insgesamt sind es für eine Großveranstaltung kurze Wege, die sich bei den Messehallen um die Expo, die Kleiderabgabe, das Start und das Ziel sowie zum Schienennahverkehr ergeben. Integriert in die Veranstaltung sind einige Nebenwettbewerbe wie die Norddeutsche Polizeimeisterschaft.

Ja, in Hamburg läuft einiges zusammen, um das laufende Volk zu stimulieren. So hat der Hamburg Marathon seine Liebhaber und Traditionalisten, die immer wieder kommen. Die Anmeldung ist denn auch bereits geöffnet für die 38. Auflage des Frühjahrsklassikers am 28. April 2024. Dann heißt es wieder: „Run the blue line!“

 

Informationen: Haspa Marathon Hamburg
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