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Laufberichte

Let’s do the time warp - 6. Zeitsprung-Marathon in Bremen-Vegesack

25.10.09

Was macht ein Läufer, wenn er plötzlich eine Stunde Zeit zusätzlich zur Verfügung hat? Richtig! Er nutzt diese Stunde, um sie mit Gleichgesinnten laufend zu verbringen. Diese Gelegenheit habe ich jetzt am 25.10.2009, denn in der Nacht werden die Uhren umgestellt und um 3 Uhr springt die Zeit wieder auf 2 Uhr zurück. Nun, die meisten Menschen nutzen dies um ein Stündchen länger im Bett zu bleiben, aber 34 Läufer in Bremen wollen sie lieber laufend erleben.

Nach den Heimspielen in Bertlich und Essen habe ich mir nun mal wieder ein Auswärtsspiel in Bremen ausgesucht. Zeitsprung-Marathon, das hört sich doch interessant an. Zwar habe ich schon öfters an einem Nachtmarathon teilgenommen,  aber ein Start um ein Uhr nachts war bisher noch nicht dabei. 

Die Ausschreibung im Internet ist zwar etwas dürftig, aber eine kurze E-Mail an Damian Roskosch klärt schnell alle meine Fragen.

Auf der Maritimen Meile in Bremen-Vegesack soll auf einer 1 KM Pendelstrecke ein Marathon- und Halbmarathonlauf ausgetragen werden. Für den Marathon müssen somit 21 Runden gelaufen werden. Mit 12 Euro Startgebühr ist man dabei und erhält dafür Verpflegung, Urkunde, Ergebnisliste und eine Medaille. Auf meine Anmeldung erhalte ich umgehend eine Meldebestätigung.

Am Samstag schlafe ich mich erst einmal gründlich aus und mache mich dann am Abend zusammen mit meiner Frau und unserem Sohn Dennis auf den Weg Richtung Norden. Dennis ist auch am Unternehmen „Zeitsprung“ interessiert und will beim Halbmarathon mitlaufen. Nach zweieinhalb Stunden Fahrt haben wir unser Ziel erreicht und genießen bereits die würzige Seeluft. Leider fängt es pünktlich zu unserer Ankunft an zu regnen und die Tropfen werden immer größer.

Der Stadtteil Vegesack hat seinen Namen aus der Zeit, als den Seeleuten in den hiesigen Kneipen der Geldsack quasi „leergefegt“ wurde. Heute bietet man hier die herrliche Weserpromenade, Traditionsschiffe wie das Schulschiff Deutschland und eine sehenswerte Innenstadt mit traditionsreichen Kapitänshäusern. Das Schloss Schönebeck mit dem Heimatmuseum Vegesack ist auch nicht weit entfernt. Wir parken am Hotel Strandlust, denn hier wird heute Nacht auch Start und Ziel sein.

Ich bin schon sehr auf den Zeitsprung Marathon gespannt. Mir fällt jetzt das Lied „Let’s do the time warp again“ aus der Rocky Horror Picture Show ein. Nun, heute Nacht wird es doch wohl keine Vampire und Außerirdische geben. Nein, lediglich einige „Laufverrückte“ werden sich einfinden um ihrem harmlosen Hobby nachzugehen. Auf manchen Außenstehenden  werden sie aber doch wie Außerirdische wirken. Meine Frau kennt diese Spezies aber schon lange und wundert sich über nichts mehr.

Helmut Rosieka mit seinem Team beginnt bereits den Verpflegungsstand aufzubauen und weist uns schon mal kurz in die Strecke ein. Helmut hat bereits über 300 Marathonläufe geschafft und gehört natürlich dem 100 MC an. Von seinem Verein sind heute auch etliche Freunde dabei. Ich begrüße auch Damian, welcher hier seine ganze Familie einsetzt. Sie wird gleich den Verpflegungsstand betreuen und die Rundenzahlen festhalten.

Bald habe ich meine Startnummer erhalten und mir fällt auf, dass sie noch vom TransEuropa Footrace stammen. Da bekomme ich ja noch etwas vom Glanze des großen Laufes mit. Wir machen uns schon mal mit der Strecke vertraut. Die Strecke ist gut beleuchtet und flach. Asphalt wechselt sich mit kurzen Kopfsteinpassagen ab. Also eine prima Strecke um eine Bestzeit zu laufen, denn diese ist ja durch den Zeitsprung - zumindest theoretisch -  fast sicher.

Wir ziehen uns um und wärmen uns in einem der vielen Lokale noch etwas auf. Als wir es um viertel vor eins wieder verlassen, stellen wir fest, dass der Regen noch heftiger geworden ist. Die Stimmung ist trotzdem ganz entspannt und die meisten Läufer haben sich unter das Vorzelt von Helmuts Wohnmobil geflüchtet. Man ist unter Gleichgesinnten und alle haben schon ähnliche Situationen überstanden.

Um ein Uhr erfolgt der Start und wir laufen zuerst die 195 Meter Ausgleichstrecke, bevor es dann auf die Runde geht.  Durch die zwei Kilometerrunden kann  man problemlos die Zwischenzeiten kontrollieren und meine Uhr kann 50 Zwischenzeiten speichern, so dass ich auch die Übersicht behalte.  Nach einem Kilometer laufen wir am Kutter Regina wieder zurück und am Ausgangspunkt erwartet uns eine Verpflegungsstelle, welche keine Wünsche offen lässt. Hier stehen auch einige Zuschauer , die sich fast ausschließlich aus Angehörigen und Freunde zusammensetzen. Für sie ist es jetzt ein echter Härtetest, denn aus dem kleinen Vordach gibt es keinen Schutz vor dem nasskalten Wetter. 

Meine  Frau ist natürlich auch dabei und fotografiert eifrig. Mit den Anfeuerungsrufen muss man sich etwas zurückhalten, denn einige Menschen möchten um diese Zeit ja auch schlafen. Ein paar Nachtschwärmer bleiben verwundert stehen und zweifeln wahrscheinlich an ihrem oder unserem Verstand.

Trotz des kleinen Feldes ist  auf der Strecke immer etwas los. Eine so kleine Runde bin ich beim Marathon bisher auch noch nie gelaufen, aber es wird nie langweilig. Immer sieht man seine Mitläufer vor sich oder sie kommen einem entgegengelaufen.  Bald werde ich von den schnellen Läufern überrundet. Durch die kurze Runde ist für mich schnell alles durcheinander und ich muss raten, wer wie weit vor oder hinter mir ist.

Die Zeitnahme erfolgt manuell mit der Stoppuhr  und am Verpflegungspunkt  wird für jeden Teilnehmer die Rundenzahl festgehalten. Nach der dritten Runde lässt der Regen dann zum Glück nach und die restlichen 18 Runden können im Trockenen absolviert werden.

Die erste Stunde vergeht wie im Flug und ich habe bereits 11 KM geschafft.  Jetzt bin ich gespannt, wie mein Biorhythmus mit der langen Nacht fertig wird. In Biel bin ich ja auch schon die ganze Nacht  durchgelaufen, ohne zu ermüden. Hier scheint es ähnlich zu laufen. Meine Frau braucht zwar öfters einen heißen Kaffee, den sie in weiser Voraussicht mitgenommen hatte,  aber mir genügt an der Verpflegungsstelle ein Isogetränk  oder ein Schluck Cola. Dennis schließt zu mir auf und wir laufen ein Stück gemeinsam. Um drei Uhr ist es dann soweit. Ohne großes Getöse findet der Zeitsprung statt und die Uhr zeigt wieder die zwei. Das hat doch gar nicht wehgetan und ich kann mich der Illusion hingeben, in einer Stunde schon 21 KM geschafft zu haben.

Die Halbmarathonläufer verlassen nach und nach die Runde und schauen uns noch ein wenig zu. Auch Dennis hat bereits seine Medaille.

Jetzt kommt für mich der schwierigste Teil des Laufes, denn die Strecke bietet nichts Neues mehr. Ich kenne schon jede Laterne und Unebenheit  und muss mich beim Zeitnehmen konzentrieren. Meinen Mitläufern geht es wohl ähnlich und jeder ist froh über ein wenig Unterhaltung und Anteilnahme. Ich treffe Ralf Püschel hier. Wir kennen uns vom Osnabrücker Landmarathon. Damals machte er seinen 50ten Lauf inzwischen sind es 54 geworden. Helmut Rosieka stößt auch zu uns und erzählt vom TransEuropalauf, den er als Etappenläufer und Betreuer mitgemacht hat.

Meine Frau hat wohl auch einen toten Punkt erwischt und sich etwas in unseren warmen Wagen zurückgezogen. Meine Rundenzeiten werden langsamer und ich suche am Verpflegungsstand jetzt auch nach Bananenstücke. Hier weiß man genau was die Läufer benötigen und hat an alles gedacht.  Dann ist  auch für mich die Runde 20 gelaufen und man signalisiert mir die letzte Runde. Mann, da geht doch noch was. Die Uhr zeigt erst kurz nach vier und ich bin doch um ein Uhr gestartet.  Um vier Uhr 21 Minuten und  25 Sekunden bin ich im Ziel und erhalte meine Medaille direkt von Damian. Ich verpflege mich noch ausgiebig und schaue dem restlichen Feld zu.

Unsere Urkunden und die Ergebnisliste kann ich später aus dem Internet abrufen. Auf der Urkunde stehen dann für mich ernüchternde 4:21:25. Nur die Uhren sind  also zurückgesprungen nicht aber die Zeit. Das ist auch gut so, denn spätestens beim nächsten Lauf müsste ich ja sonst den „Leistungseinbruch“ wieder erklären. Wir verabschieden uns vom netten Orgateam und Damian erzählt mir, dass es vielleicht auch im Frühjahr einen Zeitsprung Marathon geben könnte, denn dann würden die Uhren ja auch wieder umgestellt. Dann allerdings nach vorne.

Zufrieden fahren wir nach Hause. Das war heute ein ganz besonderer Marathonlauf,  welchen man unbedingt in der Sammlung haben sollte. Den Zuschauern und Fans wird hiermit allerdings bei schlechtem Wetter einiges abverlangt.

Zu Hause sinken wir ins Bett und beim Aufwachen frage ich mich kurz, ob ich vielleicht alles nur geträumt habe. Aber da ist ja die Medaille, die mich an meinen Zeitsprung erinnert.

 

 

 

 

 


 
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