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Laufberichte

Stunt100 - Laufen aus Leidenschaft

28.07.07

Es fing alles damit an, dass ich am 19. Juli 2007 Steppenhahn’s Seiten durchblätterte und dann irgendwann bei der Veranstaltung „Stunt100“ hängen blieb.

 

100 Meilen sind eigentlich ein paar zuviel. Sibbesse, nie gesehen, nie gehört, aber die Postleitzahl „31079“ klingt gut, der Ort kann also nicht allzu weit entfernt sein. Die Homepage ist clever gemacht: „Wer keine Erfahrung auf langen Trails auf Ultrastrecken hat, wird definitiv scheitern. Wer bisher reiner Straßenläufer war, wird scheitern. Wer das Streckenprofil nicht ernst nimmt, scheitert…“ Das klingt zumindest interessant. Finisherquoten um die 60 % in den Vorjahren sind auch mal etwas Neues. Ich rufe den Organisator Hansi Köhler an, der nach den Beweggründen für die Teilnahme fragt. Ich antworte wahrheitsgemäß, dass ich eine Alternative zu dem Bad Pyrmont-Marathon suche (Dies ist zwar eine Superveranstaltung, aber nach 3maliger Teilnahme in Folge brauchte ich einfach mal eine Auszeit). Er kann sich ein leichtes bis mittleres Grinsen nicht verkneifen, ist dann aber mit meiner Teilnahme einverstanden, als ich ihm versichere, dass ich schon mal 100 km gelaufen bin. Der Stunt100 ist kein öffentlicher Einladungslauf, der Veranstalter möchte einigermaßen sicher gehen, dass der Läufer bzw. die Läuferin zur Strecke „passt“.

 

 

Freitag Abend findet das Briefing im Veranstaltungsraum des örtlichen Sportvereins statt. Hansi Köhler erklärt kurzweilig, wo und wie man sich am besten verlaufen kann, auf welchen Streckenabschnitten das Herz des Trailrunners besonders aufgeht und wo neben uns Läufern mit ziemlicher Sicherheit auch noch Wildschweine mitrennen. Vier ungleiche Runden sind zu laufen: Die erste Runde nennt sich „Leinbergland-Peitsche“ mit 1.698 Höhenmetern, es folgt die „Panorama“-Runde mit ebenfalls 50 km und 1008 Höhenmetern, die anschließende „Nightmare on Tosmarberg“-Runde hat nur noch „schlappe“ 821 Höhenmeter, die sich auf  43,9 km verteilen, und die Schlussrunde mit  17,6 km und 301 Höhenmetern nennt sich „Zielsprint“-Runde.

 

Die Namen sind, wie sich herausstellen sollte, perfekt gewählt. Eines wird jetzt schon klar: Wenn es mit dem Finishen nicht klappen sollte, an der Verpflegung wird es sicher nicht liegen. Und ein kleiner Vorgeschmack ist die anschließende Pasta-Party, die hier zu Recht „pre-race-dinner“ heißt. Hier besteht Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen.

 

Außer mir kommen noch drei aus Nordhessen: Elisabeth Herms-Lübbe, die diese Veranstaltung besonders in ihr Herz geschlossen hat und schon zum dritten Mal dabei ist, außerdem Andree Morth und seine Partnerin Dorothe Wolf, die beide mit hervorragenden Zeiten an dem diesjährigen Ironman-Wettbewerb teilgenommen haben. Außerdem sitzen noch Karl Gerlach und Thomas Ehrig am Tisch. Karl ist noch nicht über 100 km gelaufen, aber ein ausgesprochen schneller Läufer, der z. B. 50 km in 3:40 h abspult (Marburg 2007). Thomas ist den Bödefelder Hollenlauf (101 km) und macht einen sehr zielorientierten Eindruck. Außerdem engagiert er sich für die World Humanitarian Marathon Foundation (WHMF) und berichtet vom Sahara-Marathon und –Ultra, den die deutsche Sektion veranstaltet. Auch Heinrich Dahmen, der in Wörschach schon 24 Std. gelaufen ist, nutzt sein Laufen für ein ehrenamtliches Engagement als Sponsorläufer für TSD (Touberöse Sklerose) und für eine Kinderkrebsklinik und hat in 3 Jahren schon rd. 14.000 EUR erlaufen. Der Abend endet mit einem schönen Abendrot, ein viel versprechendes Zeichen für den kommenden Lauftag.

 

 

Leider kommt es dann etwas anders. Am nächsten Morgen regnet es, und es sieht nicht so aus, als wolle es in Kürze aufhören. Das kann ja heiter werden, so mein erster Gedanke. Eine Regenjacke habe ich nicht im Gepäck, aber bevor ich lange überlege, reicht Hansi mir seine. Pünktlich um 8.00 Uhr geht es los, Elisabeth ist schon seit 6.00 Uhr unterwegs. Nach ca. 10 Minuten – wir haben gerade den Wald – erreicht, hört der Regen auf, es fängt jetzt an zu schütten.

 

Dies gibt uns Gelegenheit über Goretex etc. bzw. die Frage zu diskutieren, wer am längsten trocken bleibt. Ich bin zufrieden mit meiner Entscheidung, zuerst die Goretex-Schuhe genommen zu haben. Wenigstens die Füße sollen trocken bleiben. Nach 15 Minuten schwimmen die Füße in den Schuhen und die Diskussion über Goretex endet abrupt. Dass die Füße nass sind, ist nicht gerade angenehm, aber nicht das schlimmste: Mich nervt dieses Sabbergeräusch, das ich in dieser Lautstärke und Intensität von dem Schuh bisher nicht kenne und geradezu eine Zumutung für die Mitläufer ist. Und außerdem habe ich, wie sich alsbald herausstellt, Schuhe mit besonders saugfähigen Schnürsenkeln inclusive integrierter Rückenübung. Egal, ob normaler, doppelter oder Dreifachknoten, nach jeweils etwa 15 Minuten geht ein Senkel auf.

 

Trotz allem: Die Kilometer vergehen wie im Flug, und schon ist der erste Verpflegungsstand (km 11,7) zu sehen. Ich laufe zusammen mit Karl Gerlach und Thomas Ehrig. Die Reisegeschwindigkeit passt. Die Höhenmeter waren bisher recht gut zu bewältigen, wenn man die Strecke nicht hochgesprintet, sondern einfach nur schnell gegangen ist. Schon der erste Verpflegungsstand bietet mehr als das was normalerweise während einer gesamten Marathonveranstaltung angeboten wird: Gemüsebrühe, Sportgetränke, belegte Brötchen, Melonen und anderes Obst, Kekse, Cola, Powergel, für jeden ist das Richtige dabei.

 

 

Es folgt dann ein erster Höhepunkt des Trails: der Duinger Berg. Beim Aufstieg lässt Kyrill mit Baumstämmen grüßen, oben auf dem Kammweg machen sich auf schmalen Pfaden hohes Gras und ebenso hoch gewachsene  Brennesseln breit, und arg feucht ist es überall, aber auch genauso einzigartig und urwüchsig zeigt sich hier die unberührte Natur. Und der Regen lässt langsam nach. Bald ist die zweite Verpflegungsstation bei km 23,8 erreicht. Hier ist noch eine große Gruppe zusammen, was den Vorteil hat, dass man nicht auf irgendwelche Markierungen zu achten braucht, sondern einfach hinterher rennen kann. Auch der nächste Höhenzug, der Külf, ist einzigartig. Viele Baumwurzeln laden zum Sturz ein, aber die gute Nachricht: Man fällt ausgesprochen weich. Die große Gruppe hat sich aufgeteilt, und so müssen wir jetzt häufiger nach Streckenmarkierungen suchen.

 

Die Orientierung ist aber auch ohne Karte kein Problem. Wir genießen die Ausblicke ins Tal. Bald stehen wir vor der heruntergelassenen Bahnschranke in Godenau und den Rest des ersten Teilstücks kennen wir schon, denn auf dem gleichen Weg geht es jetzt wieder nach Sibbesse. Dachte ich jedenfalls. Bis dieser üble Anstieg, auch die Wettenser Schlei genannt, kommt. Es ist mir gänzlich entgangen, dass ich dieses Stück auf der ersten Hälfte heruntergelaufen sein soll. Ich verstehe jetzt aber den Namen „Roadrunners’ hell“. Die Passage zieht sich und zieht sich. Ich habe das Gefühl überhaupt nicht voran zu kommen. Ab und zu geht es etwas bergab. Das sind eigentlich meine Strecken. Davon merke ich jetzt nichts. Es ist einfach ein gutes Gefühl, dieses wuchtige Teilstück hinter sich gelassen zu haben und den Blick auf Sibbesse richten zu können. Es regnet jetzt auch nicht mehr, und endlich kann ich fotografieren. Thomas möchte seine Schrittfrequenz reduzieren und verlässt uns. Er schließt sich für den Rest der 1. Runde Elisabeth an. Oliver Lau kommt uns gutgelaunt schon auf der 2. Runde entgegen.

 


In Sibbesse wartet ein opulentes Mittagsmenü, aber der Magen möchte nur einen Bruchteil des Möglichen. Wir lassen uns Zeit. Melone, Malzbier, 2 große gekochte Kartoffeln, Powergel und als Nachtisch Salzstangen und ein Riegel sollen es sein. Beim Zeitschmecker Wolfram Siebeck hätte sich der Magen wahrscheinlich umgedreht, aber für mich war es genau die richtige Menüfolge. Zum Schluss noch ein Kaffee zum Aufwärmen, Umziehen (endlich andere Schuhe!) und ab geht es auf die zweite Runde. Die lange nasse Hose nimmt ein Helfer mit zum Trocknen, falls ich sie später noch einmal brauchen sollte. Hier werden die Wünsche der Läufer vom Gesicht abgelesen.

 

 


Bis zum Wald sind erste und zweite Runde identisch, dann geht es den Rennstieg hoch Richtung Everode. Auch hier gibt es gelegentlich Wildwuchs, aber in gemäßigterem Umfang als auf der ersten Runde. Wieder fängt es an zu regnen, und wieder werden die Füße feucht, aber dieses Mal kann ich „geräuschlos“ weiterlaufen und die Schnürsenkel lösen sich auch nicht. Bald stoßen wir auf Seth Ward aus Birmingham, der auch zum ersten Mal eine 100 Meilen-Strecke unter die Füße nimmt, aber als Ironman-Finisher Ausdauersportler durch und durch ist. Der Trail macht ihm Spaß, auch wenn gerade einen Gang zurückschalten muss.

 

 

An der Verpflegungsstation bei km 59,4 treffen wir auf Matt Tilly, ein Läufer aus Missouri/USA, der alle 3 Jahre mit seiner Familie in Deutschland Urlaub  macht. Er hat sich verlaufen und Sibbesse noch nicht wiedergesehen; im Wald ist er direkt auf die zweite Runde geraten. Theoretisch kein Problem, Hansi hat ihm telefonisch schon mitgeteilt, dass er die fehlenden 8 km in Sibbesse anhängen kann. Er lässt sich die gute Laune aber nicht nehmen, steigt dann aber doch nach der zweiten Runde aus.

 

 

Es folgt ein wahrer Schlammweg, aber wir haben Glück: Aus dem Morast kommt der Fuß immer zusammen mit dem Schuh heraus. Auf dem Kamm werden wir mit einem schönen Pfad aus weichem Waldboden entschädigt. Bald darauf geht es auf einem legendären Weg bergab ins Tal: Zuerst muss man nur durch hohes Gras, das aber zunehmend mit Brennesseln durchsetzt ist. Und der Untergrund ist schlammig: keine Chance, schnell zu laufen. Wer sich hier lang legt, hat länger was davon. Kurz vor Everode treffen wir Stefan Hloucal mit seinen beiden Huskies, die schneller unterwegs sind als ihm lieb ist.  Bis km 144 quält er sich mit den Blasen an den Füßen, dann muss er aufhören.

 

 


Plötzlich ist Franz Häusler, der alte Haudegen vom Trans-Europa-Lauf (Lissabon - Moskau), vor uns. Er hat Wadenkrämpfe und muss den Fuß vom Gas nehmen. Aber er ist erfahren genug, um das Problem in den Griff zu bekommen. Nach der Stärkung in Everode – dieses Mal mit Sonneneinstrahlung – geht es wieder in den Wald, zunächst mit einem erträglichen Anstieg.

 

Irgendwann stehen wir an einer Weggabelung und vermissen eine Markierung. Wir finden nichts. Schließlich sehe ich auf einem Waldweg ein Zeckenwarnschild. Von einer ausgewiesenen Zeckennahkampfzone hatte Hansi uns nicht berichtet. Also laufen wir wieder zurück, und nach 400 Metern sehen wir den Kopf von Franz links oben aus dem Gestrüpp herausragen. Dies ist also die unwegsame Wildnis mit 20 % Steigung bei km 72, von der alle so „schwärmen“. Und in der Tat hält hier die Natur pur für jede/n ein paar „Kostbarkeiten“ bereit, heute allerdings in erster Linie Morast. Sogar Ho Chi Minh hätte von diesem „Pfad“ noch etwas lernen können. Und wer schneller rauf möchte, muss sich nur vorstellen in einem Audi mit Allradantrieb zu sitzen und die Skischanze hochzufahren. Das hilft. Schon ist man oben.  Und wird mit wunderbaren Ausblicken in das Leinetal entschädigt. Überhaupt kann man es jetzt bis zum nächsten Verpflegungsstand bei Röllinghausen – für einen Trail - wunderbar rollen lassen. Wir haben Franz Häusler, Werner Selch und Heiko Ludwig eingeholt und laufen zusammen weiter.

 

 

Bald beginnt nun das „Death Valley“, die ca. 13 km lange ebene Strecke an der Leine von Alfeld bis Rheden, die größtenteils auf Asphalt zurückzulegen ist und die die Läufer bei hohen Temperaturen wie im letzten Jahr als besonders ermüdend empfunden hatten. In diesem Jahr kamen uns die moderaten Temperaturen zu gute, und deshalb gab es keinen „Todesstoß“. Unterwegs kommt ein Fahrradkurier und übergibt Karl die frisch eingetroffene E-Mail von seiner Frau. Ich ahne den Inhalt, denn nach dem Lesen ist er noch schneller, und langsam wird es schwer ihm zu folgen. An der von Dirk Reimann betreuten Verpflegungsstation bei km 82 sehe ich meine Hose aus der ersten Runde wieder, trocken über den PKW gehängt. Mehr Service ist kaum denkbar.

 

 

Auch im Leinetal gibt es idyllische Augenblicke, insbesondere als wir km 88 eine kleine Holzbrücke über einen Nebenarm der Leine überqueren. Vor uns ist jetzt Oliver Lau, der mit Begeisterung vom Ultra-Balaton vor vier Wochen in sengender Sonne (212 km in 30:55 h) erzählt. Wenn man sich auch nur 5 Minuten mit einem der Läufer/innen unterhält, merkt man sofort: Wieder eine läuferische Rarität. Laufen aus Leidenschaft eben.

 

 

Zum Schluss wirkt das Talstück etwas monoton, und so sind die meisten wohl froh, als sie nach der Stärkung bei km 91 wieder Wald sehen. Wunderschöne Bilder mit dunklen Gewitterwolken, aus denen dieses Mal aber kein Regen fällt, begleiten uns in der Abendsonne. Das motiviert und gibt Kraft. Die ist auch nötig, denn nach dem Überqueren des Segelflugplatzes müssen im Wald noch einmal alle Kräfte aufgeboten werden, aber verglichen mit der Wettenser Schlei kommt mir dieses Teilstück eher handzahm vor. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir jetzt schönstes Wetter genießen können. Auch die Bergabpassage zum nächsten Verpflegungsstand macht Spaß. Ich wundere mich, dass es wieder so rund läuft. Der nächste Verpflegungsstand bei km 96 km wirkt noch sehr aufgeräumt. Außer Giselher Schneider war noch niemand hier, der allerdings schon vor 2 Stunden. Über Getreidefelder geht es jetzt zurück nach Sibbesse.

 

 

Die dritte Runde beginnt noch im Abendrot und führt zunächst durch die Felder in Richtung Eberholzen, Nienstedt und Barfelde. Wir laufen jetzt zu dritt, mit Werner Selch. Er hat auch den Trans-Europa-Lauf absolviert und strahlt power ohne Ende aus. Er läuft gleichmäßig wie ein Uhrwerk. Wir haben keine Probleme mit der Orientierung. An dem besagten Bauernhof verlaufen wir uns nicht, das Briefing ist noch im Kopf. Noch nicht ein Mal haben wir uns die Karte angesehen. Wir sind sehr zufrieden.

 

Nach der Verpflegungsstation in Barfelde müssen wir mit der Stirnlampe weiterlaufen. Kurz vor Diekholzen kommt uns eine Stirnlampe entgegen, es ist Giselher Schneider, der meilenweit vorn liegt. Wir begrüßen uns kurz, und dann ist er auch schon wieder verschwunden. Am Sportplatz, der nächsten Verpflegungsstation, schlagen wir noch einmal zu, bevor es etwas mühsam auf den Tosmarberg geht. Wir hoffen, hier irgendwo die prognostizierten Wildschweine zu sehen. Aber wir sehen nichts. Wahrscheinlich poltern wir so laut durch den Wald, dass sich auch das letzte Eichhörnchen bis in die Baumkrone verkrochen hat.  Schön ist die Strecke bergab, auch im Dunkeln gut zu laufen. Und bergab, so scheint es, kennen wir keine Grenzen und nur eine Richtung: geradeaus.

 

Wir übersehen das Söhrer Forsthaus, wo wir links in den Wald einbiegen müssen. Wir rennen in den Ort, leider ist dort kein Ortsschild zu sehen. An der ersten Kreuzung suchen wir nach Markierungen. Und nach langem Suchen finden wir eine an einer Bordsteinkante, von wem auch immer. Also sind wir richtig und laufen weiter. Bei der nächsten Gabelung, die uns wieder aus den Ort heraus führt, ist dann Schluss mit lustig. Keine Markierung, nichts. Wir suchen und hoffen noch richtig zu sein, aber ein kurzes Telefonat mit der Einsatzzentrale verschafft uns die Gewissheit, dass wir uns verlaufen haben. Also alles wieder zurück, und das jetzt bergauf. Langenholzen, Eberholzen, Diekholzen, im Kopf ist Leerholzen. Und wir sind definitiv in Söhre.  „Wir rennen uns noch um Kopf und Kragen“, mahnt Werner. Ab jetzt wollen wir uns wieder konzentrieren.

 

Am Forsthaus finden wir natürlich die Markierung in den Wald. Hier wird es dann richtig spannend. Der Boden des schmalen Pfades ist übersät mit Wurzeln und Pfützen, oben an den Baumstämmen sind die Markierungen angebracht. Wir gehen von Baumstamm zu Baumstamm und leuchten jeden ab, getreu der Devise: Bloß nicht mehr verlaufen. So  kommen wir nicht voran. Und Diekholzen hören wir nur von Weitem. Uns scheint die Strecke unendlich lang.  Aber irgendwann nach vielen Schleifen haben wir den Verpflegungsstand am Sportplatz wieder erreicht. Giselher ist auch hier, das bedeutet, er befindet sich schon auf der letzten Hälfte der Schlussrunde.

 

Gestärkt machen wir uns auf den Rückweg. Aber schon nach kurzer Zeit stehen wir vor einem drei Meter hohen Maschendrahtzaun. Wieder heißt es umkehren, bis wir den Pfad bergauf rechts gefunden haben. Die mangelnde Konzentration kostet mehr Kraft als die Anstrengung des Laufens. Werner bleibt jetzt zurück, wir laufen zu zweit weiter. Die Orientierung ist wie auf dem Hinweg nicht mehr so schwierig, kurz vor der Verpflegungsstation in Barfelde kommen uns 3 Stirnlampen entgegen: Simone Stegmeier aus Berlin, Thomas Ehrig und Klaus-Dieter Hartmann (Hardy) wirken nicht müde, sondern entschlossen. Da ist alles noch im Lot.

 

 

An der Verpflegungsstation in Barfelde sehen wir Seth Ward und Andree Morth, den Triathleten. Er läuft allein, ist aber guter Dinge. Seine Partnerin, Dorothe Wolf, hat Knieprobleme, ist aber noch auf der Strecke. Bald kommt sie uns entgegen, aber so wie sie das linke Bein hinterher zieht, kann auch ein fester Wille weiterzumachen, nichts mehr ausrichten. Ich grüße sie von Andree und weise auf den nahen Verpflegungsstand. Später erfahren wir, dass sie hier aussteigen musste. 

 

Auf dem weiteren Weg kommen uns die anderen Läufer/innen entgegen. Sie sind ausgesprochen gut gelaunt. Durch die Felder geht es Richtung Sibbesse. Besondere Schwierigkeiten gibt es nicht mehr. Bis wir an einer Feldkreuzung keine Markierung finden. Wir suchen jeden Quadratzentimeter ab. Nichts. Ich meine mich zu erinnern, an dem Misthaufen rechts auf dem Hinweg vorbeigelaufen zu sein. Aber was bedeutet dies in einer solchen Situation schon? Nach einiger Überlegung entscheiden wir wieder zurückzulaufen bis zur letzten Feldwegkreuzung. Aber es kommt keine. Stattdessen kommt uns eine Stirnlampe entgegen. Es ist Werner, der froh ist uns wieder zu sehen. Auch er hat sich noch einmal verlaufen. Wir laufen schließlich wieder geradeaus weiter bis zu der besagten Kreuzung. Wieder wird nach einer Markierung gesucht. Nichts. Und zu allem Überfluss kommt mir jetzt noch ein verrücktes Bild in den Sinn: Wir hören es läuten, wissen aber nicht, wo die Glocken hängen. Jetzt reicht es. Wir laufen gerade aus weiter. Ohne Markierung. Es muss ja nicht immer eine geben. Und bei der nächsten Feldkreuzung finden wir wieder eine und wissen endlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Solche Situationen kann man nur bei einem richtigen Nachttrail erleben. 

 


Nach kurzer Stärkung in Sibbesse geht es auf zur Schlussrunde. Jetzt kommen wir ohne Stirnlampe aus und auf dieser Runde wird wieder richtig gelaufen. Der Kopf scheint auch wieder klar zu sein. Auf dem Sportplatz in Diekholzen werden wir begeistert im Empfang genommen. Langsam melden sich die Endorphine. Auf den Bergabpassagen können wir es jetzt sogar noch richtig rollen lassen. Und dann kommt endlich das letzte Maisfeld und das Ziel ist erreicht. Wir werden mit einem heißen Kaffee begrüßt. Perfekt!

 

Giselher hat schon vor ca. 4 ½ Stunden in 18:48 h gefinisht und hat damit den Streckenrekord von gut 22 Std. auf spektakuläre Weise gebrochen. Er hat schon viele 100 Meilen-Läufe insbesondere in den USA hinter sich gebracht, unter anderem auch den Lauf in Colorado, der als schwerster 100 Meilenlauf gilt. Er hat ihn in ca. 31:20 h als 2. gefinisht. Kleine Marathon-Sprint-Strecken machen ihm keinen Spaß.

 

 

Wir warten auf Werner. Er kommt erst nach einer Stunde ins Ziel. Durchnässt. Seit 7.30 Uhr regnet es wieder. Er ist am Sportplatz in Diekholzen auf der Rückrunde den Berg hoch gelaufen und hat damit noch eine Ehrenrunde gedreht. Für ihn bedeutet das: Mindestens Stunt105 in 24:12 h. Franz wird trotz Wadenkrämpfen Fünfter in 25.09 h. Simone erzielt bei den Frauen einen neuen Streckenrekord in 28:17 h. Im Ziel möchte sie erst mal ein Bier, bevor sie überlegt, was sie den Rest des Tages noch machen könnte. Kurz darauf kommt auch Thomas ins Ziel (28:22 h). Ich möchte nicht wissen, wie seine Füße aussehen. Schon bei km 50 waren sie wund. Eine Top-Leistung. Andree und Hardy laufen nach 29:53 h ein. Auch sie haben mit dem anhaltenden Regen zum Schluss noch einmal eine richtige Packung abbekommen und sind zu Recht so richtig zufrieden. Rainer braucht 30:19 h, ich glaube, ihn kann gar nichts aus der Ruhe bringen. Er hätte genauso gefinisht, wenn es die ganze Zeit geregnet hätte. Ein Ultraläufer, der im wahrsten Sinne des Wortes mit allen Wassern gewaschen ist. Schließlich wird Brigitte nach 31:07 h mit besonders kräftigem Applaus empfangen. Sie hat den meisten Regen abbekommen und hat ihre Zeit aus dem Vorjahr um mehr als 1 ½  Std. verbessert.

 

Hansi Köhler ist mit seinen Helfer/inne/n eine großartige Veranstaltung gelungen, in deren Zentrum allein die Läufer/innen stehen. Auch im Jahre 2008 soll es einen Stunt100 geben, und auch dann wird die Teilnehmerzahl im Sinne einer bestmöglichen Betreuung auf 25 Personen begrenzt sein.

 

Fazit: Stunt100 – Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum!

 


 
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