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Laufberichte

Was lange währt…. Bologna Marathon 2021

31.10.21 Special Event
 

Der Bologna Marathon wird für mich immer mit dem Beginn der Corona-Pandemie verbunden bleiben: Eine Woche vor dem geplanten Start am 1.3.2020 kaufte ich die Fahrkarten für den Eurocity von München nach Bologna. Am Abend dann im Fernsehen die Nachricht, dass es in der Gegend um Bergamo vermehrt zu Infektionen mit der neuen Krankheit gekommen sei. Gut 200 Kilometer entfernt von Bologna, sodass Judith und ich noch beratschlagten, ob eine Fahrt sinnvoll wäre. Zwei Tage später dann die Nachricht, dass alle Veranstaltungen in der Region Emilia Romagna abgesagt würden.

Viele Jahre wurde diskutiert und endlich wird der erste Bologna Marathon ausgetragen. Die Internetseite ist recht gut aufgebaut, alle notwendigen Informationen sind auch auf Englisch verfügbar. Mit der Merkwürdigkeit, dass eine Seite die Maximalzeit mit 6:30 h, die englischsprachigen Regeln die Zeit mit 6:00 h und die italienischsprachigen Regeln das Zeitlimit mit 5:30 h angeben.

Schwierig ist es, alle erforderlichen Dokumente zur Anmeldung zusammenzubekommen: Die RunCard muss für 15 Euro erworben werden. Sie ist damit halb so teuer wie für Italiener  und berechtigt zur Teilnahme an Marathonveranstaltungen in Italien für ein Jahr. Ein Gesundheitszertifikat ist erforderlich, und zwar das aktuelle von der Seite des italienischen Leichtathletikverbandes FIDAL. Beides ist bei der Anmeldung hochzulegen.

Judith und ich kommen am Samstagnachmittag in Bologna an, unser Hotel befindet sich im Zentrum und die Marathonmesse ist fußläufig zu erreichen. Scannen der Covid-Impfzertifikate und dann hinein in die Sporthalle, die innen mehr hermacht als von außen zu vermuten ist. Nun noch eine Covid-Erklärung ausfüllen und dann zur Startnummernausgabe.

 

 

Im netten Startersäckchen befinden sich Nützliches und Überflüssiges, aber auch ein Schlauchtuch. Das dunkelblaue Veranstaltungsshirt von Macron ist enganliegend und soll aus besonders schnell trocknendem Material gefertigt sein. Einige Läufer loben die zurückhaltende Beschriftung. Mir sind „Angebershirts“,  auf denen weithin sichtbar der Name des jeweiligen Marathons prangt, lieber. Die Messe ist wohl Corona bedingt auch hier recht übersichtlich.

Die Nacht ist aufgrund der Zeitumstellung recht lang und am Morgen hat sich auch der Wetterbericht etwas gebessert. Es soll nun doch keinen Regen geben. Aber ziemlich trüb ist es schon.

Die Erstausgabe einer Laufveranstaltung ist bekanntlich immer mit etwas Ungewissheit verbunden. Mal sehen, was uns erwartet. Am Start-/Zielbereich ist alles gewohnt professionell. Im Rathaus, dem Palazzo d’Accursio, stehen in den Innenhöfen Umkleidezelte und die Taschenabgabe zur Verfügung. Die mobilen Toiletten sind außerhalb gelegen.

Der Startbereich auf der Via dell’Indipendenza ist in Blöcke aufgeteilt. Zuerst starten die Marathonis nach Zielzeit geordnet. Zehn Minuten später die TeilnehmerInnen am 30-km-Lauf, danach ein 6-km-Lauf, dessen Parcours aber nach zwei Kilometern schon abbiegt, mit uns also wenig zu tun hat.

Die Moderation ist temperamentvoll und mitreißend, oft auch auf Englisch, wobei es unter den 1.700 Startern kaum Ausländer gibt. Ohne Nationalhymne oder Countdown geht es um 9:30 Uhr los.

 

 

Hinter dem Startbogen fällt Judith ein Problem mit der Uhr auf. Pause. Angesichts des Startvideos dürfen wir uns danach rühmen, definitiv die zwei letzten Starter gewesen zu sein. Es gilt also das Feld von ganz hinten aufzurollen.

Über die Via dell’Indipendenza Richtung Norden, kurz danach eine Umrundung der Überreste einer Burg im Parco della Montagnola. Aus dem Park hinauslaufend können wir schon die nach uns gestarteten 30-km-Läufer sehen. Sie sind uns auf den Fersen. Auf der folgenden breiten Straße dürften die schnelleren von ihnen gut an uns vorbei kommen. Judith und ich arbeiten uns auch vor.

Am MAMbo, dem Museum für moderne Kunst, vorbei, dann weiter durch die Stadt. Es gibt viel zu sehen und es stehen auch oft Zuschauer am Straßenrand und feuern uns an. Ich habe den Eindruck, viele Bologneser wollen sich das Spektakel mal persönlich ansehen. Zur Linken das Stadio Renato Dall’Ara, benannt nach dem langjährigen Präsidenten des FC Bologna. Spannender ist, was ich rechts lese: „Pista Sci di fondo“ also Langlaufpiste. Eine dreihundert Meter lange Plastikpiste wartet auf SportlerInnen, die nicht nur im Winter trainieren wollen..

 

 

Ebenso durchschneidet die breite Straße einen Laubengang. Dieser führt mit über vier Kilometern Länge hinauf zum Santuario Madonna di San Luca, einer Wallfahrtskirche, in der ein dem Evangelisten Lukas zugeschriebenes Bildnis der Gottesmutter aufbewahrt und verehrt wird. Auf der parallel dazu verlaufenden sehr steilen Straße werden auch gerne Radrennen veranstaltet.

Weiter durch abwechslungsreiche Wohngebiete. Eine Band an der Laufstrecke. Viele Bologneser halten ihr Handy wie einen Pokal über sich. Km 10 ist erreicht. Ein Stück an einem Bahndamm entlang. Inderinnen im Sari kommen uns entgegen. Die Eisenbahnstrecke ist mit zughohen Lärmschutzwänden geschützt. Komisch, hier ist doch Industriegebiet? Oben rasen die „Frecce Rosse“ („rote Pfeile“) genannten Hochgeschwindigkeitszüge zum Hauptbahnhof. Danach geht es in 37 Minuten ins 78 km entfernte Florenz, durch 71 km Tunnel unter dem Apennin. Der Zug von Mailand nach Rom braucht für die 560 km weniger als drei Stunden.

Hinter der Bahn sehe ich aus dem Augenwinkel ein Gebäude mit einer Schießscheibe über dem Eingangsportal. Kurz danach knallt es. Bloß weg hier! Wir laufen um neue Gebäude der Alma Mater Studiorum Università di Bologna. Über uns der Passagierzubringer zum Flughafen. Der liegt ziemlich nah beim Hauptbahnhof. Ab und zu dröhnen über uns die Motoren. Das Einkaufszentrum Centrolame wurde von der Laufveranstaltung offenbar kalt erwischt: KundInnen sind in ihren Autos auf der Einfädelspur zur Untätigkeit verdammt und hoffen auf das baldige Ende der Veranstaltung.

Wir sind nördlich des Hauptbahnhofs. Neubauviertel. Oft sehe ich Gedenktafeln für Partisanen an Häuserwänden. Von der großen Straße drehen wir nun auf einen Fuß/Radweg. Die Via Stalingrado wurde von einem Gebäudekomplex überbaut und wir nutzen dies, um die Straße zu queren. Spannender Urban Trail.

Nette Häuser, dann ein markanter Anstieg auf eine Brücke. Ein Läufer von den „vigili del fuoco“ erklärt, dass dies die Ponte di via Libia ist. Das folgende Viertel wurde nach dem Ende des ersten Weltkriegs angelegt. Die Kirche AnkerSanta Maria del Suffragio aus den 1930er Jahren ist ein ziemlich auffälliges Gebäude, doppelt so hoch wie die Wohnhäuser, mit interessanter Kuppel. 2000 Gläubige finden hier Platz.

Verpflegungspunkte gibt es alle 5 Kilometer, meist mit lustig verkleideten Helfern. Es gibt kleine Wasserflaschen und gelegentlich auch Riegel, Gel und Trinkgel, aus hygienischen Gründen aber keine Bananen.

Ein kleine alte Grundschule hat zwei Eingänge, damit sich Mädchen und Jungs ja nicht in die Quere kommen. Die 30-km-LäuferInnen biegen nach rechts ab. Also beginnt nun die 12,2-km-Schleife für die Marathonis. Es verbleiben noch genug Mitstreiter um uns herum. Über 1.500 Marathon-Finisher wird es geben.

An der Via Carlo Marx beginnt der Osten Bolognas. Plattenbauten, Halbmarathon-Marke. Foscherara heißt das Viertel und hier geht die Post ab. Wütende Autofahrer rufen uns Verwünschungen zu. Laut Medienberichten soll es sogar zu Handgreiflichkeiten mit den Helfern gekommen sein. Vor uns Polizei, Krankenwagen und ein vollkommen ausgerasteter Radrennfahrer. Man versucht ihn zu beruhigen. Keine Ahnung, was vorgefallen ist. Oft werden Autos auch durch größere Lücken hindurch geschleust. Aber hier im Südosten Bolognas lebt wohl der Kampfgeist.

Ein großer Platz heißt „Piazzale Atleti Azzurri D’Italia“ Hier gibt es ein Softball- und ein Baseballfeld. Schön ist der Blick auf die ersten Ausläufer des Apennins. Ein wenig wellig ist der Kurs schon, 247 Höhenmeter sind laut Veranstalter zu bewältigen. Aber die Hügel vor uns müssen wir nicht erklimmen. Dafür folgen nun die drei langweiligsten Kilometer. Eine neue Schnellstraßenschneise, wohl eine Umgehung der parallel liegenden Straße durch das Viertel. Pendelstrecke, die erste Zwischenzeit an der Wendestelle bei km 28 wird bestimmt einigen Abkürzenden zum Verhängnis. DSQ sieht man oft in der Ergebnisliste. Wieder in städtische Bebauung. Leicht bergab, schnurgerade. Hier gibt es nun auch einige respektable Villen.

 

 

Auch in Italien hat der Halloween-Brauch Einzug gehalten. Oft laufen uns verkleidete Gestalten über den Weg. Viele Blumengeschäfte sind in Schwarz/Orange gehalten. Das Gelb der Chrysanthemen, die hier traditionell an Allerheiligen auf die Friedhöfe gebracht werden, sieht man eher selten. Die beiden Gebäude an der Porta Santo Stefano erinnern mich sehr an eine Anlage in Mailand. Dann durch ein Tor in die Giardini Margherita. Eine kleine Runde durch den Park mit Erfrischungsstelle am Weiher.

An der Chiesa della Madonna del Baraccano betreten wir die Altstadt. Ich freue mich schon sehr auf die netten Gässchen mit ihren ockerfarbenen Häusern und Laubengängen. 38 km Laubengänge, genannt „portici“,  soll es hier geben. Angelegt wohl, um mehr Wohnraum schaffen zu können.

Auffällig für den eiligen Läufer sind die vielen Arten von Laufuntergründen. Bloß nicht am Kopfsteinpflaster hängenbleiben.

 

 

An der großen San-Francesco-Kirche vorbei schwenken wir auf den Prachtboulevard Ugo Bassi ein. Da ist die Hölle los. Vielleicht nicht so, wie wir uns das wünschen: Es sind vor allem Flaneure unterwegs, die manchmal stören. Ein Metallgitterspalier verschafft uns Platz zum Laufen. Rechts die Piazza del Nettuno mit ihren Palästen. Dahinter wäre das Ziel. Aber noch ist es nicht so weit.

Vor uns schon von weitem sichtbar der große Asinelli-Geschlechterturm. Links daneben etwas kleiner der Turm der Garisenda. Wie in vielen mittelitalienischen Städten - und auch in Regensburg - zeugten die hohen Bauwerke einst vom Wohlstand der einflussreichen ortsansässigen Familien. Quasi die SUVs des Mittelalters. 20 Türme existieren in Bologna noch. 180 sollen es in früheren Zeiten gewesen sein. Der 97 Meter hohe Asinelli-Turm  ist um 2,20 m geneigt. Man sollte unbedingt nach dem Marathon die Holztreppe hinaufsteigen. Der Blick von oben ist umwerfend. Und wer direkt vom Turm nach unten schaut, kann ob der leichten Schräglage schnell das Gleichgewicht verlieren. Wem das nicht reicht, der kann just dann über die Erdbebengefahr auf dem italienischen Stiefel sinnieren.

Für uns jetzt aber erst mal Nahkampf. Links im Gässchen gibt es fast kein Durchkommen. Die Helfer geben sich redlich Mühe, uns eine Bahn freizuhalten. Abends kann man hier vielerorts das Apericena genießen. Für 10€ gibt es einen Drink und (auf Plastiktellern) Essen nach Belieben vom Buffet. Und just hier ist es wohl vom Feinsten. Nach ein paar Metern dann wieder freie Bahn.

An der Basilica San Giacomo vorbei zur Piazza Verdi, weiter zu den Sieben Kirchen, eines der vielen Wahrzeichen Bolognas. Ein kurzes Stück auf einem Kieselsteinpflaster. Das kann als Fußmassage durchgehen. Dann ein glatter Plattenstreifen dazwischen. Die Fotografen sitzen links und rechts davon und machen schöne Fotos mit den Kirchen im Hintergrund.

Jetzt sollte es nicht mehr weit sein. Ich treibe Judith voran. Nicht am Hermès-Shop stehen bleiben. Erst später fällt mir auf, dass Judith sich seit geraumer Zeit ein Rennen mit einer anderen Läuferin liefert. Im Zieleinlauf ist die Italienerin leicht vorne, hat aber eine um eine Sekunde schlechtere Bruttozeit. Brutto, nicht netto? Muss man nicht verstehen. Zumal es bei uns weder um den Sieg noch um Rekorde geht.

Judith und ich hatten einen super Lauf und können nun einige bekannte Gesichter sehen, die nach uns eintreffen. Die Medaille ist etwas ganz Besonderes: Ein Zahnrad, gestaltet von den Studenten der Uni und produziert von der ansässigen Spezialfirma CIMA. Hier in Norditalien haben viele Zulieferer für den deutschen Maschinenbau ihren Sitz. Die Medaille vom 1. Bologna Marathon 2020 wird komplettiert mit einem Anhänger, der das Datum des 31.10.2021 trägt und auf dem sinngemäß zu lesen ist „heute, nach langen und beschwerlichen Monaten, gehöre ich endlich dir.“

Die Zielverpflegung gibt es hinter der Taschenabholung und den Umkleidezelten. Salzcräcker und Hefegebäck mit Schokofüllung sind noch übrig. In so großen Mengen, dass wir ordentlich zugreifen dürfen.


Fazit:


Der Bologna Marathon hat uns durch alle Stadtteile geführt, überwiegend durch Wohngebiete. Viele Menschen haben uns zugejubelt, an der Straße und von den Balkonen. Und manche Autofahrer haben uns auf einen anderen Planeten gewünscht. Die streitbaren Anwohner werden sicher für die nächste Austragung im März 2022 einige Anpassungen der Strecke durchsetzen, aber ich hoffe, der Veranstalter hält grundsätzlich am Konzept eines Stadtmarathons fest.

Bologna selbst ist auf jeden Fall einen Wochenendtrip wert, da per Zug und per Flugzeug gut zu erreichen. Die Stadt  braucht aus meiner Sicht einen Vergleich mit Florenz nicht zu scheuen. Vielleicht nicht ganz so viele Kunstschätze und monströse Palazzi, dafür gibt es aber beschauliche Kanäle und riesige Kirchen. Nicht zu vergessen das Museum des Eismaschinenproduzenten Carpigiani. Das abendliche Leben in dieser großen Universitätsstadt ist absolut umwerfend, ohne dass Touristen das Stadtbild beherrschen. Der Marathon kann aber nächstes Jahr noch ein paar Teilnehmende mehr aus deutschsprachigen Ländern vertragen und auch der Frauenanteil von gerade mal 20 Prozent ist ausbaufähig..


Sieger

1          MENEGARDI MARCO      2:34:31
2          COLGAN DAVID               2:34:48
3          NATALI PAOLO                 2:35:29


Siegerinnen

1          MORONI FEDERICA         2:53:05
2          MILANESI CHIARA          2:56:00          
3          BATTACCHI FRANCESCA          3:01:16


1582 Finisher

 


 
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