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Laufberichte

Leiden in Holland ...

20.05.12

... liegt etwa 15 Kilometer nordöstlich von Den Haag und ca. 40 von Rotterdam und zum nunmehr 22. Male wurde am 20. Mai ein Marathonlauf veranstaltet, zusammen mit mehreren Nebenwettbewerben.

Einige Tage der Kontemplation fern meines Arbeitsplatzes führten mich in die Niederlande um wieder einmal einen weißen Fleck auf der Landkarte zu tilgen. Ich hatte zwar schon einmal den Maastrichtzipfel besucht, aber das zentrale Holland kannte ich noch nicht. Das Surfen im Internet zeigte dann schnell, dass es die Möglichkeit gab, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden – in meinem Falle, den Zustand nach den letzten Trainingseinheiten zu überprüfen.

Es hatte mir an meinem Anreisetag vor dem Lauf nicht mehr gereicht, die Startunterlagen abzuholen, also tat ich dies am Sonntagmorgen. Kurz vor 08.00 Uhr fand ich mich an der Pieterskerk ein, dort wurden die Unterlagen ausgegeben. Trotz des Names ist sie heute aber nicht mehr in kirchlichem Gebrauch, sondern dient nurmehr profanen Zwecken, obwohl doch schon einer der berühmten Söhne der Stadt, der Maler Rembrandt van Rijn, hier die Messe besuchte.

Vor der Tür stand ein gar wichtiger junger Mann, einer von der Sorte die heute „Security“ heisst und bedeutete mir und den wenigen anderen Wartenden, dass wir uns gedulden müssten. Als wir endlich eingelassen wurden, ging alles recht schnell. Im mir überreichten großen Umschlag befand sich die Startnummer und sonst – nichts! Auch eine Möglichkeit.

Zurück im Hotel – zum Glück keine fünf Minuten Fussweg entfernt - legte ich mich noch etwas aufs Ohr um mich dann gegen 10.15 Uhr in Richtung der Startzone vor dem Rathaus zu begeben. Ich stand vor der „Eglise Wallonne“, einer der wenigen katholischen Kirchen. Der Gottesdienst, so war der an der Wand angebrachten Tafel zu lesen, beginnt um 10.30 Uhr, also genau zu unserer Startzeit. Die Glocke wurde geläutet, von Hand, wie durch die geöffnete Tür zu erkennen war.

Ich richtete nunmehr meinen Blick nach vorne, wo in der Ferne, ca. 150 Meter vor mir, das Startbanner über die Straße gespannt ist. Ich erkenne die Zug- und Bremsläufer für 2:00 bzw. 4:00 Stunden, die Halbmarathonläufer starten mit uns Marathonis gemeinsam, etwa 10 – 15 Meter vor mir. An der Farbe meiner Startnummer, orange, wie könnte es in Holland anders sein, als Marathoni erkannt, werde ich von den Umgebenden das eine oder andere mal angesprochen. Mangels Kenntnissen des Niederländischen oute ich mich als Ausländer um die Fragen in Deutsch oder Englisch beantworten zu können. In dem ganzen Trubel geht das Abspielen der Nationalhymne hier so weit vom Schuß – im wahrsten Sinne des Wortes - vollkommen unter.

Los geht’s. Beim Überqueren der Startlinie ein schneller Blick auf die Uhr, knapp drei Minuten seit dem Startschuss. Das Einrollen dauert etwas, die Straße ist für mehrere Tausend Läufer doch etwas schmal, aber da habe ich auch schon Schlimmeres erlebt. Bereits nach zwei Kilometern ereicht die Läufermasse etwas freieres Feld, das Auseinanderziehen beginnt und schafft die ersten Freiräume. Nachdem auch in den Niederlanden das Überschätzen der eigenen Fähigkeiten zuhause ist, fallen beim Überholen die „Radiergummis“ auf, die sich viel zu weit vorne eingereiht hatten. Aber die bleiben ja eh zurück.

Es geht über die Autobahn A4 nach Zoeterwoude-Dorp. Die ersten fünf Kilometer liegen hinter dem Feld, als sich plötzlich per Gesang die „Tulpen aus Amsterdam“ ins Gehör bohren, dargeboten von „Toon en de Barbies“, einer Combo, die mit „mittlerem Alter“ zu beschreiben geschönt wäre. Weiter geht es über freies Feld entlang kleiner Polder und Kanäle. An einem Aussiedlerhof Musik, die wirklich vorwärts pusht, Rock and Roll vom Feinsten.

Wir passieren den Ortsteil Voorschoten, die 10-Kilometermarke kommt näher und die Uhr zeigt,  dass ich einiges zu schnell bin. Brutto bereits unter fünf Minuten pro Kilometer, das ist deutlich über den Trainingsläufen. Andererseits ist heute nur eine Standortbestimmung, da kann ich testen, ob es für die erste Hälfte in dem Tempo reicht. Nach km 11 hole ich die 3:30 Zugläufer ein und an einer geeigneten Stelle geht ich vorbei. Wie biegen weiter in einen Aussenbezirk der Stadt um die nötigen Distanzen zu erreichen. Im Zickzack durch Wohnstrassen, angefeuert von den dort Lebenden, die es sich auf Stühlen und Bänken und sogar vor’s Haus gestellte Sessel gemütlich machen. Von der Innenstadt aus gesehen hinter der Universität nehmen wir Kurs auf die Altstadt.

Erst einmal geht es über den Rhein, der hier mit einem seiner vielen Arme im Mündungsdelta vertreten ist, dann noch über zwei kleine Brücken, von denen es die zweite mit einen echt fiesen Kurzanstieg ganz schön in sich hat. Es ist sicher nicht mehr als ein starker Meter, dafür aber extrem steil und hindert doch sehr stark den lockeren Lauf. Es geht aber dem Ende der ersten Runde zu, nicht einmal mehr ein Kilometer. Dann ist es bald soweit. Ich werde auf die linke Seite des Kurses gewiesen, die Halbmarathonis nach rechts ins Ziel. Als Durchlaufender bin ich für den Ansager interessanter als die die jetzt finishen und so schallen meine Startnummer und mein Name durch Leiden, tolles Gefühl, dies zusammen mit dem Applaus genießen zu können.

Sobald ich die Altstadt wieder verlassen habe, nehme ich wie geplant, das Tempo deutlich zurück, brutto 1:43+ für die Halbstrecke, das würde ich mit Sicherheit nicht durchhalten. Die nun folgende zu laufende Route unterscheidet sich in Teilen nur dadurch , dass nicht mehr auf den breiten Hauptstraßen gelaufen werden kann, sondern auf den Radwegen parallel dazu. Noch etwas ist anders. Die Brücken und Unterführungen werden immer steiler, je weiter das Rennen fortschreitet. Und obwohl doch Holland ein sehr ebenes Land ist, kommen durch diese Kunstbauten eine ganze Reihe von Höhenmetern zusammen.

Ich werde von den 3:30ern wieder einge- und überholt, aber das war ja eingeplant. Es geht erneut in Richtung Altstadt. Zwei Kilometer vor dem Ziel fängt meine linke Wade an, sich unangenehm zu melden. Kleine Krämpfe an einer Faser lassen mich immer wieder wegknicken beim Auftreten. Aber es gibt nun kein Erbarmen mehr, Schmerz lass mach, das Ziel ruft und dann ist auch schon der letzte Kilometer zu absolvieren.

Das kleine fiese Miststück von Brücke ist nochmals zu überqueren und danach nach links abzubiegen, auf den langen Zieleinlauf hin. Kurz vor dem Zielstrich ist eine Tribüne aufgebaut ist, ich bekomme aber absolut nichts mehr mit davon, was dort abgeht. Irgendwo ist zwar Applaus und sonstiger Anfeuerungslärm, für mich geht das Ganze in meiner nunmehrigen Erschöpfung unter.

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Pi mal Daumen 3:43+ brutto habe ich gebraucht, die zweite Runde in langsamen zwei Stunden. OK, der Test ist erfolgreich bestanden. Und jetzt geht’s nur noch ans Verpflegen. Es gibt Bananen, Orangen, Wasser und ein leckeres Amstel Light. Noch einen Umschlag empfangen mit etwas Werbematerial und dann erst mal ins Hotel, duschen und ein Mittagsschläfchen – welch eine Wonne, das Leiden in Leiden in Holland ist vorbei.

 


 
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