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Laufberichte

STON(e) WALL MARATHON

23.09.18 Special Event
 

Kroatien hat jede Menge zu bieten, auch sportlich. Das hat uns nicht zuletzt deren Fußball-Nationalmannschaft mit der Erlangung der Vizeweltmeisterschaft vor Augen geführt. Begeisternden Fußball haben sie gezeigt, die Modric, Rebic, Rakitic und Konsorten, ganz im Gegenteil zur grausamen Vorstellung unserer vermeintlichen Elitekicker. Ante Radic, der gerade unsere Fischplatte gegrillt hat, und jetzt mit einem Glas seines eigenen Weins plaudernd bei uns sitzt, bekommt glänzende Augen. Ja, auch die Wasser-, Hand-, Basket- und Volleyballer sind nicht von schlechten Eltern, die Tennisspieler stehen gerade im Finale des Davis Cup. Aber Marathon?

Seit über dreißig Jahren schon schiele ich gen Dubrovnik, quasi von der Perle an der Wied nach derjenigen an der Adria. Immer gab es genügend Gründe, es beim Schielen zu belassen, dann kam mein Kollege Daniel. „Hast Du schon mal vom Ston Wall Marathon gehört?“ Im Leben nicht, wo soll das denn sein? „50 km vor Dubrovnik!“ Die nächste Überlegung war nicht ob, sondern wie, also fliegen oder fahren. Nach 850 km, einer Übernachtung am Faaker See und weiteren 700 km zeigt uns Željko (bedeutet „das Wunschkind“), der ehemalige Kapitän auf großer Fahrt (Ante war sein 2. Offizier), unsere kleine Ferienwohnung im Herzen der uralten Altstadt. Keine Chance, sich nicht direkt pudelwohl zu fühlen.

In der Annahme, dass auch Ihr der Aufklärung bedürft: Im Süden der dalmatinischen Küste liegt, nur mit einem schmalen Isthmus (Landenge) mit dem Festland verbunden, die 75 km lange und bis zu 7,5 km breite Halbinsel Pelješac. Im 14. Jahrhundert rissen sie die Herren von Ragusa (heute Dubrovnik) an sich, weil diese Ecke als Eingang zu ihrem Territorium überragende strategische Bedeutung besaß. In den Folgejahren entstand ab 1333 eines der architektonischen Wunder der Adria, nämlich eine mittelalterliche Festungsarchitektur: Eine heute noch 5,5 km lange Mauer mit 41 Wehrtürmen und 7 integrierten Bastionen, welche die Städtchen Mali (Klein) Ston im Norden (150 Einwohner) und Veliki (Groß) Ston im Süden (550 Einwohner) verband und sicherte. Das erst nach mehreren Generationen im 15. Jahrhundert unter Beteiligung sämtlicher führender regionalen Architekten fertiggestellte Bauwerk galt seinerzeit als Höhepunkt der Festungsbaukunst.

Diese Mauer, über deren Zustand noch zu sprechen sein wird, ist natürlich Kern des örtlichen Tourismus. Dass ich von diesem Knaller als langjähriger Kroatienfahrer (wenn auch meistens im nördlichen Istrien) bisher noch nie gehört hatte, ist durchaus bemerkenswert. Tolle Küste, klares Wasser, dicht bewachsene Hänge (keine Selbstverständlichkeit nach den flächendeckenden Abholzungen durch die Venezianer und dem anschließenden Verwehen der Bodenkrume) sind weitere Vorzüge dieses herrlichen Stückchens Erde. Dass sich der Zuspruch zu dieser Laufveranstaltung dennoch in engen Grenzen hält, ist kaum zu glauben. Ein ungewöhnlich dickes Leistungspaket für kleines Startgeld sollte in Kombination mit der tollen Landschaft mehr als die letztjährigen 140 Finisher über drei Disziplinen (4 km, 15 km, Marathon) anlocken können.

 

 

Wie dem auch sei – am Samstag ab 12 Uhr ist Ausgabe der Startunterlagen, mitten im Herzen der kleinen Altstadt von Veliki Ston. Atemberaubende fünfzig Meter Fußweg trennen unsere Unterkunft von ihr. Würden wir die gebotenen Leistungen einzeln kaufen wollen, überstiege dies die 39 zu zahlenden Euro deutlich: Funktionsshirt, Rucksack, Salz aus Ston (auch dazu später mehr), eine Flasche Wein, Pasta Party, Mittagessen nach dem Lauf, frei herunterladbare Lauffotos, Medaille – was will man mehr? Noch nie erlebt und ablauftechnisch wirklich klug: Die vorbereiteten nummerierten Starterbeutel werden wie bei Rapunzel Stück für Stück aus einem Fenster im ersten Stockwerk heruntergelassen.

Ich komme mit den Cheforganisatoren ins Gespräch. Der Zagreber Željko Konosić mit einer  Halbmarathon-PB von 1:12 musste nach seiner karrierebeendenden Laufverletzung auf andere Gedanken kommen. Einer seiner Freunde wollte am Marathon auf der Großen Mauer in China teilnehmen und er fragte sich, warum so weit fliegen, wenn wir auch eine tolle Mauer unser Eigen nennen, über die man laufen kann, und dazu über eine beneidenswert tolle Gegend verfügen? Und man von hier aus in kurzen Entfernungen beeindruckende Sehenswürdigkeiten (Dubrovnik, Split, Insel Korcula, Mostar u.v.m.) ansteuern kann? Gesagt, getan. Das war die Geburtsstunde des Ston Wall Marathon, der heuer seine elfte Auflage erlebt. Leider leben die meisten kroatischen Langläufer im Norden des Landes, daher kommen die Teilnehmer (in diesem Jahr u.a. eine 36köpfige Reisegruppe aus Hong Kong) überwiegend aus dem Ausland. Und selbst die erscheinen in viel zu geringer Zahl wenn man bedenkt, was einem hier geboten wird.

Schon die Pasta-Party ist der Hit: Auf dem Platz der Startnummernausgabe werden um 19 Uhr zunächst in Selbstbedienung Getränke angeboten: Bier (ja, Joe, MIT Umdrehungen!), Apfelschorle, Cola und mehr. Dann gespannte Blicke auf den Tisch der Essenausgabe und einige, allerdings wenige, betretene Gesichter, denn es gibt – Muscheln! Gepaart mit frischem, knusprigem Weißbrot ein Gedicht. Hätte man uns die anschließend gereichten Nudeln mit Fleischsoße im Restaurant serviert, wären wir sensorisch durchaus einverstanden gewesen. Kurzum: Eine Pasta Party, wie wir sie noch nie erlebt haben – und wir haben schon viele erlebt -, unter freiem, mediterranem Himmel, warmer Temperatur und babylonischem Stimmengewirr. Einfach herrlich!

Früh ist die Nacht am Sonntag beendet, denn der Marathon wird bereits um 7:30 Uhr gestartet. Eine sinnvolle Maßnahme, denn die morgendlichen 22° werden bei eitlem Sonnenschein rasch auf deren 30 steigen. Die beiden anderen Disziplinen (Elke wird die 15 km unter die Füße nehmen) beginnen eine halbe Stunde später. Die Chinesen vollführen noch ein umfangreiches Aufwärmprogramm, die (vermutete) Bürgermeisterin hält eine flammende, zweisprachige (kroatische und englische) Rede, dann geht es zur Sache. Die Startaufstellung erfolgt auf der nach Mali Ston führenden Hauptverkehrsstraße, die in der Zeit, die wir für den ersten guten km benötigen, halbseitig gesperrt sein soll, jedoch hält sich nicht jeder daran. Ehrfurchtsvoll gehen die Blicke nach oben, denn wir können einen guten Teil unserer Laufstrecke auf der Mauer erkennen, und die wird es in sich haben. Die kurze Einlaufphase findet ihr schnelles Ende, als wir eingangs Mali Ston beim ersten der drei markanten Forts ankommen, welche durch die Mauer miteinander verbunden sind.   

 

 

Regional bekannt ist Mail Ston aber nicht nur wegen der Mauer, sondern v.a. wegen der hier betriebenen Muschel- und Austernzucht, auf welche die Einheimischen besonders stolz sind. Die sonst übliche Eintrittsgebühr von 70 Kuna (ca. 9,50 €) auf die Mauer müssen wir natürlich nicht entrichten, dafür geht’s direkt stramm aufwärts. Diesen Abschnitt rennen sicherlich nur die Führenden, meine Preisklasse, genauer gesagt praktisch alle, schleppen sich im Gänsemarsch steil über unregelmäßige Treppenstufen bergauf. Spätestens hier zeigt sich die Sinnhaftigkeit des heutigen Doppelstarts, denn die drei- bis vierfache Läuferzahl würde die Strecke ganz schön verstopfen. Traumhaft ist der Blick zurück aufs Städtchen, dessen Dächer und kleiner Hafen in der Morgensonne leuchten. Wohl dem, der sich diese Blicke genehmigt und nicht auf Teufel komm raus vorwärtshastet. Es sind die wenigsten.

Eigentlich geht es mir ein wenig zu langsam voran, wobei mir natürlich klar ist, dass das Rennen nicht hier gewonnen wird. Irgendwann drängle ich mich dann doch an meinem Vordermann vorbei. Es folgt eine fast flache Mauerpassage, auf der man ganz ordentlich laufen kann. Jedoch sind die Steine kaum (vielleicht noch nicht) verfugt, sodass man höllisch aufpassen muss, nicht hängenzubleiben. Überall sieht man Zeichen des starken Willens, diesen für den Fremdenverkehr essentiellen Schatz zu bewahren und wieder herzurichten. Da zahlt man den Eintritt gerne, wenn man sehen kann, wo er landet.

Dann erscheint zur Linken (Veliki) Ston in seiner ganzen Schönheit. Wer hier nicht wenigstens einige Augenblicke zum Schwärmen verweilt, dem ist nicht zu helfen. Der ultimative Blick bietet sich spätestens auf dem Abschnitte, der als mittlere Spitze eines W exakt über dem Städtchen liegt. Hinter ihm liegt zunächst die zweite Festung (die dritte auf dem Berg ist noch nicht wieder zugänglich), linkerhand die Bucht mit Hafen, rechts, von einem Sträßchen getrennt, die historische Salzgewinnungsanlage und damit der ganze Stolz Veliki Stons. Die Meerwassersaline ist seit der Antike (man sagt uns seit 4.000 Jahren) ohne Unterbrechung in Betrieb und stellt damit eine der ältesten erhaltenen Anlagen dieser Art im gesamten Mittelmeerraum, manche behaupten weltweit, dar. Für die Republik Ragusa war sie eine der Haupteinnahmequellen, deren Schutz die Mauer eben auch diente. Die Produktionsweise ist seit dem Mittelalter unverändert. Es handelt sich um einen natürlichen Salzgarten, bei dem das Salz durch natürliche Verdunstung von Meerwasser gewonnen wird. Natürlich sind Elke und ich die gesamte Mauer bereits in alle Richtungen abgegangen und haben durch das stete Auf und Ab 437 Höhenmeter unter Einlegung so mancher als Fotostopp getarnten Verschnaufpause ermittelt.

 

 

Allerdings heißt es jetzt aufzupassen, denn das Bergabstück nach Ston ist wirklich steil und die Folgen eines Sturzes wären fatal. Leider ist die Herrlichkeit des Mauerlaufs nach rund zwei km vorbei, man führt uns nun einige hundert Meter durchs Städtchen. Rechts hat man den ursprünglichen Verlauf der Mauer auf etwa einen Dreiviertelmeter Höhe angedeutet, dadurch hat man eine Vorstellung der Komplettanlage von früher 7,5 km Länge. Rechts steht das Ragusaer Verwaltungsgebäude mit der markanten Uhr im Giebel, links das Kirchlein des St. Blasius, der bereits vierte Bau nach diversen Zerstörungen. Schon haben wir Ston verlassen und sind wieder auf der Straße, auf der der Start erfolgte, jetzt allerdings in entgegengesetzte Richtung.

Die zweite Festung umrundend biegen wir, den kleinen Hafen zur Linken, auf die enge Straße ein, welche Bucht und Saline trennt. Hier erfolgt nach 4,5 km die erste Vollverpflegung: Wasser, Iso, Bananen, Kekse, Zitronenscheiben und Zucker. In Anbetracht der zunehmenden Wärme – ich bin bereits jetzt komplett durchnässt wie sonst nach zwei Stunden auf dem Laufband – nehme ich mir Zeit zum Verpflegen und trinke mindestens jeweils einen Becher Wasser und Iso. Wunderschön spiegeln sich die Berge im Salzwasser und wer zurückblickt, entdeckt auch große Teile der Mauer als Spiegelbild in der ganz ruhigen Bucht. Kurz bevor wir das 90 Einwohner-Dörfchen Broce betreten, geht’s rechts ab und damit wartet die zweite erhebliche Steigung auf uns. Natürlich habe ich das Streckenprofil studiert, das nach etwa 400 HM aussieht. Von meinen Trainingsläufen kenne ich aber das ständige Auf und Ab und kalkuliere eher mit deren 700.

 

 

Der Weg führt zum Weiler Pržina und zum Strand Kobaš, die wir aber beide nicht erreichen werden. Eine gut asphaltierte schmale Straße bietet sich uns, da sind mit Sicherheit jede Menge EU-Mittel angelegt worden. Überhaupt befindet sich die Infrastruktur Kroatiens in einem bemerkenswert guten Zustand, ich habe Vergleichsmöglichkeiten mit dem aus den mittleren Achtziger Jahren. Bemerkenswert ist auch die für Kroatien nicht unbedingt typische dichte Vegetation, die ein Laufen im Grünen erlaubt. Nach dem zweiten VP stehen rechts die Ruinen eines ehem. Wohnhauses und einer Kirche. Unklar bleibt, ob wir normale Alterserscheinungen vor uns haben, oder die Schäden im Befreiungskrieg Anfang der Neunziger Jahre bzw. beim letzten großen Erdbeben 1996 entstanden sind. In diesem Jahr wurden auch Ston und natürlich die Mauer inkl. der Festungen erheblich in Mitleidenschaft gezogen.

Rechts bieten sich traumhafte Blicke aufs Meer und die Küste. Es ist ein Jammer, dass die kleine Kamera das angesichts der für sie ungünstigen Lichtverhältnisse nur sehr eingeschränkt einfangen kann. Ein wunderschönes Panorama jagt das nächste. Ich überschreite den Wendepunkt des 15 km-Laufs, der die Läufer zurück nach Ston führen wird. Unserer wird gute fünf km dahinter, kurz vor dem Ende ostwärtigen Ende der Halbinsel Pelješac, liegen. Kurz nach der 10 km-Marke beginnen mir die Führenden entgegenzukommen. Wie immer ist das sehr kurzweilig und imposant zu beobachten, in welchem Tempo die Jungs unterwegs sind. Die spätere Gesamtfünfte wird am Ende in 3:51 Std. die einzige Frau sein, die vor mir das Ziel erreicht. Schön, dass fast alle gut gelaunt sind und in meine Kamera grinsen. Nach der dritten Verpflegung verlassen wir die Asphaltstraße nach rechts und wechseln auf einen Schotterweg. Der Vorjahressieger, ein Spanier, begegnet mir strahlend, er wird heute in 3:30 Std. Dritter werden. Der australische spätere Gewinner wird es bereits nach knapp 3:08 Std. geschafft haben. Christian Schreiner wird als Neunter in 4:02 Std. meine finstere Absicht vereiteln, schnellster Germane zu werden.

So mancher wird allerdings seine anfänglichen Ambitionen deutlich relativieren müssen, denn einige von denen, die mir jetzt noch fröhlich entgegenkommen, werde ich im späteren Verlauf einsammeln können. Noch etwas finde ich bemerkenswert: Die 210 Erfolgreichen über alle drei Distanzen (140 im vergangenen Jahr) stammen aus 19 unterschiedlichen Ländern! Nach 13,5 km bin auch ich am Wendepunkt angelangt und errege bei den gemütlich sitzenden Jungs Heiterkeit, als ich sie frage, ob sie denn noch könnten. Späßle gemacht. Diese wunderschöne Strecke darf ich jetzt zurückkehren und freue mich auf die chinesische Delegation bzw. deren Marathonteilnehmer. Alle grüßen, bedanken sich fürs Fotografiertwerden und sind überhaupt total nett.

 

 

Wieder vorbei am frisch angelegten Weinberg und den vielen tollen Aussichten, die ich ja schon von meinem Trainingslauf her kenne, komme ich nach vielen Aufs und Abs – auf denen uns übrigens tatsächlich die kroatische Bergwacht sichert! - wieder am Wasser an und habe nach 2:24 Std., etwas flotter als gedacht, Halbzeit. Der Median bei der letztjährigen, zehnten Ausgabe lag bei 4:58 Std., einer Zeit, die ich für mich als erstrebenswert und machbar erachte. Schön sind die Gärten der Häuser an der Bucht mit ihren Oliven-, Oleander-, Granatapfel- und sonstigen Bäumen. Dann habe ich nach rund 25 km Ston wieder erreicht und bin erfreulicherweise nicht auf Elke aufgelaufen, die ihre 15 km schon erfolgreich hinter sich gebracht hat.

An der Festung geht es jetzt nach links ein kurzes Stück auf dem Hauptverkehrsader der Halbinsel weiter, die man natürlich nicht hat sperren können. Hinter der attraktiven Palmenreihe biege ich auf einen Feldweg, die Straße des Napoleon, ab. Dieser hatte die Region 1805 erobert und war wegen der nach der Schlacht von Trafalgar an die Briten verlorengegangenen Seeüberlegenheit gezwungen, eine Straße inmitten der Halbinsel anzulegen, die gegen Beschuss von See her sicher war. Nach dem Wiener Kongress stellten sie die Österreicher fertig, die aber bekanntermaßen hier auch schon lange nichts mehr zu melden haben. Ich jedenfalls hadere mit dem Weg ein wenig. Zwar ist der Einstieg wie ein grüner Tunnel, schattig und lauschig, bald aber ist es mit der Herrlichkeit vorbei. Die Sonne brennt gnadenlos vom Firmament, der Untergrund ist schwierig zu belaufen und die ständigen Steigungen beginnen mir schwerzufallen. Da bin ich allerdings nicht der einzige, denn ich beginne, etliche Läufer einzusammeln, die noch langsamer unterwegs sind.

Nach zweieinhalb km ist diese Schinderei beendet und ich habe wieder Asphalt unter den Füßen, der mich bergauf nach Češvinica, einem 60 Einwohner-Dörfchen führt. Nach anderthalb weiteren und jetzt insgesamt 28,5 km beginnt die zweite, fünfeinhalb km lange Begegnungsstrecke auf einer breiten, asphaltierten und gut ausgebauten Straße. Allerdings, und das kommt auf dem Höhenprofil gar nicht so deutlich zur Geltung, geht es weiter munter rauf und runter, und das ist bei der heutigen Hitze eine echte Herausforderung. Dessen ungeachtet werde ich erneut mit tollen Panoramen belohnt, darüber hinaus kann ich wieder die Führenden beobachten, die zumindest äußerlich einen deutlich entspannteren Eindruck vermitteln als ich mich fühle. Zypressen bei Hodilje lassen einen in der Toskana wähnen, die Aussichten über die Bucht und den Eingang der Insel sind grandios. Allerdings lassen sie mich die Anstrengungen nicht vergessen, die Hitze ist mörderisch. Was jammere ich? Beim Badwater-Ultramarathon im US-amerikanischen Death-Valley über 217 km kämpfen sie tagsüber mit bis zu 50° Celsius.

 

 

Dann, unmittelbar vor dem Ortseingang von Duba Stonska, sind 35 km geschafft und ich darf den Rückweg antreten. Der natürlich nicht weniger anstrengend wird, aber ich gebe mein Bestes und genieße wirklich die atemberaubende Landschaft, auch wenn ich ganz schön platt bin und immer langsamer werde. Hilfreich ist für mich, dass ich gedanklich auf den letzten sieben km Elkes Standardstrecke um den Niederbreitbacher Sportplatz ablaufe, was den zu bewältigenden Rest schön plastisch macht. Luka hat einen tollen, kleinen Hafen, dem ich unbedingt noch einen Besuch abstatten muss. Nach 41 km darf ich an der Kreuzung, die mich auf diese Begegnungsstrecke geführt hat, geradeaus laufen. Noch sind längst nicht alle Läufer auf sie eingebogen, was werden die noch über Stunden in der Hitze leiden müssen!

Zwölfhundert Meter noch, das ist jetzt wirklich absehbar, und wenn ich mich recht erinnere, hat mich außer ganz am Anfang niemand überholt. Also geht es dem Rest mindestens genauso wie mir. Halleluja, das Stoner Ortseingangsschild ist erreicht! Schon ist die Festung in Sicht, bald darauf umrundet, ein Ordner begleitet mich netterweise ein paar Meter zum Haupteingang ins Städtchen. Dort steht Elke, frisch dekoriert und geduscht, und klatscht nicht als Einzige Beifall. Im Restaurant zur Linken zollt man ebenfalls Respekt, dann biege ich auf die letzten Meter des kurzen Zieleinlaufs ein. Es macht Pieps (Einwegchip im Schnürsenkel) und es ist vollbracht.

Noch bevor man mir die tolle steinerne Medaille umhängen kann – ein ganz besonderes Stück in meiner reichhaltigen Sammlung – mache ich einen auf Papst Johannes Paul II., knie nieder und küsse den kroatischen Zielbereich. Das Volk amüsiert sich natürlich und glücklicherweise komme ich ohne fremde Hilfe wieder auf die Beine. Der Rest ist Trinken, Trinken, Trinken. Essen kann ich leider nach einem Marathonlauf nie etwas direkt, so muss ich das leckere Nudelgericht mit Muscheln (anders als am Vorabend) stehenlassen. Eine Zwei-Mann-Combo spielt zünftige Musik, ansonsten gibt’s Flottes aus der Konserve. Jeder Einlaufende wird lautstark begrüßt und ich übergebe den Fotoapparat an Elke, um die 50 Meter in unsere Ferienwohnung zum Duschen zurückzulegen.

Wieder besser riechend beteiligen wir uns an der Party weiter und wohnen noch der Siegerehrung bei, auf der die beiden Schnellsten mit einer Reise zum Marathon auf der chinesischen Mauer überrascht werden. Diesen edlen Spender hätte ich auch gerne. Der  dritte große Becher Bier mit Umdrehungen gibt mir den Rest und ich verspüre den dringenden Wunsch nach einer gewissen Bettruhe, dem ich hemmungslos nachgebe. In der Horizontalen geht mir alles nochmals durch den Kopf und ich werde mir nochmal bewusst, was für eine tolle Veranstaltung das war. In 4:48 Std. bin ich übrigens 16. von 59 über die Marathondistanz geworden, die letzten beiden Finisher wurden in knapp acht Stunden gewertet. Sagenhafte 1.083 Höhenmeter hat Frl. Suunto ermittelt, das überrascht mich doch sehr. Auch wenn man die Teilnehmerzahl um 50% ggü. dem Vorjahr hat steigern können, bleibt Unverständnis, warum die Leute nicht in Scharen hierher strömen. Ich kann mir kaum eine perfektere Kombination aus Laufen, Kultur und Erholung vorstellen. Ist nicht gerade jetzt die richtige Zeit, den Urlaub fürs nächste Jahr zu planen?

 

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Streckenbeschreibung:
Interessante, abwechslungsreiche, mit fast einmaligen Abschnitten versehene Runde inkl. 1.083 Höhenmeter. Ausdrücklich wird auf das eben nicht existierende Zeitlimit hingewiesen („Wir warten im Ziel auf Dich!“).

Startgebühr:
39 bis 42 €, je nach Anmeldezeitpunkt, keine Nachmeldegebühr.

Weitere Veranstaltungen:
15 km, 4 km (Anlauf plus Mauer).

Streckenversorgung:
Wasser, Iso, Kekse, Bananen, Zitronen, Zucker.

Auszeichnung:
Für alle eine einmalig schöne Medaille, Urkunde (folgt per E-Mail), für die ersten je drei Männer und Frauen Sachpreise.

Leistungen/Logistik:
Funktionsshirt, Rucksack, Salz aus Ston, eine Flasche Wein, Pasta Party, Mittagessen nach dem Lauf, frei herunterladbare Lauffotos, tolle Medaille. Zehn Verpflegungspunkte.

Zuschauer:
Lediglich in Ston, aber wer braucht die in einer solchen Umgebung?

 


 
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