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Laufberichte

Ein Drama braucht gefallene „Helden“

11.09.11

Am 6. Tag steht wieder eine Grenzüberschreitung von der Schweiz nach Italien auf dem Routebook. Mit der Uina-Schlucht, der Überquerung des Schlinigpasses und dem langen Höhenweg zur Plantapatsch-Hütte, oberhalb von Burgeis im Vinschgau, folgen heute drei absolute Highlights mit überwältigenden Landschaftseindrücken. So entscheiden wir gemeinsam, dass ich bei dieser Etappe, im Gegensatz zu den anderen bereits gezeichneten Läufern, doch nochmal als Genussläuferin an den Start gehen werde. Ein Kuss im Startbereich. Wir sehen uns erst ein paar Stunden später wieder.

Froh, laufen zu können und traurig, Kay dort stehen zu sehen, mache ich mich auf eine der schönsten Etappen beim TAR. Das ist auch das Schöne am TAR. Selbst als nicht mehr gewerteter Läufer, hat man jederzeit die Möglichkeit, wieder eine Etappe mitzulaufen. Man muss sich nur ein Team suchen, mit welchem man gemeinsam startet und man muss auch wieder mit einem Team zusammen ins Ziel laufen. Auf jeder Etappe gibt es Passagen, auf denen die Strecke den Läufern zeigt, warum der Lauf „alpine“ im Namen trägt. So mancher lernt mit zitternden Knien, was Begriffe wie „Schwindelfreiheit“ und „Trittsicherheit“ bedeuten. Einfach eine wundervolle Strecke, ich komme aus dem Schwärmen nicht mehr raus. Auch wenn ich das Fotografieren während des Laufens nicht gewöhnt bin, möchte ich euch doch wenigstens ein paar Bilder und Eindrücke mitbringen.


Main Ausdauershop Trail Team aus Aschaffenburg mit erstem Sieg bei den Mastern


Für eine Überraschung haben unsere Lokalmatadoren Marco und Holger in der Master-Klasse gesorgt, die bis dato mehr als deutlich von den Wertungs-Führenden und heutigem Vierten Thomas Miksch und Anton Philipp vom Berglaufteam Haglöfs-Gore bestimmt worden war. Das Main Ausdauershop Trail Team, das vor dem heutigen Tag aufgrund zweier schlechterer Auftaktetappen auf Platz sieben gelegen hatte, überraschte die Konkurrenz mit ihrem unerwarteten Angriff auf den Tagessieg.  Vor vier Jahren waren die beiden hier in der Männerklasse Dritter und die sehr gute Kenntnis der Streckenführung war mitentscheidend für den ersten großen Erfolg. Die komplette Familie, des Teams mit einem Gesamtalter von über 80 Jahren, ist bei der Siegerehrung dabei. Und wie sollte es auch anders sein, bekommt man als Trophäe eine Kiste Vinschgauer Äpfel.

Den richtigen Teamnamen haben sich Rudi Schöpf (ITA) und Hans Hörmann (GER) vom Team Latsch/Mountain Heroes ausgesucht. Die beiden starten in der Klasse der ältesten Teilnehmer und haben ein Gesamtalter von über 100 Jahren. Die beiden Senior-Master liegen damit weiterhin unangefochten an der Spitze der ältesten Teilnehmer-Duos und das bis zur Zieletappe.

Des einen Freud des anderen Leid: Magenprobleme zwingen Stefanie heute zur Aufgabe. Das junge Team Craft Woman feierte vor zwei Tagen ihren ersten Podestplatz.  Kathrin startet zur siebten Etappe alleine und wird dann als sogenannte „Individual-Finisherin“ in Latsch ankommen. Die Ernährung spielt, anders als bei Marathonläufen, wo sich an jeder Straßenecke eine Verpflegungsstation befindet, eine große Rolle. Denn hier gibt es auch an langen Tagen, maximal drei Verpflegungspunkte. Man muss seinen Körper gut kennen und wissen, wann er was benötig und wie viel. 


Das „Dach der Westroute“ wird auf der 7. Etappe überwunden

 

Tragisch, auch die Leaderinnen der Damenwertung müssen heute aufgeben. Während ich gerade auf einem Forstweg auf dem Weg zur ersten Verpflegung bin, sehe ich Mireia Miro und Stephanie Jimenez in einem Fahrzeug sitzen. Trotz bis dato sechs Siegen in Folge – mussten auch sie einen traurigen Schlussstrich unter den TAR ziehen und den Titeltraum unerfüllt ad Acta legen.

Auf der heutigen Etappe von Mals nach Schlanders überqueren wir die berüchtigte Rappenscharte (3.012m) und damit die Dreitausendergrenze. Genau diese Herausforderung war für mich der Grund, heute nochmals an den Start zu gehen. Die Route ist besonders wegen des extrem steilen Aufstiegs und des teilweise weglosen Geländes oberhalb von 2.000 Metern äußerst anspruchsvoll und kräftezehrend. Ich sehe, wie sie stöhnen, sich auf die Lippen beißen und  auch ich lasse immer wieder den Kopf bis zwischen die Griffe meiner Carbonstöcke hängen.

 In den Stunden zwischen Start und Ziel scheinen sich die Läufer zu verwandeln: In abgehalfterte Gestalten mit den Gesichtern von Hundertjährigen. So sehen Läufer aus, wenn sie Stunden später glücklich das vorletzte Ziel erreichen. Abends, wenn die Bilder  des Tages gezeigt werden,  sind  diese Gesichter die Helden. Die Route auf dieser Etappe führt bereits durch die südlichen Ötztaler Alpen und stellt mit dem unglaublich langen Abstieg über die Kortscher Alm nach Schlanders noch einmal eine echte Herausforderung dar. Ich erlebe ein Mix-Team mit einer neuen Bergabtechnik: Beide sind untergehakt,  er läuft vorwärts, sie rückwärts. So kommen sie trotz erheblicher Knieschmerzen schon seit Tagen die Berge hinunter.

Die Pastaparty findet heute Open-Air statt.  Ich stelle fest, Trailrunner müssen sehr entspannte Sportler sein, besonders beim Anstehen für die Pasta.  Wahrscheinlich weil sie wissen, dass es sich jeden Abend lohnt.

Mit der 8. Etappe von Schlanders nach Latsch stellen sich die Teilnehmer der letzten Hürde auf ihrem langen Weg über die Alpen. Wir stehen auch wieder am Start. Jedoch abseits. Man gehört irgendwie nicht mehr dazu. Wir verabschieden uns von vielen Freunden und Bekannten und wünschen ihnen für die letzte Etappe alles Gute. An dieser Stelle werden wir den TAR wirklich verlassen. Den Zieleinlauf und die Finisher-Party wird selbst uns zu emotional.

In Gedanken sind wir bereits hunderte Mal gemeinsam ins Ziel eingelaufen. Natürlich bei schönem Wetter, so wie heute. Ich sehe, wie das Publikum mit Spannung darauf wartete, dass die Athleten nach den letzten 30 Kilometern und 1.807 Höhenmeter in Latsch, dem Zielort des Rennens, ankommen. Ich sehe eine Armada von Fans, Familienangehörigen, Betreuern, bereits „ausgestiegene“ Athleten, Sponsoren, Journalisten und uns voller Stolz und Glück im Ziel.


Eine Woche voller Geschichten und Emotionen


Wie Jahresringe an einem Baumstumpf lassen sich die Stunden, die die Läufer täglich in der Sonne, im Wind und bei Regen verbracht haben, daran abzählen.
Plan B und das gesamte Team hat, wie bereits bei den 4-Trails, einen tollen Job gemacht und wirklich alles getan, um den Traum von einer Alpenüberquerung wahr zu machen. Als das Ziel in Latsch erreicht ist, ist das ein Ritterschlag für die Transalp-Läufer. Für uns ist dieser Traum in diesem Jahr leider nicht in Erfüllung gegangen. Aber 549 Läufer erreichen das Ziel als offizielle Finisher. Das Siegerteam benötigte 26:37:51 Stunden das letzte Team 58:29:09.

Wer einfach nur mal in den TAR „reinschnuppern“ möchte, kann das als Gastläufer tun. Für erste Eindrücke eine ideale Möglichkeit. Mittlerweile muss man sich aber schon mit der Anmeldung für 2012 beeilen. Interessenten rennen PlanB die Türen ein und bei der Organisation die hinter dieser Veranstaltung steht sind die 1.350 Euro pro Team Startgebühr gerechtfertigt.

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Informationen: Transalpine Run
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