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Laufberichte

Hexen und Rote Teufel

12.11.11
Autor: Joe Kelbel

Nirgendwo sonst in Deutschland hatte die Hexenverfolgung (Frauen, Männer und Kinder) größere Ausmaße angenommen als im Erzbistum Bamberg. Die über 1000 Opfer konnten nicht alle in Bamberg beseitigt werden, also schickte man einen Teil zur Hinrichtung nach Zeil am Main, das als Bambergische Enklave für die Massenvernichtung geeignet schien. In ländlicher Abgeschiedenheit wurden so Bürger, Bauern und Ratsmitglieder von katholischen Hexenfanatikern  umgebracht.

Die kriminelle Energie und haarsträubende Perversität der Hexenverfolgung gipfelte in der Konfiszierung des Eigentums der Opfer, Erben mussten die Prozesse und die Hinrichtungen bezahlen.

Damals hatte Zeil am Main 300 Einwohner und verbrannte 400 Hexen und Hexer. Um das teure Feuerholz zu sparen wurde ein Ofen gebaut, Öfen glühen länger. Der beißende Gestank schwebte fast täglich über der Stadt. Ironie der Geschichte: das Kesselhaus des ehemaligen Möbelwerkes Milewski (allmilmö) steht auf der Gemarkung, die heute noch „Brennofen“ heißt.

In diesem Monat hat das Dokumentationszentrum in der ehemaligen Fronveste und dem angrenzenden Stadtturm von Zeil eröffnet. Das Zentrum zeigt keine Folterinstrumente wie in Rothenburg. Es geht um Aufklärung, Erklärung und Mahnmahl. „Lernort Toleranz“ ist der Leitgedanke. Das Tagebuch des Zeiler Bürgermeisters beinhaltet die Schicksale von 123 Opfern, das 138. Opfer war er selbst. An der Innenwand des Turmes sind bis zu 400 Namen der Opfer aufgeführt. Der ein oder andere findet dabei den Namen seiner Vorfahren.

Heute besticht das reizvolle, fränkische  Zeil am Main mit seinen reich verzierten mittelalterlichen Fachwerkbauten, dem Marktplatz, der Pfarrkirche (15. Jahrh.) und dem Rathaus (1543) mit dem Pranger. Noch Mitte des 18.Jahrhunderts wurden hier junge Menschen angeprangert, die sich der „fleischlichen Vermischung“ schuldig gemacht hatten.

Zu sehen gibts noch Burg und Schloss Schmachtenberg, die Wallfahrtskirche, das Jagdschloss (17. Jahrh.), nun passenderweise Sitz des Finanzamtes und das „Käppele“, eigentlich unbedingt einen Besuch wert mit seinem Blick weit über die Stadt und die Mainebene hinaus. Hätte ich nur mehr Zeit.

Im Norden grenzt Zeil an den Naturpark Haßberge, bekannt für über 50 Burgen, Schlößer und Ruinen, einen Teil werden wir heute durchlaufen.

Die Parkplatzbeschilderung führt zum Sportzentrum Tuchanger, von dort sind es wenige Meter bis zum Rudolf-Winkler Haus am Hallenbad. Rudolf Winkler war von 1948-80 Bürgermeister. Dort gibt es die Startunterlagen. Wer „kreativ“ parken kann, der findet auch dort noch ein Plätzchen.

Der Startort ist im Wald. Es gibt dort noch einen Wanderparkplatz, den man per Shuttlebus erreicht. Oder man läuft die 1,5 Kilometer dorthin. Einige mittelalterliche Sühnekreuze erzählen von der bewegten Vergangenheit der Stadt.

Wenn von einer „anspruchsvollen Strecke“ (840 HM) die Rede ist, dann kann ich nur lachen. Denn wir sind auch sehr anspruchsvoll und dankbar, daß einer der größten Ultraläufer den Marathon organisiert und auch gleich noch mitläuft. Es gibt nur einen Menschen, der 15mal den Spartathlon (245 km) gefinisht hat. Und das ist Hubert Karl. Er kommt auf über 650 Marathons und mehr, darunter  2 mal Peace Run Hiroshima (457 km), 5 mal Japandurchquerung (250km), beim Badwater hält er den Deutschen Rekord. Hubert ist Lauftrainer und –therapeuth und kümmert sich um den Läufernachwuchs, die „Roten Teufel“. Ob Straßenläufe, Leichtathletik oder Crossläufe - überall sind die "Roten Teufel" zu sehen. Willkommen als teilnehmerstarke Gruppe, aber auch gefürchtet wegen ihrer guten sportlichen Leistungen. Heute stehen die „Roten Teufel“ an den Verpflegungspunkten und helfen bei der Organisation mit.

In den kurzen Gesprächen vor dem Start fallen mir einige „Erstlinge“ auf. Beeindruckend, denn  840 Höhenmeter sind keine Kleinigkeit, doch alle Newcomer sind gut trainiert und werden ankommen.

Auf den ersten 2 Kilometern bietet der Kurs einen ordentlichen aber laufbaren Anstieg auf das Plateau der Haßberge. Es bilden sich lustige Laufgrüppchen, es wird gescherzt und gelacht, die Anstiege bringen uns nicht außer Atem, wir haben viel Zeit. Das macht diesen Lauf so empfehlenswert: Gute Stimmung, gute Leute, gute Helfer, gute Strecke.

Der zweimal zu durchlaufende Rundkurs hat die Form einer zerknitterten Acht. Von Zeil und den Weinbergen sind wir weit entfernt, das rostig-braune Laub der Buchen und Eichen des Bichofsheimer Forstes begleitet uns für die nächsten Stunden.

Erstaunlich, ich entwickele mich zum Kuchenesser, aber die Glasur ist bei dieser Temperatur knackig-frisch, dazu gibt es alkfreies Bier des Sponsors. Auch erstaunlich: es ist gut trinkbar.

Es geht oder besser läuft über den Schlossberg und die Bischofsheimer Höhe, mit den Dreiländerstein. An den Fischteichen vorbei weiter Richtung Jägerhäuschen, alles gut laufbare Wege. Das Laub ist dieses Jahr trocken, keine Steine oder Äste, die den Lauf behindern würden. Durchhalteparolen auf den Schildern geben die einzigen Fotomotive. Einige wenige Halbmarathonläufer ziehen vorbei.

Der Geisgrabenbrunnen liegt unter vertrocknetem Laub, es geht ewig lange abwärts, zurück zum Start/Zielbereich und in die zweite Runde.

Die zweite Runde wird ruhig, der Wald ist schon im Winterschlaf. Die Müsliriegel und den warmen Tee lasse ich liegen, denn Kuchen und alkfreies Bier laden zum Verweilen ein. Einige Scherze mit den Roten Teufeln und weiter geht es. Ich entdecke einige alte, stillgelegte Hohlwege und träume von den uralten Handelsstrassen (wen es interessiert, es ist die B 279).

In der früher offenen und gut zugänglichen Landschaft, im dauernden Machtkampf des Bamberger und Würzburger Hochstiftes entstand in den Jahrhunderten ein kleinteilig struktrierte Landschaft, in der Tier-und Pflanzenwelt in Hecken, Sträuchern, Flüsschen und kleinen Teichen und Seen ideale Lebensräume finden.

Von der Anhöhe wieder der wunderbare Blick über Bischofsheim mit den Wiesen und dem See, auf dem jetzt  Kinder auf einem Ponton rumdümpeln, mehr passiert heute nicht.

222 Finisher, locker im Ziel krönen sich mit der Finishermedaille. Erstaunliche Anzahl bei diesem Höhenprofil.

Mit dem Shuttlebus geht es zurück zum Duschen ins Hallenbad. Wenige Schwimmer ziehen ihre Runden durch das verlockend blaue Wasser, sehr angenehm.

Nebenan im Rudolf-Winkler Haus gibt´s den Finisherwein. Die Gesamtsieger bekommen einen roten Teufel aus Kupfer, beneidenswert. Gratulation für Ewald, der seinen 300ten gefinisht hat! Gute Besserung an Roland, der die Ruhr hatte und den wir dehydriert in der Umkleidekabine zurücklassen.

Ich bin froh, dass ich zu jung bin um eine Platzierung zu erreichen, denn Hubert Karl ehrt  jeden Altersklassensieger mit Bier, Blumen und Trophäen. Das dauert, die Halle ist brechend voll und ich vermisse die erholsame Einsamkeit im ruhigen Wald.

Wie gut, daß  der nächste Waldmarathon morgen,  nur  2 Std nordöstlich von hier, in Sachsen stattfindet. Auf zum Werdauer Waldmarathon!

Marathonsieger

Männer

1 Markus Unsleber Stadtmarathon Würzburg/Team Laufstil   02:42:41
2 Frank Zocher Lac Quelle Fürth  02:52:41
3 Markus Spägele SV Mindelzell  02:54:54

Frauen

1 Kristin Eisenacher USV Erfurt  03:18:58
2 Sandra Fischer-Paul DJK Teutonia Gaustadt  03:27:46
3 Sonja Decker TG Viktoria Augsburg  03:36:35

223 Finisher

 

Informationen: Zeiler Waldmarathon
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