Fotos: Joseph Kibunja für m4y
Anlässlich des Besuches bei meinem Freund Henry Wanyoike (deifacher Paralympicssieger) in Kenia, treffe ich Patrick Makau, den neuen Marathon-Weltrekordler (2:03:38).
m4y: Patrick, herzlichen Dank, daß Du so spontan und unkompliziert für einige Fragen zur Verfügung stehst.
Ein ganz dickes Ausrufezeichen wurde ja in diesem Frühjahr beim denkwürdigen Rennen in Boston geliefert, bei dem zwei Läufer die bisherige Weltrekordzeit deutlich unterboten hatten. Aufgrund des internationalen Regelwerks durfte das aber kein Weltrekord sein. Viele von uns haben dann kürzlich Deinen furiosen Weltrekordlauf in Berlin mitverfolgt. Wie geht es Dir heute, vier Wochen danach?
Patrick: Danke der Nachfrage. Ich fühle mich sehr glücklich, den Weltrekord gebrochen zu haben und es geht mir sehr gut.
m4y: Wie hast Du Dich danach regeneriert und Dein Training gestaltet?
Patrick: Die erste Woche nach dem Lauf habe ich das Training komplett eingestellt und mich mit kleineren Einheiten wieder herangetastet. Mittlerweile trainiere ich schon wieder ordentliche Umfänge, vorwiegend als Regenerationseinheiten mit nicht weniger als 30 km täglich.
m4y: Hat sich Dein Leben nach dem Rekordlauf verändert?
Patrick: Natürlich hat es sich in einigen Punkten geändert. Als Weltrekordler wirst Du schlagartig bekannt und musst viele Interviews geben. Aber ansonsten versuche ich, genau so zu bleiben, wie ich vorher war.
m4y: In Deinem Interview nach dem Sieg in Berlin hast Du Gott gedankt, daß er Dich hat so erfolgreich laufen lassen. Welche Rolle spielt der Glaube in Deinem Leben?
Patrick: Ich habe vor etwa sechs Jahren ernsthaft zu trainieren begonnen und Gott gebeten, mich eines Tages Weltrekord laufen zu lassen. Das ist erfreulicherweise geschehen. Mein Glaube stärkt mich in meinem Bemühen, gut zu laufen.
m4y: Du scheinst ein gewisses Talent zum Langstreckenlauf zu besitzen. Wann hast Du gemerkt, daß Du besser bist als andere Deiner Altersgenossen?
Patrick: In 7 km-Läufen habe ich seinerzeit versucht, das Tempo vorzugeben und das ist mir gelungen. So konnte ich viele Konkurrenten schlagen und ganz vorne sein.
m4y: Woran Du Deine aktuelle Form fest sind das? Beschäftigst Du Dich mit Laktatmessungen, Herzfrequenzmesser, Atemgasanalysen?
Patrick: In der ersten Woche nach dem Berlin-Marathon habe ich in meinen Körper hineingehört. Was sagt mir mein Herz? Es hast schneller geschlagen als sonst, nicht besorgniserregend, aber doch schneller. Herzfrequenzmessung z. B. ist zum Beispiel aber nicht wichtig für mich, das Körpergefühl steht im Vordergrund.
m4y: Das geht vielen von uns so (Patrick lacht). Wo liegen aus Deiner Sicht die Grenzen beim Marathon? 2:02 h? 2:00 h? Wie viele werden in den nächsten Jahren hierzu in der Lage sein?
Patrick: Wenn mein Gott es mir erlaubt und mir die Chance gibt, werde ich nach Berlin zurückkehren und versuchen, 2:02 Std. zu laufen.
m4y: Schon im nächsten Jahr?
Patrick: Möglicherweise ja.
m4y: Noch einmal gefragt: bist Du der Einzige, der für ein weitere Verbesserung des Weltrekoords in Frage kommt oder siehst Du ernsthafte Konkurrenz?
Patrick: Zur Zeit haben wir viele sehr schnelle Läufer in Kenia. Wenn sie ähnliche Leistungen bringen wie ich, kommen hierfür aktuell etwa fünf Läufer in Frage.
m4y: Welche Rolle spielen aus Deiner Sicht die Tempomacher im Rennen? Brauchst Du sie unbedingt für ein schnelles Rennen oder läufst Du lieber alleine nach Deinem Körpergefühl?
Patrick: Also, auf den ersten 21 km musst Du Deinen Tempomachern folgen. Von da ab hörst Du am besten darauf, was Dein Körper Dir sagt, und dann kannst Du versuchen, alleine zu laufen.
m4y: Den Tee hast Du genommen, aber den Kuchen, den ich Dir angeboten habe, leider abgelehnt (Patrick lacht). Wie gestaltest Du Deine Ernährung? Insbesondere in Zeiten, in denen Du nicht in Kenia bist? Vielerorts findest Du ja ein ganz anderes Nahrungsangebot als zuhause, das ich derzeit genießen darf und Du gewohnt bist.
Patrick: Jemand, der ein guter Athlet sein will, muss bezüglich seiner Ernährung sehr diszipliniert leben. So kannst Du nicht alles essen, was Dir angeboten wird. Du musst vorausschauend essen und Deine Nahrungsauswahl sorgfältig treffen.
m4y: Wenn Du jetzt beispielsweise, wie angedeutet, nach Berlin zurückkehren würdest, nähmst Du dann einen Koch mit oder vielleicht bestimmtes kenianisches Essen? Oder orderst Du ganz spezielle Nahrung?
Patrick: Ja, ich bestelle mir bestimmte Sachen. Zum Beispiel Spaghetti, die viele Kohlenhydrate beinhalten, die entsprechen inhaltlich durchaus dem Essen, das ich hier in Kenia gewohnt bin. Einen Koch brauche ich nicht und ich nehme auch keine Vorräte mit.
m4y: Aha, also isst der Kenianer in Deutschland Nudeln und der Germane in Kenia Ugali?
Patrick: (lacht laut) Klar, genau so ist es.
m4y: Was nimmst Du während des Rennens zu Dir? Nur Wasser? Salz? Gels?
Patrick: Am Lauftag trinke ich morgens aufgebrühten Tee und esse ein wenig Brot.
m4y: Und unterwegs?
Patrick: Ich nehme die Energiedrinks zu mir, die unterwegs üblicherweise angeboten werden, spezielle Sachen brauche ich nicht. Und natürlich Wasser. Kein Salz, keine Gels.
m4y: Wechseln wir zu einem für uns Deutsche traurigen Thema. Die Europäer, speziell wir Deutschen, laufen, zumindest bei den Männern, der Weltspitze weit hinterher. Woran liegt das Deiner Meinung nach?
Patrick: Meiner Meinung nach trainieren sie nicht richtig, das ist das Entscheidende. Sie müssen sich ausschließlich auf ihre Karriere als Läufer konzentrieren und ihre ganze Kraft darauf verwenden. Sie sollten sich ansehen, wie wir es in Kenia machen. Sie sind gerne eingeladen, mit uns zu trainieren.
m4y: Glaubst Du, daß Ostafrikaner, speziell Kenianer, talentierter als unsere Läufer sind?
Patrick: Nein, ich bin mir ganz sicher, daß man auch bei Euch viele Talente finden kann. Es bedarf sowohl der richtigen Einstellung als auch der richtigen Trainingsmethoden.
m4y: Wie wäre es mit kenianischen Trainern in Deutschland?
Patrick: (zögert) Ich glaube nicht, daß sie viel verändern würden, wenn sie für einige Zeit nach Deutschland kämen.
m4y: Lass und mal die Topathleten verlassen und uns Normalos anschauen. Welche Tipps kannst Du uns Hobbyläufern, die wir 3:30, 4:00, 5:00 Std. auf 42 km unterwegs sind, geben? Worauf kommt es aus Deiner Sicht beim Marathontraining entscheidend an?
Patrick: Wenn sich jemand entschließt, einen Marathon zu laufen, sollte er sich, wie ich, drei Monate Zeit zur Vorbereitung geben und grundsätzlich einen Mix aus kurzen, schnellen und ruhigen, langsamen und langen Einheiten trainieren. Ich rate dazu, im ersten Monat den Schwerpunkt auf kurze, schnelle Läufe zu legen, im zweiten auf die langen, ruhigen zu setzen und im dritten Monat die Intensität etwas zurückzufahren.
m4y: Kommen wir zum Abschluss. Meine letzte Frage hast Du vorhin schon andeutungsweise beantwortet. Welche Marathons willst Du in den nächsten Jahren laufen?
Patrick: Mein nächstes Ziel ist ganz klar der olympische Marathonlauf 2012 in London. Natürlich habe ich auch eine Rückkehr nach Berlin im Auge, aber nach London könnte die Regenerations- und die Vorbereitungszeit zu knapp ausfallen. Ich muss dann einfach mal schauen, was drin ist. Berlin 2013 ist aber ganz sicher ein heißes Thema, der Rest wird sich finden, es gibt so viele interessante Rennen.
m4y: Patrick, zwei kleine Geschenke habe ich Dir mitgebracht: zunächst etwas Süßes, das du ja leider nicht essen darfst (er lacht), aber vielleicht freut sich Deine Familie darüber. Zum zweiten ein Shirt von m4y, damit auch Du ab sofort zur Familie „Wir sind Marathon“ gehörst. Wir danken Dir nochmals für Deine spontane Bereitschaft, uns für Fragen zur Verfügung zu stehen und wünschen Dir für die Zukunft alles erdenklich Gute.