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Laufberichte

28. Eurasien Marathon Istanbul

05.11.06

Über die Brücke von Asien nach Europa

 

Anmerkung der Redaktion: Mike Friedl ( 54, in Österreich geboren und in West-Berlin aufgewachsen , lebt und arbeitet seit 19 Jahren in Istanbul. Er hat neben vielen anderen extremen Läufen auch zweimal erfolgreich am Deutschlandlauf teilgenommen.

 

Kaum eine andere europäische Metropole weckt so viele, vor allem positive, Assoziationen wie die Türkische Stadt Istanbul. Der Bosporus, eingebettet zwischen 2 Kontinenten, die Bosporus Brücken,   Moschen, Bazare, Dolmabaçe Palast usw.  sind auch demjenigen als Markenzeichen von Istanbul  bekannt, der diese Stadt noch nicht besucht hat. Und da Istanbul auch noch eine besonders große Stadt ist, müsste sie aus Läufersicht für einen Stadtmarathon geradezu prädestiniert sein.

 
Die Teilnehmerzahlen sprechen aber leider eine andere Sprache: nur ca. 500 Läufer umfasste das  Teilnehmerfeld für den Marathon, ca. 250  Läufer aus der Türkei und die selbe Anzahl nochmals aus verschiedenen anderen  Nationen. In der Türkei gibt aus unterschiedlichen Gründen nur ca. 5oo aktive Marathonläufer. Trotzdem,  Istanbul  ist auch als Marathonziel allemal sehr  reizvoll.


Trotz  eines etwas schmerzhaften  Adduktoren- Syndroms (Nachwirkungen vom Deutschlandlauf 06 im September),  freue ich mich schon seit Tagen auf meine  11. Teilnahme am Istanbul-Marathon, es wird  mein 140 Marathon in meiner ca. 15 jährigen Marathonkarriere sein.

 

Am Samstag Abend war wie jedes Jahr im offiziellen Gebäude der Sport- Atletic- Federation die Pasta-Party mit Filmen der letzten Marathon-Veranstaltungen in Istanbul auf einer großen Video –Leinwand. Ein anschließendes groβes Feuerwerk , das leider von vielen aufgrund der extremen schlechten Wetterverhältnisse mit Regen, stürmischen Winden  und sogar leichtem Schneefall gar nicht so richtig zu genieβen  war, rundete den Abend ab.   

 

Ich treffe mich am Sonntagmorgens um 6 Uhr  mit meiner  7köpfigen  Laufgruppe. Wir wohnen alle in einem kleinen Vorort  von Istanbul in der Nähe vom Flughafen. Es sind noch ca. 1 Std. Fahrzeit bis zum Sammelpunkt  am Stadion nahe dem Stadtzentrum, wo der  groβe Fuβballclub Besiktas seine Heimspiele austrägt .

 

Im Gegensatz zu den Tagen vorher ist der 5. November ein sehr sonniger Morgen in Istanbul.  Gegen 7 Uhr  entsteht ein  hektisches Treiben am Sammelpunkt der vielen  tausend Teilnehmer vor dem Stadion, Sportsfreunde begrüβen sich, auch ich treffe einige bekannte Gesichter aus der kleinen  türkischen Marathon Szene aber auch aus Deutschland. Jeder zweite ausländische Teilnehmer fragt mich nach den Toiletten oder in welchem Transferbus man einsteigen sollte. Mit Freude begrüβe ich  Horst Preißler, unseren Marathonweltrekordler   und die schönste Laufgruppe aus Deutschland. Das sind 8 Frauen die  aus Hatten- Sandkrug, die ich durch Zufall im Mai dieses Jahr beim Hannover Marathon kennen gelernt habe. Dass die Damen aber wegen mir nach Istanbul gekommen sind,  ist nur ein Gerücht …

 

Es wird 7 Uhr 30 - aber die Busse, die die Starter des Marathons und des 15 Km –Laufes auf die gegenüberliegenden Seite des Bosporus (Asiatische Seite von Istanbul) bringen sollen, bewegen sich nicht. Allmählich wird es unruhig  und einige der türkischen Teilnehmer machen Ihrem Unmut durch lautes Schimpfen Luft. Schlieβlich tauchen dann doch die Fahrer auf und es kann endlich los gehen . Nach ca. 30 Minuten treffen wir am Startplatz ein und haben hier die Möglichkeit, uns in Ruhe auf den Lauf vorzubereiten. Die Kleider-Taschen  werden etikettiert  in den Transfer Bussen aufbewahrt (klappt jedes Jahr hervorragend) und  nach dem Start zum Zielort im Besiktas Stadion gebracht. 

 

Nach einer kurzen Ansprache des Instanbuler Bürgermeisters ist fast pünktlich um 9 Uhr der Start. Ein Pulk von Menschen setzt sich in Bewegung, zahllose Kinder laufen uns vor den Füssen herum. Sie wollen natürlich nicht die 15 Km oder 42 Km, sondern nur einmal über die autofreie Bosporusbrücke laufen , die ja sonst für Fuβgänger das ganze Jahr gesperrt ist.

 

Nach wenigen Minuten erreichen wir die Brücke, was auch mich, der schon mehrfach dabei war, immer wieder ein erhebendes Gefühl ist. Wo kann man über eine Brücke von einem Kontinent (Asien) zu anderen (Europa) laufen? Heute sieht der sonnenüberflutete Bosporus mit seiner großen und weiten Uferlandschaft wie gemalt aus. Zusammen mit den tausenden Läufern in ihren bunten Trikots ergibt sich ein farbenprächtiges Bild. Bessere Bedingungen können sich die Teilnehmer nicht wünschen. 

 

Nach der Bosporus-Brücke geht es gleich bergauf, auf dem folgenden Kilometer sind 150 Höhenmeter zu erklimmen. Da ich die Strecke gut kenne und wegen meiner Verletzung nur langsam laufen kann, mache ich für meine 4 Sportskameraden aus meiner Trainingstruppe den Pacemaker. Alle haben das Ziel, das erste Mal unter 4 Stunden zu laufen. Gleichzeitig mache ich für einige ausländischen Teilnehmer den Fremdenführer, in dem ich etliche Informationen über die Strecke und die Sehenswürdigkeiten weitergebe.

 

Das ist auch für mich ganz kurzweilig, Kilometer um Kilometer wird abgespult, es geht durch das Finanzviertel mit den Bankpalästen, an der Altstadt vorbei und schon haben wir die ersten 10 Km hinter uns.

 

An den Verpflegungsstellen gibt es nur Wasser aus Plastikbechern und Zuckerpäckchen.

 

Es geht eine lang gezogene Strasse hinunter und vor der Brücke über das “Goldene Horn “ trennen sich die 15 Km-Läufer von den Marathonis. Nun wird das Feld schon wesentlich dünner, es sind nur noch ca. 500 Teilnehmer auf der langen Distanz verteilt.

 

Das Wetter ist prächtig. Links auf dem Hügel die Blaue Moschee und vor uns die alte Istanbuler Stadtmauer. “Ein herrlicher Anblick“, schwärmt ein Läufer neben mir. Wir kommen Richtung Küstenstrasse, die sich unendlich von Istanbul weg in die Länge ziehen wird. Schon bald kommt uns auf der Gegenbahn die Spitzengruppe mit vielen Schwarzafrikanern und dann die türkischen Spitzenläufer entgegen .

 

Die ersten 20 Kilometer sind geschafft, die Durchgangszeit für meine “4 Sunden-Knacker“ entsprecht etwa den Vorgaben. Kurz nach dem Wendepunkt in Ataköy steht unser selbst eingerichteter Verpflegungspunkt. Nach angenehmer Erfrischung geht es nun an der Küstenstrasse wieder zurück Richtung Istanbul. Der Wind meint es gut mit uns, er kommt von hinten. Es geht der 30 km-Marke entgegen und die  Beine meiner türkischen Mitläufer werden nun etwas schwerer. Ein Blick in ihre Gesichter verrät mir, dass für sie der Marathon jetzt beginnt. Die Gespräche sind vestummt.

 

Wir kommen an der gröβten Schiffstation “Yeni Kapi“ (Neues Tor zum Marmara Meer)   vorbei und sind dabei, die letzten 10 Kilometer zu absolvierenden .

 

Bis zur Galata-Brücke am Goldenen Horn bei km 38 schaffe ich es, mit meiner Tempovorgabe unsere 4köpfige Gruppe zusammen zu halten. Dann wird jeder zum Einzelkämpfer, geht an seine Reserven und läuft die letzten 4 Kilometer, was das Zeug hält oder was er noch drauf hat.

 

Ich laufe voraus, um gleich im Ziel „meine Jungs“ in Empfang nehmen zu können. Es ist ein großer Tag für sie, als alle zwischen 3:53 und 3:58 Stunden und damit innerhalb des anvisierten Zeitlimits im sonnenüberfluteten Besiktas Stadion ins Ziel laufen. Sie sind überglücklich und ich bin mächtig stolz auf meine fleißige Laufgruppe.

 

Jeder Teilnehmer bekommt seinen Siegerbeutel mit einem schönen Trikot, einer Medaille, einem Getränk, Obst und etwas Süβem.

 

 

Alle ausländischen Teilnehmer, mit denen ich nach dem Zieleinlauf  spreche, sind sehr zufrieden mit der Organisation, der sehr schön Atmosphäre und der großen Gastfreundlichkeit  in Istanbul.

 


 
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