In Baden-Württemberg lässt es sich gut leben. So gibt es neben den großen und bekannten Industriegiganten mit entsprechender Infrastruktur auch jede Menge Natur. Das Bottwartal ist ein schönes Beispiel hierfür. Verkehrsgünstig liegt es im Landkreis Ludwigsburg an der A81, wenige Kilometer von Stuttgart und Heilbronn entfernt. Das Flüsschen Bottwar entspringt in den Löwensteiner Bergen und mündet in Steinheim in die Murr. Während ihres ca. 20 km langen Laufes streift sie von Beilstein kommend Oberstenfeld, Gronau, Großbottwar und Kleinbottwar.
Für auswärtige Gäste bietet das Bottwartal eine Reihe an Sehenswürdigkeiten. Burgen, liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser, mittelalterliche Kirchen und nicht zuletzt das Urmensch-Museum in Steinheim ziehen Jahr für Jahr eine Menge Besucher an. Vor allem Radler und Wanderer kommen in einer abwechslungsreichen Kulturlandschaft voll auf ihre Kosten. Geprägt durch steil ansteigende Weinberge und weiträumiger Felderwirtschaft macht Bewegung in frischer Luft hier doppelt Spaß.
Kein Wunder also, dass hier nun zum 11. Mal ein breitensportliches Großereignis stattfindet, der Bottwartal-Marathon. Für jeden ist etwas dabei: Am Samstag gibt es den Bambini Lauf, einen Werkstättenlauf für Behinderte, die Schülerläufe, den 1/10tels Marathon und diverse Walking-Wettbewerbe. Am Sonntag werden ein 10 km Lauf, der Halbmarathon, ein 3/4tel-Marathon und der Marathon mit Staffel- und Teamläufern angeboten. Außerdem nun schon zum 2. Mal der MZ-Urmensch-Ultra.
Die Wetterprognosen sind gut. Schon seit Tagen werden Temperaturen bis zu 25 °C vorhergesagt. Kein Wunder, dass die Nachmeldeschalter in der Riedhalle aus allen Nähten platzen. Im Startgeld inbegriffen ist ein hochwertiges Langarmfunktionsshirt und ein Fläschen Wein von der Bottwartalkellerei, wahlweise in rot oder weiß. Die Ultras bekommen übrigens eine große Flasche.
Kurz vor 9 Uhr begeben sich alle nach draußen, um die Ultras standesgemäß zu verabschieden. Zwischen Sporthalle und dem Freizeitbad Wellarium auf der Höpfigheimer Straße ist der Startbogen aufgebaut. Eben gibt es ein Interview mit der Turnlegende Eberhard Gienger. Er verspricht, im nächstes Jahr bei passendem Wetter einen seiner spektakulären Fallschirmsprünge zu zeigen. Dann greift sich der Sprecher noch Bea Bauer, die Gewinnerin des Ultras vom letzten Jahr. Sie ist gut drauf und wird auch heute wieder ihr Bestes geben.
Pünktlich um 9 Uhr erfolgt dann mit einem lautem Kanonenböller der Start des MZ-Urmensch Ultras. Nach 29 teilweise recht trailigen Kilometern mit zahlreichen Höhenmetern treffen sie in Gronau auf die Strecke des Bottwartal-Marathons, um die letzten 21 km gemeinsam mit den ½-, den ¾- und den Marathonis zu laufen.
Wir haben noch eine halbe Stunde für die letzten Vorbereitungen und die Abgabe des Gepäcks. Dann wird auch für uns herunter gezählt und der Lauf beginnt. Es geht die Höpfigheimer Straße bergab und dann durch ein Wohn- und ein Industriegebiet. Viele Schaulustige machen richtig Lärm. Rechts Felder im Schatten hoher Bäume, die die Murr vom schmalen Radweg trennen, während vor uns der Kirchturm der Gemeinde Murr auftaucht. Das Feld ist nun schon licht und so kann man gut sein Tempo finden. Im Ort herrscht sonntägliche Stille. Hin und wieder stehen Passanten und feuern uns an.
Nun geht es auf die Felder, km 4. Dort beschreibt die Strecke ein großes Rechteck und kommt an anderer Stelle im Wohngebiet von Murr wieder zurück. Wir laufen an abgeernteten Feldern entlang. Hier kann man gut die Vielfalt des Ackerbaus bewundern. Teilweise blüht der Raps oder andere Gründungpflanzen, teilweise steht noch der Mais. Andere Äcker sind für die Neusaat vorbereitet. Ein großer Traktor ist gerade dabei, ein Feld glatt zuziehen.
Am neuen Friedhof vorbei geht es nun durch den Ort. Hier sind immer wieder kleinere Fangruppen, die mit Klappern und Rasseln die Läufer anfeuern. Bei km 7 erreichen wir den Ortskern von Murr und die erste VP. Wir werden mit Live-Musik, Jubel und Applaus begrüßt. Ein Moderator macht Stimmung. So motiviert, fliegen wir das folgende Gefälle förmlich hinunter. Unten rechts führt die Strecke an den letzten Häusern von Murr vorbei. Aus einer Garage tönt laut Musik. Die Anwohner erfreuen so die Läufer und auch sich. An jedem Abzweig stehen motivierte Streckenposten, die uns überschwänglich anfeuern. Ein kleiner Radweg bringt uns dann auf einer überdachten Holzbrücke über die Murr. Auf der anderen Seite geht es richtungsmäßig wieder zurück.
Der Radweg verläuft zwischen Murr und L1100. Im Schatten geht es dahin. Dann kommen wir wieder auf abgeerntete Felder. Jens holt mich ein. Er macht heute den gewagten Versuch, einen Marathon ohne Vorbereitung zu finishen. Sein Training ist aus verschiedenen Gründen ins Wasser gefallen. Nun muss es eben so gehen. PS.: Er hat es geschafft, Glückwunsch!
Beim Vereinsheim des SGV Murr macht die Band leider Pause. Gerade sage ich noch zu meinem Begleiter, wie schade ich das finde, da beginnt sie unvermittelt zu spielen. Noch lange können wir den heißen Rhythmen lauschen. Es geht erneut unter der L1100 hindurch und weiter an grünen Wiesen und Feldern entlang. Bei km 10 sind in der Ferne die ersten Häuser von Steinheim zu erkennen.
Die Murrbrücke bringt uns über den Fluss in den geschichtsträchtigen Stadtkern von Steinheim. Es geht am historischen Rathaus mit seinem steinernen Sockel aus dem Jahre 1580 und dem Fachwerkaufbau aus der Zeit um 1686 vorbei. Dieses Rathaus war schon immer Verwaltungssitz, Bürgerzentrum, Polizeistation, Feuerwehrmagazin und Salzlädle in einem. Hier trafen sich die Zünfte und es wurden Feste gefeiert. Ein Helfer weist uns nach links um den Marktbrunnen herum. Der Löwe auf seiner Spitze hält das Württembergische Wappen und stammt aus dem Jahre 1686.
Es geht links und wieder rechts. Auf der gesperrten Kleinbottwarer Straße ist die zweite VP aufgebaut. Es gibt Bananen, Cola und Wasser. Während wir uns stärken, kündet der Sprecher den Start des Walking-Wettbewerbs an. Sie laufen dieselbe Strecke, die wir hinter uns haben. Nur, dass es dann von hier aus direkt ins Ziel hinauf geht.
Auch unser Weg führt bergauf und wir verlassen den Ort. Die Straße ist für den Autoverkehr gesperrt, im Schatten der Bäume plätschert die Murr. Wir erreichen Kleinbottwar. Guggenmusiker in bunten Gewändern machen gerade Pause. Auf der Straße teilen Pylone die Strecke. Hier haben die Zuschauer doppelten Spaß. Sie sehen die Läufer hinlaufen und kurz darauf wieder zurückkommen. Bei km 13 ist dann der Wendepunkt. Auch für die Läufer ist das nett, denn man kann sehen, wer vor und hinter einem ist. Wir durchqueren den Ort der ganzen Länge nach an einigen Zuschauer Hot-Spots vorbei, und verlassen ihn über einen Radweg, der nahezu parallel zur K1702 verläuft.
Rechts Weinberge, links der herbstliche Wald – ich genieße die wunderbare Landschaft und das tolle Wetter. Das Feld ist nun schon sehr stark auseinander gezogen, so dass ich nur in weiter Ferne Läufer ausmachen kann. Wir unterqueren die L1115, erreichen Großbottwar bei km 15 und laufen die wenig frequentierte Kreuzstraße hinauf. Schon von weitem höre ich rhythmisches Trommeln und Applaus. Es zieht mich förmlich die lange Straße entlang. Vor einem größeren Wohnhaus haben sich die Bewohner um diverse Biertische versammelt. Einige sitzen auf der Mauer und begrüßen die einsamen Läufer mit einer La-Ola-Welle. Ein Mädchen spielt unermüdlich Schlagzeug. Ich freue mich und klatsche zurück.
Etwa hundert Meter weiter ein ähnliches Bild. Hier wird mit einem langen Stock ein Metalleimer bearbeitet und mit Rasseln gelärmt. Ich werde persönlich angefeuert - einfach Klasse. Hinter einer Lederwarenfabrik kommt die nächste VP. Schon von weitem wird mir Wasser angeboten. Es ist mittlerweile ganz schön warm geworden. Gut für die Helfer, die im letzten Jahr hier im Regen frieren mussten. In der Ferne liegt majestätisch die Burg Lichtenberg, das Wahrzeichen des Bottwartals.
Es geht auf einer schmalen Straße weiter. Das Örtchen „Hof und Lembach“ kommt in Sicht. Auch hier stehen vereinzelt, aber dafür bestens gelaunte Zuschauer, die jeden vorbeikommenden Läufer anspornen. Auf dem folgenden Radweg höre ich schon von weitem Musik. Zunächst vermute ich, dass hier jemand sein Autoradio auf volle Lautstärke aufgedreht hat. Dann sehe ich, dass es sich jedoch um Livemusik handelt. Das Stück kenne ich und ist kaum vom Original zu unterscheiden. Da muss ich direkt hin um den Künstlern zu danken. Dass ich kurz die Strecke verlasse, wird von den Streckenposten mit Augenzwinkern kommentiert: „Hier ist wieder ein Spaßläufer unterwegs!“