Wenn man schönes Wetter geniessen will, fliegt man in den sonnigen Süden und nicht in den hohen Norden.
Eigentlich wollte ich 2017 ja keinen flachen Strassenmarathon laufen. Aber Pläne sind eine Richtschnur und diese sollte man immer gemäss den aktuellen Begebenheiten justieren.
So lief ich in Zürich vor zwei Wochen für meinen Kollegen die 42.195km als Pacemaker auf drei Stunden mit einem 11km Schlusseffort in einer 2:51er Zeit und den Startplatz Ende Herbst für das Abenteuer in Frankfurt beim Mainova Marathon habe ich mir auch schon gesichert. Aufgrund der aktuell guten Form und der enormen Freude am Laufen entschloss ich mich zudem letzten Sonntag spontan zum Haspa Hamburg Marathon zu reisen. Fast 25’000 andere Athleten hatten selbiges Vorhaben. Schön ist es jedoch, dass ich solche Vorhaben kurzfristig in Angriff nehmen kann und nicht mehr jahrelange Aufbauarbeit betreiben muss und konsequent auf die bekannten 12-Wochen Pläne angewiesen bin.
Leider durchkreuzten die Wettervoraussagen und die überraschende Rückkehr des Winters meine Pläne. Wäre ich nicht extra nach Hamburg geflogen, hätte ich mir am Sonntag, dem 23. April 2017 das Rennen bei Regen, Schnee, viel Wind, Kälte und Hagelschauern (!) nicht angetan.
Bereits am Vortag beim lockeren Morgenlauf in der Hansestadt wurde mir bewusst, dass ich wohl kaum um die Traumzeit von 2:30:00 kämpfen kann, sondern fasste mir ein Herz und wollte einfach meine Bestzeit von 2:33:44 verbessern.
Ich nehme es vorweg, dies misslang mir ziemlich knapp. In 2:34:57 wurde ich Overall 51igster, 46igster Mann, 3ter Schweizer und Kategorien 14ter bei M35. Trotzdem bin ich nicht komplett unzufrieden oder enttäuscht. Unter diesen Begebenheiten lag nicht viel mehr drin.
Kurz vor neun Uhr fand ich mich im Startblock A hinter den Eliteläufern ein. Ich war wohl der einzige Starter in diesem Qualitätsbereich, der Kappe, Handschuhe, Stirnband und einen dicken Pullover trug. Dies zeigte aber klar meinen Respekt vor den äusseren Bedingungen und neben diesem vor der Gesamtdistanz. Entledigen kann man sich dem Ballast noch immer….
Aber dies war leider nicht eine Notwendigkeit. Eher hätte ich gerne zwischendurch eine frische & trockene Montur bezogen. Meine war es nicht mehr, jedoch nicht aufgrund der schweisstreibenden Anstrengung. Bereits nach zwei Kilometern entlud sich ein massiver Hagelschauer über dem Renngeschehen. Spätestens jetzt war jedem klar, was garstige nordische Bedingungen bedeuten. Nasse Klamotten sind eher unangenehm bei knapp vier Grad Celsius und einer steifen Meeresbrise, die einem durch Mark und Bein fegte. Wohl mancher Athlet befasste sich bereits jetzt damit, die neue Bestzeit bei einem Herbstmarathon zu avisieren und heute einfach nur gut durchzukommen.
Etwas ambitionierter ging ich mein Vorhaben schon an. Zwar lief ich keine exzellenten Kilometerzeiten, fühlte mich aber auf dem rutschigen und nicht immer flachen Terrain erstaunlich gut und lief sehr konstant. Trotz der Grösse des gesamten Anlasses ist die Leistungsdichte in diesem Bereich tief. Ich lief hinter den drei schnellsten Frauen, in einer Männergruppe fand ich keinen Unterschlupf. Gefolgschaften von einzelnen Konkurrenten über wenige Kilometer waren die Folge. Ich hatte viel Arbeit im Wind, respektive Gegenwind zu verrichten. Erst bei Kilometer 19, als ich meine Pace zum ersten Mal nicht mehr halten konnte, gelang es mir, mich bei der vierten Frau und Ihrem spanischen Pacemaker dranzuhängen. Schnell waren meine Kilometerzeiten bei leichtem Rückenwind wieder im Bereich von 3:30.
Nach vier Kilometer als Mitläufer musste ich mir eingestehen, dass die beiden Iberer zu schnell für mich waren. Zudem begannen meine Hamstrings zu zwicken. Die Kälte griff meine Muskulatur wie befürchtet an, auch wenn ich nicht fröstelte. Erschwerend war zu diesem Zeitpunkt auch der zweite Hagelangriff auf den bereits geschundenen Läuferkörper.
Nach 28 Kilometern entschleunigte ich erneut massiv, nicht freiwillig. Die Kraft verschwand aus meinen Schenkeln und Waden, jeder Schritt war eine Qual. Ernsthaft kämpfte ich mit der Versuchung, das Rennen an dieser Stelle zu beenden oder Tempo rauszunehmen und den Lauf anständig ins Ziel zu bringen, ohne dabei den Körper komplett ins Nirwana zu schiessen. Bei der Kilometertafel 30 wollte ich diesen Entschluss umsetzen. Zum Glück schoss kurz zuvor eine 6er Gefolgschaft an mir vorbei. Endlich war eine grössere Gruppe unterwegs. Erstaunlich schnell konnte ich ihr Tempo adaptieren und mich im Sextett einreihen. Ich verrichtete in der Folge sogar wieder etwas Führungsarbeit. Sicherlich auch ein Grund, weshalb die Gruppe zerfiel. Das nächste Opfer war jedoch ich. Bei Kilometer 35 gelang es mir nicht mehr, die aufgehende Lücke zu schliessen. Auch ein Energie-Gel verlieh mir nur ganz kurz neue Kräfte. Der Ofen war noch nicht aus, brannte aber auf Sparflamme. Energetisch lief ich auf dem letzten Zahn und entsprechend langsamer wurde ich. Dies ging auch anderen Läufern so und somit machte ich weitere zwei Plätze gut.
Die Füsse schmerzten, ich war leer und die Oberschenkel machten mit Krampferscheinungen auf sich aufmerksam. Ich versuchte nun einfach das Ziel gesund zu erreichen. Bei der erwähnten Kälte konnte mich auch das obligate Zielbier nicht erfreuen und motivieren. Ein knackiger Schlussanstieg zum Zielbereich bei den Messehallen gab mir endgültig den Rest. Unter jubelnden Zuschauermengen lief ich über den roten Teppich dem Zielband entgegen. Es ist vollbracht! Weder stolz noch enttäuscht reflektiere ich nun diese gut 2.5 Stunden. Flache Marathons werden nie meine Spezialität werden. Eine interessante Herausforderung sind sie aber auf jeden Fall. Und klar, irgendwann werde ich die 2:30:00er Marke erneut angreifen.
Zuerst widme ich mich aber mit dieser tollen Basis meinem Terrain: den Berg- und Trailläufen. Hier bin ich zu Hause und kann meine Fähigkeiten komplett ausspielen. Zuerst sollte ich mich aber wohl etwas erholen und bis dann ist hoffentlich auch der mildere Frühling zurück in unseren Gefilden….
(Klaus und Margot Duwe)