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Laufberichte

28. Internationaler Brüder Grimm Lauf

10.06.12

Die Strecke führt durch das südosthessische Kinzigtal. 9 Grad 9 Minuten östlicher Länge und 50 Grad 10 Minuten 21 Sekunden nördlicher Breite. Auch mal geographisches Zentrum Europas. Vor den Läufern liegt nun der 259 Meter hohe Hügel des „Niedermittlauer Heiligenkopfes“.  Weiter um den "Rauen Berg" 279,5 Meter, zum „Meerholzer Heiligenkopf“. Nach dem Sonnenberg von Altenhaßlau ist Gelnhausen erreicht. Und da stehen Harald und ich auch schon wieder, noch bevor der erste Läufer das Ziel im Stadion erreicht hat. Auch Schneewittchen ist im Ziel und von ihrem Leiden erlöst. Pendelbusbenutzer, Turnhallen- und Heimschläfer gehen ihrer Wege.

Schon bald beginnt die Pasta-Party mit einem Märchen und der Fußballübertragung Deutschland gegen Portugal. Kaum einer lässt sich diese Feier entgehen und wer zu spät kommt, der darf sich zu Recht fragen: "Wer hat von meinem Tellerchen gegessen, wer aus meinem Becherchen getrunken?".


Sonntag, 9.00 Uhr, Start der 4. Etappe „Frau Holle“


Ein trüber Morgen. Gestern habe ich die Tabletten abgesetzt. Literweise getrunken und in meinem eigenen Bett gut geschlafen. Grund genug, die Laufschuhe zu schnüren. Diese 16,8 Kilometer lange Etappe möchte ich mir ungern entgehen lassen, denn sie enthält einige schöne Steigungen mit noch schöneren Bergab-Passagen. Im Zentrum des mittelalterlichen Stadtkerns befindet sich der Startbereich. Unter einem endlosen Horizont voll dramatischer Wolkenformationen breitet sich eine Märchenstimmung aus. Regen ist für heute vorausgesagt. Auch in Ordnung, so lange Frau Holle auf ihrer Etappe nicht noch ihr Bett ausschüttelt.

Die märchenhafte Landschaft stand wohl auch den Brüdern Grimm vor Augen, als sie die Geschichten der Region nacherzählten. Einige ihrer Figuren stammen aus noch älteren Mythen, etwa die der Frau Holle, deren Ursprung in die germanisch-heidnische Zeit zurückreicht.

Johann Jacob Christoffel von Grimmelshausen wurde um 1620 in Gelnhausen geboren. Er hat die Schrecken des 30jährigen Krieges in der Stadt miterlebt. Auf dramatische Weise schildert er die Verwüstungen Gelnhausens in seinem Roman "Der abenteuerliche Simplicissimus". 1634 wurde Gelnhausen von den Spaniern erobert und besetzt. Die Bevölkerung musste flüchten. Wer blieb, wurde mit dem Tode bestraft.

2012: Einen Tag und eine Nacht war die Stadt von Läufern besetzt. Angst ist es nicht, was die Läufer heute schon wieder aus der Stadt treibt. Die Glocken läuten von der Marienkirche. Diese war ursprünglich eine kleine Dorfkirche und spiegelt den mittelalterlichen Wohlstand der Gelnhäuser wider. Heimelig sind die engen Gassen mit schiefen Fachwerkhäuschen.

Wir folgen der Petersiliengasse. Allein dieser Straßenzug klingt wie aus einem Märchenbuch. So flach, wie in der Ausschreibung beschrieben, sind die ersten Kilometer dieser Etappe nicht. Das allein mag aber noch nicht der Grund sein, dass es die Läufer doch jetzt fast alle etwas ruhiger angehen lassen. Jeder möchte heute Nachmittag nur noch den Zieleinlauf in Steinau an der Straße erleben dürfen. Das ist mein Tempo, so fühle ich mich wohl, so kann es weiter laufen.

Dank des Spessartbundes ist der Eselsweg bis heute als Wanderroute erhalten. Dieser historische Weg ist mit einem schwarzen „E“ auf weißem Grund markiert so wie die Läufer, die wir immer mal wieder sehen. Sie tragen ein schwarzes E auf weißem Grund auf ihrem Rücken. Soll es die Läufer kennzeichnen, die auf dem Eselsweg unterwegs sind? Anfangs dachte ich das noch, aber es sind Einzeletappenläufer die verpflichtet sind, das "E" auf dem Rücken zu tragen. Bedingt durch seine geschlossenen Waldflächen und die wenigen Siedlungen, die an den Durchgangsstraßen lagen, war die Gegend für Räuber und Diebsgesindel äußerst attraktiv.

 
 

 
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