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Laufberichte

Bergmarathon Apenrade: Midsommer in Nordschleswig

21.06.25 Special Event
 

Bombenwetter mit überwiegend sonnigen, nicht allzu windigen 16-18 Grad verwöhnen uns auf Amrum, wo wir die letzte, von unseren Arbeitgebern bezahlte Urlaubswoche genießen. Radeln, wandern, laufen – das Leben ist schön. Deutlich kühler zwar als im Rest der Republik, für hiesige Verhältnisse aber kaum zu übertreffen. Doch steigt gegen Ende unseres Aufenthalts die Nervosität der Gattin, denn von hier so einfach nach Hause zu fahren, kommt für den männlichen Teil unserer vorbildlichen Ehe natürlich nicht infrage.

Dieser hatte selbstverständlich bereits im Vorfeld die einschlägigen Informationsquellen durchforstet. Angesichts der Tatsache, daß das benachbarte Dänemark lauftechnisch für uns noch terra incognita ist, winkt das Glück in Form einer nicht allzu weit entfernten Veranstaltung. Wieder zurück auf dem Festland, führt uns der Weg über Flensburg (auch hier gedenke ich noch anzutreten) nach Nordschleswig, genauer gesagt nach Apenrade, das die Dänen Aabenraa nennen und an einem Meeresarm der Ostsee liegt.

16.500 Einwohner sind hier zuhause. Der Name kommt aus dem Mittelniederdeutschen und ist bis heute gebräuchlich. Im dänischen Sprachgebrauch setzte sich diese Bezeichnung erst nach der Trennung Schleswigs von Dänemark 1864 durch und wurde 1920 nach dem Anschluss Nordschleswigs die offizielle Bezeichnung der Stadt. Der heutige Name Aabenraa ist somit ein sehr seltenes Beispiel einer danisierten, ursprünglich deutschen Schreibweise, die jedoch ihrerzeit den dänischen Namen Opneraa ersetzte.

Wieder von Amrum zurück am Fährhafen Dagebüll, ist es lediglich eine gute Stunde Fahrt in das nette nordschleswigsche oder südjütländische Städtchen. Klasse gelegen ist unsere Unterkunft unmittelbar am Stadtstrand und kaum tausend Meter vom Storetorv, dem Marktplatz, an dem Start und Ziel liegen, entfernt. Quasi nebenan liegt auch die Zentrale des Bundes Deutscher Nordschleswiger. Die genießen in Dänemark wohl ähnliche Rechte wie die südschleswigschen Dänen, die in Deutschland wohnen, Stichwort Südschleswigscher Wählerverband. Es gibt sogar ein gut besuchtes deutsches Gymnasium – zuhause in zwei Kulturen, wie es für sich wirbt. Schön, daß man das in Europa so entspannt sehen und auch leben kann. Zahlreichen Regionen anderer Länder mit gemischter Bevölkerung würde das ebenfalls sehr gut zu Gesicht stehen.

 

 

Die Startnummernausgabe erfolgt am Vortag ab 15 Uhr in einem Zelt nahe des Storetorv im Hof der Stadtverwaltung. Schmal ist der Aufwand, schmal sind auch die Beigaben, exakt gesehen eigentlich null. Zur Startnummer erhält der Marathonläufer ein inkludiertes Shirt, die 10 km-Läuferin hat es für überschaubares Geld erworben. Die Startzeit am Samstag ist, zeitlich gesehen, läuferfreundlich. 10 Uhr erlaubt zwar ein vernünftiges Frühstück, ist aber angesichts der Witterung – es hat bereits am frühen Morgen zwanzig Grad – recht spät. Die Halben trifft’s genau so, der Zehner wird in der prallen Hitze um 12:30 Uhr gestartet. Nur die Kleinsten, deren Lauf wir beobachten, genießen die Gnade eines frühen Einsatzes und sind schon durch, als ich mich mit den Kollegen des halben und ganzen Marathons in der attraktiven Fußgängerzone aufstelle.

 

 

174 Erfolgreiche werden am Ende über die Marathondistanz gezählt werden, deren 496 über die halbe Strecke. Der Ansager verkündet viele und sicher ganz wichtige Dinge, die sich mir aber mangels dänischer Sprachkenntnisse leider nicht erschließen. Nun ist man ja nicht zum ersten Mal bei einer Laufveranstaltung dabei und kann sich das meiste zusammenreimen. Der Startschuss erfolgt – nicht, denn hier wird, ganz maritim, mit einer Schiffsglocke „angeglast“.

Was erwartet uns Marathoner? Eine zweimal zu bewältigende, in Nordost/Südwest-Richtung verlaufende 21,1 km-Runde. Mit viel Phantasie könnte man sie als eine liegende 8 beschreiben, damit Ihr eine ungefähre Vorstellung habt. Durch das nette Städtchen in Richtung Nordosten geht es zunächst bergab, vorbei an zahlreichen gut restaurierten Häusern, die im letzten Krieg wohl nichts abbekommen haben. Zug- bzw. Bremsläufer hat’s im Gegensatz zum Halbmarathon keine, also müssen wir selbständig unser Tempo finden.

 

 

Um den Yachthafen herumgelaufen, überrascht uns bereits nach einem km die erste Verpflegungsstelle, die nicht nur ich angesichts des hohen Sonnenstands (heute ist Mittsommer!) bei wolkenlosem Himmel auch direkt nutze. Ein Dudelsackspieler erfreut mich, denn dank meiner Vorliebe für härtere Töne, auch dargebracht durch Grave Digger, warte ich quasi sekündlich auf deren Einsatz zu Rebellion („The clans are marching ′gainst the law, bagpipers play the tunes of war, death or glory I will find, rebellion on my mind!“). Wobei ich durchaus auf Glory am Ende des Tages schiele, von anderem will ich nichts wissen.

Schon ist die erste Zeitmessung erreicht, die etwas Besonders darstellt, nämlich eine Bergwertung, bei der es für schnelle Leute eine Prämie zu gewinnen gibt. Bergwertung? Man bezeichnet diesen Marathon ja als Berglauf, was angesichts der Anfahrt via Flensburg über brettebenes Land nur schwer vorstellbar ist. Hier geht es dessen ungeachtet stramm bergauf, etliche wandern, für Vater ist das natürlich derzeit noch überhaupt keine Option.

Am Ende des überschaubar langen Abschnitts ist der erste Scheitelpunkt erreicht, auf Asphalt wie bisher kommen wir weiter gut voran. Im Wald passieren wir den Wendepunkt des auch angebotenen 5 km-Laufs, aber nach 3,3 km bereits den zweiten VP, da scheint man sich ja witterungsgemäß gut vorbereitet zu haben. Auf dem Weg zu einem Wendepunkt des Marathons (der über den Wendepunkt des 10 km-Laufs hinausgeht) kommen mir die teils deutlich Schnelleren entgegen, was ich nicht ganz ohne Neid und mit Wehmut registriere. Aber was soll’s, man ist ja froh, überhaupt noch in den Ergebnislisten aufzutauchen. Beruhigend ist der Rückweg, denn da kommen tatsächlich noch viele Mitstreiter.

Landwirtschaftlich genutzte Felder zur Linken, steuern wir aufs Meer zu, das wir aber leider nur kurz streifen. Apenrade liegt sehr schön am Ende einer Bucht mit superflachen Stränden und ist daher extrem kinderfreundlich. Und schon sind wir wieder im Wald, ein munteres Auf und Ab kündigt sich an. Um mit der Wahrheit direkt herauszurücken: Bist Du Berge gewohnt, verschafft Dir dieser Lauf kein Kopfzerbrechen. Die angekündigten zweimal 270 Höhenmeter entpuppen sich am Ende als deren insgesamt 452, also undramatisch.

 

 

 

Sagenhaft ist die Versorgung, denn der dritte VP erwartet uns schon bei km 7, danach habe ich zu zählen aufgehört. Gefühlt gibt’s alle drei km Nachschub in flüssiger und fester Form. Ausgeschildert ist die Strecke fast durchgehend bestens, die Schilder højre (rechts) und venstre (links) sind nicht zu übersehen. Ein zweites Mal nähern wir uns dem Wasser, ein wie immer schöner Anblick. Immer wieder applaudieren uns kleine Zuschauergruppen, und auch der Dudelsackspieler ist auf unserem Rückweg von der ersten Halbrunde wieder am Arbeiten. In meinem Kopf als Erinnerung an die letzte Full Metal Cruise hauen Grave Digger erneut in die Saiten.

Langsam nähern wir uns wieder unserem Ausgangspunkt, bekannte Gebäude vom Hinweg sind zu identifizieren. Besonders schön sind natürlich die Passagen durch die Altstadt, vorbei an Start/Ziel. Das erste Viertel ist absolviert, als wir nach Überwindung einer kleinen Brücke an einer alten Mühle mit funktionierendem Mühlrad vorbeikommen, sehr nett anzusehen. Weniger nett ist das Kopfsteinpflaster, aber auch das ist bald vorbei.

Schon ist das erste Viertel geschafft! Nicht geschafft sind augenscheinlich die zahlreichen Fußballer, die auf dem riesigen Sportgelände ein oder mehrere Turniere austragen. Schön sind die folgenden Schrebergärten anzusehen, unschön aber der tiefe Kiesweg, den es dazwischen auf unserer Reise nach Südwesten zu überqueren gilt. Nette Einfamilienhäuser mit ebensolchen Bewohnern machen den Kurs kurzweilig, überhaupt empfinde ich ihn als sehr abwechslungsreich und nie langweilig.

Die untere Hälfte der angesprochenen liegenden 8 erreiche ich, als mir wiederum flotte Läufer bereits auf dem Rückweg, zwei km vor mir liegend, entgegenkommen. Den Schatten nehme ich als sehr erfrischend dankbar zur Kenntnis, denn Mitte zwanzig Grad hat es längst. Umso fordernder sind heute die schattenlosen Passagen, die sich im weiteren Verlauf auftun. Der ständige Wechsel zwischen Auf und Ab setzt sich fort.

 

 

An den neuralgischen Punkten stehen gutgelaunte Streckenposten, die uns engagiert vorm Überfahren werden bewahren. Eine Anwohnerin schließen wohl alle besonders ins Herz: Sie verschafft mit ihrem Gartenschlauch kurzfristige Linderung. Wieder der Kiesweg zwischen den Schrebergärten, hier ist die Wärme besonders intensiv zu spüren. Aber was soll das Klagen, zurück am Sportgelände, kicken die Fußballer völlig schattenlos.

Schön ist auch das weiß getünchte Schloss Brundlund. Diese wurde als Burg unter der dänischen Königin Margarethe I. ab 1411 als Wasserburg errichtet, die ursprünglich einen festungsähnlichen Charakter aufwies. Über Jahrhunderte diente es als Sitz des Amtmanns sowie der königlichen, herzoglichen und städtischen Administration. Derart weitergebildet erfreut die Schlossmühle eingangs Apenrades erneut das Auge und, in einen kleinen Seitenkanal der Zielgerade geleitet, liegt die erste Hälfte bald hinter mir.

Danach wird es einsam, wir kennen das von zahlreichen anderen Veranstaltungen. Doch da die Strecke nett ist, fällt die zweite Hälfte, zumindest motivationstechnisch, nicht schwer. Ein Mitläufer trägt so etwas wie eine kleine Kapitänsmütze, die wir bei einer anderen Person gestern im Restaurant nicht hatten einordnen können. Offensichtlich handelt es sich dabei um Schulabgänger, von denen unsere Gastgeberin erzählte, und was auch das lautstarke Remmidemmi gestern am Strand erklärt. Sollte der Kollege sich am gestrigen Gelage beteiligt haben, gebührt ihm für seine heutige Leistung umso größerer Respekt.

 

 

Km 25, 30, es wird zäh und ich deutlich weniger dynamisch. Die 2:12 Std. der ersten Runde werden sich ohne unbotmäßigen Einsatz nicht wieder erreichen lassen, das ist klar. Jeden Quadratmeter Schatten nutze ich jetzt aus. Kiesweg, km 35, Auf und Ab. Dann, endlich, wieder Stadtgebiet, km 40, 41, 42. Luja, sog i, ganz im Sinne des legendären Engels Aloisius von Ludwig Thoma. Der rote Teppich naht, auch eine ganz besondere Zuschauerin, die, für ihrem 10 km-Lauf frisch dekoriert, zum Amusement der Umgebung ihren mündlichen Lohn abholt. Noch zwanzig Meter, dann ist es geschafft.

Es gibt als Auszeichnung eine schöne Medaille und wirklich jede Menge zu trinken, literweise beginne ich mein Flüssigkeitsdefizit auszugleichen. Doch war das noch nicht der Höhepunkt des Laufs gewesen. Wer mal in Boston gelaufen ist und die Läufer im See des Boston Common gesehen hat oder im Tejo nach dem Marathon in Lissabon, weiß, was kommt, kommen muß: Der Herr Bernath schleicht zurück Richtung Unterkunft zum Strand und lässt sich mit einem Seufzer der Erleichterung und Wonne ins flache, warme Wasser plumpsen. Herrlich!

Altersgemäß passend wird er nach 4:28 Std. 66. Mann und hat noch zahlreiche Mitleidende hinter sich lassen können. Immerhin ist er keinen Meter gegangen. Zu meckern gibt es hier überhaupt nichts Guten Gewissens zur Nachahmung empfohlen.

Streckenbeschreibung:

Zweimal zu bewältigende, in Nordost/Südwest-Richtung verlaufende 21,1 km-Runde. Mit viel Phantasie könnte man sie als eine liegende 8 bezeichnen. 452 Höhenmeter.

Startgebühr:

Je nach Anmeldezeitpunkt ab 300 DKR (40 €) für den Marathon.

Weitere Veranstaltungen:

Schülerläufe, 5 km, 10 km, Halbmarathonlauf in mehreren Wertungen, teils auch als Wanderung.

Leistungen/Auszeichnung:
Medaille, Urkunde, Shirt.

Logistik:
Kleiderbeutelaufbewahrung, kostenlose Massage, Duschen in der Nähe.

Verpflegung:
Vorbildlich ab km 1 mindestens alle 3 km mit Wasser, Iso („Saft“) später Cola, Obst und einige Knabbereien.

Zuschauer:
Einige Grüppchen unterwegs, die meisten im Ziel.

 


 
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