Kurz vor der HM-Marke intoniert eine große Gruppe Blechbläser den Gassenhauer „Rosamunde“. Dann kommt die Abzweigung für die Halbmarathonis. Perfekt beschildert und mit mehreren Einweisern versehen. Da kann keiner falsch laufen. Auch Marathonläufer, die abbrechen und wenigstens in der HM-Wertung berücksichtigt werden möchten, können hier Richtung Ziel abbiegen.
Bei KM 21 die erste Wechselstelle der Staffeln. Auffallend viele Marathonis sind noch unterwegs. Trotzdem kann man jetzt die vielen Tanzgruppen besser sehen. Es besteht für Halbmarathonis auch die Möglichkeit, die zweiten 21,1 km der Gesamtstrecke zu laufen. Dazu gibt es ab 11:30 Uhr einen separaten Start in kleinen Gruppen. Das belebt die Strecke, die wegen des Alb-Hochwassers leicht geändert werden musste. Wer sich für die Historie und die ehemaligen Streckenführungen interessiert, kann sich eine schöne Broschüre auf der Internetseite des Baden-Marathons herunterladen. Dort erfährt man auch, dass der erste Marathon für eine Großübung der Rettungsdienste veranstaltet wurde.
Von der nächsten Überführung aus kann ich die Ballons der 4:00-Stunden-Pacemaker erkennen. Die holen wir nicht mehr ein. Dafür wird’s jetzt im Tanzprogramm chinesisch: Ein Drache kommt auf uns zu. Der Läufer hinter mir wird von ihm „angefallen“ und findet das überhaupt nicht lustig.
Hinter dem weltgrößten Michelin-Reifen am Straßenrand überhole ich ein Auto und klatsche den jungen Zuschauer durchs Rücksitzfenster ab. Der ist begeistert.
Und endlich wieder eine Verpflegungsstelle. Wie immer hier bestens ausgeschildert und groß genug. Meistens muss man gar nicht an die Tische, da die freundlichen Helfer/innen einen im Vorbeilaufen mit gefüllten Bechern und Bananenstücken versorgen. Toilettenhäuschen sind auch immer vorhanden.
Außer einem schönen alten Hallenbad, dem Vierordtbad, hat Karlsruhe noch eine andere Besonderheit unter seinen vielen Bädern zu bieten: Das Sonnenbad befindet sich in der Industriezone am Rheinhafen (den man leider nicht sieht) neben einem Kraftwerk. Die Abwärme wird zum Beheizen genutzt, was von Februar bis Dezember einen Freibadebetrieb zu maßvollen Preisen ermöglicht. Die Sonne glitzert im Blau des Wassers, in dem viele Schwimmer ihre Bahnen ziehen. Denn statt des angekündigten Dauerregens herrscht inzwischen eitel Sonnenschein.
Wir durchlaufen die Weststadt und treffen bei km 30 auf den alten Flugplatz.1909 wurde auf diesem ehemaligen Exerzierplatz ein Ankerplatz für Zeppeline eingerichtet, ab 1925 fand von hier aus ein regelmäßiger innerdeutscher ziviler Flugbetrieb statt. Nach militärischer Nutzung im Dritten Reich fiel der Flugplatz an die US-Amerikaner, die ihn 1993 der Stadt Karlsruhe übergaben. Heute dient das zum Naturschutzgebiet erklärte Areal der Erholung. Man sieht einige Läufer ihre Runden drehen.
An Hochschulgebäuden vorbei geht es Richtung Schloss. Von dessen Mittelpunkt weisen die Wege sonnenstrahlen- oder fächergleich in alle Himmelsrichtungen, sodass man von vielen Stellen der Stadt aus den Turm des Schlosses sehen kann. Wegen dieser Anordnung wird Karlsruhe auch als „Fächerstadt“ bezeichnet. Hinter der Kunsthalle mit einem Läufer als Windfahne auf dem Dach kommen wir zum Tagungsgebäude des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1969. Bestens bekannt aus den Nachrichtensendungen im Fernsehen.
Unter dem strengen Blick des als Statue verewigten Großherzogs Karl-Friedrich laufen wir direkt auf das Schloss zu. Der Großherzog hält ein Dokument vom 23. Juli 1783 in Händen, das die Aufhebung der Leibeigenschaft in Baden besiegelt. Sechs Jahre zuvor hatte er auch die Tortur abgeschafft – für einen Marathonläufer bei km 33 kaum nachvollziehbar.
Schnellere Läufer kommen uns schon wieder entgegen. Vorplatz und Schloss sind frisch renoviert. An den Seitenflügeln wird noch gearbeitet. Die Wiesen davor nutzen junge Leute zum Entspannen – da würde manch einer gern tauschen. Einfach nicht hinsehen und weiterlaufen. Hinter dem Schloss wird portugiesisch getanzt. Manchmal sind Gleise einer Parkeisenbahn zu queren.
Und dann kommen die beiden im Streckenplan angekündigten Querungsstellen der KSC-Fans auf dem Weg zum Wildparkstadion. Auf der Heimfahrt werden wir im SWR hören, dass der Karlsruher SC gegen Nürnberg 3:0 gewonnen hat. Hinter Ulm wird es beim BR heißen: „Nürnberg hat gegen den KSC verloren“.
Bei den beiden Teehäusern verliere ich jetzt den Anschluss an Judith. Die hält mal wieder ihr Tempo konstant durch, während ich zu kämpfen beginne. Bei Kilometer 35 dann die letzte Staffelwechselstelle. Keine Frage, die frischen, unverbrauchten Läufer, die ab hier die letzten sieben Kilometer bestreiten, werden mich zügig überholen.
Es geht durch die Innenstadt. In der Kaiserstraße gibt es eine Trambahnschleuse: Die Läuferinnen müssen mal links und mal rechts an den Trambahnen vorbei. Dahinter kann man wieder mal einigen orientalischen Tänzerinnen auf den Bauch schauen. Oder auf den Rücken. Ich glaube, 70% aller Tanzgruppen haben genau dann ihre Drehung gemacht, als ich auf den Kamera-Auslöser drückte.
Wir kommen an der schönen St.-Stephans-Kirche aus dem Jahre 1814 vorbei, errichtet im Stil des römischen Pantheons. Am Staatlichen Museum für Naturkunde stehen nicht nur einige schräge Vögel (als Skulptur) und die Banater Schwaben (als Tanzgruppe), sondern auch viele Marathon-Engel und -Teufelchen. Hier haben Läufer die Möglichkeit, sich von „ihrem“ Engel auf den letzten fünf Kilometern bis ins Ziel begleiten zu lassen. Auf mich wartet leider niemand, sodass ich mich auf frische Energie aus meinem Geltütchen verlassen muss. Eine große Menge Schaulustiger versperrt die Sicht auf „Doros Dance Stage“ mit ihren Hip-Hoppern. Trotzdem vergessen einige Zuschauer auch uns Läufer nicht. Der Name auf der Startnummer macht persönliches Anfeuern möglich.
Wir laufen durch Straßen mit vielen Geschäften und Lokalen. Mir als Auswärtigem fallen die Umleitungen wegen der diversen Tunnelbauten nicht weiter auf. Bei den Einheimischen sind die vielen Baustellen aber durchaus ein Thema, das sogar auf der diesjährigen Marathonmedaille dokumentiert ist – in Gestalt eines Bauarbeiters bei der Pyramide, unter der sich die Gruft des Stadtgründers befindet.
Noch zwei Kilometer durch die Südweststadt, wieder so am Rand entlang. Ein etwas längerer Verbleib im klassischen Stadtgebiet hätte mir besser gefallen. In der Unterführung Ebertstraße wird’s rockig. Das sorgt noch einmal für Stimmung, wenn auch unmittelbar danach wieder ein Anstieg folgt. Kurz vor dem Ziel sind wir wieder auf der schon bekannten Strecke. Den Guggemusikern mache ich Mut, nicht aufzugeben, denn es kommen noch einige Läufer. An der Trennung halten wir uns diesmal rechts in Richtung Ziel, am Europabad vorbei, mit Blick auf das Außenbecken, in dessen warmem Wasser schon einige Marathonis entspannen.
Die letzten Meter ziehen sich noch mal gewaltig. Die Zielanimation ist super, vor allem die schrägen Sprüche von Moderator Georg Schweitzer (Leitspruch: “No Schorsch, no fun“). Ein Zuschauer bekommt einen Pokal, weil er schon so lange anfeuert. Kurze Zeit später muss er die Trophäe aber wieder rausrücken – ist ja schließlich ein Wanderpokal.
Auch für die Tanzgruppen bedeutet der Auftritt im Stadion den Endspurt. Hier werden die Siegerteams gekürt.
Das Ziel im Stadion bietet den „Runner´s Heaven“ der Verpflegung: Alles, was das Herz begehrt: Getränke in Hülle und Fülle, Obst und Suppe. Das alkoholfreie Bier heißt hier wirklich „bleifrei“. Besonders gut schmeckt das Laugengebäck mit den Käsewürfeln.
Ca. 50 Duschen für die Herren gibt es in zwei Dusch-Trucks mit unterschiedlichen Brauseköpfen von Hansgrohe zum Ausprobieren und natürlich warmem Wasser. Für die Damen stehen schöne Duschen in der Europahalle zur Verfügung – was will man mehr.
Und wieder einmal zeigt sich, dass nicht jeder Wetterbericht stimmt. In diesem Fall: Was für ein Glück!
Schöner Stadtmarathon mit Grünanteil - Sehr gut organisiert - Preisgünstig, diese Jahr inkl. Funktionsshirt und Zugangscode zu den Badischen Neuesten Nachrichten -
Freie Fahrt mit Bus und Tram am Veranstaltungswochenende - Ermäßigte Maultaschenparty - Über vierzig Tanz- und Musikgruppen - Ausreichend Zuschauer an der Strecke - Nach meiner Zählung 13 Brücken und Unterführungen, die in die Beine gehen, ansonsten flacher Kurs - Altersklassenwertung mit Prämien für die jeweils drei Erstplatzierten - Neben dem Marathon unterschiedliche Wettbewerbe und Wertungen, u.a. Halbmarathon, Dreier-Teamwertung, Dreier-Staffel, Walking, Genuss- und Kinderläufe am Vortag, Spendenläufe der sozialen Aktion „Laufen mit Herz“
Männer
1 Kabede, Dawit (ETH) 02:27:09
2 Kipkorir, Bernard (KEN) 02:27:25
3 Santruschek, Jens Kinostar Bretten 02:41:20
Frauen
1 Bischoff, Natascha (DEU) EnBW AG 03:21:28
2 Schulz, Hannah (DEU) SV Kirchzarten 03:25:59
3 Augsten, Karin (DEU) Tri-Team SSV Ettlingen 03:26:03
973 Finisher