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Laufberichte

Alles richtig gemacht?

18.10.09

Eine weitere rechtwinklige Kurve und einen Passerelle mit Spiralaufgang später sind wir wieder auf der anderen Seite der L1100 und kommen wenig später wieder zur Sporthalle. Die Jungs rocken immer noch was das Zeug hält und mein eigener Rhythmus hat mich wieder zu Martina aufschließen lassen. Auf bekannter Strecke geht es zurück nach Sauserhof, an den Trommlern und unter dem Baldachin des Sponsors hindurch, und weiter an den Ort zurück, woher wir kommen.  Martinas Betreuer, ihr Mann, ist an der Strecke und sorgt für individuelle Verpflegung. 

Südschleife

Wieder bei der Bottwartal-Kellerei, trennt sich der Spreu vom Weizen. Oder habe ich da jetzt was Falsches gesagt? Sagen wir es so: um uns herum ist es plötzlich sehr ruhig und leer auf der Piste. Nach einem Abstecher zum historischen Rathaus geht es in südlicher Richtung aus der Stadt hinaus. Auf dem Feld draußen beginnt die Begegnungsstrecke, die Abwechslung bringt. Die Halbmarathonis der Südschleife, eine halbe Stunde nach uns gestartet, sind zielstrebig auf dem Rückweg nach Großbottwar. 

Auch zielstrebig aber noch schneller unterwegs ist der Führende des Marathons, der uns eingangs Kleinbottwar entgegenkommt. Einen Musiker, einen Triumphbogen und ein Fachwerk-Rathaus später sind wir schon wieder außerhalb des Siedlungsgebietes. Ich habe den geografischen Überblick nur noch bedingt und frage Martina, ob das Flüsschen neben der Straße die Bottwar sei. Ganz so sicher ist sie sich auch nicht. Dafür habe ich volles Verständnis, denn es gibt noch Wichtigeres beim ersten Marathon als detaillierte Kenntnisse in lokaler Erdkunde. Keinen Zweifel gibt es darüber, dass die erste Frau des Feldes soeben auf der anderen Straßenseite an uns vorbeigerauscht ist.

In schöner Gleichmäßigkeit zieht ein Kilometer nach dem anderen an uns vorbei. Zugläufer ist Martina, sie bestimmt das Tempo, und ich bemühe mich, dass ich mir beim Fotografieren keinen großen Abstand einhandle, weil sie sonst verlangsamt, um auf mich zu warten.  An weiterer schöner Bausubstanz (wer unter anderem auf ein Fachwerk-Rathaus tippt, hat richtig geraten!) und an Stimmungsnestern vorbei durchqueren wir Steinheim. Die Stadt har ihren- zumindest in Fachkreisen weltweiten  - Bekanntheitsgrad einer jungen Frau zu verdanken, deren Schädel im Jahre 1933 in einer Kies- und Sandgrube entdeckt wurde. Mit einem geschätzten Alter von 300.000 Jahren ist der Homo Steinheimensis der drittälteste Menschenfund in Deutschland. Der Homo Marathonensis Steineri fühlt sich zum Glück nicht so alt und kann deshalb regelmäßig weiterlaufen. Der Besuch des Urmensch-Museums muss ein anderes Mal stattfinden.

Die Murr und der Blick auf den Turm der Peterskirche kündigen die nächste Ortschaft an, Murr. Auch hier sind immer wieder Zuschauer an der Strecke und feiern mit. Mir ist auch zum Feiern zumute, weil ich erstmals zu einer Cola komme. Bis hierher lief ich vorwiegend mit Wasser, abgesehen von einer homöopathischen Dosis Iso. Ich will auch heute kein Risiko eingehen und überlasse die mit Iso ummantelten Kohlesäureblasen den gastrointestinal robusteren Läufern.

Nach den zahlreichen bisherigen Richtungsänderung sind die von zwei rechtwinkligen Abzweigungen unterbrochenen Geraden auf den nächsten Kilometern übers offene Feld geradezu gewöhnungsbedürftig. Mittlerweile schießen wir immer wieder auf zu anderen Teilnehmern, teils sind es Staffelläufer, teils Einzelkämpfer, welche langsamer geworden sind.

Zurück in Murr, werden wir von einer Guggenmusik begrüßt, wenig später, auf dem Dorfplatz machen das der Moderator und die Zuschauer, die sich vor und nach dem Triumphbogen eingefunden haben.

In einem Schaukasten wird Wellness angeboten und die Frage gestellt, ob ich reif für die Insel sei? Wie bitte? Ich bin doch auf meiner Wellness-Insel. Hic et nunc. Sie ist zwar nur 42 Kilometer lang. Ich bleibe trotzdem stehen, denn die Gestaltung ist im Stil des Meisters, wie er in Wien genannt wurde, Friedensreich Hundertwasser gehalten. Diese unerwartete Entdeckung muss ich auf den Chip bannen.

Wir verlassen Murr und überqueren auf dem Floßhaussteg, einer gedeckten Holzbrücke die Murr. Von hier aus kann ich noch ein Relikt aus alten Schmalspurbahn-Tagen fotografieren, die Eisenbahnbrücke der Bottwartalbahn. In dem Jahr, in welchem sie auch für den Güterverkehr den Betrieb einstellte, durften weiter südlich, im Schwarzwald, weltweit erstmals Frauen an einem Marathon teilnehmen.

Martina und ich staunen, wie schnell ein Kilometerschild dem anderen folgt. Es sind nur noch acht Kilometer bis zum Ziel. Nur noch –für uns. Dem Laufstil und dem Gesichtsausdruck anderer nach zu schließen, die wir überholen, sehen das im Moment nicht alle so. Wir sind nur geringfügig langsamer geworden und ich bin überzeugt, dass die Befürchtung Martinas, es könnte noch ein Einbruch kommen, umsonst ist.

Ein Läufer prescht heran und reagiert auf meinen erstaunten Blick nach hinten mit der Entwarnung, dass er zu einer Staffel gehöre. Viel Glück dann!
Bei Kilometer 35 ist in einer Kurve mit Wechselzone, Musik, Verpflegung und Zuschauern viel los.

Martinas Mann ist erneut mit dem Fahrrad an der Strecke und fiebert mit. „Hoffentlich verleite ich seine Frau nicht zu einem falschen, weil zu schnellen oder zu langsamen, Tempo“, denke ich, „ ich, der ich keine Ahnung von Trainingsplänen habe, möchte nicht einen Monate langen Aufbau in den Sand setzen.“

Hinein nach Steinheim, und wir sind wieder auf der Begegnungsstrecke. Ein paar tapfere Kämpfer sind zu sehen, die noch ein Drittel der Strecke vor sich haben. Ihnen auf den Fersen sind die Kampfwanderer mit und ohne Blitzableiter. Man glaubt es kaum, aber einigen ist es egal, dass sie uns als Gegenverkehr haben, und sie bleiben mehr oder weniger unbeirrt nebeneinander. 

In Kleinbottwar wartet ein Kumpel auf Martina, um sie auf den letzten Kilometern zu begleiten. Seinen Beinen ist die schnelle Zeit nicht anzumerken, die er zuvor im Halbmarathon realisiert hat.

Vor dem letzten Stück übers Land überholen wir noch zwei Neandertaler, der eine mit einem Bollerwagen-Mammut im Schlepptau. Nachher kommt uns der blumengeschmückte Besenwagen entgegen. Hier Platz zu nehmen ist sicher in keinem Marathonplan vorgesehen, Platz nehmen zu müssen, wird dem Ärmsten aber gehörig erleichtert. Außer an der eigenen Hochzeit sitzt kaum jemand jemals in einem solchen Gefährt.

Kurz vor Großbottwar steht die Kilometertafel 40. Wir sind geringfügig langsamer geworden, doch die Wunschzeit wird Martina problemlos erreichen, insgeheim hoffe ich, dass sie ihre tolle Leistung sogar mit einer Zeit unter 3:50 krönen kann. Mit zwei Absichten ziehe ich auf dem letzten Kilometer das Tempo an. Erstens soll Martina in meinem Sog ins Ziel kommen, zweitens will ich ihren Zieleinlauf mit einem Bild verewigen.

Ich freue mich mindestens so wie sie, dass sie in 3:49 und ein paar Zerquetschten die Linie überquert und dabei normal atmen und sprechen kann.  Sie hat ihre Sache richtig gemacht und die für diesen Anlass geprägte Medaille mehr als verdient!

Auch von mir gibt es ein Bild im Ziel. Verantwortlich dafür ist Anton, der schon seit dreiviertel Stunden hier ist. Meine Güte, hat der Gas gegeben. Im Klassement der Deutschen Feuerwehrmeisterschaften belegt er damit den fünften Gesamtrang, in seiner Altersklasse ist er zuoberst auf dem Treppchen. Der hat seine Sache richtig gemacht!

Im Keller der Kellerei gibt es wohlverdiente Zielverpflegung. Ein Salzbrezel, ein Alkoholfreies und nachher noch ein warmes Getränk sind für mich gerade das Richtige, ich könnte aber auch Brot, Früchte und Flüssigkeitszufuhr in zahlreichen anderen Varianten haben. Da haben die Veranstalter alles richtig gemacht, was mich in Sachen Streckenverpflegung wieder versöhnt. Es gibt diesbezüglich noch Verbesserungspotential. Im Vorfeld waren mir die Angaben zu vage; unterwegs dürften sich die Verpflegungsposten gerne an der Übersichtlichkeit und dem einheitlichen Aufbau orientieren, die ich vergangene Woche in Bräunlingen so gelobt habe.

Auch wenn sich in der Zwischenzeit sogar die Sonne hinter den Wolken hervorwagt, bin ich froh, dass ich meine Tasche gleich erhalte und mir etwas Warmes überziehen kann. Bis zum Parkplatz habe ich zwar nicht weit, von wo ich nach Oberstenfeld zurück zur Sporthalle fahre und Garderobe und warme Dusche für mich allein zur Verfügung habe.

Die Heimfahrt trete ich bei strahlendem Sonnenschein an und bekomme so ein paar der Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke aus einem anderen Blickwinkel und mit anderen Nuancen zu Gesicht. Es war der richtige Entscheid, trotz der miesen Wetteraussichten ins Bottwartal zu kommen. Alles richtig zu machen, ist ein sehr hoher Anspruch. Aber heute haben die Meisten das Meiste richtig gemacht und das hat mir und vielen anderen einen Tag beschert, an den wir uns gerne erinnern.

Marathonsieger

Männer

1 Kosgei, Titus Kipchumba (KEN)  SSV Ulm 1846 02:29:11 
2 Diehl, Marco (DEU)  Bottwartal-Kellerei Team 02:34:30 
3 Müller, Kay-Uwe (DEU)  TSV Ilshofen 02:36:03

Frauen

1 Kipchonge, Pamela Jemeli (KEN)  TherapieReha Siegele 02:42:18 
2 Vogler, Katrin (DEU)  Lauftreff Echterdingen 03:02:58 
3 Benning, Nicole (DEU)  EK Schwaikheim 03:15:22

 

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Informationen: Bottwartal-Marathon
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