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Laufberichte

28. Internationaler Brüder Grimm Lauf

10.06.12

Fotos: Kay Spamer und Andrea Helmuth

 

An Hessen führt kein Weg vorbei


Es war einmal eine Läuferin, die lief und lief und lief… bis nichts mehr ging. Extreme Gereiztheit, depressive Verstimmungen und Schwankungen der Herzfrequenz sind die unmittelbaren Auswirkungen. Damit steht man noch nicht mit einem Fuß im Grab, sondern man leidet  nur unter Entzugserscheinungen. Dass Verrückte daran ist, die Schmerzen kommen nicht etwa vom vielen Laufen, sondern vom ständigen Sitzen, sagte man ihr.

Erst nur ein fast harmloser Schmerz, mehr so ein Ziehen im Gesäß. Je länger ich lief, desto besser fühlte ich mich… Plötzlich sind die Schmerzen nicht mehr auszuhalten. Beim Sitzen, beim Stehen und auch beim Laufen geht gar nichts mehr. Noch fünf Tage bis zum Start des Brüder Grimm Lauf (BGL). Montag, Arzttermin und Medikation mit Schmerz/-entzündungshemmenden Tabletten sowie einer Überweisung zum MRT. Diagnose: Verdacht auf Bandscheibenvorfall.

Dienstag, vergebliche Anrufe bei Radiologen: „In sechs Wochen, da können wir Ihnen frühestens einen Termin anbieten“. Noch drei Tage bis zum BGL. Dann, endlich, der erlösende Anruf: „Können Sie am Freitagmittag zum MRT kommen?“. Und wie ich kann, schließlich ist Brückentag und ich habe Urlaub.

Noch fünf Stunden bis zum Start des BGL. Mit den Medikamenten sind die Schmerzen auszuhalten. In Hanau holen die ersten Läufer bereits ihre Startnummern ab, während ich nun in dieser Röhre liege. Um mich herum ohrenbetäubender Lärm. Im Märchen geschehen Wunder, denke ich. Wenn ich jetzt einfach fest daran glaube?

Nach einem grandiosen „…und wenn sie nicht gestorben sind“ - Finale im letzten Jahr, wollten wir unbedingt das Märchenbuch des Brüder Grimm Laufes noch einmal aufschlagen. Märchen erzählen von Wünschen und Sehnsüchten, Missgunst aber auch von Freundschaften. Diese Geschichte bedient sich wahrem Erlebten und bekannter Volksmärchen der Brüder Grimm. Die Kapitel handeln von einem gejagten Mädchen mit roter Kappe, einer bösen Königin, die erbost darüber ist, dass ihre Stieftochter schneller sein soll, sieben kleinwüchsigen Männern, einer alte Dame, die es schneien lassen könnte, es aber hat bleiben lassen und einem Geschwisterpaar, welches sich trotz guter Markierung im Hessischen Wald vielleicht verläuft. 

Ebenso treten zahlreiche, von Tieren abgeleitete Figuren oder vermenschlichte Tiergestalten wie extremste Extremläufer, Genuss-, Team- oder Einzeletappenläufer sowie viele andere, in den Fokus dieser Geschichte.

In diesem Jahr wird das Jubiläum der vor 200 Jahre erschienenen ersten Märchenausgabe gefeiert. In dieser Zeit verstand man unter der Wetterau das Gebiet zwischen Vogelsberg, Odenwald, Taunus und Spessart. Die Stadt Hanau liegt fast in der Mitte dieser Region. Hier am Neustädter Markt beginnt die Deutsche Märchenstraße, die auch uns über Steinau an der Straße, unserem Zielort in zwei Tagen, führen wird. Die Märchenstraße verläuft jedoch noch weiter über Kassel, Göttingen bis nach Bremen. Der Marktplatz, seit jeher ein beliebter Treffpunkt und Sammelplatz, ist somit auch der ideale Startpunkt zur ersten Etappe.

Mittendrin im Geschehen thronen seit 1896 die Gebrüder Grimm auf ihrem Denkmal und bilden seit 28 Jahren ein beliebtes Fotomotiv für die Läuferinnen und Läufer. Die Grimms, um 1785/86 als Nachkommen eines Amtsmanns geboren, verbrachten einen Teil ihrer Kindheit in Hanau. 27 Jahre später hatte Napoleon in Hanau seinen letzten Sieg auf deutschem Boden. Zuvor setzten die Franzosen die Vorstadt in Brand. Einige Häuser in der Judengasse (heute Nordstraße), in der Hospitalstraße und am Paradeplatz (heute Freiheitsplatz) gingen in Flammen auf. An das Geschehen erinnern verschiedene Gedenksteine. Es war die Schlacht 1813 im Rahmen der  Befreiungskriege gegen die französische Besatzung. Napoleons Weg nach Westen war offen. Heute halten Polizisten uns Etappenläufern auf den ersten Kilometern durch die Hanauer Stadtmitte den Weg frei.

 

Freitag, 17.30 Uhr, Start der 1. Etappe „Rotkäppchen“


Sie hat begonnen, die unendliche Geschichte des Brüder Grimm Lauf. Vor uns liegen 15,4 Kilometer auf der Rotkäppchen Etappe. Von nun an heißt es: In zweieinhalb Tagen auf fünf Etappen von Hanau nach Steinau an der Straße zu laufen. Die kürzeste Distanz beträgt 14 die längste Etappe 18 Kilometer. Sehr gut trainierte Läufer schaffen die Strecke in der Gesamtwertung in 4:39 Stunden – freilich um den Preis, von den umliegenden Sehenswürdigkeiten nicht mehr als ein paar flüchtige Eindrücke zu erhaschen. Die Genussläufer werden am Ende etwas um die 10 Stunden unterwegs sein.

Wer einmal hier war, kommt meistens wieder. Daher erstaunt es uns wenig, als wir unter den etwa 500 Läufern viele bekannte Gesichter entdecken. Der 1938 geborene Kalli Flach, von der LT Höchst, hat keinen BGL ausgelassen und steht heute bereits zum 28. Mal am Start. Der Extrem-Extremläufer René Strosny möchte es auch noch mal wissen. 2005 errang er hier den 2. Platz auf der, in seinen Worten, „Kurzstrecke“. Denn was für die meisten von uns schon eine gewaltige Herausforderung darstellt, reicht für ihn noch nicht einmal zum Warmwerden.

Seit Mai ist in den Kinos der Dokumentarfilm „I want to run“ zu sehen. Diesen Film sollte kein Läufer verpassen. Leider läuft er bislang noch nicht in Hessen. René ist Protagonist in diesem Film, der  vom Europalauf 2009 handelt. Nach 64 Etappen und 4487 Kilometern erreichte er das Ziel am Nordkap in 407 Stunden. Schaut euch den Film an, wenn ihr Wissen wollt, auf welchen Platz René damals lief. Im August dieses Jahres wird es wieder einen Europalauf geben. Die Streckenführung wird die Teilnehmer von Dänemark bis nach Spanien führen. Wer vielleicht nach dem Brüder Grimm Lauf noch nicht genug gefordert ist, der kann sich der Herausforderung „Europalauf“ stellen. Schade, für diese Ausgabe ist er mal wieder ausgebucht!

 
 

 
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