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Laufberichte

Und das nicht nur zu Weihnachten

13.12.14

Es ist Samstag, der 13. Dezember. Ganz früh am Morgen machen Norbert und ich uns auf den Weg nach Bühl-Vimbuch. In der dortigen Tullahalle herrscht um 6 Uhr schon reger Betrieb. Die Läufer, die dort übernachtet haben, beenden gerade ihr Frühstück und ankommende ordnen nochmal ihr Gepäck.

Brigitte und Rolf Mahlburg begrüßen jeden Neuankömmling herzlich und nehmen sich Zeit für ein paar persönliche Worte. Die beiden sind ein perfektes Team. Nun bereits zum 13. Mal organisieren sie den Eisweinlauf von Offenburg nach Baden-Baden. Die 65 km lange Strecke verläuft parallel zur Badischen Weinstraße auf dem Ortenauer Weinpfad über die Weinberge. Es handelt sich jedoch um keinen Wettkampf. Alle laufen gemeinsam. Unterwegs gibt es 5 Verpflegungsstellen, wo man auch „zusteigen“ kann. So werden aus knapp 100 Läufern beim Start über 200 am Ziel auf dem Weihnachtsmarkt von Baden-Baden.

Bei den Mahlburgs ist Laufen schon lange kein Selbstzweck mehr. Mit ihrer Initiative laufendhelfen.de haben sie sich zum Ziel gesetzt, mit laufsportlichen Leistungen anerkannte Hilfsorganisationen finanziell zu unterstützen. So kommt in diesem Fall das gesamte Startgeld der Lebenshilfe Baden-Baden/Bühl/Achern sowie der Aktion Benni & Co zugute.

Unterstützt werden sie von einem eingespielten Team von Helfern, welche sich um die Verpflegung, den Transport der Taschen und die vielen anderen Kleinigkeiten kümmern, die bei solch einem Event anfallen.

Pünktlich um 6 Uhr 30 bringt uns der Bus nach Offenburg, wo wir nach einer dreiviertel Stunde Fahrzeit den Bahnhof erreichen. Da die Schalterhalle nicht zur Verfügung, steht, erfolgt die Ausgabe der Namensschilder mit den Notfallnummern und einem Anhänger für das Gepäck in einem separaten Raum am Ende des Bahnhofsgebäudes.

Um kurz vor 8 Uhr nehmen wir draußen auf der Freitreppe Aufstellung und der Bürgermeister von Offenburg sowie ein Abgeordneter der Winzergenossenschaft von Durbach verabschieden uns mit kurzen Worten. Rolf gibt noch einige Hinweise und dann machen wir uns schon unter der Führung von Brigitte auf den Weg.

Ein Polizeiauto eskortiert uns aus der Stadt. Langsam wird es heller und wir erreichen die ersten Weinberge. Es geht bergauf. Steigungen werden gemeinsam gegangen. Obwohl ich noch frisch bin, kann ich das Tempo nicht halten. Die versierten Ultras steigen mit großen kraftvollen Schritten nach oben. Erst im Gefälle kann ich meine Stärke ausspielen und bin schnell wieder vorne mit dabei.

Ein großer Fehler ist es, wenn man sich als langsamerer Läufer hinten einordnet. Durch den Ziehharmonikaeffekt ist man bei so einer großen Gruppe ständig am Hinterherrennen und kommt trotzdem nicht richtig heran. Selbst wenn die Gruppe anhält und wartet, wird es nicht viel besser. Die Vorderen laufen dann ausgeruht weiter und man selbst kommt auf dem Zahnfleisch daher. Brigitte führt vorne in gleichmäßigem Tempo. Daher bin ich dort am besten aufgehoben.

Meisten, aber nicht nur, laufen wir auf gut Wegen. Flach ist es selten, fast immer geht entweder auf- oder abwärts. Mittlerweile ist es hell geworden. In der klaren Luft hat man von oben eine wunderbare Aussicht auf die hügelige Landschaft der Ortenau und ins Elsass. Sogar die Sonne lässt sich blicken. Gut gelaunt kommen wir schnell vorwärts. Wir nähern uns dem weithin sichtbaren Schloss Staufenberg. Dort oben befindet sich die erste VP. Seit 1000 Jahren liegt das Durbacher Schloss auf dem Staufenberg und ist bereits seit Längerem mit seiner romantischen Weinstube ein beliebtes Touristenziel.

Es geht steil bergauf. Zum Schluss müssen wir noch über eine lange Weinbergtreppe, dann ist das alte Gemäuer erreicht. Die Tore stehen einladend offen. Unser Gepäck ist nach Nummern geordnet bereitgestellt. Die Terrasse scheint geschlossen, so dass die Getränke- und Essenstische im Hof aufgebaut sind. Ich entdecke warmen Tee. Das ist jetzt genau das Richtige für mich. Zu Essen gibt es neben Orangenstücken auch diverse Riegel, Christstollen, Früchtebrot, Honigkuchen, Schokolade, Negerküsse, aber auch Brot, Käse, Wurst, Fleischbällchen, Oliven, Salzstangen, Cracker und Nussmischungen.

Rolf mahnt bald zum Aufbruch und überraschenderweise läuft er nun mit uns weiter. Auf dem gleichen Weg, den wir gekommen sind, verlassen wir die gastliche Stätte. In moderatem Tempo geht es voran. Die meisten Läufer sind in Gespräche vertieft. Alle sind locker drauf.

Spannend sind die Ortsdurchquerungen. Unser Begleitradler fährt voran und sichert die Übergänge. In Oberkirch ist die Fußgängerampel an der breiten und stark befahrenen Straße rot. Wir warten auf grün, dadurch können auch die Nachzügler aufschließen. Danach geht es auf dem Gehweg weiter.

Der Rebberg liegt vor uns. Die nächste VP ist hoch über Tiergarten an der Fatima Kapelle. Der Weg schlängelt sich serpentinenartig nach oben. Zum Teil wird es richtig steil. Möglichst kraftsparend versuche ich hoch zu kommen. Zur Belohnung bringt mir Norbert einen Becher mit Brühe. Lecker! Mit meinem Getränk in der Hand und etwas zum Essen höre die Ansprache des Ortsvorstehers von Tiergarten und genieße die fantastische Aussicht.

Wie immer nach 20 Kilometern tun mir die Füße weh. Das nächste Teilstück mit immerhin 13 Kilometern Länge wird daher für mich zur Herausforderung. Scheinbar geht es anderen Läufern ähnlich; das tröstet mich etwas. Ich versuche weiterhin vorne dran zu bleiben. Obwohl Brigitte immer zum langsamen Laufen mahnt, kann ich an den Anstiegen kaum folgen. Bergab muss ich nun ganz schön rennen. Ich bin froh, als wir auf den mir bereits bekannten Singeltrail einbiegen, wo am Ende des langen steilen Gefälles Sasbachwalden und damit die nächste Verpflegung auf uns wartet. Die Hälfte ist geschafft.

Ich verzichte auf den Glühwein und greife zum Bier. Es ist ganz schön warm geworden. Meine Jacke wäre eigentlich nicht notwendig, aber immer wenn ich sie ausziehen will, kommt an ausgesetzten Stellen ein kalter Wind. Also lieber einmal mehr schwitzen als frieren.

Die Verpflegung ist, wie jedes Jahr, als Buffet in einem privaten Carport aufgebaut. Nachdem ich letztes Jahr hier in der Schlange fast verhungert wäre, geht es diesmal erstaunlich flott. Ich kann mich ausreichend stärken und bin leidlich ausgeruht, als Rolf erneut zum Aufbruch bläst. Gerade bin ich wieder im Schwung, als wir in einen privaten Hof einbiegen. Hier wohnen Traktorfreunde von Rolf und laden uns zum Umtrunk ein. Von dem Selbstgebrannten lasse ich aber lieber die Finger und schaue mir statt dessen die schöne Aussicht an. Hinter dem Haus führt dann ein netter Trail bergab.

Weiter geht es bergauf und bergab. Nach steilem Anstieg erreichen wir die Burg Windeck. Die Marathondistanz und die härtesten Anstiege liegen nun hinter uns. Bereits am Start hat Rolf angekündigt, dass es hier zusätzlich heiße Bockwürste geben wird. Es ist eine Spende des uns begleitenden DRKs, als Dank dafür, dass sie im letzten Jahr keinerlei Arbeit mit uns hatten. Beim Laufen esse ich für gewöhnlich keine Wurst. Aber zusammen mit einem Bier kann ich nicht widerstehen.

Jetzt geht auch das Laufen wie von selbst. Selbst bergauf habe ich nun weniger Probleme. Langsam wird es auch kühler, was mir heute entgegen kommt. Es geht nach Bühlertal hinunter und danach wieder hinauf. Im Weinberg führt die Strecke wellig weiter. Erstaunlich schnell kann ich den Kirchturm von Neuweier im Tal unter uns erkennen. Wir müssen aber erst noch oberhalb am Ort vorbeilaufen, um dann von der anderen Seite ins Zentrum zu gelangen. Mitten im Ort an der Kirche ist die letzte Verpflegungsstation aufgebaut.

Nachdem ich mich ausreichend gestärkt habe, suche ich unseren Kleiderbeutel. Wo ist eigentlich Norbert? Es ist schon recht dunkel und im Meer von gelben und orangefarbenen Warnwesten sind die Personen entsprechend schwer zu erkennen. Er ist noch nicht da: Unsere gemeinsame Tasche ist unberührt. Um in der einbrechenden Dunkelheit sicherer laufen zu können, ziehe ich jetzt meine Trailschuhe an. Jetzt sehe ich Norbert. Er hatte langsamere Läufer begleitet und ist eben erst angekommen. Wir streifen die obligatorischen Warnwesten über; die Stirnlampe nehme ich zunächst nur in die Hand. In diesem Moment wird auch schon zum Aufbruch gemahnt. Wir sind wohl etwas verspätet, denn um 18 Uhr werden wir auf dem Weihnachtsmarkt in Baden-Baden erwartet.

Während wir zügig bergauf gehen, bricht nun schnell die Nacht herein. Auf der Höhe angekommen, kann ich meinen Blick kaum abwenden: ein dunkles Meer unterbrochen von winzigen Lichtinseln liegt unter uns. Es ist angenehm kühl, so dass Laufen zum reinen Vergnügen wird. Nahezu schwerelos gleiten wir dahin. Mühelos kann ich jetzt auch auf den Steigungen folgen. Irgendwann geht es in den Wald. Da meine Weggefährten genügend Licht verbreiten, lasse ich meine Lampe aus.

Es wird zur unvermeidlichen letzten Pinkelpause angehalten. Ich genieße die dunkle Nacht mit den vielen Lichtern um mich herum. Schade, dass es bald vorbei sein wird. Dann geht es weiter. Spüre ich Tropfen? Tatsächlich - zu guter Letzt beginnt es zu regnen. Laut Wettervorhersage hätte uns das Regengebiet schon früher erreichen sollen. Daher ist auch keiner richtig böse darüber. Dank meiner dichten Jacke finde ich es auch gar nicht unangenehm.

Plötzlich hält Rolf die Gruppe an. Wir sind bereits kurz vor dem Parkplatz der Baden-Badener Kliniken, wo uns die Polizeieskorte schon erwartet. Ein paar kurze Worte von Rolf stimmen uns auf das nun Kommende ein. Wir laufen weiter. Wie versprochen empfängt uns das grelle Blaulicht und eine Leuchtschrift fordert uns auf: “Bitte folgen!“ Schemenhaft können wir erkennen, dass Polizisten die Straße sperren, um uns ein gefahrloses Überqueren zu ermöglichen. Dann folgen wir dem Vorausfahrzeug der L84 entlang.

Unten sind bereits die Lichter des Weihnachtsmarktes zu sehen. Die Gruppe der Walker erwartet uns am Eingang des Weihnachtmarktes. Sie sind eine Stunde vor uns an der Burg Windeck gestartet.

Der Einzug ins Lichtermeer des romantischen Marktes gleicht einem Triumphzug. Eigens für die Läufer hat man eine Gasse gemacht. An den Absperrungen stehen Zuschauer und spenden reichlich Beifall. Direkt vor der weihnachtlich erleuchteten Konzertmuschel kommen wir zum Stehen. Brigitte und Rolf werden auf der Bühne bereits erwartet. Während wir Läufer mit „Dambedeis“ (Hefemännchen), Punsch und Glühwein reichlich versorgt werden, kann Rolf die Spendenschecks übergeben. Insgesamt wurden heute 10.000 Euro erlaufen, die zu gleichen Teilen der Lebenshilfe Baden-Baden/Bühl/Achern sowie der Aktion Benni & Co zugute kommen.

„Gemeinsam starten, gemeinsam helfen, gemeinsam ankommen!“ Das Motto des Eisweinlaufs ist wieder voll aufgegangen. Um mich herum sehe ich nur strahlende Gesichter. Wir machen noch einen kleinen Gang über den Weihnachtsmarkt. In der Trinkhalle warten schon unsere Taschen und meine warme Jacke.

Nach der Rückfahrt zur  Tullahalle in Bühl-Vimbuch kann man sich noch duschen und frisch machen. Anschließend gibt es Nudeln satt für alle und später noch Kaffee und Kuchen. Zum Abschied erhält jeder ein Fläschchen Durbacher Rotwein und einen Weihnachtskaktus, dann machen Norbert und ich uns auf den Heimweg. Von der Übernachtungsmöglichkeit machen wir keinen Gebrauch.

Schön war es. Aber ich hatte bereits verdrängt, wie anstrengend es ist, 65 km zu laufen. Umso glücklicher bin ich, es gut geschafft zu haben.

Ein Gruppenlauf ist etwas Spezielles: Manchem sind die Pausen zu viel, oder es stört das ständige wieder anlaufen. Dem einen ist es zu schnell, dem anderen zu langsam. Nur mit gegenseitigem Respekt und Rücksichtnahme kann so ein Lauf gelingen. Dass das Konzept beim Eisweinlauf stimmt, zeigen die ständig steigenden Teilnehmerzahlen. Sein Hobby mit Gleichgesinnten auszuüben und noch etwas Gutes zu tun – herrlich. Und das nicht nur zu Weihnachten.

 


 
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