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Laufberichte

Heute ist nicht mein Tag

 

Kennt Ihr das? Ihr lauft los und wisst schon nach einem Kilometer, dass das heute nichts wird. Die einschlägige Laufliteratur rät in so einem Fall, das Training abzubrechen und es an einem anderen Tag erneut zu versuchen. Dumm nur, wenn das beim Bottwartal-Marathon passiert, wo ich am Ende der Saison nochmal volle Pulle laufen wollte. Aber erst mal der Reihe nach:

Der Bottwartal-Marathon ist ja quasi unser Homerun. Letztes Jahr wurde, Corona geschuldet, der Marathon ins Gelände verlegt. Es ging ganz schön auf und ab. Dieses Jahr werden wieder 42 Kilometer auf Asphalt nahezu flach gelaufen. Der Halbmarathon ist mit über 1000 Teilnehmern nach wie vor der am stärksten frequentierte Lauf. Es gibt neben dem Marathon zahlreiche weitere Wettbewerbe, so auch den schönen Urmensch Ultra.

Nach Tagen ergiebiger Regenfälle und kühlen Temperaturen sieht der Wetterbericht für Sonntag vielversprechend aus: 14 bis 24 °C mit Sonne am Nachmittag sind avisiert. Die Startnummernausgabe befindet sich, anders als früher, in der Turnhalle der Blankensteinschule in Steinheim. Die Helfer sind freundlich und motiviert, schnell bekommen wir unsere Startnummern.

Nach dem Toilettengang machen wir uns auf den Weg zum Steppi-Kreisel. Dabei handelt es sich um das Wahrzeichen von Steinheim, einer metallener Nachbildung des Skeletts eines Steppenelefanten. Das Original wurde in der Nähe entdeckt, ausgegraben, und steht im Steinheimer Urmenschmuseum.

Der beeindruckende Eisensteppi wohnt nun seit ein paar Jahren mitten auf dem Kreisverkehr beim alten Bahnhof von Steinheim. Dieser und der Bereich drum herum ist für den Verkehr gesperrt. Nicht einer, sondern gleich 2 Startbögen signalisieren ein größeres Sportspektakel. Ob das aufgeblasene Erdinger Glas neben Steppi und der hohen Showbühne wirklich sein muss, sei mal dahingestellt. Dem Sponsor sei es gegönnt. Wichtiger für die Sportler ist das Zelt für die Zielverpflegung, das etwas nach hinten versetzt ist.

 

 

Viele unserer Bekannten sind da, alles Bottwartal-Wiederholungstäter. Wie im letzten Jahr kann man eine Tasche abgeben, Dixies stehen bereit. 15 Minuten vor dem Start ruft Achim Seiter, der Moderator der Veranstaltung, die Läufer zum Kreisverkehr. Nach organisatorischen Hinweisen ist die Bühne frei für den Pfarrer von Steinheim. Andächtig lauschen die Läufer den emotionalen Worten des Seelsorgers.

Dann wird es spannend. Die Läufer versammeln sich vor dem roten Starttor. Mit einem lauten Knall um Punkt 9 Uhr 30 geht es los. Wir laufen die schmale Bahnhofstraße zwischen Gepäckabgabe und Zielverpflegung entlang. Nach ein paar hundert Metern geht es scharf rechts und wieder rechts, parallel auf der Murrer Straße zurück. Noch ein paar Schritte und wir finden uns erneut beim Steppi wieder. Viele Zuschauer feuern uns frenetisch an und auch der Sprecher gibt sein Bestes.

Es geht nun durch das blaue Tor auf die Ludwigsburger Straße bis zum Kirchplatz und vor dem Rathaus mit dem schön restaurierten Fachwerk. Eine steinerne Brücke führt uns über die Mur  und auf den Marbacher Weg. Hinter km 2 liegt plötzlich eine weite Wiesenfläche vor uns. Die bunten Shirts der Läuferschlange harmonieren vortrefflich mit den herbstlichen Farben der Natur. Irgendwo hier rechts hinter Bäumen fliest die Bottwar in die Murr.

 

 

Am Sportgelände von Murr, so heißt der kleine Ort, überqueren wir erneut das gleichnamige Flüsschen und bewegen uns im Zickzack durch kleine Gässchen. Hinter km 3 erreichen wir die Felder. Es geht an der letzten Häuserreihe entlang. Einige Anwohner stehen hier und feuern uns an.

Vor mir läuft der Pacer für Zielzeit 4:45 mit Marathon Neuling Pia. Pia kommt aus Murr, so dass sich an jeder Ecke Bekannte oder Verwandte platziert haben, um sie gebührend zu motivieren.

Bei km 5 sind wir zurück im Wohngebiet von Murr. Mitten auf dem Marktplatz befindet sich die VP. Hier herrscht super Stimmung, viele Schaulustige spenden begeisterten Applaus, es gibt fetzige Livemusik und ein Moderator begrüßt jeden Läufer. Auf dem folgenden Gefälle lasse ich es laufen und muss aufpassen, denn unten kommt eine scharfe Rechtskurve.

Wir ziehen an der letzten Häuserreihe entlang, Anwohnern sitzen vor offenen Fenstern und auf Balkonen um einen Blick auf die Läufer zu erhaschen. Nach einer scharfen Linkskurve überqueren wir abermals die Murr auf einer überdachten Holzbrücke. Große bunte Laubbäume fassen den Weg ein. Sobald die Sonne rauskommt, bietet sich ein grandioses Farbenspiel.

Ich erkenne den Weg, hier waren wir vorhin schon, wir laufen also zurück nach Steinheim. Eine kleine Steigung gehe ich hinauf. Der weibliche Streckenposten zollt mir Respekt.

 

 

Bei km 9 erreichen wir erneut Steinheim und während ich über die Brücke laufe, freue ich mich über das Panorama mit dem Kirchturm, der über der Stadtsilhouette thront. Es geht erneut über den Kirchplatz und auf die Ludwigsburger Straße. Diese ist in der Mitte mit Pylonen und Flatterband geteilt, Läufer kommen mir entgegen.

Diesmal führt die Strecke von der anderen Seite durch den blauen Startbogen, dann im Kreisverkehr erste Ausfahrt links, durch das rote Tor erneut auf die Schleife vom Anfang. Bald erreichen wir abermals den Kreisel, den wir nochmal durch das blaue Tor verlassen. Alles verstanden? Wenn man dabei ist, ist es einfacher.

Immer noch geben die Zuschauer ihr Bestes. Vielleicht üben sie schon für den Start für die 10 km, der kurz bevorsteht. Ich laufe nun erneut die Ludwigsburger Straße zurück. Es kommt keiner mehr entgegen. Mir war allerdings schon lange klar, dass ich eine der Letzten bin. Wie bereits angekündigt, läuft es heute gar nicht. Schon von Anfang an habe ich schwere Beine. Mit Pia, einem anderen Läufer mit Namen Reik und 4:45 Pacer Ettore hat sich spontan ein intensives Gespräch ergeben. Da die Gruppe nun nach vorne verschwunden ist, kann ich mein eigenes Tempo finden.

 

 

An der nächsten Kreuzung werde ich links auf die Kleinbottwarer Straße geleitet. Die Steigung nutze ich zu einer Gehpause. Ulli verfolgt mich schon länger und läuft auf mich auf. Nach kurzem Informationsaustausch lasse ich ihn auch ziehen. Ich verlasse den Ort und laufe auf der gesperrten, kurvigen Straße Richtung Kleinbottwar und  genieße die Ruhe, denn links plätschert die Bottwar und über mir breiten die hohen Bäume ein herbstlich gefärbtes Dach.

Ein Radler spricht mich an. Er ist als „Springer“ für verschiedene Helferdienste eingeteilt. Wir unterhalten uns ausgiebig, bis wir hinter km 12 Kleinbottwar erreichen.

Kleinbottwar, die „Perle des Bottwartales“, wurde viermal in Folge zum „schönsten Dorf im Kreis Ludwigsburg“ ernannt. Wir laufen direkt am aufwendig restaurierten Fachwerkrathaus vorbei. Die gotische St. Georgs-Kirche mit seinem Hochaltar aus dem Jahr 1510 hält sich hier im Hintergrund. Aufgrund des durchdachten Dorfentwicklungsprogramms konnten viele Neubürger begrüßt werden, die sich nahtlos in die Jahrzehnte erhaltene dörflich-bäuerliche Struktur eingefügt haben.

Mein Begleiter verabschiedet sich, um seinen Dienst anzutreten. Wie auch in den Vorjahren gibt es im Ortskern an verschiedenen Punkten für Zuschauer die Möglichkeit zum gemütlichen Beisammensein. Jetzt am späten Vormittag ist natürlich noch nicht so viel los. Dafür werde ich herzlich von einer Moderatorin begrüßt. Gut, dass es gerade etwas bergab geht, denn hier sehe ich auch noch gut aus.

Im Wohngebiet muss ich dafür wieder bergauf. Leider gibt es genau auf dem höchsten Punkt einen Zuschauer Hotspot. Sie haben Spaß, mich die Steigung hinauf zu pushen. Ich revanchiere mich mit einem eleganten Bergab-Sprint.

Zwischen Kleinbottwar und Großbottwar verläuft der Radweg zwischen bunten Obstbäumen und gelbgrünen Wiesen durch das Feuchtgebiet Schleifwiesen. Die Weinberge im Hintergrund sind ebenfalls schon bunt. Die Gegend hier ist einfach klasse.

Ich höre Musik, hinter km 15, nach einer Engstelle läuft der Radweg im Wohngebiet auf die Kreuzstraße. In einiger Entfernung erkenne ich die nächste VP. Die Musik wird lauter. Die Jungs, die hier Dienst tun, scheinen gut drauf und perfekt vorbereitet. Bananen sind geschnitten, Becher gefüllt. Ich greife mir Wasser, und dann singen wir zusammen den gerade laufenden Popsong. Mit dem Ohrwurm geht es mir gleich viel besser.

Erst links dann rechts erreiche ich erneut den Radweg. Dieser führt lauschig an der Bottwar entlang, über ein Brückchen bis zu einem hohen Damm, dann etwas ansteigend. Eine Zuschauerin ruft mir zu: „Es geht gleich bergab!“ Auf der anderen Seite des Damms jogge ich hinunter, leider nur kurz. Unten biege ich auf einen sehr langen, schnurgeraden Radweg ein.

Eigentlich ist es ganz schön hier: Schafe grasen auf einer riesigen Weide und im Hintergrund liegt majestätisch die Burg Lichtenberg, das Wahrzeichen des Bottwartals. Die Luft ist mild, die Sonne scheint.

 

 

Auf Höhe des Weilers Sauserhof gibt es an der folgenden VP erneut Bananen. Sogar Cola ist im Angebot. Während ich mich stärke, kommt das Führungsfahrzeug mit Digitaluhr entgegen. 2:03 bin ich unterwegs (km18). Hinter dem Begleitradler folgt Jörg, der führende Marathonläufer. Er sieht gar nicht angestrengt aus und nimmt sich sogar die Zeit für Zuspruch an mich. Ich bin begeistert.

Es dauert bis der Zweite und dann der Dritte kommt. So habe ich Gelegenheit, das tolle Feuchtbiotop zu genießen. Ein paar Schafe stehen am Zaun, wie kleine Schlachtenbummler. Am Ortseingang von Oberstenfeld laufen wir eine kurze Umleitung an der Moschee vorbei. Nach ca. 500 Metern verlasse ich den Radweg. Etwas unübersichtlich geht es zwischen den Gebäuden einer Autowerkstatt hindurch. Hier muss ich aufpassen, denn mittlerweile kommen einige sehr schnelle Marathonläufer entgegen. Der erste Halbmarathonmann ist auch schon dabei.

Vor der Oberstenfelder Sporthalle „Bäderfeld“ werden Publikum und Läufer mit Musik unterhalten. Weil hier gerade viele Läufer vorbei sprinten ist die Stimmung phantastisch. Auch ich bekomme meinen Teil. Bis sich ungefähr bei km 20 die Strecken wieder trennen, begegnen mir immer mehr schnelle Männer. Mit den Aufmunterungen der Anwohner, Streckenposten und nicht zuletzt den mir Entgegenkommenden, vergeht die Zeit im Flug.

Die Straße nach Gronau zieht sich. Bevor meine Stimmung kippt, erkenne ich vor mir Laufkollege Frank, der einen Streckenposten ansteuert. Im Augenwinkel erkenne ich, dass er hier eine kleine Pause einlegt und lade mich spontan ebenfalls für ein Bier ein. Die nächsten Kilometer laufen gleich viel besser.

 

 

In Gronau werden wir herzlich empfangen. Appetitlich aufgetürmt gibt es Bananen. Ich gönne mir wieder Cola. Dann geht es in den Ort hinein (km 21). Direkt hinter dem Abzweig auf die Hauptstraße steht das Tor, wo der Halbmarathon gestartet wurde. Das muss wohl schon ein Weilchen her sein, aber die Zuschauer sind immer noch im Feiermodus. Im größten Getümmel steht ein Mädchen mit Down Syndrom und klatscht die Läufer ab. Zu dem Neue Deutsche Welle Hit „ Major Tom, völlig losgelöst“ fliege ich an ihr vorbei. Ihre Augen leuchten. Eine Gruppe Chearleader begleitet mich ein Stück. Dann verlasse ich den Hexenkessel. Oh je, es geht bergauf.

Hinter der Kuppe gibt es neben tollen Ausblicken ein angenehmes Gefälle. Bevor wir Schmidhausen erreichen, werden wir von einer sehr motivierten weiblichen Streckenposten nach rechts auf das weite Streuobstgebiet geleitet. Ich muss lachen, weil sie schon von weitem den Abzweig mit ausladenden Bewegungen ankündigt. Das ist Fitness auf höchstem Niveau.

Andererseits haben es sich drei Zuschauer mit Liegestühlen auf einer Wiese gemütlich gemacht. Jedem das Seine. Unerwartet, aber höchst willkommen, machen Musiker einer Rhythmusgruppe für jeden vorbeikommenden extra Stimmung. Teddy, Frank und ich finden das Klasse.

Nach einer kleinen Schleife biegen wir in das Wohngebiet von Schmidhausen, einem Teilort von Beilstein, ein. Hier ist es ruhig; nur an einer kurzen, aber steilen Steigung unterstützen uns gut gelaunte Anwohner mit lauten Rasseln und Anfeuerungsrufen. Gerade biegt unten der Besenwagenkonvoi auf die Schleife ein. Nanu, so spät ist es aber noch nicht!

Die Straße nach Oberstenfeld ist flach, in der Ferne kann ich Läufer erkennen. Spaziergänger feuern mich an. Die Kilometerschilder sind beim Bottwartal Marathon traditionell mit Motivationssprüchen versehen. Bei km 24 steht: „Wenn ich nicht mehr kann, dann laufe ich eben ins Ziel“. Vermutlich ist damit „gehe ich ins Ziel“ gemeint - ich muss trotzdem grinsen.

Im Ort werden wir rechts auf den Eselsweg geleitet. Er führt am bekannten Mineralfrei- und Spaßbad vorbei zur Straße nach Beilstein. Heute wäre fast nochmal Badewetter, aber die Anlage ist verwaist.

Hinter einer Unterführung werden wir auf eine Schleife geleitet. Oberhalb kommen die Läufer bereits zurück. Ich freue mich schon, wenn ich auch dort sein werde und frage einen Streckenposten nach der Abkürzung. Es dauert, bis er die Absicht durchschaut, dann muss er ebenfalls lachen. Gerade kommt der 4:30 Pacer mit seiner Gruppe entgegen.

 

 

Die Oberstenfelder Straße führt direkt nach Beilstein ins Wohn- und Industriegebiet. Die Höhenburg Hohenbeilstein aus dem 12. Jahrhundert thront vor uns auf der 326 m hohen Anhöhe. Einmal rechts und nochmal links befindet sich ein kurzes Begegnungsstück (km 27). Gerade kommt Pia, meine Laufbekanntschaft vom Anfang, entgegen. Das läuft ja gut bei Ihr.

 Der Strecke folgend geht es nun rechts zur nächsten Verpflegungsstation. Extra für mich wird noch eine Banane aufgeschnitten. Die Helfer wissen eben, was einem gut tut. Ein paar Ecken weiter erreiche ich auch wieder das Begegnungsstück. Hier kommt aber niemand mehr entgegen. Dafür geht es an der nächsten Kreuzung ein Stück bergauf und ich kann ganz ohne schlechtes Gewissen gehen. Schon seit ein paar Kilometern kündigen sich bei mir Krämpfe an. Im Moment kann ich das noch auslaufen, hoffentlich wird es nochmal besser.

Da ich die Strecke eigentlich gut kenne, bin ich irritiert. Anstatt nach links abzubiegen, geht es immer weiter bergauf, wir verlassen Beilstein und sind nun auf den Feldern. Weil ich Frank vor mir sehe, bin ich sicher, dass das richtig ist. Da vorne beginnen bereits die Weinberge. Kurz vor dem Bauernhof sitzen Streckenposten und weisen endlich nach links. Es geht in einer Schleife bergab, am bunten Rebhang und rot belaubten Birnbäumen vorbei.

Unten stimmt dann die Richtung. Wir laufen jetzt wieder zurück (km 30). Mit Frank biege ich auf den Radweg ein, wo wir vorhin den 4:30 Pacer gesehen haben. Das war eine lange Schleife! Jetzt geht es endlich nach Oberstenfeld rein. Auf der langen Geraden ist leider nichts los. Egal, die Straße führt leicht bergab, und es ist ja eh nicht mehr weit bis ins Ziel. Unten in der Kurve steht, wie immer, die Percussion-Band die unermüdlich den Lauftakt vorgibt.

Es geht scharf rechts in die Ortsmitte von Oberstenfeld. Wie auch Gronau liegt Oberstenfeld traumhaft schön in den Ausläufern der Löwensteiner Berge. Oberhalb thront die Burg Lichtenberg, die wir vorhin schon von weitem bewundern durften. Sie ist eine der ältesten (1196), vollständig erhaltenen staufischen Burganlagen nördlich der Alpen.

Vor mir liegt das imposante Rathaus das nach Zerstörung durch die französischen Truppen 1693, im Jahr 1698 erst einstöckig, dann 1840 zweistöckig als Schulhaus wieder aufgebaut wurde. Nach dem Neubau des Schulhauses konnte 1958 das Rathaus erneuert und Arkaden eingebaut werden. Im südlichen Fachwerkgiebel ist eine Raute mit darüber liegendem Andreaskreuz zu sehen, einer typischen Zierform um 1700. Der moderne Anbau stammt von 1974.

 

 

Heute haben es sich bereits viele auf die Terrasse vor den Cafes gemütlich gemacht, was sie aber nicht davon abhält, ausgiebig zu klatschen. Bevor ich links abbiege, habe ich einen schönen Blick auf die dreischiffige Stiftskirche aus dem 12. und 13. Jahrhundert mit ihrem markanten Turm.

Im Wohngebiet erreichen wir den Übergang über die L1100. Es geht in einem Kreisel hinauf. Oben kann man kurz den Rundblick über die Dächer von Oberstenfeld genießen, bevor es über die Brücke und in einem weiteren Kreisel wieder hinab läuft.

Etwas bergauf und ich erreiche die Ziegelstraße, wo mir vorhin die vielen Halbmarathonis entgegen gekommen sind. Eine Gruppe Schaulustiger kommt mir hier entgegen. Waren die nicht vorhin in Gronau? Eine Laola-Welle trägt mich wieder ein Stück weiter.

Rechts, vorbei an der Sporthalle Bäderwiesen, sind die Zuschauer auch schon erschöpft. Trotzdem halten sie durch, alle Achtung! Auf den Radweg nach Sauserhof brennt die Sonne vom Himmel. Ich vermisse eine Mütze. An der VP frage ich, ob ich Wasser für meinen Kopf bekommen kann, trinken reicht mir nicht mehr. Gerne schüttet mir der Helfer eine Flasche über den Kopf. Auch Axel macht hier Pause.

Der Radweg führt nun wenig schattig, jedoch durch Bäume abgetrennt, an der L1100 entlang. Am Ortseingang von Großbottwar hinter dem Damm werden wir links auf die Straße geleitet. Der Strecke folgend, erreichen wir die Rückseite der Bottwartalkellerei. Den Anstieg zur Kellerei wandere ich hinauf. Hier war früher Start und Ziel der ersten Bottwartal-Marathon-Veranstaltungen. Heute geht es am Haupteingang vorbei auf die gesperrte L1100, Kleinbottwarer Straße. Ich habe die große Straße komplett für mich alleine, und ich rolle relativ entspannt nach unten.

Die Stadt Großbottwar, Sitz der Bottwartaler Winzer eG, ist die größte und wohl bekannteste Weinbaugemeinde im Bottwartal. Zusammen mit ihren Stadteilen Winzerhausen und Hof und Lembach hat sie heute rund 7.000 Einwohner. Unten betrete ich den historischen Stadtkern durch ein Steintor. Gleich darauf empfängt mich der Moderator überschwänglich und klatscht ab.

Schon von weither sichtbar ist das historische, 1556 erbaute Fachwerkrathaus, das Wahrzeichen der Weinstadt. Seit kurzem vollständig renoviert, ist es zu einem besonderen Schmuckstück geworden. Hinter einem kleineren Marathontor scheint die halbe Stadt, zumindest was die Lautstärke angeht, auf mich zu warten. Tatsächlich fangen plötzlich alle an, meinen Namen zu skandieren. Adrenalin pur! Ich bin überwältigt.

Leider werde ich schnell auf den Boden zurückgeholt. Erst Krampf links, dann Krampf rechts. Ich muss stehen bleiben. Vorsichtig versuche ich weiter zu gehen. In den stillen Gassen der Altstadt feuern mich trotzdem an jeder Ecke die Streckenposten an. Axel kommt von hinten und bietet Hilfe an; aber da muss ich alleine durch.

Ich biege wieder in die Kleinbottwarer Straße ein und laufe dort ein Stück entlang und am Kriegerdenkmal vorbei. Da vorne war ich heute schon einmal. Nochmal rechts und ich erkenne die VP mit den coolen Jungs und der lauten Musik. Sie sind immer noch gut drauf und feuern mich an.

Mein Problem mit den Krämpfen wird nicht besser. Gehen funktioniert irgendwie, aber sobald ich anlaufe, wird es wieder schlimmer. Günni überholt mich und wir unterhalten uns kurz, dann läuft er langsam weiter. Die zwei Kilometer bis Kleinbottwar sind richtig zäh. Frank und Michael gehen strammen Schrittes vorbei, ich habe keine Chance dranzubleiben.

Im Wohngebiet von Kleinbottwar versuche ich, wenigstens die Gefälle zu laufen. Das gelingt ganz gut, ich schöpfe Hoffnung. Im Ortskern ist immer noch richtig was los. Alle Tische und Bänke sind belegt und die Stimmung gelöst. Das Publikum lässt sich nicht lumpen und spendet reichlich Beifall. Ich erkenne Marathonfinisher Franz am Straßenrand und beglückwünsche ihn.

Ich beschließe, dass die Steigung aus Kleinbottwar hinaus meine letzte Gehpause wird. Leider wird daraus nichts. Trotz angenehm schattiger Straße, kann ich nicht anlaufen, ohne sofort einen Krampf zu bekommen. Dennoch bin ich nicht einsam. Die Läufer des Urmensch Ultras biegen hier auf die Strecke ein. Zwar sind sie viel schneller, trotzdem gibt es immer nette Worte.

Bei km 41 erreichen wir Steinheim. Eine kleine Pause bei den Fans auf der Straße, Smalltalk mit den Streckenposten, so fällt nicht auf, dass ich nicht schneller kann. Das letzte Gefälle versuche ich dann noch zu laufen, dann geht es um die Kurve auf die Zielgerade. Hier bin ich noch nie zuvor gegangen. Die letzten Meter jogge ich fürs Zielfoto, springe über den Zielstrich und klatsche den Moderator Achim ab.

 

 

Norbert erwartet mich bereits mit einem Erdinger grape. Dann gibt es die schöne Medaille. Ein Helfer stammt aus Murr, daher erkundige ich mich gleich nach Pia. Natürlich hat sie es geschafft! Glückwunsch, toll gemacht!

Die Zielverpflegung ist mit Erdinger, Hefezopf und Obst üppig, für jeden Finisher gibt es ein Fläschchen Wein der Bottwartaler Kellerei und eine hochwertige Laufmütze. Die Gepäckaufbewahrung ist bereits aufgelöst, die Taschen liegen auf der Bühne bereit. Viele sind es aber nicht mehr.

 

Fazit:

Wie überall sind auch beim Bottwartal-Marathon die Teilnehmerzahlen eingebrochen. Trotzdem kann man meiner Meinung nach zufrieden sein. In wie weit sich das Event wieder zu alter Größe entwickeln kann, wird auch vom Willen und den Möglichkeiten der Organisatoren abhängen.

Mir und sicher vielen anderen, hat es sehr gefallen. Die Stimmung war für mich außerordentlich gut. Die Strecke wird dem Prädikat Landschaftsmarathon gerecht. Die Helfer sind eine Wucht. Vielleicht sollte man dem Thema Streckenverpflegung in der Ausschreibung etwas mehr Raum geben, damit die Teilnehmer vorher wissen, wo und was angeboten wird. Der Duschcontainer hat sich anscheinend nicht bewährt.

Nach Recherche meiner Laufleistungen habe ich festgestellt, dass ich im Jahr 2018 ähnlich lange gebraucht habe. Vielleicht versuche ich, es nächstes Jahr besser zu machen.

 

Informationen: Bottwartal-Marathon
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