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Laufberichte

Cool running

10.11.07

Dieser, von dem in der Ultraszene hochangesehenen Hubert Karl jetzt schon zum 4. Mal veranstalteter Volkslauf, hatte mein äußerstes Wohlgefallen schon vor 4 Jahren gefunden; denn für einen wie mich, der sich am liebsten im bewaldeten Mittelgebirge langläuferisch betätigt, verdient diese Veranstaltung in Schulnoten ausgedrückt die Note „sehr gut“. 

Um es vorweg zu nehmen, es stimmt hier wirklich alles: 

- es sind 2 Runden von je 21 km zu über 90 % in zum größten Teil imposantem Laubhochwald mit herzerfrischenden Steigungen zu laufen

- km-Schilder geben einem das gute Gefühl, mal wieder 1 km dem Ziel näher gekommen zu sein

- an jeder Stelle, an der man sich verlaufen könnte, steht entweder ein Streckenposten, der auch noch auf den Letzten wartet, oder es sind Banderolen über den Weg gelegt

- Die Verpflegungsstellen, ausnahmslos mit sehr freundlichem Helferpersonal besetzt, haben alles, was ein Läufer benötigt oder glaubt, zu benötigen wie Cola, Iso, heißer Tee, Wasser und die verschiedensten Snacks

- Großzügige heiße Duschen im Hallenbad, das sich in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungssaal befindet

- Zum Turnhallenübernachten muß die Geldbörse nicht geöffnet werden

- Bei der Siegerehrung werden die 3 Ersten jeder Altersklasse auf’s Treppchen gebeten und mit Preisen belohnt

- Die Teilnahmegebühr beträgt 18 € und beinhaltet neben den oben genannten Leistungen 1 Flasche trinkbarer Franken-Weißwein, 1 Marathon-Medaille, bei Zuzahlung von 1 € ein sättigendes Quark/Pellkartoffelgericht und den Mini-Bustransfer zum Start und vom Ziel zur Festhalle 

Das könnte sich ein Veranstalter, der schon seit Jahrzehnten in Nordhessen ebenfalls einen Waldmarathon immer am 1. Advent organisiert und bei dem nachher immer die Duschen eiskalt sind als Beispiel nehmen, denn bei ihm verhält es sich diametral entgegengesetzt, denn dort sind viel höhere Gebühren für viel weniger Leistung fällig…    

Am Freitagabend gegen 18.30h erreichen Birgit und ich das Hotel und Restaurant Kolb, das nur wenige m von dem Ort der Startnummernausgabe entfernt liegt. Ein bekanntes Fahrzeug steht schon auf dem Parkplatz und unmittelbar nach dem Aussteigen kommen uns schon der betr. Fahrer, der diesjährig alle seine Rekorde in puncto Weit- und Viellauferei brach und eine andere illustre Langstreckenlaufpersönlichkeit gelbjackig bekleidet mit einer pittoresken Mütze mit Hahnenkamm auf dem Kopf entgegen. 

Es sind Günther Meinhold und Siegrid Eichner, die beide unter anderem im September innerhalb von 18 Tagen quer durch Frankreich vom Kanal zur Mittelmeerküste gelaufen sind. Günther ist auch in unserem Hotel untergebracht und hat schon erkannt, dass die dortige Speisekarte Gutes verheißt. 

So nehmen wir zusammen das Abendessen ein. Birgit und ich haben das sogenannte Marathon-Spezialangebot der Firma Kolb gebucht, das 2 Übernachtungen mit 2 Büffetfrühstücken sowie ein Nudelmastessen am Marathonvorabend und ein Post-Marathon-Gourmet-Menü für je 89 € beinhaltet. 

Obwohl das Essen von Teigwaren bei mir äußersten Seltenheitswert genießt, bin ich hier von dieser Mahlzeit begeistert. Es sind frische, hausgemachte Nudelgerichte in Gängen so viel man will, und bei jedem Gang etwas anders zubereitet. Birgit ist schon beim 2.Teller satt, und bei mir ist beim 4. Teller das Gefühl erreicht, als würde ich meine Sportart ändern wollen, nämlich vom Marathonlaufen zum Sumo-Ringen 

Einen Guten Rat an den Leser, der gerade an eine Teilnahme in 2008 nachdenkt…. Beginnt den Tag am besten ohne Frühstück und auch das Mittagessen wird entbehrlich sein, dann könnt Ihr am Abend beim Kolb so richtig freudenreich zulangen…. 

Angenehm parlierend über vorausgegangene gemeinsame Laufabenteuer genießen Sigrid, Günther und ich den Abend. Meine Freundin Birgit, die erst dieses Jahr Zugang zur Marathonszene gefunden hat, lauscht den Erzählungen. Hört sie doch jetzt mal Geschichten aus anderen Mündern; denn meine Prahlerei kennt sie sicherlich schon zur Genüge… 

Nicht besonders früh gehen wir zu Bett, nachdem ich auch noch ein paar Bier getrunken hatte. Nach einer Reihe relativ leicht gelaufener Marathons und Ultras ist gegenwärtig bei mir wieder eine gewisse Respektlosigkeit vor dem morgigen Langlauf angesagt. 

Ich erwache am Morgen und der Himmel weint…

Der graue Himmel weint….

Die Tränen sind schwer und dick und teilweise weiß… 

Der Wind weht spürbar und es ist kalt… So ca. 2 bis 3 Grad über Null.
Nachdem Kanzlerin Merkel die Klimarettung zur Chefsache gemacht hat, nachdem sie im Sommer mit Umwelt-Gabriel in Grönland Schmelzgletscher beweinte, scheint ihr auch dies zu gelingen: Wir bekommen wieder einen Winter.

Noch über eine Stunde ist es bis zum Marathon-Start und wir gehen zum Startgelände. Meine liebe Schäferhündin Cora ist mal wieder außer Rand und Band als sie die Läuferscharen sieht. Auch sie nimmt in 4. Folge an diesem schönen Waldlauf teil, und ich vermute stark, dass gerade Erinnerungen an die Vergangenheit bei ihr hirnmäßig abgerufen werden. 

Am Start sind schon viele Läufer anwesend, und ich lasse Cora frei laufen, denn an der Leine benimmt sie sich wie der Hammel am Strick, wie die Pfälzer zu sagen pflegen. Unruhig und nervöse Heullaute von sich gebend, läuft sie zwischen den Teilnehmern herum, jedem in die Augen schauend und immer wieder kehrt sie zu mir zurück mit einer Mimik, die ausdrücken soll: „Wann geht es endlich los?“ 

Wenige Minuten vor dem Start nehme ich sie an die Leine und positioniere mich als Allerletzter einige Meter hinter dem Läuferpulk mit ihr. Fitnessstudiobesuche zur Muskelbewahrung am Oberkörper entfallen für die nächste Zeit, denn alle meine Oberkörpermuskelkraft benötige ich für das Zurückhalten des rennsüchtigen Tieres. 

Der Startschuss fällt, die Läufer laufen und der Hund zieht.  Sekundenbruchteilig habe ich den Eindruck, ein Pferd schleift mich hinter sich her. 

Glücklicherweise führt jetzt der Rennparcours für 2 km steil nach oben, so dass ich die Läuferschar vor mir laufen lasse und ich das Rennen flott gehend beginne. Schnell zieht sich das Läuferfeld auseinander und ich bewahre Abstand dazu und lasse jetzt den Hund von der Leine, wohl wissend, dass nach einigen km wieder Verhaltensnormalität bei ihm einkehren wird. 

Bald habe ich einen Läufer eingeholt, der mir schon letztes Jahr hier aufgefallen war und auch Hotelgast bei Kolb ist. Es ist ein mittvierziger Inder aus Bangalore stammend und in Wien lebend. Ich komme mit ihm ins Gespräch und unterhalte mich gut. Er heißt Anil Kumar und arbeitet bei der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien, die auch unter anderem für die Überwachung oder besser gesagt Beobachtung der Nuklearaktivitäten der Mullahrepublik Iran zuständig ist. 

Wir unterhalten uns über verschiedene weltbedeutsame Themen und ich stelle fest, dass wir uns auf der „gleichen Wellenlänge befinden“. Nach ca. 2 km erreichen wir den Bergkamm und für einige 100 m laufen wir über freies Feld. Es hat begonnen, richtig zu schneien. Der hart wehende Wind gaukelt Arktistemperaturen vor und schnell sind unsere Körper mit Schnee bedeckt.

Innerhalb weniger Minuten laufen wir in einer märchenhaften nebligen weißen Winterlandschaft und meine Schäferhündin sieht aus wie „Wolfsblut“ im gleichnamigen Film der 60er Jahre, der frei nach Erzählungen von Jack London gedreht wurde. Anil und ich laufen jetzt etliche km zusammen. Irgendwann sagt er, dass er dabei ist, Probleme mit der Kälte zu bekommen. Er verspüre kein Leben mehr in seinen Händen und Unterarmen und die Füße würden wegen der Kaltnässe sehr schmerzen. Er erkennt, dass seine genetische Herkunft schon eine Rolle spielt. Er sei halt ein Kind des Südens… 

Ich gebe ihm zu erkennen, dass ich ein Sohn des Nordens bin und das kalte Wetter genießen würde… 

Noch… hätte ich sagen müssen. Nach einer Wasserlassungspause verliere ich ihn schließlich aus den Augen. Die Strecke ist mir mittlerweile wohlbekannt und jetzt nach ca. 12 km taucht ein Schild am Wegesrand mit der Inschrift auf: „Genieße die Natur mit allen Sinnen“. 

Der Text könnte von mir stammen, denn genau das tue ich gerade und fühle mich prächtig. Cora hat mittlerweile ihren Überlaufenthusiasmus überwunden und läuft nur noch wenige Meter vor mir her. Bald ist die Stelle erreicht, wo schnellere Läufer Hügel abwärts laufend entgegenkommen. 

Ich weiß, dass ich jetzt eine große 2km-Schleife noch vor mir habe, um an diesen Punkt wieder zu gelangen. Steil hoch geht es wieder und ich komme einer Läufergruppe immer näher. Bald geht es wieder mal kurz auf einen geteerten Weg, der steil nach unten führt und ich bekomme erstmals massive Probleme mit der Schneeglätte. Das Profil meiner Laufschuhe ähnelt dem abgefahrener Sommerreifen.
Um Stürze zu vermeiden, nehme ich meine Bergablaufgeschwindigkeit
erheblich zurück. Statt dass ich es hier wie in der Vergangenheit rollen lasse, bremse ich ab, was mir wiederum viel Energie entzieht. 

Im Talgrund angekommen und an der dortigen Verpflegungsstelle Cola trinkend verweilend, bemerke ich erstmals sehr unangenehme Gefühle am Becken, an den Knien und an den Fußgelenken. Es ist die Kälte, die mich als „Sohn des Nordens“ jetzt ebenfalls leiden lässt. 

Abgelenkt werde ich durch eine hinter einem beweglichen Weidezaun befindliche Schafherde, geführt von einem großartig aussehenden Ziegenbock. Jetzt in der winterlichen Schneelandschaft sieht er mit seinem prächtigem Gehörn und seinem langen weißen Bart wie eine patriarchalische Sagengestalt in der Welt der alten Wikinger aus. 

Bei km 15 geht es wieder km-weit nach oben und die mittlerweile ansehnliche Schneedecke verlangt von mir verdoppelte Anstrengung. Ich laufe jetzt alleine und nur bei Strecken, die mehr als 100 m einsehbar sind, sehe ich hin und wieder eine Läuferin, der ich langsam näher komme. 

Leichtfüßig überholen mich jetzt die ersten Halbläufer, die eine Stunde nach uns gestartet waren. Mich schaudert’s, der eine trägt nur kurze Hosen und ein Achselshirt. Na ja, sie erzeugen durch Schnelllaufen genug Eigenwärme und sind bald im Ziel… 

Und wieder bemerke ich eigenkörperliche Negativveränderungen. Neben den Gelenkschmerzen verspüre ich jetzt erstmals auch unangenehme Gefühle an Oberschenkelmuskeln und Waden. Sehr gerne würde ich jetzt Aspirin einnehmen und würde es auch tun, wenn ich welches dabei hätte. 

Ganz in der Nähe der Streckenhälfte werde ich wieder von zielsprintenden Halblingen überholt… und mein immerwährend mich begleitender „Schweinehund“ wird wach: „Ach, Du armer Tropf, du frierst, du hast Schmerzen und du hast doch gar keine Lust mehr. Mach doch mal eine Ausnahme, gehe jetzt aus dem Rennen; denn Du wirst doch auf jeden Fall als Halbmarathonfinisher gewertet!“ 

Ein Schild taucht auf: Halbmarathon rechts, Marathon links! Ich laufe links…

Löblicherweise hat es jetzt mit dem Schneien aufgehört und auch hier unten im Tal liegt nur wenig Schnee. Der 2-km Anstieg wird wieder schnell gehend genommen. Der Weg ist wieder größtenteils schneefrei und ich komme besser als zuvor voran. Der Hund läuft mittlerweile hinter mir her, und ich muss ihn durch Zurufen zum Aufrücken veranlassen. 

Anscheinend verspürt er gerade „seinen Hammermann!“ Auf dem Bergkamm angekommen, läuft er dann wieder ohne Kommando neben mir her. Der Schnee ist teilweise getaut und ich kann wieder schneller laufen. Und überhaupt, es geht mir wieder besser als vor 10 km.

Jetzt bin ich ganz alleine und auch bei Strecken, die über 100 m einsehbar sind, sehe ich niemanden mehr. Ich vermute, dass alle Läufer, die unmittelbar vor mir waren, den Lauf als Halbläufer beendet haben. 

Richtig nett sind die Verpflegungshelfer besonders zu Cora. Manche wollen ihm unbedingt zu Trinken und zu Essen geben, was ich aber aus Sicherheitsgründen nicht zulasse; denn der Verdauungsapparat des Hundes reagiert empfindlich auf ungewohnte Nahrung. 

Im 30-jährigen Krieg waren die Leute hier nicht so nett, denn 1627 war Zeil die Zentrale Stelle der Bamberger Hexenprozesse und viele bedauernswerte und schuldlose Menschen mussten im damaligen kollektiven Religionswahn auf grausame Art ihr Leben lassen. 

Lange war ich der Überzeugung, dass durch die Zeit der Aufklärung die Menschheit zumindest bei uns zur Vernunft gekommen wäre, aber was mir seit einigen Jahren so über Esoterik zugetragen wird, lässt mich an der geistigen Weiterentwicklung des homo sapiens zweifeln und ich denke, dass man allgemein das sapiens vom homo getrost weglassen kann. 

Nun ja, Esoterik versessen sind zumeist einige Frauen in der sogenannten Menopause und verweichlichte Männer, glaube ich bemerkt zu haben. Von den schlimmen mittelalterlichen Auswüchsen des Islamismus will ich erst gar nicht reden. 

Es scheint mir, dass Albert Einstein Recht hatte, als er behauptete: „Es gibt nur 2 Dinge, die Unendlich sind. Es ist das Universum und die menschliche Dummheit.“  Beim ersten bin ich mir noch nicht ganz sicher! 

Auf der Teerstraße, bei der ich bei der ersten Runde wegen des Schneebelags bremsen musste, lasse ich es jetzt rollen, da der Schnee mittlerweile getaut ist.

An der Verpflegungsstelle im Tal geht es mir jetzt wieder richtig gut. Und wieder trinke ich viel Cola. An der Schafsherde geht es wieder vorbei und bald wieder steil den Berg hoch. Diesmal ist es wieder gut zu laufen. 

An der letzten Verpflegungsstelle nehme ich nochmals einige Schlucke Cola zu mir und in wohlgemuter Verfassung geht es runter zum Ziel. Dort bekomme ich eine Medaille und Cora eine Frischfleischwurst, was Cora das Verlassen dieses Ortes sehr schwer werden lässt. 

Ich gehe jetzt einige 100 m zur Bushaltestelle und bemerke, dass sich einige Körperteile von mir gefühlsmäßig verabschiedet haben. Es ist keinerlei Leben mehr in meinen Händen, Unterarmen, Füßen, Unterbeinen, und auch die theoretische Fortpflanzungsfähigkeit meines physischen Ichs scheint abhanden gekommen zu sein. 

Aus den Kälteerlebnissen, die mir im Sommer vergangenen Jahres in Island widerfuhren, weiß ich jedoch, dass das ganze Übel nicht von Dauer ist.

Birgit und ich genießen dann noch die Postmarathonatmosphäre bei der Siegerehrung. Danach verbringen wir noch einen sehr schönen Abend beim sogenannten Marathonmenü im Hotel zusammen mit bekannten Läufern. Alleine das Menü ist schon sein Geld wert, und der Koch ist ein wirklicher Küchenmeister. Auch der dazu genossene Wein, es sind immerhin bei mir zwei Viertel, muss sich hinter französischen und italienischen Rotweinen nicht verstecken und gibt letztendlich dem ausgekühltem Körper wieder Leben. 

Die Weinsorte heißt übrigens Domina - und doch lasse ich mich nicht von ihr beherrschen, denn nach zweien ist Schluss.

Der Hund liegt mal wieder wie ein Zementsack im Auto und nur mit Mühe kann ich ihn spätabends noch zum Gassigehen bewegen. Nach guter Nachtruhe nehmen wir noch am nächsten Morgen am Frühstückbüffet teil und begeben uns dann wohl geruht auf die Heimreise. 

Und nächstes Jahr werde ich mit Cora den 5. Zeil-Marathon laufen und mit Birgit das 2. Mal am gastlichen Marathonbegleitevent des Hotel’s Kolb teilnehmen, denn beides, das Laufen und die Gastlichkeit in Zeil hat uns sehr gefallen. 

 

Informationen: Zeiler Waldmarathon
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