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Laufberichte

Erlebnis 100 Kilometer

10.06.06

„Biel ist ein Erlebnis. Der Lauf in der Nacht, die Strecke, die Landschaft, die Zuschauer, die Stimmung, die Anstrengung - das muss noch mal gemacht werden.“

 

So endete der Bericht meiner ersten Teilnahme in Biel 2003. Tatsächlich bin ich dann seither jedes Jahr dort gelaufen, musste mich jedes Mal durchbeißen und stellte doch nie eine nochmalige Teilnahme in Frage.


Bei meinem ersten Lauf 2003 kam ich mit 12:36 Stunden im Ziel an, was ich natürlich 2004 verbessern wollte. Nichts war es damit, 15:04 Stunden waren es. Man hat als Läufer stets eine Erklärung für alles und so war mir klar, was ich alles im Jahr darauf, also 2005 besser machen sollte. Es kam, wie es kommen musste, 2005 war ich mit 15:15 Stunden nochmals langsamer. In mir reifte der Gedanke, dass 100 km einfach nicht komplett geplant werden können, zu viele Faktoren spielen eine Rolle. Ich wurde also bescheidener und arrangierte mich mit der Unwägbarkeit des Laufes in Biel.

 

Ausgehend von den Zielzeiten meiner in den letzten Monaten gelaufenen Marathons rechnete ich mir eine Zeit von 14-15 Stunden aus. Als heimlichen Wunsch hatte ich im Kopf, dass vielleicht sogar eine 13 vorne stand. Beginnen jedoch wollte ich mit einer Geschwindigkeit, die für 14 Stunden ausreichend war, also etwa 8 Minuten auf den Kilometer. Damit hätte ich noch Zeitreserven für die Bergaufpassagen und mal den einen oder anderen Aufenthalt an einer Verpflegungsstelle oder gar hinter einem Busch.


Wie immer reisten wir, Angelika und ich, am Freitagnachmittag an. Gegen 18 Uhr konnten wir an unserer alten Stelle neben dem Sportplatz parken. Die Abholung der Startunterlagen war problemlos, nach wenigen Minuten hatten wir alles und konnten uns noch etwas hinlegen, schlafen war leider nicht möglich – vermutlich die innere Anspannung. Ab 21 Uhr zogen wir dann unsere Laufsachen an. Den Tag über war es warm, vielleicht 24-26 Grad, jetzt aber war zu spüren, dass es kühler wurde. Man konnte mutmaßen, dass es in der Nacht kühl sein würde. Ich entschied mich also für ein Unterhemd, darüber ein Laufshirt, beides kurzärmlig.

 


Zwanzig Minuten vor dem Start stellten wir uns in die Läufermenge, die bereits auf der Startgeraden wartete. Bereits hier unterscheidet sich der Lauf in Biel von vielen anderen Läufen. Eine ruhige, gelöste, gelassene Atmosphäre, die aber die leichte Anspannung noch erahnen ließ. Viel zu dieser schönen Stimmung trägt bei, dass sich genau in dieser Zeit des Wartens die Nacht heranschleicht, ganz unmerklich wird der Himmel immer dunkler. Unmerklich, weil die Straßenlampen die Wartenden erhellt.


Auch dieses Jahr traf ich hier noch viele Bekannte, so dass beim kurzen Austausch die Zeit rasch verging. Da störte es auch nicht, dass ununterbrochen Informationen durch die Lautsprecher kamen, auf französisch und deutsch. Allerdings achtete ich kaum darauf, bekam nur soviel mit, dass ich das alles nicht wissen musste. Erst als sich die Menge ein paar Meter nach vorne bewegte und eine Minute später aus den Lautsprechern von zehn an abwärts gezählt wurde, war klar, dass es 22 Uhr war und gestartet wurde. Alle zählten lautstark mit, cinq, quatr, trois, deux, un  - und dann ging es wie immer erst Mal nicht weiter, denn wenn sich etwa 1.500 Menschen in Bewegung setzen, müssen die im hinteren Feld warten, bis die vor ihnen Stehenden losgelaufen sind. Aber nach noch nicht mal einer Minute konnte auch ich loslaufen.

 


Die ersten Kilometer führten durch die Stadt. Ein Teil der Faszination des Laufes von Biel zeigt sich für mich schon auf diesem Abschnitt. Die Straßenbeleuchtung, Reklameschilder, Schaufenster und die dicht gedrängt stehen Zuschauer am Straßenrand zaubern eine Stimmung wie auf dem Volksfest. Viele Kinder stehen bei ihren Eltern, drängen nach vorne und wollen abgeklatscht werden. Auch manche Frauen ließen sich von der Stimmung anstecken und streckten die Hand aus. Immer wieder musste ich stehen bleiben um zu fotografieren. Die Bilder, die man auf der Webseite sieht, können leider nicht annähernd die Wirklichkeit wiedergeben, erst wenn ich dann meine Diashow über den Beamer auf 2 m Breite anschaue, fühle ich mich beinahe wie in der Wirklichkeit.


Ein Teil meiner bisherigen Probleme während der hundert Kilometer kamen vermutlich daher, dass ich zuwenig getrunken habe. Für dieses Jahr habe ich mir vorgenommen, in mich hineinzuschütten, was nur geht. Daher war ich erfreut, dass schon nach 3 Kilometern eine Wasserstelle kam. Ich trank mindestens drei Becher Wasser und war dann sofort wieder auf der Strecke, die auf den ersten Kilometern ausschließlich flach ist.


22:35 Uhr - km 5:

 

Mit 35:31 Minuten (7:06 min /km) war ich zu schnell. Aber bremse einer Angelika, wenn sie mal im Laufen ist. Immer wieder ermahnte ich sie, langsamer zu laufen – vergebens. Ab etwa Kilometer 7 würde es aufwärts gehen und da würde ich auf jeden Fall marschieren.

 


Einige Streckenabschnitte bisher kamen mir bekannt vor, andere nicht, vermutlich wird der Kurs immer wieder etwas anders geführt. Bisher standen ständig Zuschauer neben der Strecke und wir waren stets zwischen Häusern. In Belmund begann bei Kilometer 7 die knapp zwei Kilometer lange Steigung. Nicht sehr steil, aber doch knapp neunzig Höhenmeter. Angelika behielt den Laufschritt bei und ich versuchte durch schnelles Gehen Energie zu sparen und trotzdem den Anschluss zu halten, was mir aber nicht ganz gelang. Erst als ich oben angelangt war und hinunter nach Jens lief, holte ich wieder auf. Zwar ging es etwas steiler hinunter, als aufwärts, aber noch machte mir das Gefälle wenig aus, ich hätte es laufen lassen können, wenn ich nicht von einem Läufer angesprochen worden wäre. Er hatte an dem Aufdruck auf meinem Laufhemd gesehen, dass ich für marathon4you laufe und wir unterhielten uns ein wenig.


Den ersten Verpflegungsstand hatten wir längst passiert und auch den in Jens. Hier irgendwo muss ich das 10-Kilometer-Schild übersehen haben, was bei den 100 Kilometer von Biel ärgerlich ist, sind doch nur die ersten und die letzten fünf Kilometer einzeln markiert, dazwischen kommt nur alle fünf Kilometer ein Schild.


Gegen 23:20 Uhr, also nach vielleicht 11 oder 12 Kilometern verließen wir endgültig bewohntes Gebiet und liefen in die Dunkelheit hinein. Dank des schönen Wetters konnte der Vollmond (wohl ein oder zwei Tage fehlten noch) seine volle Leuchtkraft entfalten, so dass wir Läufer einen scharfen Schatten auf den Boden warfen. Leuchthilfe war also überhaupt nicht notwendig. Was ich dieses Jahr allerdings vermisste, waren die Geräusche aus der Natur, das Zirpen der Grillen oder auch mal eine Kuh, deren Glocke man hörte, wenn sie sich bewegte.


Ein paar hundert Meter hinter Jens bogen wir auf den Feldweg ein, an den ich mich noch von meiner ersten Teilnahme her erinnerte, weil er so markant ist: vielleicht 1.200 Meter lang kerzengerade, dann im rechten Winkel nach links, vielleicht 200 Meter geradeaus, wieder nach rechts und nochmals mindestens 1.200 Meter geradeaus, nach links und wieder ewig geradeaus. Erste Taschenlampen gingen an und auch Angelika beleuchtete ihren Weg, sah aber ziemlich schnell ein, dass das nicht notwendig war, es lief sich wunderbar im Mondlicht. Der Weg war eben, mit feinem Schotter als Oberfläche und recht gut zu laufen, selbst die Schlaglöcher, die ich auf diesem Streckenabschnitt noch in Erinnerung hatte, waren ausgebessert.


Irgendwo auf diesem Abschnitt war eine Verpflegungsstelle. Wie bei den bisherigen zuvor trank ich genügend und aß auch etwas. War ich bei meinen ersten Teilnahmen mit der Verpflegung nicht zufrieden, war diesmal alles bestens. Es gab stets genügend zu Trinken, Wasser, Iso, Tee, später auch Bouillon und Cola und auch das Essen war vollständig, anfangs Bananen, irgendwelche Riegel, später dann auch Brotstücke, Orangen und mehr. Getreu meinem Vorsatz füllte ich auch jedes Mal meine Trinkflasche auf, aus der ich dann unterwegs immer wieder ein paar Schlucke nahm.


Entsprechend war dann auch das Ergebnis, häufig musste ich kurz anhalten zum Pinkeln. An dieser Verpflegungsstelle musste ich das Dixi-WC aufsuchen, Angelika lief derweil weiter. Als ich endlich wieder auf der Strecke war, war sie natürlich längst über alle Berge. Da sie bisher stets etwas zu schnell war und ich sie immer wieder zügeln musste, war das vielleicht auch gut so. Sie war vermutlich besser drauf als ich und konnte heute doch schneller laufen als befürchtet. Ihre Bestzeit (11:49 Stunden) vom vorletzten Jahr würde sie dieses Jahr allerdings nicht laufen können.


23:50 Uhr - km 15:

 

Endlich hatte der Feldweg ein Ende, ich hatte Kappelen erreicht. Die Zeit auf den letzten zehn Kilometern war mit1:15 h noch nicht ganz so langsam wie geplant, aber mit 7:29 min/km doch näher an den geplanten 8 Minuten. Obwohl ich das 15-km-Schild hier irgendwo erwartete, hätte ich es übersehen, wenn mich nicht Sabine darauf aufmerksam gemacht hätte. Da war ich wieder Mal abgelenkt von den vielen Zuschauern im Ort und der Verpflegungsstelle.

 

Wieder liefen wir in die Nacht hinaus und in der Dunkelheit, die aber immer noch vom Vollmond bestens beleuchtet wurde. Noch knapp zwei Kilometer und wir hatten Aarberg erreicht und liefen bald über die berühmte Holzbrücke. Im Gegensatz zu den Vorjahren standen diesmal deutlich weniger Zuschauer auf der Brücke. Wenn ich meine Bilder anschaue, fällt auf, dass die Zuschauer überall recht warm angezogen waren. Zwar hatte sich in den zurückliegenden Tagen das Wetter sehr verbessert, es war warm geworden, aber die Temperaturen um diese Tageszeit waren doch noch nicht so hoch, dass das Ausharren für die Leute das reine Vergnügen war.

 

Bei vielleicht 22 Grad waren wir in Biel gestartet, vermutlich hatten wir in Aarberg nur noch 18 Grad. Für uns Läuferinnen und Läufer beinahe immer noch zu warm, für die Zuschauer aber zu kühl. Aber auch dieses Jahr waren die Gasträume der Wirtschaften nach außen verlegt worden und die Menschen feierten den schönen Abend und uns, die wir noch mehr als 80 Kilometer vor uns hatten. Sie zogen sich eben wärmer an.


Nach der Brücke ging es über einen Platz auf dem sich die Leute mit Essen und Trinken vergnügten und uns dabei noch mit Beifall bedachten. Am Ende des Platzes ging es nach rechts weg, etwas abwärts und schon waren wir an der Verpflegungsstelle. Wieder trank ich mein Pensum und entdeckte hier zum ersten Mal Bouillon und Brotstücke, eine willkommene Abwechslung zum bisher eher süßen Essen und Trinken. Gerade als ich wieder loslaufen wollte, bemerkte ich Reinhard, dem ich bereits letztes Jahr in Biel begegnet war und seither auf vielen weiteren Läufen. Auch Sina dabei. In seiner orakelhaften Art deutete er an, dass er gedacht habe, in der Vorbereitung für Biel alles richtig gemacht zu haben, aber irgendwie war doch nicht zufrieden mit dem bisherigen Verlauf.

 


Vermutlich aber war das nur das Tief, das in Biel nahezu jeder hat. Mitternacht war bereits vorbei, man war also schon den ganzen Tag auf den Beinen und normalerweise liegt man um diese Zeit im Bett und läuft nicht. Der Körper wehrt sich also indirekt gegen seine „Vergewaltigung“, indem er schlechte Gedanken suggeriert. Verstärkt wird dies durch die Tatsache, dass man erst so wenige Kilometer hinter sich und noch so viele vor sich. Bei einem Marathon hat man nach drei Stunden und 20 Kilometern schon die Hälfte hinter sich, hier aber sind 20 Kilometer wenig, man hat noch so viele vor sich, dass man wirklich nicht weiß, ob man das überhaupt schaffen kann und will. Da kommen dann schon die Gedanken: „Was hast du dir da nur vorgenommen, das kann ja wirklich nicht vernünftig sein, das ist doch nur unnötige Quälerei? Das ist heute nicht zu schaffen.“ Alle Fehler und Versäumnisse bei der Vorbereitung lassen einen dann am Erfolg des Unternehmens zweifeln. All das führt unweigerlich dazu dass man in ein mentales Loch fällt und das ganze Unternehmen als Blödsinn ansieht. In dieser Situation aber unterscheidet sich der Ultraläufer von der Mehrzahl der Läufer. Hier übernimmt der Verstand bewusst die Regie und gibt die Anweisung, dass gelaufen wird bis zum Ende.


Reinhard hatte das alles wohl schon jetzt zugesetzt, bei mir sollte es noch ein paar Kilometer dauern. Wir liefen ein wenig zusammen, bis ich dann wieder etwas schneller lief und zu Sabine aufschloss. Der nächste Ort war Lyss, wo dann die Fahrradbegleiter auch auf die Strecke durften. Auch Sabine hatte dieses Jahr einen Fahrradbegleiter, der in Lyss auf sie wartete.


0:29 Uhr - km 20:

 

38:34 min für die letzten fünf Kilometer. Noch einen Tick langsamer und ich hatte die gewünschten 8 Minuten pro Kilometer.


In Lyss war jede Menge los. Vom Ortsanfang bis zum Ende, wohl 600 Meter lang, standen Zuschauer und vor allem Fahrradbegleiter, teils einzeln, teils in Gruppen, neben der Straße und warteten auf ihren Läufer, auf ihre Läuferin. Ein Restaurant hatte Stehtische auf den Gehweg gestellt, an denen sich Zuschauer einen kleinen Imbiss gönnten und der Läuferschlange zuschaute, die sicher schon länger als eine Stunde durch den Ort zog. Bernie, der Begleiter von Sabine, wollte am Ortsende auf sie warten. Tatsächlich stand er dann auch da und begrüßte uns freudig. Wahrscheinlich war ihm die Zeit recht lang geworden und er war froh, dass es jetzt endlich losging.


Er setzte sich aufs Fahrrad und radelte mit. Endlich konnte er sich bewegen, denn während der Warterei war es ihm recht kalt geworden, was sich aber schnell änderte, denn die Strecke stieg jetzt leicht an. Hier kam Eugen von hinten aufgelaufen, ein weiterer marathon4you-Autor und schloss sich uns an. Da wir schon ein paar Monate nichts mehr voneinander gehört haben, hatten wir natürlich jede Menge zum Reden.


1:08 Uhr - km 25:

 

Der Anstieg hinter Lyss und das ständige leichte Bergauf und Bergab hatten dafür gesorgt, dass mein Schnitt jetzt die gewünschten 8 Minuten erreicht hatte. Mir ging es noch gut, so dass ich mich jetzt dem etwas schnelleren Tempo von Eugen anpasste und bereits nach kurzer Zeit hatten wir Angelika eingeholt. Obwohl höchstens 26 Kilometer hinter ihr lagen, hatte sie bereits das weiter oben erwähnte, mentale Tief. Ihre Geschwindigkeit war daher langsamer geworden, so langsam, dass Eugen und ich das Tempo wieder auf die vernünftigen 8 Minuten drosselten. Gut so, denn ich war die letzten Minuten für meine Verhältnisse zu schnell unterwegs.

 


Noch etwa eine halbe Stunde lief Eugen mit uns, bis ich ihn dann ermunterte, sein Tempo wieder zu laufen. Er wollte heute eine Zeit unter 13 Stunden laufen und sollte sich nicht durch uns bremsen lassen.


Schon seit einiger Zeit huschten immer wieder mal Läufer an uns vorbei. Das waren die Marathonis, die eine halbe Stunde nach uns gestartet waren und uns ein- und überholten. Sie brachten etwas mehr Bewegung in die ansonsten recht gleichförmige Läuferschlange. Manches Mal aber bedauerte ich sie auch, weil sie immer wieder im Zickzack um uns herumkurven mussten.


Wir passierten verschiedene Verpflegungsstellen, jedes Mal waren das hell erleuchtete Oasen in der Dunkelheit und da sie sich meist in einem Ort befanden, säumten auch immer Zuschauer die Strecke, die feierten und dadurch für ein paar Minuten Abwechslung und Leben brachten. Diesen Wechsel von Trubel und Einsamkeit erlebten wir bis in den frühen Morgen hinein und ist ganz sicher ein charakteristisches Merkmal dieses Laufes, das mir persönlich sehr gefällt.


2:26 Uhr - km 35:

 

Irgendwann auf den letzten Kilometern hatte auch ich mein Tief erreicht. Meine Füße, vor allem die Fußsohlen taten mir mächtig weh und ich erklärte meine Teilnahme hier für einen großen Irrtum. Gleichzeitig nahm ich mir vor, im kommenden Jahr nichts Längeres mehr als Marathon zu laufen. Angelika erinnerte mich aber sofort daran, dass ich doch den Comrades laufen wolle? OK, den erklärte ich zur Ausnahme, aber sonst … Normalerweise wird so ein Tief noch verstärkt durch die Müdigkeit, die einen überfällt. Erstaunlicherweise aber wurde ich dieses Mal nicht müde, den ganzen Lauf über nicht. Vielleicht haben die 90 Minuten Dösen vor dem Lauf doch was gebracht?


Von der Strecke selbst bekam ich in dieser Phase wenig mit. Obwohl ich jetzt das vierte Mal hier gelaufen bin, konnte ich mich an ganz wenig erinnern. Meist verlief die Strecke auf asphaltierten Wirtschaftswegen oder auf einer gesperrten Landstraße, mal über freies Feld, mal an Waldrändern entlang, stets in sanftem Auf und Ab. Dank des hell leuchtenden Mondes konnte man den Untergrund gut erkennen, und da das meist Asphalt war, waren von da her auch keine Überraschungen zu erwarten. Ich lief also vollkommen sorglos, selbst wenn ich an ganz dunklen Stellen, wenn Bäume dem Mond das Beleuchten verwehrten, überhaupt nichts mehr sah. Über den Weg selbst war ich gar nie im Zweifel, weil noch genügend Läufer vor und hinter mir waren, denen man nachlaufen konnte. Obendrein beleuchteten die Fahrräder der Begleiter den Weg und die Rücklichter der Vorausfahrenden wiesen den Weg. Selbst wenn nicht so viele um uns herum gewesen wären, verlaufen wäre nicht möglich gewesen. In einigermaßen regelmäßigen Abständen waren kleine Schilder in Bodennähe angebracht, die die Richtung anzeigten. Sie waren mit Taschenlampen beleuchtet, die sich in Intervallen einschalteten und das Schild anstrahlten. Musste man mal eine Autostraße überqueren, war der Übergang stets durch Streckenposten abgesichert. Ansonsten waren Abzweigungen durch rot-weiße Bänder so gesperrt, dass man zwangsläufig richtig laufen musste. Die Streckenführung in Biel ist wirklich perfekt.

 


Und dann kam endlich Oberramsern, km 38,5, die erste Wechselzone für die Staffelläuferinnen und Läufer und Ziel für den Nachtmarathon. Bei uns 100-km-Läufern wurde die Zwischenzeit genommen und nach wenigen Metern kam die Verpflegungsstation. Auch hier war ich wieder überrascht, wie viele Menschen verpflegt wurden, wie groß doch das Angebot war und wie reibungslos der Nachschub klappte. Es ist nicht einfach, ständig alle Becher Wasser, Iso, Tee, Bouillon in genügender Zahl dastehen zu haben, wenn sekündlich Dutzende durstige Läuferinnen und Läufer ankommen und möglichst sofort und ungestört trinken und essen wollen. Aber das hatte bisher an jeder Verpflegungsstelle geklappt und sollte sich auch nicht ändern bis zum Schluss. Meine Hochachtung vor den Helfern und mein Dank!


Wie bisher hielten wir uns nur zwei oder drei Minuten auf und liefen dann sofort wieder in die Dunkelheit hinaus. Schon einige Zeit war es deutlich kälter geworden und stellenweise fror es mich an den Händen, so dass sie zeitweise so unbeweglich wurden, dass ich meine Trinkflasche nur mühsam aus dem Gürtel nehmen konnte. Glücklicherweise wurde das irgendwann wieder besser und nach vielleicht einer Stunde war alles wieder normal.


Nachdem die Marathonläufer nicht mehr auf der Strecke waren, überholten uns jetzt die noch frischen Staffelläuferinnen und Läufer, die ja in Oberramsern übernommen hatten. Insgesamt vier Läufer bilden eine Staffel, Frauen, Männer und Mixed. Wechsel war bei 38,5 in Oberramsern, bei 56,1 in Kirchberg und bei 76,6 in Bibern. Die 100 Kilometer teilten sich somit in vier Etappen auf: 38,5 / 17,4 / 20,5 und 23,4 Kilometer. Wer sich nicht die gesamten hundert Kilometer zutraut, sollte sich drei Gleichgesinnte in seinem Laufclub suchen und mitmachen.


3:09 Uhr - km 40:

 

Zeit für die letzten fünf Kilometer: 43:14 Minuten (8:31min/km). Da sind wir wohl Opfer des mentalen Tiefs geworden. Wir sind hier sogar mal ein paar Minuten gegangen. Was soll’s, eine gute Zeit war sowieso nicht unser Ziel, jetzt ging es um Durchhalten und um Ankommen.

 


Die nächsten fünf Kilometer wurden wir noch langsamer, denn es ging tendenziell stets bergauf, also viel Gelegenheit zum Gehen. Aber auf diesem Abschnitt erholten wir uns auch wieder, körperlich, wie auch vom Kopf her. Immer noch saßen in den Orten, die wir passierten Zuschauer neben der Strecke, schöne Bauernhöfe waren zu sehen und allein daran, dass ich das bewusst wahrnahm konnte ich sehen, dass es mit mir wieder aufwärts ging.


4:02 Uhr - km 45:

 

Mit 10:31 min/km der langsamste Abschnitt, aber das sollte ab jetzt besser werden. Es ging ab jetzt die nächsten zwanzig Kilometer tendenziell abwärts und Angelika war offensichtlich wieder fit. Sie lief jetzt immer einen Tick schneller als ich, schaute nach einer Weile zu mir zurück, ob ich noch in Sichtweite war, machte dann wieder langsamer, so dass ich aufschließen konnte. Spätestens an den Verpflegungsstationen aber hatte ich dann wieder ganz aufgeschlossen. Ganz offensichtlich hatte sie Auftrieb bekommen durch die nahe Dämmerung und das Wissen, dass wir bald Halbzeit hatten.


Das finstere Waldstück kam, an das ich mich noch gut erinnern konnte. Der Mond hatte keine Chance den Weg zu beleuchten, man sah überhaupt nichts! Da aber immer noch genügend Läufer und Fahrräder auf der Strecke waren, überstanden wir auch diesen Abschnitt problemlos.


Viel fotografiert hatte ich in den vergangenen Stunden nicht. Lediglich an den Verpflegungsstellen machte ich ein oder zwei Bilder, auf der Strecke wäre es dazu viel zu dunkel gewesen. Bald aber würde sich das ändern. Linkerhand sah ich bereits einen hellen Streifen am Himmel und schon tauchte Jegenstorf auf. Es war jetzt 4:22 Uhr und Zuschauer waren nur noch wenige zu sehen, ganz menschenleer war es aber auch hier nicht.


Als wir aus dem Ort herauskamen, wurde es vor uns immer heller. Wir liefen wohl jetzt Richtung Osten. Die Dämmerung beflügelte uns offensichtlich, denn unsere Geschwindigkeit wurde wieder schneller. Ich dachte auch daran, jetzt noch möglichst viele Kilometer zu machen, denn in drei oder vier Stunden würde es warm oder gar heiß werden und zwar genau auf dem Abschnitt, bei dem weit und breit kein Schatten zu erwarten war.


4:43 Uhr - km 50:

 

Halbzeit! Wenn man die gelaufenen Stunden verdoppelte würde eine Endzeit von 13:26 h herauskommen. Das aber war Illusion, es kamen noch schwere Abschnitte und die Frische vom Anfang hatten wir auch nicht mehr. Aber immerhin zeigte die Zeit, dass die 14 Stunden nicht ganz illusorisch waren. Wir liefen also beflügelt weiter.


Kirchberg (km 56,1) war erreicht und tatsächlich hatten wir die letzten 10 Kilometer den idealen Schnitt von 8:20 min/km. Hier setzte ich mich das erste Mal und trank mein Pensum im Sitzen. Seit Kilometer 50 trank ich zusätzlich Cola. Essen konnte ich nur noch die Brotstückchen, zu denen ich jeweils einen oder zwei Becher Bouillon trank, alles Süße war mir zuwider.


Ich füllte noch meine Trinkflasche mit Cola und dann starteten wir auf die nächste Etappe, den zehn Kilometern auf dem Emmedamm. Der erste Abschnitt war recht ordentlich zu laufen, so gut eben, wie das ein Kerzen gerader Waldweg zulässt. Hier unterhielt uns ein paar Minuten lang Martina Hausmann, erzählte von ihren Ultraläufen und warum sie so einen Untergrund überhaupt nicht liebe. Sie freue sich jetzt schon auf die Steigungen nach Bibern. In der Tat fiel sie dann auch immer mehr zurück.

 


Nach etwa 5 Kilometern kam dann die Verpflegungsstelle unter der Brücke. Nach kurzem Aufenthalt liefen wir sofort weiter und waren nach knapp hundert Metern auf dem schnurgeraden, schmalen Damm. Anfänglich war da noch links eine kleine Mauer, auf der verschiedene Läufer in der Sonne saßen und auf der auch noch jede Menge leerer Becher abgestellt waren. Vielleicht fünfzehn Minuten liefen wir auf dem schmalen Weglein in der wärmenden Sonne, kamen dann am Klärwerk vorbei und kaum fünf Minuten später waren wir auf dem berüchtigten Ho-Chi-Minh-Pfad sein, der durch diesen Namen an den Dschungel in Vietnam erinnern sollte. Bernhard hatte diesen Pfad in seinem Bericht 2002 folgendermaßen charakterisiert: "Immer warte ich jetzt auf die knorrigen Wurzeln, spitzen Steine und andere Unebenheiten, die diese Wegstrecke doch mit sich bringen soll. Es kommen so gut wie keine. Der Weg ist frisch geebnet und gesplittet. Dem Ho Tschi-Minh-Pfad sind also zwischenzeitlich die Zähne gezogen worden."

 

Bei all meinen Läufen in den Jahren danach fand ich jedoch den Split nicht, sondern knorrige Wurzeln, spitze Steine, andere Unebenheiten und auch Zweige der Büsche links und rechts in Augenhöhe, die zu ständigem Ausweichen zwangen, also einen „ursprünglichen“ Ho-Chi-Minh-Pfad.


Dieses Jahr allerdings war alles ganz anders. Nicht nur die Zähne waren dem Pfad gezogen, nein, Bernhard meinte, er hätte eine komplette Gebisssanierung hinter sich. Nahezu Topf eben, fein gesplittet, die störenden Zweige entfernt – es lief sich ganz bequem. Mag sein, dass da gegen Ende noch ein paar Wurzeln waren, aber kein Vergleich zu den Vorjahren. Da ich auch schon die anspruchsvollere Variante erlebt habe, vermisste ich nichts, war im Gegenteil erfreut, dass ich dieses anspruchsvolle Stück Weges nicht laufen musste.


7:03 Uhr - km 66,5:

 

Wir hatten jetzt die Verpflegungsstelle am Ende des Emmedamms erreicht. Hundert Meter zuvor hatten die Fahrradbegleiter auf ihre Schützlinge gewartet. Sie waren von Kirchberg aus nach hier umgeleitet worden, denn die zehn Kilometer auf dem Damm waren natürlich für Fahrräder tabu.


Obwohl der Weg besser war als die vergangenen Jahre, war unsere Geschwindigkeit auf etwa 10 min/km gefallen. Kein Problem, ab jetzt lief man auf Straßen und wir konnten wieder unser altes Tempo aufnehmen und hatten auch bald Gerlafingen erreicht. Dort passierten wir erst Reinhard und Sina, die nicht mehr so glücklich aussah wie noch vor Stunden. Später erfuhr ich dann, dass sie sich Blasen gelaufen hatte. Auch Uli Etzrodt trafen wir, ebenfalls nicht mehr sehr dynamisch. Er ließ es sich aber nicht nehmen, mit seinem neuen Handy ein Bild von mir zu machen.

 


Wir verließen Gerlafingen und liefen weiter in der schönen Landschaft. Der Himmel war wolkenlos blau, die Sonne ließ das Grün der Gräser und Büsche leuchten und wärmte uns angenehm. Angelika hatte ihre Führungsposition eingenommen und zog mich mit. Jetzt kam das Industriegebiet von Lohn. Wir liefen auf den Bahnübergang zu, Angelika etwa hundert Meter vor mir, als die Schranken zugingen und ein Zug in den Bahnhof einfuhr. Sie musste warten und als ich an der Schranke ankam, ging sie gerade hoch. Glück gehabt! Noch knapp einen Kilometer liefen wir der Straße entlang, links meist prächtige Bauernhäuser, durch Lüterkofen hindurch, einem kleinen, beschaulichen Ort und dann waren wir auf der Straße nach Bibern.


Auch diese knapp fünf Kilometer bis Bibern waren mir bestens in Erinnerung. Eine endlos gerade Straße, die für den Lauf gesperrt war. Sehr gut zu laufen, linkerhand meist hohe Büsche oder Wald, rechts Wiesen und immer wieder ein Bauernhof. Die Sonne wurde von den Bäumen und Büschen abgehalten, so dass man meist im Schatten laufen konnte.

 

Man kam an Ichertswil vorbei, einem kleinen Weiler abseits der Straße, mit schöne Bauernhöfen, die sich wunderbar in die Landschaft einfügten. Hier war ein Verpflegungsstand, an dem ich mich traditionsgemäß gut verpflege, viel Cola trinke und dann eine Sitzpause mache. Das viele Cola trank ich auch dieses Jahr, füllte auch meine Trinkflasche damit auf, die Pause allerdings gönnte mir meine Begleiterin nicht; ich hatte nicht mal Zeit, ein Bild von mir aufnehmen zu lassen, so schnell ging es weiter. War ja in Ordnung, wir wollten doch die 14 Stunden erreichen und das geht nicht mit Pausen machen.


Auf der folgenden Straße bin ich die letzten beiden Jahre oft gegangen, nur ganz wenig gejoggt. Ganz anders dieses Mal. Angelika gab das Tempo vor und ich folgte. Ganz unmerklich stieg es an und trotzdem waren wir hier mit 7:50 min/km nahezu so schnell wie auf den ersten 20 Kilometern.

 

8:08 Uhr - km 75:

 

Noch ein Kilometer bis Bibern. Kein Schatten mehr und trotz voller Sonne war es nicht zu warm. Das hatten wir den kühlen Temperaturen zu verdanken, die uns in der Nacht zugesetzt hatten. Wir liefen in den Ort hinein und waren bald an der Verpflegungsstelle. Hier war auch die letzte Wechselstation für die Stafetten und bei uns wurde die Zwischenzeit genommen. Ganz im Gegensatz zu den vorigen Stationen war hier wenig los. Klar, nach zehn Stunden hat sich das Feld so weit auseinander gezogen, dass die Läuferinnen und Läufer in größeren zeitlichen Abständen ankamen.


Wieder hielten wir uns hier nur kurz auf und machten uns dann an den Anstieg. Gehend nahmen wir diese vielleicht 50 Höhenmeter, verteilt auf etwa 800 schattenlose Meter und dann ging es abwärts durch den Wald Richtung Arch. Man sollte ja annehmen, dass solche Abwärtsstrecken angenehm wären. Sind sie aber nach 75 Kilometern nur noch bedingt, trotzdem natürlich besser und schneller als aufwärts. Auch lief man wieder im Schatten.


Als wir dann freien Blick hinunter in die Bieler Ebene hatten, wusste ich, dass es nicht mehr lange bis zum Schild „80 km“ waren. Tatsächlich dauerte es nur noch fünf Minuten und wir hatten die achtzig Kilometer geschafft. Die Uhr zeigte 8:52 an, also waren wir 10 Stunden 52 Minuten unterwegs. Dank Cola hatte ich auch die letzten 30 Kilometer gut überstanden, die befürchteten Kreislaufprobleme waren noch nicht eingetreten. Das ließ mich hoffen, die restlichen 20 Kilometer ebenfalls noch gut zu schaffen. Wenn wir noch drei Stunden unterwegs wären, würden wir sogar eine Zeit knapp unter 14 Stunden erreichen. Drei Stunden für 20 Kilometer, das war ein Schnitt von 9 min/km – durchaus realistisch, trotz der schwierigen Bedingungen, die uns noch erwarteten.

 


Also weiterlaufen, nicht trödeln. Arch hatten wir erreicht, die Straße machte einen Bogen nach rechts und schon wieder ging es abwärts, kurz aber steil. Unten war schon die nächste Verpflegungsstation. Wasser, Cola, Bouillon, Cola und weiter ging es. Noch ein paar hundert Meter durch den Ort, dann hinaus, ein ganz kurzes Stück an einer Straße entlang und endlich hatten wir die Aare erreicht, der wir die nächsten 10 Kilometer entlang laufen mussten. So schön immer wieder die Ausblicke auf den Fluss sind, so zäh waren diese Kilometer. Obwohl das Flussbett von Büschen gesäumt ist, die Sonne stand in der Zwischenzeit so hoch, dass wir keinen Schatten bekamen. Glücklicherweise aber war ihre Kraft immer noch nicht so groß dass es zu heiß wäre. Ich setzte meine Mütze auf und drehte das Schild so, dass mein Nacken nicht beschienen wurde.


Der Weg aber war zermürbend. Stets sah man viele hundert Meter weiter vorne ganz winzig kleine Figuren – Läufer! Wenn man dann nach langen, quälenden Minuten endlich dort angekommen war, machte der Weg einen Schwenk, oder man überquerte auf einer schwankenden Holzbrücke einen kleinen Seitenarm und was sah man ganz weit in der Ferne? Richtig, ganz winzig kleine Figuren – Läufer! So ging das ewig und bald hatte ich keine Hoffnung mehr, jemals irgendwo anzukommen.


9:31 Uhr - km 85: 

 

Endlich, es ist doch noch wahr geworden, das 85er Schild war erreicht. Aber immer noch waren es nervige zwei Kilometer bis zur Verpflegungsstelle in Büren. Trotz der schwierigen Bedingungen hatten wir dennoch von Arch bis Büren einen Schnitt von etwa 7:55 min/km und damit für die restlichen 13 Kilometer noch zwei Stunden Zeit, um unter 14 Stunden zu kommen. Eine lösbare Aufgabe.

 


Zuerst aber musste ich meine Brust samt Sendegurt mit Wasser abwaschen. Meine Pulsuhr zeigte schon seit vielen Kilometern sämtliche Werte von Null bis 220. Das Wasser im Brunnen dort und mein Waschlappen, den ich stets zum Schweiß Abwischen dabei habe, halfen dabei und tatsächlich war dann auf den restlichen Kilometern alles in Ordnung.


Weiter ging es nach bewährtem Muster: Angelika vorne und ich hinterher. Allerdings war sie jetzt auch nicht mehr so dynamisch, so dass sich unsere Geschwindigkeiten nahezu angeglichen hatten. Kilometer 90 war erreicht, 10:11 Uhr, also noch genügend Zeit. Diese moralische Stütze brauchte ich auch, denn jetzt wurde es langsam unangenehm warm und die vor uns liegende Strecke lag in der prallen Sonne.


Man hatte den Fluss verlassen, lief auf Feldwegen durch die Felder, überquerte anschließend eine Straße und dann stieg der Weg leicht an, bis man endlich hinunter nach Pieterlen sehen konnte. Nur noch einen knappen Kilometer die Straße hinunter und schon waren wir an der Verpflegungsstelle Pieterlen.


10:48 Uhr - km 94,4:

 

Erst Mal musste ich mich auf einen Stuhl setzen, denn langsam spürte ich, dass meine Reserven knapp wurden. Also trank ich mehrere Becher Cola, füllte noch zwei Becher in meine Trinkflasche und nach wenigen Minuten ging es weiter.

 


Wir lagen noch so gut in der Zeit, dass wir es uns leisten konnten, langsamer zu tun. Immer wenn es aufwärts ging, begannen wir zu gehen. Trotzdem lagen wir bei der letzten Verpflegungsstation im Wald (km 96,2) noch bestens in der Zeit, das würde lässig unter 14 Stunden reichen!


Die nächsten knapp drei Kilometer verliefen schattenlos auf einem Weg neben der Eisenbahnstrecke. Dann ging es durch einen Bauhof mit großen Sand- und Kieshalden, vorbei am Schild „noch 1 km“. Hier rafften wir uns noch mal auf und trabten wieder an, vergaßen unsere Schmerzen und liefen nach 800 Metern kurz hintereinander durch das Ziel.


In 13:45:46 hatten wir es geschafft. ich war glücklich, endlich den Lauf mal wieder ohne große Schmerzen und ohne Kreislaufprobleme beendet zu haben. Nun ja, meine Fußsohlen taten schon mordsmäßig weh, verglichen aber mit den beiden Läufen zuvor war das nichts.


Meiner Urkunde, die ich bei Abholung des Finisher-Shirts bekam, konnte ich dann entnehmen, was ich eigentlich die ganzen letzten acht oder neun Stunden beobachtet hatte: Ich hatte viele Läufer überholt, wurde selbst aber kaum überholt. Bei der ersten Wechselzone in Oberramsern (km 38,599 lag ich noch auf Platz 1.147, in Kirchberg auf Platz 1.063, in Bibern auf Platz 899 und im Ziel dann auf Platz 847. Bei insgesamt 1.229 Finishern konnte ich damit zufrieden sein. Auch wenn mir eine gute Zeit nie sehr wichtig ist, man freut sich trotzdem, wenn man mal eine hat.


Rundum war Biel wieder ein wunderbares Erlebnis, von dem ich noch lange zehren werde. Ich wiederhole: Biel ist ein Erlebnis, der Lauf in der Nacht, die Strecke, die Landschaft, die Zuschauer, die Stimmung, die Anstrengung - das muss jedes Jahr gemacht werden.

 

Streckenbeschreibung

Rundkurs von 100 Kilometern östlich von Biel.


Weitere Veranstaltungen

100-km-Team-Stafette: Insgesamt vier Läufer bilden eine Staffette, Frauen, Männer und Mixed. Wechsel bei km 38,5 in Oberramsern, bei 56,1 in Kirchberg und bei 76,6 in Bibern. Die 100 Kilometer teilten sich somit in vier Etappen auf: 38,5 / 17,4 / 20,5 und 23,4 Kilometer.


100-km-Lauf Sie+Er: Zwei teilen sich die 100 Kilometer. Wechselzone ist bei km 56,1 in Kirchberg. Wer die längere Strecke läuft kann selbst gewählt werden.


Nachtmarathon, Start Freitag 22.30 Uhr


Halbmarathon, Start Samstag, 14 Uhr


Büttenberglauf, Walking: 14,5 km, Start Samstag 14.30 Uhr

 

Zeitnahme

Chip wird vom Veranstalter gestellt; bei der Rückgabe erhält man sein Finishershirt und seine Urkunde.


Startgebühr

100 km 65 Euro, Meldeschluss ca. einen Monat vor Veranstaltung, Nachmeldung problemlos möglich, Aufpreis 12 Euro.


Stafette 130 Euro pro Team, Nachmeldung 22 Euro


Verpflegung

Spätestens alle 5 km, je nach Strecke auch häufiger; Wasser, Iso, gezuckerter Tee, Bouillon Cola (ab ca. km 40), Bananen, Orangen, Energieriegel und anderes süßes zeug, Brotstückchen.


Zuschauer

Auf den ersten 10 Kilometern in Biel und den Teilorten jede Menge begeisterter Menschen, Familien mit Kindern, Omas. Opas, alles was Biel aufzubieten hat steht an der Strecke. Danach in jedem Ort, durch den man kommt haben die Gastwirtschaften Tische nach draußen gestellt, an denen viele Gäste feiern, sich und die Läuferinnen und Läufer, auch viele Privatleute haben Biertischgarnituren aufgestellt, an denen gefeiert wird. Auch frühmorgens sitzen noch/schon wieder Leute vor den Häusern und frühstücken oder trinken ihren Frühschoppen.


Auszeichnungen

Finisher Medaille, Finischershirt, Urkunde


Drumrum

Solide Organisation, kostenloser Zeltplatz hundert Meter vom Start. Direkt beim Start auch die Ausgabe der Startunterlagen in einer Halle, in der auch ein paar Marathonstände sind. Dieses Jahr wurde auf einer Großleinwand das Eröffnungsspiel zur Weltmeisterschaft gezeigt; Verköstigungszelt vor der Halle.

 

Informationen: Bieler Lauftage
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