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Laufberichte

Kleiner Bruder der Marathon Majors

02.05.10

Mit dem Erfolgserlebnis des Bärenfels Trails und einer neuen Garnitur Laufkleider im Gepäck fahre ich am Samstagabend die wenigen Kilometer nach St. Wendel. Nicht im Gepäck habe ich die Unterlagen zum Globus Marathon St. Wendel; die sind zuhause liegengeblieben. In der Hoffnung, irgendwie die richtige Richtung zu erwischen, lasse ich mich vom Navi in die Innenstadt lotsen.  Mehrere Straßen sind schon gesperrt, Umleitungen signalisiert und zahlreiche Wegweiser und Ordner zu sehen. Von einem freundlichen Helfer bekomme ich den Hinweis, wie ich zum Saalbau finde, wo die Startunterlagen ausgegeben werden.

Ich komme gerade noch rechtzeitig, hole den Kleiderbeutel mit der Startnummer, dem Printmagazin von Marathon4you und verschiedenem Werbematerial, und erkundige mich an einem der Schalter, ob zu den rund 300 gemeldeten Marathonis noch Nachmelder dazugestoßen sind. Viele sind es noch nicht, doch gibt es auch am Sonntagmorgen noch die Möglichkeit zur Einschreibung.  Dafür, dass es keinen einsamen Lauf gibt, sorgen etwa 450 Teilnehmende, die sich in Viererteams an den Staffelmarathon wagen.  In einer zweiten Welle werden dann noch fast 1500 Leute den Halbmarathon in Angriff nehmen.

St. Wendel nennt sich Sportstadt und wirbt mit dem Slogan „In St. Wendel tut sich was“. In Kombination mit dem Sport trifft dies auf jeden Fall zu, davon zeugt auf dem Internetauftritt der Stadt die Liste vergangener und zukünftiger Sportanlässe mit teilweisem internationalem Schwergewicht. Wenn Hand in Hand gearbeitet wird, ist so etwas möglich. Im Falle des Marathons besonders hilfreich ist, dass die Ämter des OB und des OK-Verantwortlichen von Klaus Bouillon in Personalunion ausgeübt werden. Die Kreisstadt als Ausrichter des Marathons: Das ist noch mehr als Hand in Hand.

Schon am Vorabend ist in der Stadt spürbar, dass am Sonntag da die Post abgehen wird. Spürbar ist auch, dass ich ein paar Dutzend Trailkilometer in den Beinen habe. Es ist ein gemütlicher Samstagabend angesagt und dazu treffe ich mich mit Angela und René zum Nachtessen, so wie wir das kurz zuvor nach dem Bärenfels Trail abgemacht haben. Marathonmesse und Pasta Party  im Festzelt  in der Mott überlassen wir denen, die noch nicht bis auf die Zähne mit Laufausrüstungen bewaffnet sind und denen der Sinn nach mehr Trubel steht.

Genügend Schlaf kann zwischen zwei längeren Distanzen nichts schaden, deshalb mache ich mich rechtzeitig auf die Suche nach der Turnhalle, in welcher kostenlos übernachtet werden kann. Auf der Fahrt dorthin sehe ich die Ausschilderung zum Stellplatz für Wohnmobile, wähle die noch einfachere Möglichkeit  und stelle meine bescheidene rollende Unterkunft dort ab. Der Platzbelegung nach zu schließen – den  riesigen Platz belegen wir zu Zweit - kommt die Mehrheit der Teilnehmer aus der näheren Umgebung und reist erst am Wettkampftag an.

Für die Übernachter bietet das Restaurant neben dem Saalbau ein preiswertes Marathonfrühstück an, mit welchem ich mich für den zweiten langen Kanten innerhalb von 24 Stunden stärke, bevor ich die finale Kleiderentscheidung treffe und den Dom anvisiere. Dort stellen sich Kinder auf der Eingangstreppe zum Gruppenbild auf. Aufgeregt warten sie auf den Start des Kids-Marathons. Warten müssen sie aber noch länger als ich, da sie erst eine Viertelstunde nach dem Marathonstart auf ihre 2,195km lange Strecke geschickt werden. Alle Teilnehmenden werden dabei Sieger sein; es gibt keine Zeitnahme, für alle eine symbolische Startnummer mit der Nummer 1 und eine Medaille. Und natürlich die Stimmung und Anfeuerungen wie für die Großen.

Unweit des Doms, auf dem Schlossplatz, ist ein Gewusel. Die eigens aufgebauten Tribünen sind schon gut besetzt, die Cheer Leaders erhalten letzte Anweisungen und Luftballons des Titelsponsors werden im Starterfeld verteilt. Ob sich jeder Einzelne seiner Stärke entsprechend in den richtigen Startblock gestellt hat, ist mir egal. Erstens ist das Feld klein genug, zweitens der Platz auf der Straße von Beginn weg sehr generös, drittens gibt es Nettozeiten mit dem an der Startnummer befestigten Chip und viertens werde ich als Letzter die Startlinie überqueren, denn ich habe keine Erfahrung und deshalb auch keine Ahnung was am Tage nach einem solchen Effort am Bärenfels die Beine zu diesem neuen Vorhaben meinen werden.

Kurz vor 9.30 Uhr treffen die kenianischen Spitzenläufer ein und dann geht es los. Die Ballons entschweben in den überzogenen Morgenhimmel und das Feld enteilt auf die erste der beiden Runden. Die Stimmung auf beiden Seiten der Absperrgitter ist grandios. Die Atmosphäre kann sich mit der eines ausgewachsenen Citymarathons messen, dafür sorgen die vielen Zuschauer und die zahlreichen Musiker. Insgesamt 35 Formationen sind entlang der Strecke postiert, teilweise so nah beieinander, dass die Klänge sanft überblendet werden. Klar, höre ich nur einen kleinen Teil des jeweiligen Repertoires, das Niveau ist aber durchwegs gut, darunter sind sogar ein paar sehr beachtliche Tonfragmente, die mir zu Ohren kommen. Und noch etwas: Alte können nicht nur gut laufen, Alte können auch gut rocken…

Die erste kurze Wendestrecke in ein Industriegebiet hinein gibt schon bald die Gelegenheit, das Geschehen an der Spitze zu verfolgen. Es ist schon beeindruckend, wie groß der Vorsprung der Schnellen zu mir bereits ist. Dabei schließe ich doch gerade zu den Zugläufern für 4:15 auf.
Es geht nachher links ab in südliche Richtung und nach etwas vier Kilometern ist die B41 erreicht. Bereits jetzt muss ich feststellen, dass meine Definition von flacher Strecke – so wie in der Ausschreibung angekündigt - eine andere ist. Natürlich darf ich nicht vergessen, dass nach dem gestrigen Tag jede noch so leichte Steigung sich im Laufapparat überproportional bemerkbar macht. Ich mache heute eine neue Erfahrung und bin gespannt auf die weitere Entwicklung meines Erlebens.

Nach  fünf Kilometern kommt die bestens ausgestattete  und organisierte Verpflegungsstation. Da mir isotonisches Getränk vermutlich reicht, um über die Runden zu kommen, schaue ich gar nicht so genau, was alles angeboten wird. Bewusst wahr nehme ich Wasser, Iso, Cola, Bananen, Wassermelonen und kleine Becher mit Nüssen; die Stände sind beschriftet und alles ist akkurat präsentiert oder wird von unzähligen helfenden Händen direkt gereicht.

Die B41 an sich ist läuferisch gesehen keine Ausnahmeerscheinung unter den Marathonstrecken. Was den Unterschied zu einem stumpfen Abspulen von Kilometern ausmacht, sind die musikalischen Unterstützer und die Festlichkeiten im Bereich der Wechselzone für die Staffel. Und dass es eine Wendestrecke ist. Einen Monat nach Ostern bin ich dabei, statt Ostereiern die Gegenseite nach bekannten Gesichtern abzusuchen und werde dabei fündig.

Die südliche Wende ist nach Niederlinxweiler bei knapp zehn Kilometern und gibt mir Gelegenheit zu sehen, wo im Feld ich zwischen dem Zugläufer für 4 Stunden und 3:45 liege. Ich stelle fest, dass der Abstand gegen vorne noch deutlich größer ist als gegen hinten und nehme mir vor, mein Tempo so lang wie möglich zu halten.  Dadurch, dass die Straße nicht pfeilgerade und die Dichte an Bands so hoch ist, dauert es gefühlsmäßig nicht allzu lange und der Verpflegungsposten kommt in Sichtweite. Von dort ist es nicht mehr weit zum Kreisverkehr, über den die Strecke zurück zum Zentrum geht.

Von hier an sind die Abschnitte nur kurz, an welchen keine Zuschauer stehen. Deren Dichte wird noch größer, je mehr wir uns dem Bahnhof nähern. Hier ziehe ich an der Gruppe um den Zugläufer für 3:45 vorbei und mache mich auf die dritte und nördliche Wendestrecke, auf welcher mir kurz nacheinander bemalte, fensterlose Giebelseiten von Häusern auffallen. Welche Bewandtnis es mit dieser Kunstform hat, entzieht sich meiner Kenntnis und deshalb freue ich mich einfach an deren Anblick.

Auf der dritten Wendestrecke bin ich zwei zackige Kurven und einen Verpflegungsposten später hinauf nach Urweiler unterwegs. Hinauf ist nicht nur im Sinne einer Karte mit gewohnter nördlicher Ausrichtung zu verstehen. Die paar Höhenmeter machen sich in meinen Beinen ziemlich deutlich bemerkbar. Für Ablenkung davon ist aber durch die Zuschauer, die Bands und die entgegenkommenden Läufer gesorgt.  Unter ihnen ist auch Günni, einer der Glücklichen, der einen der wenigen Startplätze für den Muttenz Marathon erhalten hatte, den wir beide das Wochenende zuvor bestritten haben.

Auf dem Rückweg zum Bahnhof sehe ich, wie der Himmel im Westen der schüchternen Sonne in einem bedrohlichen Schwarz den Kampf ansagt. Angesagt werde auch ich an dieser Stelle und dem Publikum mit Name und Wohnort bekannt gemacht. Und kämpfen muss ich noch nicht. Gut, bei Kilometer 21 fühlen sich die Beine lockerer an, wenn ich ausgeruht antrete, doch ich bin selbst ganz erstaunt, dass ich das Tempo offensichtlich halten kann.

Den Beweis habe ich auf der kurzen Begegnungsstrecke gleich auf der zweiten Runde. Es macht den Anschein, dass ich in der Zwischenzeit näher an Günni herangekommen bin. Zu diesem Zeitpunkt ist das Feld in meiner weiteren Umgebung nicht mehr sehr dicht.  Dafür der Himmel umso mehr. Mit Wolken, die ihrerseits nicht mehr dicht bleiben. Nach dem fernen Donnergrollen fallen erste Tropfen, zuerst ein paar wenige, richtig dicke Brummer, dann legt heftiger Regen los. Es dauert nicht lange, dann ist die Straße gewaschen und mit Pfützen übersät, dafür ist auch wieder belebter. In der Zwischenzeit habe ich den Schluss des Halbmarathonfeldes eingeholt. Dass wieder mehr Läufer die Strecke bevölkern und ich an ihnen vorbeiziehen kann, gibt mir das Gefühl, dass ich den Umständen entsprechend ganz gut in Form bin.

Beim südlichen Wendepunkt sind wird der dritte Zehner voll und bin ich ganz nah an Günni dran. Noch ein, zwei Kilometer und ich kann ihn endlich richtig grüßen. Zusammen ziehen wir weiter an unzähligen Halbmarathonis vorbei. Immer wieder treffen wir auf kleine Gruppen in hellblauen Shirts mit dem Aufdruck „Von 0 auf 21“, einer Laufinitiative aus dem Saarland. Ich freue mich mit ihnen, dass sie dieses Projekt durchgezogen haben und ihm heute die Krone aufsetzen – und freue mich natürlich auch, als mir von hinten zugerufen wird: „Auf marathon4you gehe ich regelmäßig – ist ‘ne tolle Seite“. Da kann ich nicht anders und zücke die Kamera für ein Erinnerungsbild, obwohl ich sie sonst tunlichst vor dem Regen zu schützen versuche.

Dieser legt sich zum Glück wieder; was übrig bleibt sind Pfützen und nasse Klamotten.  Das Kilometerschild beim Busbahnhof zeigt, dass es nur noch sechs Kilometer bis zum Ziel sind. Mit der Uhr überprüfe ich das Gefühl, welches mir sagt, dass ich sogar auf Kurs für eine Zeit unter 3:40 bin, eine Riesenüberraschung in Anbetracht der Voraussetzungen. Jetzt kann mich nichts mehr halten. Fast nichts, um genau zu sein. Beim Verpflegungsposten auf der Nordschleife lege ich beim Hin- und beim Rückweg eine kurze Gehpause ein, um mir mit Cola den letzten Kick zu geben. Mit diesem im System strebe ich an der Musik und der Zuschauerkulisse vorbei in Richtung Ziel.  Die Bahnhofstraße hinunter zum Schlossplatz, zwischen den Tribünen unter dem Bogen  mit der Uhr durch, und ich stehe im Ziel, wo mir der Leihchip von der Startnummer genommen und mir die Medaille umgehängt wird. Günni ist auch da. Heute ist er nicht einer der Glücklichen, heute ist er der Glückliche. Strahlend freut er sich über die geschaffte Qualifikationszeit für den Boston-Marathon.

Beim Zieleinlauf gehen die „echten“ Marathonis in der Masse der ankommenden Teamläufer und Halbmarathonis ein wenig unter, dafür bekommen sie, wie auch die Staffelläufer, die Halbmarathonis und die Kinder, unterschiedliche Medaillen. Die Farbe zeigt den dem Marathon zugemessenen Stellenwert an: Golden glitzert das Metall auf der Brust der Marathonis, es funkelt nachgerade, denn zu diesem Zeitpunkt zeigt sich die Sonne so, wie noch nie an diesem Tag. Ich bin froh, dass sie mir meinen nassen Pelz wärmt, während ich mich an Früchten, Radler und Schokoladebrötchen gütlich tue. Allerdings herrscht im Verpflegungsbereich ein ziemliches Gedränge, weshalb ich mir den Schmaus im „Drive In“-Stil einverleibe, bevor ich mich auf den Weg zur Sporthalle mache, wo der Globus Marathon in St. Wendel den letzten Testpunkt besteht: Das Wasser der Dusche ist angenehm warm.

Wieso nehmen Leute wie Richard, ein anderer Schweizer, den ich unterwegs getroffen habe und der sich am Marathon in St. Wendel bereits Stammgast nennen kann, die lange Reise hierher auf sich, wo es doch landauf, landab Marathonveranstaltungen gibt?

Der Globus Marathon ist bestens organisiert und bietet alles, was man an den Marathon Majors auch geboten bekommt. Alles einfach eine Nummer kleiner (besonders das Startgeld)  – nicht aber die Atmosphäre und Stimmung. Wer hier Streckenrekord laufen will, muss sich übrigens sputen. Seit heute steht der nämlich bei 2:11.30, 7! Noch Fragen?

Marathonsieger

Männer

1. Ndungu Gikuni Geoffrey, 1984, KEN-Naivasha      2:11.30,7
2. Chelimo Timothy, 1984, KEN-Kenia                2:14.05,0
3. Hooß Jörg, 1964, Ottweiler                      2:41.44,8

Frauen

1. Biwott Salome, 1982, KEN-Kenia                  2:50.47,0
2. Alaimo Kerstin, 1974, St. Wendel                2:53.55,1
3. Vogler Katrin, 1972, Leinfelden-Echterdingen    2:58.30,5

 

Informationen: St. Wendel Marathon
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