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Laufberichte

Eine Seefahrt, die ist lustig ... (3)

02.02.14 Special Event
 

In 100 Tagen um die Welt mit einem Kreuzfahrtschiff zum 60. Geburtstag, das klingt ein wenig nach Abenteuer, zumindest wird den rund 2800 Passagieren an Bord viel Abwechslung geboten.

Nach der Panamakanaldurchfahrt und weiteren drei Seetagen nach Puerto Vallarta und Cabo San Lucas entlang der mexikanischen Küste erreicht die Costa Deliziosa am 1. Februar San Diego in Kalifornien. Ich habe meine beiden Schweizer Laufpartner Edi und Ursula motiviert, mit mir am nächsten Tag beim Surf City Marathon an der ebenso berühmten wie schönen Huntington Beach anzutreten.

Während die beiden in San Diego noch an einer Exkursion in die Sea World teilnehmen, fahre ich mit dem Amtrak um 9 Uhr 37 nach Santa Ana. Die strengen Einreisekontrollen der US-Behörden sind für VIP-Reisende – dafür musste man einen Grund finden bzw. angeben – am frühen Morgen weniger beschwerlich. Ich hätte bereits um 7 Uhr vom Schiff gehen können, gönne mir aber noch ein ausgiebiges Frühstück.

Am Schiff husten immer noch viele. Es wird gemunkelt, dass an die 300 Passagiere in ärztlicher Behandlung sind, angeblich sollen ca. 70 in Cartagena aus Krankheitsgründen heimgeflogen sein. Auch ich bin noch nicht wirklich fit, doch viel besser in Form als z.B. in Grenada, als ich mit Fieber und rinnender Nase mit einigen Mitgliedern des örtlichen Triathlonclubs einen Marathon ab Kilometer 25 nur mehr im Geh-Tempo schaffte. Diesmal freue ich mich richtig, dass ich den Classic Ocean Front Marathon an der Huntington Beach, der unter dem Motto „surf, sun and run“ steht, sozusagen so nebenbei auf unserer Weltreise mitnehmen kann. Zwar gibt es in L.A. und Umgebung mehrere Marathonveranstaltungen, aber mit mehr als 10.000 Teilnehmern in allen Bewerben aus den 50 US-Bundesstaaten, über 1000 amerikanischen Städten und 23 Ländern, wie im Folder angeführt wird, ist der Surf City Marathon eine wachsende Veranstaltung.

Die Bahnfahrt mit dem Amtrak von San Diego nach Santa Ana verläuft entlang der kalifornischen Küste und bietet ein abwechslungsreiches Panorama. Immer wieder sehe ich an diesem Samstagvormittag an den Stränden Surfer, die mit Schutzanzügen auf ihren Boards auf den Wellen reiten. Nach knapp zwei Stunden erreiche ich meine Zwischenstation, mit dem Taxi fahre ich die 20 Meilen zum Best Western Hotel an der Newport Beach. Auf dem Plan im Internet sind die Entfernungen viel geringer, doch 35 US$ für die 20-minütige Taxifahrt widerlegen dies. Alle Hotels im Startbereich sind seit Monaten ausgebucht, doch Edi hat es geschafft im Shorebreak noch ein DZ für 279 US$ zu bekommen.

Wir haben vereinbart, dass ich gleich nach meiner Ankunft zur Expo gehe und auch die Startpakete von Edi und Ursula zusammen mit meinen Unterlagen abhole. Sie erteilen mir dafür eine schriftliche Ermächtigung. Ich unterschätze die Entfernung vom Best Western in Newport zum Hilton Hotel am Pacific Ocean Highway. Für die 5 Meilen benötige ich fast 1 ½ Stunden, teilweise am Strand entlang und weiter am asphaltierten 8 Meilen langen Radweg, der auch von Läufern, Walkern und Spaziergängern benutzt wird.

Erst gegen 15 Uhr 30 treffe ich bei der Expo ein, die nahe dem Zentrum an der Huntington Beach in mehreren großen Zelten untergebracht ist. Es gibt viele schöne Erinnerungsshirts und Laufzubehör mit dem stilisierten Logo des Marathons zu kaufen. Auch einige bekannte Sportartikelfirmen sind als Aussteller anwesend.

Mit drei großen bunten Säcken marschiere ich auf der Nebenbahn des Pacific Ocean Highway ins Zentrum. Bevor ich Edi und Ursula um 18 Uhr im Hotelfoyer treffe, betrete ich bei der First Street  die große Brücke, die fast einen Kilometer in den Pazifik hinaus führt. Der Sonnenuntergang steht knapp bevor, viele Leute sind unterwegs, auch Surfer in dicken Neoprenanzügen sind trotz eisigem Westwind und wohl kaum mehr als 10 Grad Lufttemperatur im auch im Sommer kalten Wasser.

Ich übergebe Edi und Ursula die Startpakete, anschließend suchen wir ein Restaurant für ein gemeinsames Abendessen auf. Gegen 21 Uhr nehme ich ein Taxi und fahre die rund 4 1/2 Meilen zum Hotel zurück. 15 US$ für 7 oder 8  km sind ganz schön viel, finde ich, aber zu Fuß in der Nacht wäre der Rückmarsch auch ein Sicherheitsrisiko gewesen. Andere mieten sich einfach für einige Tage ein Auto, daran habe ich auch gedacht und sogar einen internationalen Führerschein in Wien neu ausstellen lassen. Wiederum wohnen wir ja am Schiff, man müsste das Auto außerhalb des weit abgelegenen Frachthafens in San Pedro zurückgeben und dann erst wieder mit einem Taxi zum Schiff zurückfahren.

Um 4 Uhr ist Tagwache, der Marathon wird um 6 Uhr 30 gestartet. Im Best Western gibt es nur eine Art „Notfrühstück“, Kaffee, schwarzen Tee, Toastbrot, ein paar Bananen – that’s it. Wer die Essensqualität auf einen Fünfsterne-Kreuzfahrtschiff seit 4 Wochen gewohnt ist, für den ist das die reine Hungerkur. Aber man kann ja auch einmal mit deutlich weniger auskommen und trotzdem einen Marathon einplanen.

Die nächste Hürde ist der Transport zur Huntington Beach. Ich lasse ein Taxi rufen, doch es kommt nicht. Zwei andere Läufer im Hotel haben angeblich in ihrem PKW keinen Platz. Um 5 Uhr 40 habe ich dann doch Glück, als eine jüngere Frau aus Arizona zur Portierloge kommt und auscheckt. Sie nimmt mich mit, wir teilen die Parkgebühren. Ich treffe pünktlich um 6 Uhr Edi und Ursula bei der Rezeption, wir gehen gemeinsam zum Start.

Es ist ziemlich kalt, doch die Amis sind tough, sie marschieren in kurzen Leibchen und Hosen auf. Auch Edi überrascht mich, er hat eine Short an und trägt unter seiner Windjacke nur sein Lieblingsshirt vom 20. Jungfrau-Jubiläumsmarathon, an dem auch ich teilgenommen habe. Ursula hat sich wie ich deutlich wärmer angezogen. Es ist noch finster, der Sonnenaufgang wird erst gegen 6 Uhr 47 erfolgen. Wir ersuchen einen Betreuer bei der Zeitnahme, ein Gruppenfoto von uns zu machen. In vier Wellen wird gestartet, ich habe mich für eine Zeit um 4:30 angemeldet, starte daher in der Gruppe 4:20 bis 5:30. Edi läuft mit Ursula, die noch immer durch muskuläre Rückenprobleme gehandicapt ist, in der Gruppe ab 5:30, ist aber auf eine Marathonfinisherzeit um 4 Stunden eingestellt.

Die ersten zwei Meilen (ca. 3,2 km) verlaufen entlang dem Pacific Coast Highway. Anschließend geht der inzwischen wellige Kurs in den Huntington Central Park, wo in einer 7 Meilen langen Runde auch einige Abschnitte auf einer kurzen Trailstrecke eingebaut sind. Edi hat noch angemerkt, dass es angeblich nur 8 Höhenmeter sein sollen. Diese Information im Prospekt ist absolut unrichtig, es sind größere, langgezogene Steigungen eingebaut, auf denen man Zeit verliert. Edi holt mich ab Meile 3 ein, wir machen gegenseitig Fotos. Er zieht davon, bleibt aber in Sichtweite von einigen hundert Metern. Im Park kommt es auf der anderen Straßenseite zu Gegenverkehr, nach den ersten 10 km sind viele Läufer schon einen oder zwei Kilometer vorne.

Nach dem Park geht es wieder zurück in die Nähe des Strandes. 9 Meilen entsprechen ca. 15 km, ich liege mit 1:33 drei Minuten über der 6er-Zeit. Jetzt rücken die schnellen Halbmarathonläufer von hinten nach, die um 7 Uhr 30 gestartet sind. Radfahrer bilden die Vorhut, sie ersuchen die Marathonläufer nach rechts auszuweichen. Im Verlaufe des Rennens ist mir die überdurchschnittliche Anzahl an weitläufigen Versorgungsstellen sehr positiv aufgefallen, an denen es zuhauf Gels, Riegel, Iso, Bananen, Bretzel u.a.m. gibt. Weil deren Länge überdimensioniert ist, gibt es auch trotz der Halbmarathonläufer keine Gedränge.

Die Marathonstrecke führt anschließend entlang dem Pazifik auf der linken Seite und dem Bolsa Chica Ecological Reserve zur Rechten nach Westen. In diesem Resort leben seltene, geschützte Vögel, die man aber ohne Feldstecher im Vorbeilaufen nicht ausmachen kann. Was mir allerdings deutlich auffällt,ist zum einen der Umstand, dass entlang der Strecke keine Zuschauer stehen und dass die Versorgungsstellen ausschließlich von Schulkindern bzw. Schülern betreut werden, die den Läufern brav und im Stakkato „good job“ oder „you can do it“  zu- bzw. nachrufen. Das möchte ich keinesfalls kritisieren, sondern es ist lobend hervorzuheben. In Europa sieht man bei den Marathonläufen eher Erwachsene, die sich als Freiwillige melden, in Kalifornien wie überhaupt in den USA ist „social work“ hochangesehen.

Bei Kilometer 18, also ungefähr Meile 11, kommt es zur Wende auf der für den Verkehr gesperrten Küstenstraße. Der Surf City Marathon wird u.a. damit beworben, dass er am Tag der amerikanischen Super Bowl stattfindet. Man geht davon aus, dass an diesem Sonntag alle im TV zuschauen. Die vielleicht bedeutendste Sportveranstaltung in den USA findet am Renntag in New York nahe New Jersey statt. Da ich mich dafür überhaupt nicht interessiere, frage ich den Taxifahrer erst gar nicht nach den Finalteilnehmern. Seattle soll dabei sein und wird bei den Buchmachern als Favorit gehandelt. Nach der Wende erblicke ich Ursula auf der anderen Seite der Laufstrecke, sie liegt knapp vor dem Halbmarathon um ca. 15-20  Minuten, also vielleicht 2 bis 3 km gemessen an ihrem Lauftempo, zurück, Edi hingegen liegt einen guten Kilometer vor mir. Die Halbmarathondistanz erreiche ich knapp unter 2:10 Stunden.

Jetzt sehe ich auch deutlich, dass viele Läufer/innen noch nachkommen, darunter auch Hunderte, die nur für die 21,1 km registriert sind. Ich probiere bei Meile 15 ein Gel mit Cola-Geschmack, leider beflügelt es mich nicht. Die 4:25er-Gruppe rückt immer näher, gleich drängen darauf die 4:30-Zielläufer nach. Ich kann sie bis Meile 20 in Schach halten, dann ziehen sie vorbei. Zwar ist ab Meile 16 bis 25 der Kurs entlang der Oceanfront wieder spektakulär, doch die Wetterverhältnisse wechseln. Einmal ist es so warm, dass meine zwei Lagen zu viel an Kleidung sind, dann bläst wieder ein kalter Ostwind, den man mit der Windjacke erträglicher machen könnte.

Auf dieser Schlusspassage erblicke ich etliche Typen, deren Äußeres auffällt: Mitglieder der Marathon Maniacs, denen auch ich seit 2009 anhöre, die bunt angezogen sind, ausgemergelte Veteranen mit Kniegelenksstütze, die statt zu laufen einfach nur gehen, Spaziergänger und Surfer entlang der Laufstrecke und Camper an der Seite, die sich überhaupt nicht für das Geschehen interessieren und Hunderte, die zu diesem Zeitpunkt bei Meile 22 nur mehr dahin traben. Auf den letzten Meilen sind an der Strecke einige Papptafeln angebracht, auf denen kluge Sprüche aufgedruckt sind wie z.B. „You must handle the pain with strategy. It is not the age, it is not diet. It is the will to succeed.“

Auf den letzten zwei Meilen oder 3,2 Kilometern verliere ich recht viel Zeit. Mit den neuen Trailschuhen bin ich auch nicht zufrieden, auf dem Asphalt sind sie von der Dämpfung her gesehen nicht ideal. Ich spüre zum ersten Male überhaupt nach 12 Laufjahren meine rechte Achillessehne, die leicht schmerzt. Mit den 4:30 wird es nichts, mit 4:41:51 netto finishe ich schließlich den Surf City Marathon. Edi ist schon im Ziel, wir lassen und mit umgehängter Medaille fotografieren. Nun warten wir auf Ursula, sie lag bei Meile 22 um gut eine Stunde zurück.

Wir beschließen im Hotel Shorebreak weiter auf sie zu warten, gegen 13 Uhr kommt sie dann. Edi hat für die 26,2 Meilen 4:32:23 Stunden benötigt, Ursula finisht nach 6:06:50. Gemeinsam fahren wir mit dem Taxi rund 24 Meilen nach San Pedro, wo unser Kreuzfahrtschiff angedockt ist. Der von mir auf 85 US$ heruntergehandelte Fahrpreis wird geteilt.

Jeder ist mit seinem Laufergebnis eigentlich zufrieden. Der Surf City Marathon ist ein besonderer Lauf, das muss man erwähnen. Als ich gegen 14 Uhr nochmals die eine Meile nach Osten vom Hotel aus zur Expo marschiere, ist das Rennen immer noch im Gange. Es wird auch nach 7 Stunden nicht abgebrochen, jeder auf der Laufstrecke soll ins Ziel kommen. Diese Philosophie, ohne zeitliche Zwänge einen Marathon zu beenden, ist positiv hervorzuheben. Dadurch haben auch alte Menschen eine Chance, zu finishen. Da gibt es aber eher nur in den USA, in Bad Füssing z.B. fuhr mit letztes Jahr ab Kilometer 28 (!) bei 10 Minuten unter dem Plansoll der Besenwagen unerbittlich bis ins Ziel nach. Ich ging irrtümlich davon aus, dass der Marathon 5:30 Stunden geöffnet sei. Das fällt mir ad hoc nur ein, weil am gleichen Tag um 10 Stunden früher als an der Huntington Beach auch in Bad Füssing ein Marathon gelaufen wurde.

Bei solchen Bedingungen wie im Großraum von L.A. ließe es sich an den Stränden gut leben und noch besser sporteln als bei uns in Mitteleuropa. Ich denke daran, in der Rente ein 50-Stater zu werden, 5 Läufe habe ich nun schon, 45 fehlen noch. Das Kreuzfahrtschiff macht in Hawaii 2 Tage Station.

Ich bin dabei, in Honolulu vielleicht das Kontingent zu erhöhen, wenn alles gut geht. Dann könnte Teil 4 der lustigen Seereise folgen, falls der Häuptling das abdruckt.

 

 


 
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